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auch für das Justinianische Recht kann sie nicht als eigentliche Definition gelten, da sie theils zu enge theils zu weit wäre. Es ergiebt sich das, abgesehen von anderem 1), schon daraus, daß man unter Umständen auch „sciens alienam rem" ufucapiren kann, dagegen bei Collusion mit dem Procurator nicht als bonae fidei emtor gilt, wie unten weiter auszuführen ist. Die Stelle ist somit nur eine von den vielen, in denen die Hauptfälle des Irrthums, der bei der bona fides in der Regel stattfindet, angeführt werden.

§. 4. Die Fides der Römer.

Giebt man die vermeinte Legaldefinition auf, so läßt sich der Begriff der bona fides nur aus dem Zusammenhange der einzelnen Aeußerungen und Bestimmungen über dieselbe feststellen. Dabei kann nun darüber wohl zunächst kaum ein Zweifel sein, daß die Grundbedeutung des Wortes „fides" nicht der „Glaube", sondern die „Treue" ist. Der Sprachgebrauch des Wortes bei den römischen Classikern ist neuerdings von M. Voigt 2) einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Es ist daraus ersichtlich, wie der Begriff der fides 3) aus dem der Treue in den des Trauens übergeht, und da= nach einerseits die Vertrauenswürdigkeit, also die Gewissenhaftigkeit und Redlichkeit bezeichnet, anderseits das wirkliche trauen, also Vertrauen oder Glauben schenken, wie in den Ausdrücken fidem alicui habere, facere, dare, afferre u. a. 4) In diesem Sinne sagt Cicero in der oben S. 14 angeführten Stelle, die fides, d. h. die allgemeine Redlichkeit und das sich darauf stüßende allgemeine gegenseitige Vertrauen, sei „fundamentum iustitiae." In derselben Weise kommen

1) S. darüber Burchardt, S. 310 ff. Windscheid, Pandekten. S. 176 n. 8.

2) Das ius naturale der Römer. 4, 377-390. Die Grundlage dafür hat schon Döderlein, lat. Synonymik. 5, 256.

3) Fides ist stammverwandt mit nɛidw (nw = fid). Curtius, griech. Etymol. S. 246. Corssen, Beitr. 227. Cicero's Erklärung (de off. 1, 7) „quia fit, quod dictum est, appellatam fidem" (Wächter S. 59) ist eine von den bekannten etymologischen Spielereien der Römer. Isidor, Orig. 8, 2. bringt sogar fit fides foedus zusammen.

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4) Darauf beruht auch das „fides est firma opinio“ bei Cic. orator. part. I. 3. Es wird erklärt durch die voraufgehenden Worte: (orator) inveniat, quemadmodum fidem faciat eis, quibus volet persuadere.

jene Ausdrücke auch noch in den Pandekten vielfach vor1). Daß aber fides so schlechthin und einfach den Glauben an irgend etwas bedeutet, ist erst durch das Christenthum gekommen durch Uebersehung der griechischen nious 2). Im Coder finden sich die Ausdrücke fides catholica, christiana und ähnliche allerdings schon ganz regelmäßig 3). Indessen wäre das berühmte Wortspiel des canonischen Rechts): „Quoniam omne, quod non ex fide est, peccatum est 5), - nulla valeat absque bona fide praescriptio" einem Römer doch noch unmöglich gewesen.

Auf dem alten classischen Begriffe von fides beruht nun auch der Ausdruck bona fides. Das Beiwort bona bedeutet dabei nur eine Steigerung des Begriffes der fides und den Gegensag zur mala fides, nicht eine besondere Art der fides. Es giebt nicht etwa drei Arten: bona fides, einfache fides, und mala fides, sondern fides und bona fides sind dasselbe, und mala fides ist ihre Negation. Die bona fides ist danach nichts anderes, als die Treue, Redlichkeit, Ehrlichkeit, Gewissenhaftigkeit im rechtlichen Verkehre. Der Begriff ist an sich in seiner eigentlichen Grundlage nur ein in sich einiger durch das ganze Recht hindurch, indessen versteht sich, daß in der Anwendung auf die verschiedenen Verhältnisse bei den verschiedenen Beziehungen bald die eine bald die andere Seite seines Inhalts mehr hervortreten kann, und wie es verschiedene Grade der Redlichkeit giebt, so auch verschiedene Grade der fides möglich sind. Daß aber der juristische Begriff der bona fides in Verbindung mit negotia und mit actiones ein anderer ist, als bei der subjectiven bona fides eines Besizers,"6) läßt sich nicht sagen. Der Ausgang der festen technischen Anwendung des Begriffes bona fides auf die Rechtsverhältnisse lag in der Fassung der formula: quidquid Nm Nm Ao Ao dare facere oportet ex fide

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1) Brisson. de V. S. sub v. Fides.

2) Krebs, Antibarbarus. S. 434.

3) Ifidor, Chron. p. 773, sagt: „fidem Christi suscipere, d. h. den Glauben an Christus.

4) C. 20 X. de praescriptionibus.

5) Dies ist Uebersehung aus dem N. Test. Römerbr. 14, 23: яãy đề, ô oùx Èx tíoτews, åμaptía ŝotív. Die Stelle ist öfter im canon. Rechte benußt, 3. B. c. 13 X. de rest. spol. (2. 13).

6) Wie Wächter (S. 59) meint.

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bona." 1) Der Ausdruc actio bonae fidei ist nur eine spätere abbreviirte Bezeichnung für das, was Cicero 2) nach weitläufiger iudicia, in quibus additur ex fide bona" nennt, und erst aus der actio b. f. ist dann weiter wieder der Ausdruck negotium b. f. gebildet. In der formula haben nun aber die Worte „ex fide bona“ unzweifelhaft die subjective Bedeutung, schon an sich und weil sie aus der alten Formel uti ne propter te fidemve tuam captus fraudatusve siem3) hervorgegangen sind. Wenn die Sache objectiv bezeichnet werden soll, so heißt es ex bono et aequo", so bei Gai. 3, 137:

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alter alteri obligatur de eo, quod alterum alteri ex bono et aequo praestare oportet.

und in §. 30 J. de action.

In bonae fidei iudiciis libera potestas permitti videtur ex bono et aequo aestimandi, quantum actori restitui debeat.

Dem objectiven ex bono et aequo praestare steht daher parallel das subjective bonam fidem praestare, wie diligentiam, culpam, dolum praestare. So heißt es vom negotiorum gestor, er müsse „et bonam fidem et exactam diligentiam praestare", vom Verkäufer: „non solum bonam fidem sed etiam diligentiam", vom Protutor: „,eandem fidem et diligentiam quam tutor") u. s. w. Natürlich wird das Maaß der zu prästirenden bona fides objectiv nach Billigkeit, aequitas, bestimmt, und insofern bekommt der Begriff dann auch eine objective Bedeutung. Von diesem Standpunkte aus sagt Tryphoninus:5)

Bona fides, quae in contractibus exigitur, aequitatem summam desiderat; sed eam utrum aestimamus ad merum ius gentium, an vero cum praeceptis civilibus et praetoriis?

und danach wird dann die Frage, ob das Depositum eines Verbrechers nach der Confiscation seines Vermögens nach bona fides an ihn oder den Staat zurückzugeben sei, so entschieden:

si tantum naturale et gentium ius intuemur, ei qui dedit restituenda sunt, si civile ius et legum ordinem, magis in publicum deferenda sunt.

1) Gai. 4, 47. Statt „Nm Ao" konnte es auch heißen „alterum alteri“: L. 5 de oblig. „quod alterum alteri ex bona fide praestare oportet."

2) Cic. de. off. 3, 15. 17. top. 17, 66.

3) Cic. de offic. 3, 17. Vgl. Bethmann-Hollweg, d. röm. Civilproc. 1, 64. 165. 4) Paul. sent. rec. 1, 4, 1. L. 68 pr. D. 18, 1. L. 4 D. 27, 5. Aehnlich

L. 18 de neg. gest. Gai. 3, 155.

5) L. 31 D. depositi.

§. 5. Die bona fides bei den Verträgen.

Geht man nun näher darauf ein, den rechtlichen Inhalt des Begriffes bona fides als Redlichkeit und Ehrlichkeit genauer zu bestimmen, so ist grade hier hauptsächlich der Punkt, wo Wächter's und meine Ansicht wesentlich aus einander gehen und verschiedene Richtungen einschlagen. Wächter sagt, (S. 59, 60) es sei mir „darin beizustimmen, daß der Gedanke, welcher unsern Quellen bei der bona fides gleichmäßig zu Grunde liegt, der des redlichen Vertrauens, redlicher, ehrlicher Gesinnung ist“, allein er meint, ich trage „in diese Grundbedeutung noch ein Moment hinein, das nicht in ihr liegt, das der Ueberlegung; eine redliche ehrliche Gesinnung kann auch bei dem vorhanden sein, welcher unüberlegt handelt".

Nun ist bereits oben S. 74 eingeräumt, daß es allerdings schon eine Art und Stufe von Redlichkeit ist, wenn man nur nicht mit Bewußtsein und Absicht unrecht handelt, also nicht absichtlich seine Pflichten vernachlässigt, fremde Sache kauft u. dgl. Allein ebenso ist bereits geltend gemacht, daß nicht nur die Moral sondern auch schon die rechtliche Ethik die Forderung einer höheren Art von Redlichkeit kennt, nämlich daß man Ueberlegung anwende um Unrecht zu vermeiden, daß man sich also nicht beim ersten Anscheine der Erlaubtheit beruhigt, und darauf los glaubt, was einem das vortheilhafteste ist, sondern nur einem nach redlicher Ueberlegung gewonnenen Glauben sich hingiebt. Ob aber die Römer unter ihrem Begriffe von bona fides die eine oder die andere Stufe der Redlichkeit verstanden haben, das läßt sich nicht so a priori aus den Begriffen des irrens und glaubens, und der Redlichkeit im allgemeinen feststellen, sondern nur aus der Art und Weise, wie die Römer die bona fides wirklich practisch behandelt haben. Dabei darf man sich aber nicht von vorne herein auf die Anwendung der bona fides bei der Usucapion beschränken, sondern muß den Begriff allgemein nehmen, und von seiner Anwendung auf die Verträge ausgehen. Denn der Begriff ist in der Grundlage derselbe, und beide stehen in enger Verbindung, da die Verträge die causa für die Usucapion bilden, und daher namentlich, wie unten zu zeigen ist, das bona fide emere und possidere ganz in einander übergehen.

Daß nun aber bei den Verträgen das „Moment der Ueberlegung von dem Begriffe der bona fides nicht ausgeschlossen werden

darf, das läßt sich wohl nicht leicht in Abrede stellen. Es folgt im allgemeinen schon daraus, daß der Gegensatz von bona fides der dolus ist, dieser aber die culpa lata mit unter sich faßt, somit zur bona fides die Abwesenheit der lata culpa gehört. Sehr scharf und entschieden wird demgemäß die „Ueberlegung" in folgender Stelle mit in den Begriff der bona fides hereingezogen: 1)

Quod servus deposuit, is, apud quem depositum est, servo rectissime reddet ex bona fide; nec enim convenit bonae fidei, abnegare id quod quis accepit, sed debebit reddere ei a quo accepit, sic tamen si sine dolo omni reddat, hoc est ut nec culpae quidem suspicio adsit. denique Sabinus hoc explicuit addendo: „nec ulla causa intervenit, quare putare possit, dominum reddi nolle". hoc ita est, si potuit suspicari, iusta scilicet ratione motus, ceterum sufficit, bonam fidem adesse.

Die Stelle ist von Ulpian und in mehrfacher Beziehung intereffant. Sie zeigt zunächst, in wie enger Verbindung sich die Römer das Princip der culpa und diligentia mit der bona fides dachten, die Abwesenheit einer bewußten und absichtlichen Unredlichkeit keinesweges für genügend hielten, vielmehr eine positive redliche Ueberlegung der Umstände dafür forderten (causa, quare putare possit), wie sie aber auch anderseits nichts unbilliges verlangen, sondern nur die Berücksichtigung gerechter Gründe (iusta ratione motus), kurz eben nur bona fides (caeterum sufficit bonam fidem adesse). Das Princip, was hier für den Begriff der bona fides ausgesprochen ist, muß bei uns für den Begriff der Redlichkeit grade ebenso bestimmt werden. Sobald man nur erst einmal von der falschen Ueberseßung „guter Glaube" vollständig abstrahirt, kann man sicher kaum ein Bedenken tragen, für die wahre Redlichkeit bei Verträgen auch eine gewisse Ueberlegung zu fordern. Oder sollten wir wirklich eine andere Ansicht von Redlichkeit haben, als wie Celsus in Uebereinstimmung mit Ulpian in der viel besprochenen Stelle über die f. g. culpa in concreto (L. 32 depositi) ausspricht:

Quod Nerva diceret, latiorem culpam dolum esse, mihi verissimum videtur; nam etsi quis non ad eum modum, quem hominum natura desiderat, diligens est, nisi tamen ad suum modum

1) L. 11 depositi.

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