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dafür zu benutzen, äussert er in einem Briefe an denselben (IV. ep. 14.) aus d. J. 700 u. c. mit folgenden Worten: Velim domum ad te (al. tuos) scribas, ut mihi tui libri pateant non secus ac si ipse adesses, quum ceteri tum Varronis. Est enim mihi utendum ex iis libris ad eos, quos in manibus habeo (cf. IV. ep. 16.), quos ut spero tibi valde probabo." Hieraus erhellt, dass es ihm dabei besonders auf die Benutzung der bis dahin erschienenen Varronischen Schriften ankam. Und auf die Erinnerung des Atticus, in dem Werke über den Staat auch dem Varro einen Platz zu gewähren oder ihn redend einzuführen, antwortet Cicero (ad Attic. IV, 16. §. 2.): Varro, de quo ad me scribis, includedur in aliquem locum, si modo erit locus. Sed nosti genus dialogorum meorum: ut in oratoriis non mentio potuit fieri cuiusquam ab iis, qui disputant, nisi eius qui illis notus aut auditus esset: hanc ego de re publica quam institui disputationem in Africani personam et Phili et Laelii et Manilii contuli, adiunxi adolescentes Q. Tuberonem, P. Rutilium, duo Laelii generos, Scaevolam et Fannium (cf. ad Q. fratr. III, ep. 5.). Itaque cogitabam, quoniam in singulis libris utor prooemiis68), ut 'Αριστοτέλης in iis, quos ἐξωτερικούς vocat, aliquid efficere, ut non sine causa istum

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seine Kenntniss der römischen Verfassungsgeschichte hauptsächlich aus Polybius und vielleicht aus Atticus geschöpft zu haben, so wäre wenigstens hinzuzufügen: und aus Varro.

68) Vgl. darüber Krische Forschungen auf dem Gebiete der alten Philosophie Bd. I p. 13 ff. Göttingen 1840. Baumhauer disquis. crit. de Aristotelia vi in Ciceronis scriptis p. 88. sqq. Traj. ad Rh. 1841.

appellarem: id quod intelligo tibi placere. Utinam modo conata efficere possim! Rem enim, quod te non fugit, magnam complexus sum et gravem et plurimi otii, quo ego maxime egeo." Hienach beabsichtigte Cicero in den vorausgeschickten Prooemien des Varro zu gedenken; ob dieses wirklich geschehen sei, lässt sich wegen der unvollständigen Erhaltung des Werks de re publica nicht erweisen, aber eben so wenig mit Sicherheit verneinen 69). Dass jedoch Cicero für die Gespräche selbst auch aus Varro geschöpft habe, lässt sich nach den daselbst vorkommenden Spuren Varronischer Elemente 70) wohl nicht bezweifeln. Man vgl. z. B. de re publ. I, c. 18. 25. 26. 32. 40. 41. II, c. 2. 7. 8. 9. 16 ff. 22. 23. 25 ff. 31 ff. 36 ff. In diesen noch weiter unten in Betracht zu ziehenden Stellen des ersten und zweiten Buchs dürfte Manches dem Inhalt einzelner Bücher der antiquitates rer. humanar. von Varro entsprechen, eben so wie die Fragmente des vierten Buchs Manches enthalten, was dem Inhalt der libri de vita populi Romani, auch wohl einzelner logistorici, entsprochen zu haben

69) Vgl. Mai monitum de prima operis lacuna p. LV seq. (in dessen Ausgabe von Cic. de rep.).

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ut Varro

H. Kettner

70) Zu denselben gehören auch manche Parallelen zwischen Römern, Griechen und andern Völkern in Sitte und Verfassung, die bei Cic. wie bei Dionys. Hal. vorkommen (cf. Schwegler 1. p. 251 sq.), wobei noch an Serv. Aen. VII, 176 ( docet in libris de gente (vita? cf. Ritschl. 1. c. p. 508. Varron. - Studien p. 60. Hal. 1865.) populi Romani in quid a quaque traxerit gente per imitationem") zu erinnern ist Dem steht nicht entgegen, dass schon bei Cato (cf. Serv. Aen. IV, 682) und bei Polybius z. B. VI, 10. 11. 43 ff. es an solchen Parallelen nicht fehlt.

quibus dicit'

scheint 70 a). Und wenn gleich im J. 700 d. St. die antiquarischen Hauptwerke Varro's noch nicht vollständig bekannt gemacht waren, so fehlte es doch nicht an dahin gehörigen libri singulares und Specialschriften, welche zur Vorbereitung jener schon früher geschrieben waren, wohin unter andern der von Quintilian inst. or. 1, 6, 12. erwähnte,,liber quo initia urbis R. enarravit" (der später vielleicht den libris antiquitatum einverleibt worden ist) gehören mag. Und nach dem eigenen Zeugniss des Varro bei Gell. N. A. III, 10. extr. über die Masse von Büchern, die er bis zum J. 715. verfasst habe 71), lässt sich wohl als wahrscheinlich annehmen, dass im J. 700 in des Atticus Bibliothek schon viele Varronische libri vorhanden waren, aus welchen Cicero für seine libri politici historisches Material schöpfen konnte. Dazu kommt noch, dass Varro nach den Eigenthümlichkeiten seiner Schriftstellerei, insbesondere bei der Verbindung sprachlicher und sachlicher origines, bei seinem aetiologischen und

70 a) Darauf führt hauptsächlich die Vergleichung von Parallelstellen aus Valerius Maximus z. B. II, c. 1 ff. In dessen schlechter Chrestomathie sind sicherlich viel Varronische Elemente enthalten, wenn sie als solche auch nicht überall nachgewiesen werden können und Vieles dürfte dem Varro zu vindiciren sein, was bisher gewöhnlich auf Cicero zurückgeführt wurde. Vgl. übrigens H. Kettner M. Terenti Varronis de vita p. R. libb. IV, Hal. 1863. p. 12 sqq.

71) Cf. Gell. 1. c. Haec Varro (in primo librorum qui inscribuntur hebdomades v. de imaginibus cf. §. 1. ibid.) de numero septenario scripsit admodum conquisite. Tum ibi addit, se quoque iam duodecimam annorum hebdomadam ingressum esse et ad eum diem septuaginta hebdomadas librorum conscripsisse, ex quibus aliquammultos, cum proscriptus esset, direptis bibliothecis suis, non comparuisse. Vgl. Ritschl. a. a. O. p. 545 ff.

logistorischen Verfahren, bei seinem überall streng befolgten Schematismus, nicht etwa blos in verwandten, sondern auch in den verschiedenartigsten frühern und spätern Schriften dieselben Gegenstände mehr oder minder ausführlich in ähnlicher Weise öfter zu besprechen veranlasst war. Daher wird man bei der Untersuchung über die in Cicero's historisch-politischen Schriften enthaltenen Varronischen Elemente nicht blos auf Varro's antiquarische Schriften sein Augenmerk richten und eben so wenig die Zeitfolge der Werke Varro's (die überdies nur zum geringsten Theil genau festgestellt werden kann) als ein entscheidendes Moment betrachten dürfen.

Lässt sich nach dem bisher Bemerkten die Benutzung Varronischer Schriften für Cicero's libri de rep. nicht bezweifeln, so gilt dasselbe um so mehr von dessen Büchern de legibus, in welchen kein Verstorbener sondern Cicero selbst mit seinem Bruder Quintus und mit Atticus das Gespräch führt über die dem optimus status rei publicae oder (nach der in den Büchern de rep. dargelegten Scipionischen Auffassung) der ältern Römischen Verfassung 72) entsprechenden Gesetze. Zwar wird heutzutage Niemand mehr die von Cicero proponirten leges überhaupt für eine Nachbildung der Zwölftafelgesetze halten und zur Restitution der letzteren benutzen, indessen dürfte ein Einfluss Varronischer Definitionen de sacris, sacerdotibus, magistratibus auf Cicero's Formulirung nicht völlig abzuleugnen sein 73). Jedenfalls

72) Cf. Cic. de legg. 1, 6. §. 20. II, 10. §. 23. III, 2. §. 4. c. 5. §. 12. und oben Note 47. 48.

73) Dem steht auch nicht entgegen Cic. de legg. II, 10. 23. verb. si quae forte a me hodie rogabuntur, quae non sint in nostra re

lässt sich diese Vermuthung, für welche weiter unten einige Argumente beigebracht werden sollen, aus Cic. de legg. III, 20. extr. wo auf M. Junius 74) Bezug genommen wird, nicht widerlegen. Cicero will daselbst eine weitere disputatio,,de potestatum iure", woran Atticus ihn erinnert, sich ersparen und motivirt dies durch die Verweisung auf M. Junius Gracchanus, der weitläufiger (,, pluribus verbis ") darüber geschrieben habe und zwar, wie er hinzufügt, „perite meo quidem iudicio et diligenter" 74a). Es liegt darin die Andeutung, er halte es nicht für nöthig, darauf näher einzugehen, zumal dem Atticus gegenüber, dem das Werk des M. Junius wohl bekannt sei (cf. verb.,,scripsit ad patrem tuum M. Junius sodalis"). Hieraus erhellt, dass Cicero für seine descriptio magistratuum und deren Motivirung von Junius Gracchanus direct gar keinen oder doch nur geringen Gebrauch gemacht haben kann 75), während eine Benutzung Varro's und insbesondere eine Nachbildung Varronischer Definitionen de magistratibus damit wohl vereinbar ist.

Uebrigens versteht es sich von selbst, dass je mehr es gelingt, an dem Fragment des Pomponius de O. I. die

publica, nec fuerint, tamen erant fere in more maiorum: qui tum ut lex valebat. III, 5.

74) Dass M. Junius Gracchanus gemeint sei, lässt sich hier wohl ebenso wenig als bei Varro de 1. L. VI, §. 95. (scriptum inveni in M. Junii commentariis) bezweifeln. Cf. Mercklin de Junio Gracchano 1, p. 13 sqq. Dorp. 1840. Hertz de L. Cinciis adj. de M. Junio Gracchano disp. p. 90 sqq. Berol. 1842.

74a) Ueber abweichende Deutungen der obigen Worte cf. Rubino Untersuchungen 1. p. 319. not. 2. 3. Hertz 1. c. p. 105 seq. Mercklin in Philologus IV, 13. p. 423.

75) S. Notę 67.

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