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ler R. Gesch. II. S. 280 u. III. S. 74. Lange R. Alt. I. S. 398. 516. 752. Mommsen R. Gesch. I. S. 253. 275. 438. Rudorff II. § 7.

Für ein hohes Alter des Centumviralhofs spricht sein Symbol, die hasta, (Quinctil. V, 2, 1; Gai. 4, 16), welche auf das alte jus Quiritium, den Kreis der res mancipi und den Census zurückweist (vergl. Niebuhr I. S. 446, Huschke l. c. S. 560, v. Bethmann Hollw, I. S. 57), die Geltung des Gerichts als eines Volksgerichts (entgegengesetzt den privati judices: s. Huschke 1. c. S. 585), ferner der Umstand, daß die alte legis actio sacramento gerade (nur) für Centumviralsachen in Uebung blieb (Gai. 4, 95); die Reform durch August, wodurch der Gerichtshof wieder zu höherem Ansehn gelangte, als vordem in der letzten Zeit der Republik (Tacit. Dial. 38), beweist nicht, daß auch in der älteren Zeit das Ansehn ein geringes gewesen, wie Huschke (S. 592) meint. Huschke (S. 591) bemerkt, daß nach Dionysius Vorstellung die Richter, denen der König die Privatprocesse überließ, Senatoren waren, was aus der Rede hervorgehe, die er (4, 36) ihn an den Senat halten läßt; er erklärt ferner (S. 596) für möglich, daß die Richterdecemvirn ursprünglich (d, h. vor der lex Pinaria) nur ein beschränkteres Amt, etwa den Classen in den Volksgerichten vorzustehen, gehabt hätten, und erinnert daneben an die decem primi des Senats (Dion. 4, 36). Nach Zumpt Centumviralgericht S. 20 wären die Decemvirn Gehülfen des Prätor gewesen, um die Klagen für die Centumvirn zu instruiren. v. Bethmann Hollw. (I. S. 60) nimmt an, daß sowohl die Centumvirn, als auch die Decemvirn (ursprünglich) vom Prätor ernannt worden seien. Hierzu kommt endlich ein ganz neuer Fingerzeig Sanio's (Varroniana bei Pomponius, S. 52. 121-4): derselbe vermuthet auf Grund von Paul. Diac. ex Festo s. v. Centumviralia („XXXV tribus, quae et curiae sunt dictae“) und s. v. Curia, ferner Pseudo-Ascon, in Verr. act. 2, 1, § 14 u. Jo. Lydus de mag. 1, 16; de mensib. 1, 19, die daselbst befindliche Vermischung von Tribus und Curien habe darin ihren Grund, daß in der Mittheilung des Dion. 2, 12 von der Bildung des Romulischen Senats eine Notiz über die ursprüngliche Zusammensetzung des Centumviralgerichts verdeckt enthalten sei; von jenem aus 100 bestehenden Senat wird nämlich da, und zwar wahrscheinlich nach Varro, berichtet, daß er gebildet worden sei durch drei aus jeder Stammtribus (= 9) und drei aus jeder curia (= 90), wozu Romulus selbst für sich einen Stellvertreter als princeps senatus hinzugefügt habe, welcher bei Lyd. de mens. 1, 19, Custos urbis u. Praetor urbanus genannt wird. Die Sitte, einen Ausschuß des Senats von 10 Männern für besondere Fälle zu bilden, scheint bei den Römern überhaupt von altem Datum zu seyn (vergl. Marquardt Alterth. III. 1. S. 243, 386). Demzufolge würde der Centumviralhof uralt seyn, ja vielleicht als Einrichtung des Romulus mit dessen Senat zusammenfallen, und würden unter den Decemvirn etwa jene 10 nicht aus den Curien Ernannten, d. h. die ursprünglichen drei Stammtribus repräsentirenden, Mitglieder zu verstehen seyn. Die Hypothese ließe sich fortspinnen: dieser aus Senatoren zusammengesetzte

Gerichtshof bestand auch nach der Senatsvermehrung in seiner anfänglichen Zahl fort, das Recht der Ernennung ging von den Consuln später auf die Prätoren über, und die Zahl ward mit der Zahl der Tribus in (multiplicativen) Einklang gebracht, die Zehnmänner (decem primi!) aber waren eigentlich Mitglieder des Hundertgerichts (vergl. die Ansicht von Bachofen und Krug?), wurden dann vielleicht seiten der Prätoren besonders bei der Instruction der Processe zugezogen, endlich aber zu einer selbständigen Behörde organisirt, mit dem Amte, dem Centumviralgericht zu präsidiren.

Es liegt nahe zu denken, daß man für die Prätoren auf Geschäftserleichterung sinnen mußte (besonders als das Formularverfahren aufkam und ihre Thätigkeit in Anspruch nahm); auch von anderen magistratus minores berichtet Pomponius, daß ihre Einsetzung den gleichen Zweck der Geschäftserleichterung hatte, und so wäre jenes Richterdecemvirat vielleicht eine Parallele zu der Einrichtung der Judices quaestionum, welche für die Instruction der Criminalprocesse neben den Prätoren genannt werden.*

Aus 2 Stellen des Cicero (pr. Caec. 33 u. pr. dom. 29: „Decemviri sacramentum justum judicaverunt" ,,injustum judicassent") hat man geschlossen, daß zu dieser Zeit die Decemvirn für Staatssachen als besonderer Spruch gerichtshof competent gewesen seien. Diese Deutung ist sehr problematisch und schwer zu vereinigen mit den betreffenden Aeußerungen des Pomponius (,,magistratus, qui hastae praeesset") und des Sueton (,,ut centumviralem hastam Decemviri cogerent"), wenn dieselben genauer genommen werden als z. B. von Seiten v. Keller's § 5. 6:,,an die Spitze des Centumviralgerichts",,gewisse Leitung, welche August auf die Decemviri übertrug") geschieht. Zufolge dieser Aeußerungen sollten ursprünglich die Gerichtsdecemvirn Vorstände des Centumviralhofs seyn, als solche wahrscheinlich die Legisactionenprocesse für dieselben instruiren, oder doch dabei dem Prätor behülflich seyn, und bez. dann ihren Versammlungen präsidiren, denn eines Vorsitzes bedurften solche mitgliederreiche Gerichtskörper; durch Augustus aber erhielten sie das weitere Amt, den Centumviralhof zu seinen Sitzungen (wohl nach Belieben und Bedürfniß) einzuberufen und bez. die jeweilige Vertheilung in die einzelnen Senate (hastae) zu bewirken. Ist dies richtig, so erscheint unwahrscheinlich, daß in den Decemvirn mit dieser amtlichen Präsidialmacht in Centumviralsachen eine abgesonderte Spruchrichtercompetenz für den Specialkreis der Statussachen sich vereinigt haben sollte: wohl eine Combination ohne Vorgang und Parallele.

Die Hauptstelle über den Centumviralhof und dessen Competenz ist bei Cic. de orat. 1, 38-40. 56. 57; hier aber werden offenbar auch Statussachen (libertas, civitas, bez. postliminium) mit zur Centumviralcompetenz gerechnet, denn in Kap. 40, § 181 wird die Sache des

*) s. unten Excurse zu § 200-212. No. III. sub B.

(den Numantinern überlieferten) Consularen Mancinus als eine capitis causa (,,quod Tribunus pl. eum civem negaret esse"), als eine major contentio de ordine, civitate et capite hominis bezeichnet (vergl. pr. Caec. c. 34), und in cap. 56. § 238. deutlich den maximae centumvirales causae in jure positae beigezählt. Dieser (bisher immer ignorirte) Fall ist entscheidend, da hier, auch nicht einmal secundär, ein Erbrecht in Frage war, was bei den übrigen dort erwähnten Fällen allerdings mit hineinspielte. Mitten unter diesen Fällen wird ferner in cap. 40. § 183. ein judicium de libertate (eines censu manumissus) aufgeführt, so daß auch hier kaum anders als an eine Centumviralsache gedacht werden kann. Cicero zählt dort überhaupt eine Reihe von Beispielen auf, in denen schwierige Rechtsfragen vorkamen, und die Gelegenheit zur Bewährung tüchtiger Rechtskenntniß gegeben wurde: er nennt verschiedene Fälle der privata judicia und viele Fälle des centumvirale judicium; er kommt dabei mehrfach auf Statusfragen zu sprechen: warum nun ließ er da die Gerichtsdecemvirn ganz unerwähnt, wenn gerade die Statussachen zu deren Specialcompetenz gehörten? Sie mußten doch eine sehr erwünschte Arena für patronatsüchtige Redner abgeben. Dies ist von den Vertretern der gemeinen Meinung ebenso wenig erwogen worden, wie das Mißliche einer Trennung der Status-Competenz von der übrigen Gerichtscompetenz, da doch Statusfragen in der Regel engstens mit anderen Streitpunkten, als präparatorische oder incidente Fragen, zusammenzuhängen pflegen, und man fragen muß, wozu für 50 reine Status-Fälle ein besonderer Gerichtshof, wenn 100 dergleichen in andere Streitsachen eingemischte Status - Fälle vom Centumviralgericht erledigt wurden? Weisen wir daher dem Centumviralhofe auch Statussachen zu, so erklärt sich durch den ursprünglichen Zusammenhang der hasta mit dem Census das Quinquennium der Statusklagen, womit das Quinquennium der Inofficiositätsquerel übereinstimmt; auch diese Uebereinstimmung, worauf schon Huschke aufmerksam machte, weist auf eine Verbindung der Status- und Erbschaftsklagen in demselben Organe hin.

Fassen wir nun die zwei Ciceronianischen Stellen, in welchen „Decemviri" genannt sind, ins Auge: so ist zunächst zu bemerken, daß beide höchstens für Freiheitssachen angeführt werden könnten, denn auch in pr. Caec. 33 wird die Sache als eine libertatis defensio bezeichnet und die Civität da nur mittelbar in Frage gezogen: wir könnten also jedenfalls Cicero nur als Beleg für die Decemviralcompetenz in quaestiones libertatis betrachten. Sehen wir nun aber weiter zu! Hat Cicero in pr. dom. 29. wirklich an die Decemviri litibus judicandis gedacht? Er spricht vorher von den Vorfahren und deren weiser Volksthümlichkeit, erwähnt Machtsprüche der 30 Curien, später der Centuriatcomitien als möglich und bez. wirklich, und zwischen diesen die Decemvirn, deren Machtspruch zum Nachtheil der libertas er hinstellt, aber mit dem Hinzufügen, daß ein solcher zu nochmaliger Gerichtsverhandlung gebracht werden könnte. Ist hier nicht vielmehr an die Decemviri legibus scriKuntze, Excurse.

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bendis und deren besondere Machtvollkommenheit (vergl. Liv. 3, 44. 47.56.57) zu denken? Dies empfiehlt sich beinahe durch den allgemeinen staatshistorischen Hintergrund, aus welchem hervor Cicero hier (vergl. noch cap. 13. § 33; cap. 17. § 43. 45; cap. 30. § 80) seine Frage abhandelt. In pr. Caec. 33 endlich ist die Freiheit eines Weibes von Arretium in Frage: in welchem Sinn aber die Thätigkeit der dabei genannten Decemviri gemeint sei, ist nicht speciell erörtert; die Letzteren können hier recht wohl als Vorsitzende des Centumviralhofs, Instructoren des Processes und Verkündiger des judicatum gemeint seyn, welchenfalls diese Stelle mit der oben aufgestellten Ansicht ganz übereinstimmen und die folgenden Worte: „,aut magistratus aut judicis dubitatione“ ihre Erklärung haben würden.

Zweite Periode.

Von der Gesetzgebung der XII Tafeln bis zum ersten Punischen Kriege.

(ca. 450-250 v. Chr.)

XIII. Kapitel.

I. Länder und Völker.

(Zu § 97-102)

I.

Rom's Bürger.

Zu § 97] In dieser Periode athmet alles Energie. Es ist die Zeit, in welcher Rom am meisten unsere Bewunderung herausfordert, denn es ist die Jugendblüte und die classische Zeit des Röm. Nationalgeistes. Wir werden hier seine intensivste Erregung und Arbeit gewahr, und keine andere Zeit oder Nation hat eine gleich lange und geschlossene Kette einfacher kräftiger Karaktere aufzuweisen. Jede Aufgabe findet ihren Mann Terentilius Arsa, Quinctius Cincinnatus, Mamercus Aemilius, Furius Camillus († 365 v. Chr.), Licinius Stolo, M. Curtius (?), Decius Mus, Papirius Cursor, Publilius Philo, Appius Claudius († nach 278), Curius Dendatus aber keiner der Führer erhebt sich über das Volk zu einsamer Höhe, wenn auch Einzelne mit auszeichnenden Beinamen beehrt wurden, wie Sempronius ooqos und Atilius Sapiens (fr. 2. § 37. 38. D. de O. J. 1, 2), Valerius Maximus (a. 342 v. Chr.) und Fabius Maximus (a. 342); alle einzelnen Geister, die aus der Fülle des Gemeingeistes hervortreten, sind durchaus nur dessen Organe;

ja die großen Staatsmaximen finden in einzelnen Geschlechtern ihre Verkörperung, so in den patricischen Valeriern, Fabiern, Claudiern, in den plebejischen Iciliern, Publiliern u. Atiliern (Lange II. S. 115.; Schwegler II. S. 8. 58. 519. III. S 161); nicht Egoismus, sondern Enthusiasmus beseelt den emporwachsenden Körper, und so werden alle Abgründe überbrückt, alle Schlünde geschlossen, welche der ,, ewigen Stadt" den Tod zu drohen schienen. Die Situationen wechseln wie Berg und Thal, aber die Röm. Bürgerschaft bleibt Herrin einer jeden Situation. Mehr als einmal ist in den harten Kämpfen, welche bald Eroberungs- und bald Vertheidigungskriege sind, die ganze Existenz des Röm. Staats gefährdet, aber der endliche Preis des Ringens ist, daß Rom „aus der ersten die herrschende Macht" Italiens wird, und daß im Röm. Namen die Nation der Italiker sich concentrirt. Rom, welches am Anfang dieser Periode kaum anders als hundert andere kleine Völkerschaften und Gemeindestaaten Italiens dastand, war im Laufe zweier Jahrhunderte zur ansehnlichsten Landmacht der civilisirten Welt emporgeschossen und hatte in dieser überhaupt nur noch Eine Macht als Nebenbuhlerin. Vergl. Mommsen I. S. 457. 460.

Mehrmals im Laufe dieser Entwicklung verwickeln sich die italischen Conflicte in eigenthümlicher Weise durch das Eingreifen fremder Potenzen, nämlich der senonischen Gallier und des Epiroten Pyrrhos, indem jene mehr als einmal mit den Etruskern, mit diesem die Tarentiner zusammen gegen Rom stehen. Von beiden Seiten her wird Rom's Existenz gefährdet (390 u. 279 v. Chr.), aber in beiden Fällen ersteht dem geängsteten Rom ein Bürger, welcher der Bürgerschaft die fliehende Seele wieder einhaucht. M. Furius Camillus und Appius Claudius (Caecus) sind die einzigen Römer dieser Periode, welche um Hauptes Länge über ihrem Volk emporragend nur mit ihrem eignen Maß gemessen werden wollen, und in ihrem Einfluß auf die Röm. Militärorganisation scheint sogar der Faden eines geistigen Zusammenhangs den einen mit dem andern zu verknüpfen (Lange I. S. 429. II. S. 22. 34. 72. 74.); die Censur des Camillus (403) und die des Appius (312-308) gehören zu den folgenreichsten in der Röm. Geschichte. Camillus ist der glänzendste Nationalheld der alten Römer: 6 Mal ist er Consulartribun, 5 Mal Dictator gewesen, 4 Mal triumphirend auf's Capitol gezogen; er ist es, welcher zuerst seinem Volke die glänzende und gefährliche Bahn der ausländischen Eroberungen aufthut, die Last des Militärsoldes auf die Staatscasse überträgt, die erste erhebliche Gebietserweiterung (und Bildung 4 neuer Tribus) veranlaßt, durch seinen Widerstand gegen die Uebersiedelung nach Veji einen Bruch mit Rom's ganzer Vergangenheit verhütet: das Schwert und Schild Rom's gegen die zahlreichen Feinde, welche sich nach dem Gallischen Brande von allen Seiten erhoben, vom dankbaren Volke als zweiter Romulus und Vater des Vaterlands gepriesen; der bedeutendste Feldherr der Gallierzeit und vielleicht auch der Reformator des Röm. Kriegswesens. Er, der bisherige Vorkämpfer der Geschlechter ist es, welcher nach

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