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Hier im Hause ihres Onkels konnte Anthemia nun auch in reichlichem Maße ihre häuslichen Tugenden und Geschicklichkeiten entfalten. Die Tante war leidend: daher ließ es sich die doch ganz und gar im Zauberlande der Musik webende Nichte nicht nehmen, alles, was einer Hausfrau zu tun obliegt, mit Liebenswürdigkeit und Ausdauer zu vollführen. Edgar bewunderte im stillen, wie sie dabei in allem den vollendetsten Geschmack und Feinsinn offenbarte. Ein wahres Freudenmeer bereitete sich in dieser Kaiserstadt vor den entzückten Augen der Liebenden aus.

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Nach den Genüffen der Tafel liebte es Anthemias Tante zu ruhen, während der Oheim seinen Berufspflichten nachging. Damit erschien für Anthemia und Edgar die ersehnte Zeit des Alleinseins. Dann fand der geheimste Gedankenund Gefühlswechsel statt; da erschloß sich immer mehr ihr innerstes Wesen voreinander. Die Stunden vergingen dann wie Minuten- und nie schien ihre gegenseitig fesselnde und anregende Unterhaltung ein Ende nehmen zu können.

In Edgar war nunmehr ein Entschluß zur Reife ge= kommen.

Das Leben beider in Wien floß in fast gleichmäßiger Annehmlichkeit dahin. Während Anthemia in der Vormittagszeit zu Hause vollauf beschäftigt war, benußte Edgar diese Stunden, um all die Stätten aufzusuchen, denen das Walten des Genius Beethoven unsterblichen Glanz verliehen hatte.

Der junge Künstler suchte insbesondere die Wohnstätten des verklärten Meisters auf, so in der Alstergasse, am Laufgraben, auf der Mölker Bastei, in der Pfarrgasse, Ungergasse, Vorstadt Leimgrube und vor allem die Sterbewohnung Beethovens im Schwarzspanierhause am Glacis der Vorstadt Währing.

Dann wurden alle naheliegenden Ortschaften durchwandert, deren prachtvolle Naturschönheit den Meister so oft und so fruchtreich entzückt hatte. Manche Poetensize suchte

Edgar namentlich in Mödling (Hafnerhaus), in Hehendorf mit dem Schönbrunner Schloßgarten, in Heiligenstadt mit dem Kahlenberg und in Grinzing auf.

Die Wiener Gemütlichkeit kam Edgar dabei wohl zu statten. Er besuchte oft genug Kaffeehäuser, suchte sich besonders altersgraue Leute aus, knüpfte eine Unterhaltung mit ihnen an und lenkte dann in schier diplomatischer Feinheit das Gespräch auf Beethoven. Wie schwoll dann sein Herz vor Entzücken an, wenn manch ein ehrwürdiger Greis unwillkürlich andachtsvoll die Hände faltete und von Lob, Preis und Segen ob des Hauptstolzes der Kaiserstadt überströmte. Unauslöschlich, so erzählte mancher, hatte sich das Bild des sinnend, wie erdentrückt einherschreitenden Mannes ihrer Vorstellung eingeprägt.

Von der Mittagszeit an durfte Edgar in Gemeinschaft mit Anthemia die schönsten Herrlichkeiten Wiens, wozu in erster Reihe der Stephansdom und die Belvedere - Galerie gehören, sattsam bewundern. Zuweilen durchwanderten fie des Nachmittags auch allein die glänzenden Straßen Wiens und ergößten sich an der Fröhlichkeit des Volkes und an der Pracht der Bauten.

In vorgerückterer Tagesstunde fanden sich in Anthemias Behausung gewöhnlich Gäste ein, so daß man sich teils zu Hause belustigte, dabei viel Musik trieb, teils mit den Gästen einen gemeinsamen Ausflug unternahm, teils auch ein Konzert oder ein Theater mit ihnen besuchte. Beethovens Fidelio ließ man sich wahrlich nicht entgehen.

So waren etwa vierzehn Tage in einem ununterbrochenen Freudenrausche für Anthemia und Edgar dahingeflossen. Edgar wollte nach einigen Tagen Wien verlassen.

Eines Tages forderte er Anthemia auf, mit ihm einen Spaziergang nach dem Währinger Kirchhofe zu unternehmen. Anthemia willigte ein, während ihre leuchtenden Augen denen Edgars begegneten.

Er sah sie so ruhig und doch so beredt an, daß ihre Seele von einer unaussprechlich füßen Ahnung ergriffen ward. Fast unter völligem Stillschweigen wurde der Weg nach dem Währinger Gottesacker zurückgelegt.

Eine feierliche Stille herrschte auf dem Kirchhofe.

Edgar führte Anthemia umher und machte sie auf manch ein denkwürdiges Grab aufmerksam, das dann von ihnen mit Blumen geschmückt ward.

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Endlich blieben sie vor dem Grabhügel Beethovens stehen. Anthemia pflanzte hier abermals Blumen hinein. staunt blickte sie auf Edgar, in dessen Zügen sie eine eigene Weichheit wahrnahm.

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Endlich erfaßte Edgar beide Hände Anthemias und sprach in feierlich gehobenem Tone also zur Königin seines Herzens: Hören Sie mich jezt an! Anthemia. Sie wissen es, wie unendlich ich den Mann verehre, an dessen Grabe wir hier stehen. Sie kennen die unerschütterliche Wahrheitsliebe dieses Meisters, Sie kennen auch sein unverbrüchliches Festhalten an der Treue in Freundschaft und Liebe. Wäre ich kein wahrheitsliebender Mann, ich wäre wahrlich ein falscher Verehrer Beethovens! Huldigte ich nicht der vollsten Treue in der Freundschaft wie in der Liebe, ich wäre unwürdig, mich einen echten Jünger dieses Unsterblichen zu nennen. O meine Anthemia! es konnte Ihnen nicht verborgen bleiben, wie tief, wie unsterblich ich Sie liebe und verehre. Dieses Bekenntnis aber habe ich darum so lange mit schwerer Mühe unterdrückt, weil ich Ihnen ein Zeichen der höchsten Wahrhaftigkeit dieses beseligenden Gefühls geben wollte. Sie werden nicht glauben können, daß ich hier am Grabe des Mannes, der mir als der höchste unter allen hehren Geistern dasteht, ein so heiliges Gefühl heucheln könnte, oder daß es nicht in unzerstörbarer Macht meine Seele gefangen hielte. Damit habe ich Ihnen das Geheimnis meiner Seele ausgesprochen. Jett frage ich Sie hier im Angesichte des Namens Beethoven,

der hohe Liebe, Wahrheit und Treue bedeutet: haben Sie Ihr Herz so weit geprüft, daß Sie mir die seligste Glückverheißung tun können, die mein Wesen so unabweisbar verlangt? Können Sie mir an so heiliger Stätte offen eingestehen, daß Sie mich lieben, Anthemia? wahrhaft lieben? von ganzem Herzen? von ganzer Seele? Trauen Sie sich die Kraft zu, mir in unwandelbarer Treue zugetan zu sein? Antworten Sie mir ohne Rückhalt, Anthemia. Hier will ich mein Seelenheil aus Ihren Händen empfangen.

Anthemia hatte gesenkten Blickes zugehört.

Nach einem kurzen, langen Stillschweigen sprach sie leise vernehmlich, indem sie sanft zu Edgar emporsah:

Ja, Edgar; ich will das Weib sein, das Sie in Liebe und Treue auf all Ihren Wegen des Lebens, des Ringens und Kämpfens begleiten soll. Edgar, mein Edgar! Du einzig Geliebter meiner Seele! Du allein sollst ewig darin thronen. Hier am Grabe Beethovens gelobe ich Dir solches heilig in voller Seligkeit.

Ein himmlisches Maß der reinsten Glückseligkeit umschlang hier die Gemüter zweier Liebenden.

Hast Du mich auch wahrhaft lieb, Anthemia? fragte Edgar noch einmal mit unendlich weicher Stimme. Sag's noch einmal, damit ich das süße Bekenntnis für alle Zeiten bewahre. Von ganzem Herzen lieb' ich Dich, mein Edgar, war Anthemias überglückliche Antwort.

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Da küßte Edgar seine Anthemia mit Herzensinnigkeit. Es war der ewig bindende Kuß der Liebe. Lange, lange hielten sie die Lippen fest aufeinander gepreßt, als sollten mit diesem Kusse ihre Seelen für alle Ewigkeit ineinander fließen.

Und der Name „Beethoven" warf seinen goldigen Schimmer auf diese selige Gruppe.

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Erstes Kapitel: Ein Konzertabend

Zweites Kapitel: Eine griechische Insel .

Drittes Kapitel: Eigenartige Entwickelung eines Lebens

Seite

1

8

14

Viertes Kapitel: Das Wunder der Beethovenschen Tonmacht. 39

Fünftes Kapitel: Das Evangelium Beethovens.

moll-Sonate

Sechstes Rapitel: Ein liebendes Weib

Siebentes Kapitel: Die A-dur Symphonie.

Wittigs Beethovenbüchern

Achtes Kapitel: Neue Leiden.

Lebensweisheit

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Neuntes Kapitel: Die Charakterherrlichkeit Beethovens
Zehntes Kapitel: Eine russische Stadt .

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Schluß. 265

Zwölftes Kapitel: Auf dem Währinger Kirchhofe. — Schluß

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