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gilius 15) und Varius 16), um andere zu übergehen 17), bekannt geworden, wurde er von diesen dem Gönner der Litteratur C. Cilnius Maecenas 18) empfohlen, welcher ihn zuerst im Jahre 39 sich vorstellen, dann volle neun Monate unbeachtet liess, bis er ihn im Frühling 38 wieder einlud und bald zu seinen innigsten Freunden zählte. 19) So liess er schon 37 sich von ihm auf der sat. I 5 beschriebenen Reise nach Brundisium begleiten, als er zum Antonius als Unterhändler eines Friedensvertrages abgeschickt war. Wenige Jahre darauf bereitete er ihm durch Schenkung des Sabiner Landgutes eine sorgenfreie Lage, so dass er nunmehr sich seinen poetischen Neigungen ungestört widmen konnte. Das Gut, beschrieben epist. I 16 u. sat. II 6 Anfg., lag einige Meilen nordöstlich von Tibur (Tivoli), näher Varia, jetzt Vicovaro (epist. I 14, 3), und dem Dorfe Mandela, jetzt Bardella (epist. I 18, 105), an dem Bache Digentia (Licenza), welcher sich oberhalb Varia in den Anio (Aniene oder Teverone) ergiesst. Von benachbarten Bergen wird carm. I 17 der Lucretilis, eben daselbst das Thal Ustica genannt. Erwähnt wird seine Villa zuerst sat. II' 3, 10.20) Das Gut war aus fünf Bauerhöfen zusammengeworfen und gross genug, um darauf einen vilicus und ausser mehreren Dienerinnen und Hausdienern acht Sclaven zu Feldarbeiten, vielleicht auch eine vilica halten zu können.21) Aus Suet. vit.,,vixit plurimum in secessu ruris sui Sabini aut Tiburtini, domusque ostenditur circa Tiburni luculum" schliessen Einige, dass er noch zu Tibur eine Villa oder ein Haus besessen habe. Wäre das der Fall, so würden wir wohl von ihm selbst Bestimmteres darüber wissen, zumal da er Tibur zu seinen Lieblingsorten rechnet 22), auch aus carm. IV 2, 30 u. epist. I 8, 12 sich auf öfteren Aufenthalt daselbst schliessen lässt. Sicher dagegen hat er in Rom ein Haus besessen; er erwähnt es sat. I 6, 114 ff. und sagt, das er daselbst drei Diener zur Aufwartung gehabt habe.

15) Ueber ihn s. zu carm. I 3.

16) S. zu carm. I 6.

17) So Plotius sat. I 5, 40 u. 10, 81. Viscus sat. I 9, 22. 10, 83 (hier Viscorum uterque). II 8, 20. Valgius sat. I 10, 82. carm. II 9, 5. Aristius Fuscus sat. I 9, 61 ff. 10, 83. c. I 22, 4. epist. I 10,1 ff. Fundanius sat. I 10, 42. II 8, 19. Andere s. sat. I 10, 85 ff.

18) Ueber ihn s. zu carm. I 1.

19) S. sat. I 6, 54 ff. II 6, 40 ff.

20) S. ferner carm. II 18, 14. III 1, 47. 16, 29.

21) Vgl. epist. I 14, 1 ff. carm. IV 11, 10. sat. II 6, 66. 7, 118. carm. III 23.

22) S. carm. I 7, 13. 18, 2. II 6, 5.

Horatius I. 2. Aufl.

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Mit Augustus ist er erst durch Maecenas bekannter geworden; auch scheint er eine gewisse Scheu, wenn nicht Abneigung gegen ihn vor dem Actischen Kriege nicht überwunden zu haben. In reiferen Jahren überzeugte er sich von der Unhaltbarkeit der republikanischen Zustände und erkannte in Augustus den Wiederhersteller des Staates. Die glorreiche Ueberwindung des Antonius, die verständige innere Verwaltung, namentlich wohl die mit Agrippa gemeinschaftlich 28 u. 27 ausgeführten bedeutenden Reformen, auf welche in den Gedichten zahlreiche Beziehungen sich finden, werden das Ihrige gethan haben, ihn mit der neuen Ordnung der Dinge auszusöhnen. Auch dass seinen alten Freunden, selbst denen, die sich hartnäckiger als er gegen die Alleinherrschaft gesträubt hatten, Amnestie ertheilt und Rückkehr in die Heimath zugestanden war, musste günstig auf seine Stimmung wirken. Zugleich konnte der Ruhm der Römischen Waffen, der sich bald auch ohne Kriege überall wie nie zuvor Geltung verschaffte, die Sicherung und Erweiterung der Reichsgrenzen durch Unterwerfung bisher unbezwungener Völkerschaften in Spanien, in den Alpen-, Donau- und Rheingegenden nicht verfehlen, auf sein patriotisches Gefühl einen tiefen Eindruck zu machen. Wenn er demnach in seinen Gedichten und später in den Briefen die Erfolge, Siege, Triumphe Caesars nicht selten verherrlicht, ja ihn gleich seinem Vorbilde Romulus göttlicher Ehrenbezeugungen für würdig erachtet, so ist er darin nicht über die Anschauungen und Gewohnheiten seiner Zeit hinausgegangen; ja wenn man mit seiner im Ganzen kühlen Haltung die kriecherischen Huldigungen des Senats vergleicht, so wird man ihm die Anerkennung eines ehrenhaften Charakters nicht versagen. Dass er durch des Augustus Freundschaft für sich nichts oder doch nicht viel hat erwerben wollen, ist schon daraus zu entnehmen, dass er die von Augustus angebotene, gewiss ebenso einflussreiche wie einträgliche Stelle eines Privatsecretärs, der beständig in seiner Umgebung sein sollte 23), ohne Zaudern ausschlug, wohl nicht nur wegen seiner schwachen Gesundheit, sondern auch um sich seine Freiheit zu bewahren. Auch gegen sonstige Annäherungen des Kaisers verhielt er sich so spröde, um nicht zu sagen unhöflich, dass dieser ihm vorwerfen konnte, er habe seine Freundschaft hochmüthig verschmäht, oder fürchte wohl gar, dass sie bei der Nachwelt ihm Schande einbringen könne. 24) Direct zu Augustus'

23) Suet. vit. veniet igitur ab ista parasitica mensa ad hanc regiam et nos in epistulis scribendis adiuvabit.

24) Suet. vit. exstant epistulae, e quibus argumenti gratia pauca

Ehren sind wenige Gedichte verfasst, von den Oden namentlich einige des vierten Buches, von den Episteln II 1. Die grösste Ehre widerfuhr ihm im Jahre 17 dadurch, dass Augustus ihn mit der Abfassung des Festgedichtes zu den Saecularspielen betraute. Von seinem ferneren Leben ist nicht viel zu sagen. Der Kreis seiner Freunde war ziemlich ausgedehnt; die innige Freundschaft zu Maecenas dauerte bis zu ihrem Tode, wie denn das treue (auch unerschrockene) Festhalten an seinen alten Freunden einen der schönsten Lichtpunkte seines Charakters bildet. Verheirathet war er nicht; von Liebesverhältnissen geben die Gedichte Zeugniss, wenn auch nicht Alles darin ernst zu nehmen ist. Dass er früh ergraute, auch von seinen Jugendjahren her an den Augen litt, später viel kränkelte und zur Hypochondrie neigte, ist aus manchen Gedichten zu ersehen. Ueber seine kleine, wohlbeleibte Gestalt spottet er selbst mitunter; desgl. nach Suet. vit. Augustus, der ihn in einem Briefe mit einem sextariolus verglich. Den Tod des Maecenas, der ihn in seinem Vermächtniss dem Augustus empfahl 25), überlebte er nur um einige Wochen. Er starb im beinahe vollendeten 57. Lebensjahre den 27. November 8 v. C., nachdem er den Augustus zum Erben ernannt hatte, während, wie Suet. hinzufügt, seine Kräfte für die Versiegelung der Testamentsurkunde nicht ausreichten. 26) Begraben wurde er in den Esquilien neben dem Grabhügel des Maecenas.

Ueber die Abfassungszeit und Reihenfolge der Gedichte sind seit Bentley und Masson so gründliche Untersuchungen angestellt, dass über eine nur geringe Zahl gewichtigere Zweifel übrig bleiben. Da in den Satiren 27) des Triumphes nach dem Actischen

subieci: sume tibi aliquid iuris apud me, tamquam si convictor mihi fueris; recte enim et non temere feceris, quoniam id usus mihi tecum esse volui, si per valetudinem tuam fieri possit. et rursus: tui qualem habeam memoriam, poteris ex Septimio quoque nostro audire; nam incidit, ut illo coram fieret a me tui mentio. neque enim, si tu superbus amicitiam nostram sprevisti, ideo nos quoque аv Тνлεоуооvovμev. Derselbe schrieb nach Lesung einiger Sermonen an H.: irasci me tibi scito, quod non in plerisque eius modi scriptis mecum potissimum loquaris; an vereris, ne apud posteros infame tibi sit, quod videaris familiaris nobis esse?

25) Horati Flacci ut mei esto memor bei Sueton.

26) herede Augusto palam nuncupato, cum urgente vi valetudinis non sufficeret ad obsignandas testamenti tabulas. Dazu vgl. Schweppe Röm. Rechtsgeschichte u. Rechtsalterthümer § 448.

27) Der Ausdruck satura (so richtiger als satira) kommt bei H. vor sat. II 1,1 u. II 6, 17. In den Hsch. und bei den alten Grammatikern heissen sie sermones, welchen Namen H. mitunter ohne Unterschied von

Kriege nirgends Erwähnung geschieht, so waren sie sicher im Jahre 29 schon abgeschlossen. Anderseits ist sat. II 5, 62 ff. mit ziemlicher Bestimmtheit auf die grossen Land- und Seethaten Octavians, also auf die Schlacht bei Actium, auch wohl die Eroberung Aegyptens hingewiesen; desgleichen werden dort ähnlich wie sat. II 1, 15 die Parther in einer Weise angeführt, dass man nothwendig an Octavians Einmischung in deren Thronstreitigkeiten vom J. 30 und 29 denken muss. Denn vor dieser Zeit fielen die Parthischen Angelegenheiten ausschliesslich in des Antonius Machtgebiet; und es wäre eine durch nichts gerechtfertigte Schmeichelei gegen Octavian und selbst eine Beleidigung des Antonius gewesen, jenen als iuvenis Parthis horrendus zu bezeichnen. Somit fällt die Herausgabe des zweiten Buches der Satiren wahrscheinlich in die zweite Hälfte des Jahres 30 oder Anfang 29 v. C., da der Triumph des Octavianus selbst im Monate Sextilis, d. h. August, desselben Jahres stattfand. Nun sind aber beide Bücher Satiren nicht zugleich veröffentlicht; denn in der ersten des zweiten Buches ist eine directe Beziehung auf die Herausgabe des ersten enthalten. Die zuverlässigen historischen Angaben dieses gehen aber nicht über das Jahr 35 v. C. hinaus, wenn auch I 4 u. I 10 von Manchen später angesetzt werden, I 10, 45 u. I 1, 114-116 eine Bekanntschaft mit den erwiesener Massen erst 30 oder Mitte 29 vollendeten georgica Vergils verrathen, ja die zweite Stelle geradezu eine Nachahmung von Vergils georg. I 512-514 zu sein scheint. Mag das erste Buch der georgica, wie Einige (freilich wenig wahrscheinlich) wollen, von den übrigen gesondert veröffentlicht sein, oder mag H. durch den befreundeten Dichter schon Manches vor Vollendung des Ganzen gekannt haben, oder, was das Wahrscheinlichste ist, mögen beide Dichter dasselbe nahe liegende Bild, bei dem ihnen Hom. Il. 23, 323 ff. vorschweben konnte, von einander unabhängig gebraucht haben: jedenfalls sind jene Beziehungen zu allgemeiner Art, um ein bestimmtes Resultat daraus zu ermöglichen; die I 10, 45 genannten gaudentes rure Camenae aber können an sich ebenso wohl auf die bucolischen Gedichte gedeutet werden. Bedeutender ist, dass das Sabinum erst II 3, 10 erwähnt wird, welche Satire an den Saturnalien (V. 5) nicht vor 33, als M. Agrippa die Aedilität verwaltete (s. V. 185), geschrieben ist. Darnach ergiebt sich

den Satiren wie von den Episteln gebraucht hat, um zu bezeichnen, dass sie der Prosa näher stehen als der höheren Poesie. Vgl. sat. I 4, 42 u. 48. 10, 11 u. 23. II 2, 2. 3, 4. epist. I 4, 1. II 1, 4 u. 250. 2, 60. a. p. 81. 95. 229.

mit einiger Wahrscheinlichkeit als Zeittermin für den Abschluss des ersten Buches der Satiren das Jahr 34 oder 35 v. C. Noch bestimmter lässt sich über die Epoden urtheilen, deren historische Angaben nicht über das Jahr 30 hinausgehen, die also mit dem 2. Buche der Satiren gleichzeitig oder kurz nach demselben herausgegeben sein werden.

Dass H. schon vorher einzelne Oden 28) verfasst hat, lässt sich nicht in Abrede stellen; auch stehen manche Epoden denselben im Ton und Gedanken sehr nahe. Vermuthlich waren die ersten lyrischen Versuche nicht viel mehr als freie Uebertragungen von Gedichten, besonders erotischen, des Anacreon, des Alcaeus, der Sappho u. A., wie das an einer nicht unbeträchtlichen Zahl noch jetzt zumal in den Anfängen leicht erkennbar ist. Auch ist es nicht unwahrscheinlich, dass H., bevor er lateinische Oden dichtete, sich in der griechischen Sprache versucht habe. Dafür spricht carm. I 32, 3 und besonders sat. I 10, 31 ff., wo er es sogar ausdrücklich bezeugt. 29) Die Grossartigkeit und Kühnheit der dorischen Lyrik und der Dithyrambik in Wort und Vers nachzuahmen, fehlte es ihm nach eigenem Geständniss 30) an geistiger Schwungkraft, wie denn auch die Mittel der lateinischen Sprache dazu nicht ausreichten. Er begnügte sich mit Nachbildung der kleineren in der Aeolisch-Lesbischen Lyrik gebräuchlichen Strophen, denen er durch bestimmte, zwar einseitigere, doch dem lateinischen Idiom angemessene Gesetze ein festeres Gepräge verlieh: wenn es auch schwer glaublich ist, dass er mit peinlicher Pedanterei sich an dieselben in allen Fällen gebunden habe. Indem er dann in freierer Weise Verhältnisse und Situationen seiner Vorbilder auf Römische Zustände übertrug, gelangte er von der Nachahmung allmählich zu grösserer Selbständigkeit, bei der indess noch oft in Namen und Schilderungen und Gleichnissen der griechische Grundton durchklingt, ja mitunter sich wunderlich genug ausnimmt. Und wie hinsichtlich der freien lyrischen Conception nicht der höchste Massstab an ihn zu legen

28) So nie von H. genannt, sondern schlechthin carmina.

29) Aus derselben Stelle ist zu schliessen, dass er solche Versuche nicht veröffentlicht hat. Suet. vit. erwähnt auch Elegien nebst einem in Prosa geschriebenen Brief an Maecenas, hält aber beides für unecht.

30) S. namentlich carm. IV 2, 27-32 u. daselbst über Antonius Rufus. Auch der junge Titius versuchte sich nach epist. I 3, 9 ff. in Pindarischer Lyrik, wie schon vor H. Laevius, etwa aus Cicero's Jugendzeit, in freierer Weise die mannichfachsten Metra der griechischen Lyriker nachgeahmt hatte. Alle solche Versuche haben keinen Erfolg oder doch keinen Bestand gehabt.

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