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trennbare Verbindung mit einer als Simplex nicht vorkommenden Wortform eingeht, wie in imbellis, immanis, immunis, importunus, implumis, impune, irritus; bei nicht festen Verbindungen aber nur, wenn es in der Tonsylbe steht, wie in immemor, immerens, impiger, impudens, improbus, impius, impar, impotens; dagegen inlacrimabilis, inlitteratus, inmensus, inmitis, inmiserabilis, inmortalis, inmetatus, inmeritus, inpubes, inplacidus, inpavidus, inpudicus, inprovisus, inpermissus, inrepertus, inretortus, inruptus.

In den Accusativendungen auf es und is eine durchgehende Consequenz walten zu lassen, wird jeden Verständigen schon die bekannte Anekdote über urbes und urbis bei Gellius bewahren. Ich habe, da es für uns doch bedenklich ist, uns von der blossen Euphonie leiten zu lassen, in jedem einzelnen Falle möglichst die Ueberlieferung festgehalten, dabei aber neben Keller's Ausführungen zu I 1, 28 auch Fritzsche's gründlichen, wiewohl nicht ganz erschöpfenden Excurs zu sat. I 1, 3 zu Grunde gelegt.

Dass ich das auf den Schulen noch gebräuchliche v nicht mit u vertauscht habe, möge man dem praktischen Zwecke zu Gute halten. Aus demselben Grunde habe ich, zumal bei der geringen Gewähr, die dafür seitens der Hsch. geboten wird, es unterlassen, die Nominativ-,' bzw. Accusativendungen vos und vom für vus und vum aufzunehmen, während die Sylbe vol für vul bei folgendem Consonanten (also Volcanus, volgus, voltus, volpes, volnus, volt, divolsus) auch auf den Schulen wohl schon eingebürgert ist. Auch sonst ist dem Herkommen öfter Rechnung getragen. Wenn man z. B. mit Keller sepulchrum schreibt, so müsste man nach Gellius II 3 folgerecht sich auch für ahenum, lachrima u. a. erklären, und man käme schliesslich zu einer geradezu barbarischen Schreibweise.

Wie sehr ich im Uebrigen bedacht gewesen bin, nicht nur die reichhaltigen Ergebnisse Keller's, sondern auch die übrigen jüngsten in die Horazlitteratur einschlagenden Erscheinungen zu verwerthen, das wird diese neue Aufl. leicht erkennen lassen, in der wohl jedes Gedicht die nachhelfende, ich hoffe auch bessernde Hand erfahren hat. In der Einleitung ist wenig geändert, nur einzelne Punkte sind genauer bestimmt worden. Dennoch wird sie ein etwas anderes Aussehen dadurch bieten, dass fast alle Citate und nebensächlichen Erörterungen in die Randbemerkungen verwiesen sind. Warum nur fast alle? Manche sind mit dem Texte so verwachsen, dass ich zu ihrer Ausscheidung

auch diesen hätte umarbeiten müssen; was um so weniger räthlich schien, als derselbe in seiner jetzigen knappen Fassung fast allgemein Billigung gefunden hat. Der Hauptinhalt wird durch die vorgenommene Aenderung hoffentlich noch klarer heraus

treten.

Und hiermit würde ich schliessen, wenn ich nicht nach dem juridischen Grundsatz qui tacet, consentire videtur es mir schuldig wäre, einige Worte der Abwehr hinzuzufügen, zu denen ich anderswo keinen Raum gefunden habe. Tadel an sich wird kein Verständiger übel deuten; selbst Spott muss man hinnehmen, falls er verdient ist. Wie steht es aber mit der Gerechtigkeit, wenn zur Begründung des Urtheils sogar Thatsachen geleugnet sind? Mein Recensent in der Jenaer Litt.-Ztg. hält mir z. B. vor, ich hätte I 12, 21 die Beziehung auf den Gigantenkampf des Dionysos mit Stillschweigen übergangen, um nach seiner Art aus solchen Unterlassungen ein Verdict auf Ungründlichkeit zu fällen; wie er ja in seinem Programm de Horatianorum carminum inscriptionibus sich nicht scheut, von einer Unwissenheit zu sprechen, die unter allen Sterblichen allein den Erklärern des Horaz gestattet sei, auch die Worte imperite negant interpretes Horatii sich erlaubt, wo der Irrthum allein auf seiner Seite liegt. An jener Stelle heisst es nun bei mir wörtlich: „Es ist, wie Orelli u. A. richtig bemerken, an seine (des Dionysos) Theilnahme am Gigantenkriege zu denken, desgleichen an seinen Indischen Feldzug, auch an die Rache, die er an seinen Gegnern nahm, wie an Pentheus und Lycurg. Vgl. II 19, 13-28." Wer so nachlässig liest und es mit der Wahrheit so leicht nimmt, der verdient nicht, dass man ihm auf seine meist unrichtigen oder halbrichtigen, stets aber hämischen und von unbegründeter Selbstüberhebung zeugenden Vorhaltungen Rede stehe. lehne das hiermit für immer ab, will aber dem Herrn zum Dank wenigstens einen Rath geben: Möge er sich seine lateinischen Arbeiten von einem,,Schulmeister" corrigiren lassen; er wird dann vor groben Fehlern gegen die Grammatik besser bewahrt werden als in dem oben genannten Programm, in welchem epodus regelmässig (dreimal) als Femininum paradirt.

Ich

Noch weniger will ich mich mit dem Rec. in den philol. Anzeigen befassen, der mit wenig Kunst und viel Behagen Unrichtigkeiten vorträgt, wo er mich verbessern will. Dass er dabei den Juvenal so wenig versteht, dessen Worte et nos consilium dedimus Sullae auf den Lehrer zu beziehen, ist spasshaft. Also er hat noch als Lehrer die ferula gekostet! Oder hat er 12 Jahre

lang die Prima als Schüler beglückt, und ist es ihm dort so schlecht ergangen? Meinetwegen. Und wenn ihm seine Schülererinnerungen noch immer so werth sind, dass er das Schülerwort von der Dummheit und dem Mühlrad im Kopf auf sich glaubt anwenden zu müssen, so habe ich leider für ihn nicht das tröstende Wort „,es wird nächstens schon besser gehn".

=

Endlich wenn mein höchst unparteiischer zweiter Censor in den N. Jahrbüchern mich mit den fadesten Trivialitäten regalirt (z. B. dass esse nicht ovoa, dass Knöchel keine Würfel seien, worüber er mit Spielern von Profession sich unterhalten möge, oder dass Tolhós vis ingens quidam,,gar mächtig" heisse u. a.) oder wenn er an meinem Stil nörgelt und dann wieder seiner schulmeisterlichen Weisheit gelegentlich sich „,fast“ schämt (er geniert sich fast), so hat dieser Günstling der Pallas Athene und Liebling aller neun Musen den Spruch der zehnten Muse wohl nicht gekannt, wenigstens nicht beherzigt:

Αἰ δ ̓ ἦχες ἔσλων ἵμερον ἢ κάλων,

καὶ μή τι είπην γλῶσσ ̓ ἐκύκα κάκον,
αἴδως κέ σ ̓ οὐ κίχανεν ὄππατ',
ἀλλ ̓ ἔλεγες περὶ τῶ δικαίως.

Potsdam, im November 1879.

H. Schütz.

EINLEITUNG.

Q. Horatius Flaccus 1) ist den 8. December 65 v. C. unter dem Consulate des L. Aurelius Cotta und L. Manlius Torquatus geboren.2) Sein Vater, ein Freigelassener, besass ein kleines Grundstück und bekleidete das Amt eines Einnehmers, exactionum (nach Anderen auctionum) coactor.3) Seine Mutter erwähnt er nirgends, ebenso wenig Geschwister; erstere ist wohl früh gestorben, da bei der häufigen Erinnerung an seine Kindheit ihm Gelegenheit, ihrer zu gedenken, nicht fehlte. Desto öfter rühmt er seinen Vater, dem er die grösste Pietät bewahrte.4) Seine Vaterstadt war Venusia, gelegen am Aufidus (Ofanto) in Apulien unweit der Lucanischen Grenze, über welche der Berg Voltur noch hinausreichte. 5) Da die dortige Schulbildung unter dem Magister Flavius ihm nicht genügte, so brachte ihn der Vater nicht ohne persönliche Opfer nach Rom, wo er Schüler des Grammatikers L. Orbilius Pupillus Beneventanus 6) wurde und besonders den Homer, von vaterländischen Dichtern den Livius Andronicus kennen lernte.) Im Jünglingsalter begab er sich nach Athen, wo er sich mit Philosophie beschäftigte und namentlich die Vorträge der Akademiker hörte. 8) Dass er daselbst sieben Jahre sich aufgehalten habe, darf man aus epist. II 2, 82 nicht folgern; er müsste dann schon im 15. Lebensjahre dorthin gegangen sein. Auch ist aus epist. II 2, 46 zu schliessen,

1) Alle drei Namen finden sich in seinen Gedichten: Quintus sat. II 6, 37. Horatius carm. IV 6, 44. epist. I 14, 5. Flaccus ep. 15, 12. sat. II 1, 18.

2) S. carm. III 21, 1. ep. 13, 6. epist. I 20, 27. Sueton. vita.

3) Sueton. vit. sat. I 6, 6. 45. 71. 86. epist. I 20, 20. Dass er auch Salzfischhändler (salsamentarius) gewesen, giebt Suet. als unverbürgte Meinung (ut creditum est). Auch in den Oden deutet er selbst nicht selten auf niedrige Herkunft oder Armuth hin, z. B. II 20, 5. III 30, 12. 4) S. bes. sat. I 4, 105–126. 6, 71-99.

5) sat. II 1, 34 ff. carm. III 4, 9.

6) Ueber ihn Suet. de grammat. 9.

7) sat. I 6, 72 ff. epist. II 1, 69 ff. II 2, 41 ff.
8) epist. II 2, 43 ff.

dass er wegen des Bürgerkrieges Athen früher verlassen hat, als es sein Wunsch gewesen war.

Nach der Ermordung Caesars nämlich bemächtigte sich M. Brutus, durch Antonius aus Italien vertrieben, Macedoniens und kam nach Athen, von wo ihm mit anderen dort studirenden edelen Jünglingen auch Horaz 43 v. C. als Kriegstribun zum Heere folgte. So wohnte er den Schlachten bei Philippi im Herbste 42 bei, nachdem er in der Zwischenzeit den Brutus auf mehreren Zügen begleitet, insbesondere Thessalien, Macedonien, Asien nebst den Inseln besucht hatte.9)

Während nun die entschlosseneren Republikaner, darunter manche seiner vertrauteren Freunde, sich dem S. Pompeius zuwandten und das Glück im Seekriege versuchten, benutzte H. die den sich freiwillig Unterwerfenden angebotene Amnestie und kehrte 41 nach Italien zurück. Er war inzwischen verarmt. 10) Das Gut seines Vaters war nach Einigen schon verkauft, als er im Knabenalter nach Rom übersiedelte; wahrscheinlich aber hat er es erst im Bürgerkriege verloren, indem Venusia zu den Italischen Städten gehörte, welche an die Soldaten zum Lohn für ihre Dienste vertheilt wurden. 11) Besitzlos geworden verschaffte sich H. eine Schreiberstelle beim Staatsschatz 12) und begann zugleich Gedichte zu schreiben.13) Eigene Neigung, auch wohl Unzufriedenheit mit der allgemeinen und Missmuth über seine persönliche Lage führten ihn zur Satire, in welcher er dem Vorbilde des Lucilius folgte, wie bald darauf in den Epoden dem des Archilochus. 14) So mit den bereits namhaften Dichtern Ver

9) epist. II 2, 47 ff. sat. I 6, 48. carm. II 7, 9. Suet. vit.
10) epist. II 2, 50 ff. Suet. vit. victisque partibus venia impe-

trata cet.

11) Appian zählt es im Bürgerkrieg IV 3 vor anderen mit Capua, Rhegium, Beneventum, Nuceria, Ariminum und Hipponium (Vibo Valentia) auf. Ueber die Grausamkeit der Ackervertheilungen ders. V 12 u. 13.

12) scriptum quaestorium comparavit. Suet. vit. Vgl. sat. II 6, 36. 13) Wenn er epist. II 2, 51 ff. sagt, die Armuth habe ihm die Kühnheit dazu gegeben, so lehrt der Zusammenhang der verschieden erklärten Stelle, dass H. wirklich meint, er habe nur aus Noth gedichtet, um seine Lage zu verbessern, während er sonst den Muth dazu nicht gehabt hätte und jetzt in seinem Wohlstand zu bequem dazu geworden sei. Wie wenig das ernst zu nehmen ist, geht schon daraus hervor, dass er in demselben Augenblick dichtet, in welchem er es absagt. Vgl. Theocr. 21, 1 à лɛvíα μόνα τὰς τέχνας ἐγείρει. Ebenso wenig darf man daraus schliessen, dass er nicht früher schon gedichtet habe; er hatte aber bisher nichts veröffentlicht.

14) sat. I 4, 6 ff. und I 10. ep. 6, 13.

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