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didaktischer Tendenz, zu welchen der lib. sing. enchir. des P. ohne Zweifel gehört, sich erstreckt habe, und dass besonders in propädeutischen Lehren der klassischen Juristen Varro als Vorbild und zum Theil als Quelle benutzt worden sei. Zu diesem Gesammtresultat sucht der Verf. schrittweise zu gelangen. Demnach zieht er zunächst das Fragment des P. de orig. iur. in Betracht und versucht in Cap. I. (§. 1-3) den organischen Zusammenhang dieses Fragments, welcher auf ein einheitliches Ganzes und auf ein älteres Vorbild hinweist, darzulegen, wobei zugleich die in allen drei Abschnitten des fr. befolgte Varronische Methode der Behandlung hervorgehoben wird. Sodann wendet er sich in Cap. II. zur Quellenkritik des fr. 2 de O. I. und sucht an einer Menge von Einzelheiten die in dem Fragment erkennbaren Varroniana nachzuweisen (§. 4-14) und erst in §. 15 die Vermuthung näher zu begründen, dass dem P. bei seinen Mittheilungen de orig. iur. ein bestimmtes isagogisches Werk Varro's zum Führer gedient habe und dass dieses Werk kein anderes gewesen sei, als dessen libri XV de iure civili. Dies führt den Verf. in Cap. III (§. 16 ff.) zur kritischen Betrachtung des liber sing. enchiridii überhaupt mit Rücksicht auf die Varronische Grundlage desselben, und zu einigen Bemerkungen über den Einfluss, den Pomponius durch sein Enchiridion (und mittelbar Varro) noch auf spätere für den Rechtsunterricht bestimmte Schriften, vornemlich auf die propädeutischen Lehren der römischen Juristen gehabt zu haben scheint. Der Verf. ist übrigens weit davon entfernt,

jedem einzelnen Argument eine zwingende Beweiskraft beilegen zu wollen, vielmehr legt er das Hauptgewicht auf die Gesammtheit der auf Varro hinweisenden Indicien. Ferner versteht es sich von selbst, dass die vom Verf. befolgte Methode der Beweisführung durch die Anlage des ganzen Werks mitbedingt ist; daher wird Manches, was man hier vielleicht vermissen wird, im zweiten Theil seine Berücksichtigung finden, und umgekehrt ist Manches, was eher in den zweiten Theil zu gehören scheint, schon hier zur Sprache gebracht, wenn der Verf. durch die Anknüpfung eines die sachliche Kritik betreffenden Fragepunkts an die hier besprochenen Varronischen Elemente und Motive eine grössere Evidenz erreichen zu können glaubte.

Einiges aus der neuesten Litteratur hat hier nur nachträglich in den Anmerkungen berücksichtigt werden können, indessen wird der Inhalt des zweiten Theils noch vielfache Gelegenheit darbieten, darauf näher einzugehen.

Königsberg d. 23. Mai 1867.

Erstes Capitel.

Allgemeine Bemerkungen zur sachlich-historischen Kritik des Pomponius de origine iuris.

§. 1.

Wie die Römisch-juristischen Klassiker überhaupt die Geschichte ihres einheimischen Rechts nicht in eigenen Schriften bearbeitet haben, so darf auch der liber singularis enchiridii des Pomponius, aus welchem wir ein grosses zusammenhängendes Bruchstück in Fr. 2. Dig. de origine iuris besitzen, nicht als eine lediglich für rechtshistorische Zwecke verfasste Schrift betrachtet werden'). Weder der Titel der Schrift 2), welcher nur auf ein

1) Hugo Geschichte des Röm. Rechts, ed. XI, p. 19, not. 2, beschränkt sich auf dieses negative Resultat.

2) Der Titel, vielleicht eine Nachahmung von Epictet's Enchiridion wird von Hugo a. a. O. für eine „Sammlung vermischter Aufsätze" erklärt und mit navdéxtaι zusammengestellt arg. Gell. N. A. in praefat. (§. 7, cf. XIII, 9, 3. Plin. H. N. praefat. §. 24). Entscheidender für die Bedeutung des Titels dürfte aber die Zusammenstellung der ἐγχειρίδια mit παραξιφίδες bei Gellius sein. Vgl. Simplicius comm. in Epicteti enchirid. prooem. nebst Salmasii nott. p. 6. Mercklin die Citirmethode und Quellenbenutzung des A. Gellius im dritten Supplement bande der Jahrbücher für klass. Philologie, Leipzig 1860, p. 673. Vgl. auch Ev. Otto praefat. thes. iur. civ. T. II, p. 16.

Sanio.

1

kurzes Manuale hinweist 2a), noch der Inhalt der aus dem liber singularis enchiridii excerpirten drei Pandektenstellen (fr. 2. de I. et I. fr. 2. de O. I. fr. 239. de V. S.) berechtigen zu einer solchen Voraussetzung. Das fr. 2. de O. I. liesse sich allenfalls als einen kurzen Abriss einer äusseren Rechtsgeschichte bis auf Hadrian's Zeit betrachten, dagegen das fr. 2. de I. et I. weist eher auf einen philosophischen als historischen Zusammenhang hin (auf die religio erga Deos und die officia erga parentes et patriam) und fr. 239. de V. S. enthält Worterklärungen, die muthmasslich aus verschiedenen Stellen des Werks zusammengetragen sind 3), in keinem Fall aber auf einen ausschliesslich rechtshistorischen Inhalt desselben schliessen lassen. Fasst man die erwähnten drei Fragmente zusammen in's Auge, so liegt die Vermuthung nahe, dass das Enchiridion des Pomponius eine kurze didaktische oder propädeutisch - juristische Schrift gewesen sei1). Wenn es auch an eigenen rechtshistorischen Schriften

2a) Cf. Dirksen manuale latin. v. enchiridion cf. v. manuale und das s. g. glossar. Isidori, manuale liber ad gerendum aptus, qui enchiridion dicitur."

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3) Aehnliches gilt von anderen Stellen desselben Pandektentitels z. B. von den Fragmenten aus Gai libb. ad legg. XII tabb. Vgl. Dirksen Kritik der Zwölf-Tafel-Fragmente, S. 13. 116. 223. 449.

4) Es ist hier überall nur der liber singularis enchiridii des Pomponius gemeint, der von dem zweiten aus zwei Büchern bestehenden Enchiridion desselben Juristen wohl zu unterscheiden ist, cf. Hommel palingen. II, p. 303. Heineccii praef. ad Uhlii opusc. ad hist. iur. pertin. p. LI. Osann praef. ad Pompon. de O. I. p. XXI seq. Der Umstand, dass der Index Flor. nur die letztere Schrift aufführt, ist nicht als Beweis für die Identität beider Werke zu betrachten. Abweichender Ansicht ist Deurer annot. ad L. II. de O. I. p. 5 seq. Heidelberg 1833. 4.

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