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Sv11.235

HARVARD

COLL

JUL 26 1895

LIBRARY

Constantius fund.

Seitdem die kritische Behandlung der Historie und des Alterthums erwacht ist, wird es immer mehr erkannt, dass auch das fleissigste Studium der Quellen kein Licht und keine Wahrheit gewähren kann, wenn der Leser nicht den Standpunkt fasst, von wo, und die Media kennt, wodurch der Schriftsteller sah, dessen Berichte er vernimmt."

Niebuhr.

DEM

UM DIE GESCHICHTE DER RÖMISCHEN RECHTSWISSENSCHAFT

UM

HISTORISCH-KRITISCHE BEHANDLUNG RÖMISCHER RECHTSQUELLEN

UM JURISTISCHE LEXICOGRAPHIE

HOCHVERDIENTEN VETERANEN

HEINRICH EDUARD DIRKSEN

GEWEIHT.

Vorrede.

Jedes Zeitalter stellt der wissenschaftlichen Behandlung des Rechts neue Fragen und Aufgaben. In der heutigen Rechtswissenschaft scheint sich die Richtung auf eine vergleichende Jurisprudenz mehr und mehr Bahn zu brechen und diese schon durch die moderne Rechtsentwicklung gebotene Richtung ist wohl dazu geeignet, auch die Materialkritik des römischen Rechts, zu welcher Ihering in dem,, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung" dankenswerthe Beiträge geliefert hat, weiter zu fördern; nur möge man nicht übersehen, dass eine Materialkritik des römischen Rechts ebenso wie jede künftige Geschichte der römischen Rechtswissenschaft eine sachlich-historische Kritik der Quellen, insbesondere der mittelbaren und unmittelbaren Quellen des klassischen Pandektenrechts voraussetzt). Das Bedürfniss einer solchen sachlich-historischen Kritik der Quellen muss vornemlich jedem einleuchten,

a) S. des Verf. Prolegom. zur Gesch. der röm. Rechtswissenschaft p. 1-12. 116. Königsb. 1858.

der eine neue Bearbeitung des Fragments von Pomponius de origine iuris versucht. Dieses in Justinian's Pandekten übertragene Fragment (fr. 2 de O. I. 1, 2) ist bekanntlich die Hauptgrundlage und, was die Abgrenzung des rechtshistorischen Gebiets und die Methode der Behandlung betrifft, das Vorbild sämmtlicher modernen Bearbeitungen der römischen Rechtsgeschichte geworden und bis gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts, ja in mancher Rücksicht, namentlich in Bezug auf die römische Rechtswissenschaft, bis auf den heutigen Tag geblieben1). Die successive kritische Würdigung dieses Fragments von Seiten der Exegeten, Commentatoren, Antiquare und Rechtshistoriker seit dem sechzehnten Jahrhundert, insbesondere den Einfluss desselben auf die moderne rechtshistorische Litteratur genauer darzulegen, gehört nicht zur Aufgabe der vorliegenden Schrift; nur um den Leser über die Motive des Verfassers nicht in Ungewissheit zu lassen, soll hier mit einigen Worten angedeutet werden, worin derselbe die Hauptmängel der bisherigen historischkritischen Behandlung jenes Fragments erblickt.

Ohne feste kritische Grundsätze beschränkte man sich meistentheils auf kritische Bedenken über einzelne Nachlässigkeiten und Irrthümer des Pomponius, über einzelne Verstösse gegen die Chronologie und gegen bekannte historische Thatsachen ) und suchte zum Theil

b) Vgl. Dirksen d. Rechtsgelehrte A. Cascellius in d. Abh. der Berlin. Akad. 1858 p. 223 folg.

c) Solche vereinzelte kritische Bedenken finden sich bei fast allen Commentatoren des Tit. de O. I. z B. bei Zasius, Corasius,

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