Page images
PDF
EPUB

ren dürfe (vergl. jedoch I. S. 40. 42. der 1. Aufl.) und bemerkte hinzu, daß die Röm. Juristen das Zweckmoment nur selten hervorgehoben haben. Diese Bemerkung ist eben so richtig, wie die andere, daß unter den neueren Juristen namentlich v. Savigny das Zweckmoment berücksichtigt habe. Wie Puchta zum genologischen, so neigte v. Savigny zum teleologischen Standpunkt hin.

Wir nun, indem wir die Wichtigkeit und größere Betonbarkeit des Finalmoments zugeben, bestreiten doch, daß von ihm die Definition ausgehen müsse. Wir geben nur zu, daß sie in ihm einzumünden habe. Der Causalismus gibt das erste, und der Finalismus das zweite Moment, eine Umkehrung würde den Gedanken auf den Kopf stellen. Von da aus können und werden beide Momente ins rechte Gleichgewicht kommen; der rücksichtslose Causalismus ist nichts Anderes als einseitiger Idealismus, und der rücksichtslose Finalismus nichts Anderes als einseitiger Naturalismus. Wo das Gleichgewicht fehlt, hinkt der Gedanke: das sollten weder die Idealisten noch die Naturalisten vergessen! Es kann dermalen leicht geschehen, daß, gleichwie einst das Grundmoment (subtilitas) in den Proculianern und das Zweckmoment (utilitas) in den Sabinianern sein specifisches Organ der Wissenschaft fand, auch bei uns eine Spaltung und Zweiheit der Schulen beginnt; wir dürfen solche Schärfung der Zielpunkte durch den Gegensatz vielleicht nicht beklagen: aber wer in seinem philosophischen und juristischen Denken nach innerer Harmonie und äußerer Abrundung strebt, wird sich nur befriedigt finden, wenn er Grund und Zweck als die zwei Schenkel des Zirkels nimmt, mit deren einem er den Mittelpunkt feststellt, um mit dem anderen die Kreislinie darum zu beschreiben. Wer nur vom Grund aus das Recht bestimmen wollte, würde ein Centrum haben ohne Peripherie, und wer nur vom Zweck aus, gar eine Peripherie ohne Centrum, d. h. einen nur eingebildeten Kreis, nämlich keine Linie, sondern nur Punkte, eine Vielheit ohne Einheit, ein bloßes, vielleicht lockendes und doth unerquickliches Aggregat.

Demgemäß haben wir nun auch das Recht von diesem doppelten Gesichtspunkt aus festzustellen. Als frei erweist sich der Geist, indem er von dem Grunde seines Selbst aus zur Mannigfaltigkeit der Bethätigungen gelangt und gleichsam in einzelnen Acten ausstrahlt, als selbstbewußt, indem er von da auf sein Selbst als Zweck alles Thuns zurückstrebt und so gleichsam die Strahlen rückwärts sammelt. Diese unablässige, persönliche und lediglich oder wesentlich durch das Selbst bestimmte, d. h. der Außenwelt nur secundär bedürftige und immer sich in ihrem Eigenwesen gegen die Anstöße und Einflüsse der Umgebung behauptende Selbsterweisung, Selbstbethätigung und Selbstbefriedigung geht in drei Hauptdimensionen auseinander, aus deren Unterscheidung sich eine Dreiheit von Geistesregionen oder Elementarreichen des Geistes ergibt, welche eben so, wie die drei Dimensionen der Gestalt, oder wie die drei Reiche der tellurischen Welt (Erde, Luft und Wasser) zusammen und ineinander gehören. Ich nenne sie die Imagi

nation, Action und Speculation, oder die Phantasie, Energie und Intelligenz. Das eine dieser drei Reiche ist das des Rechts: die Action oder Energie. Auch die Energie ist nach ihrem Grund und Zweck zu bestimmen; mit solcher Bestimmung gewinnen wir das Wesen des Rechts.

Energie ist ein freies und selbstbewußtes Thun, ein im Selbst gegründetes und auf das Selbst abzweckendes Thun, das Thun einer Person; aber wenn wir den menschlichen Geist ins Auge fassen, müssen wir hinzufügen: kein unbedingtes, unbegrenztes und einfaches Thun, sondern da der Mensch eine erschaffene und in die creatürliche Welt gesetzte Person ist, nicht bloß (und nicht reine) Bewegung in sich selbst, sondern auch Bewegung in der Welt. Der Mensch gehört in die Welt, sein Selbst steht in der Welt. So hebt denn alle Lebensthätigkeit des Menschen an im engsten Umkreis des eignen Wesens (Mikrokosmos) und erweitert sich von da mit Unvermeidlichkeit auf die umgebende, mit und zu dem Menschen erschaffene Welt (Makrokosmos); dies ist das Lebensgesetz all' unseres Dichtens, Trachtens und Denkens; immer haben wir es zuerst mit der Welt in uns, darnach aber auch mit der Welt um uns zu thun. Mittels der Phantasie fängt der Mensch die Lebensformen des Selbst und der Welt im Netzwerk seines Geistesauges auf und taucht und bildet sie in sein Gemüth hinein; mittels der Energie bemächtigt er sich der Lebensstoffe des Selbst und der Welt, indem er sie gleichsam ergreift, sich auf sie erstreckt, sie seinen Zwecken dienstbar macht und ihnen den Stempel seines Wesens aufprägt. So zeigt uns die Phantasie die entfaltete Stimmung, die Energie die entfaltete Handlung des Menschen, und die Imagination ist ein mehr receptives, die Action ein mehr effectives Thun: dort Anschauung und Hingebung, hier Einwirkung und Herrschaft. In der Intelligenz aber scheinen sich beide Bewegungsweisen des menschlichen Geistes zu verbinden, indem derselbe mit der Kraft des Gedankens sich in die Dinge und zugleich die Dinge in sich hineinversetzt: alle Erkenntniß ist also Spiegelung; auch die Speculation beginnt mit dem Selbst und erweitert sich von da auf die Welt.

Wenn wir die energische Actualität der Person in diesem Sinne fassen, wird gegen sie als das Element oder die Substanz des Rechts das nicht einzuwenden seyn, was von Ihering (III. S. 310 u. 311) gegen die Auffassung des Rechts als der ,,Arena für den Willen" gesagt wird. Allerdings sind,,die Rechte nicht dazu da, um die Idee des abstracten Rechtswillens zu verwirklichen" (Ihering III. S. 316), aber sie sind die typischen Bethätigungen und Erzeugnisse der persönlichen Energie. Indem wir die Energie als eine Urpotenz des persönlichen Geistes verstehen, geben wir ihr eine Fülle realen Inhalts und stellen sie unter die ureigne Gesetzmäßigkeit des persönlichen oder nationellen Wesens und Lebens; von einem „,abstracten Rechtswillen" ist dabei nicht die Rede, sondern von einer That des Wollens und Handelns, welche aus dem persönlichen Wesen selbst ihren Grund und ihren Zweck entnimmt. Hier

mit ist von selbst die Genugthuung freier schöpferischer Entfaltung und selbstbewußter beseligender Sammlung gegeben, und dem Recht ein Reichthum des Inhalts gesichert, aus welchem sich erklären läßt, daß der Mensch im Aneignen und Herrschen, wie im Anwenden und Benutzen der angeeigneten Dinge die ihm erforderlichen Elemente der Nahrung und Entwicklung und ein unerschöpfliches, unablässiges Spiel von Geschäft und Genuß, von freiem Schaffen und selbstbewußtem Feiern findet. In diesem Sinne ist die Energie, ist das Recht ein Stück der Selbstverwirklichung und Selbstbekräftigung des Menschen und keineswegs in formalen Momenten auflösbar. Das Zweckmoment ist mit darin enthalten; aber freilich nur als ein Moment, und insofern muß ich mich gegen Ihering (III. 8. 316) erklären, wenn derselbe sagt: „der Nutzen, nicht der Wille ist die Substanz des Rechts", den Nutzen und Gewinn als das substantielle Moment des Rechtsbegriffs bezeichnet und das Wesen der Rechte ontologisch zu treffen meint, indem er sie,,rechtlich geschützte Interessen" nennt. Unter diesem Gesichtspunkte gerathen wir unausbleiblich zu utilitarischem Pragmatismus und naturalistischer Einseitigkeit, welche an dem modernen Cultus der Nationalökonomie in der Jurisprudenz einen gar thätigen und gar gefährlichen Secundanten finden. Der Schlachtruf gilt wieder: Hier Proculus und Labeo, hier Capito und Sabinus! In den von Ihering beigefügten Beispielen (S. 318-326) lassen sich bereits die Anfänge einer Sabinianischen Rechtsbehandlung entdecken. Die Krause'sche Schule von der einen Seite, die teleologische Juristenfraction eines Brinz, Köppen und Bekker von der anderen Seite, und der nationalökonomische Naturalismus eines Dankwardt und Cons. von dritter Seite werden bald ihren Berührungspunkt mit jener Rechtsbehandlung gefunden und ein Lager des juristischen Naturalismus geschaffen haben. Ihering, der von Hegel ausgegangen ist, hat sich während der Ausarbeitung des 2. Bandes immer mehr von der dialectischen zur naturalistischen Methode (vergl. II. S. 385-389) hinübergewendet und scheint nunmehr im 3. Bde, seinen juristischen Parteistandpunkt unter den neuen Sabinianern fixirt zu haben. So hoch wir Ihering's Leistungen stellen, hier ist der Punkt, wo wir ihn mit allen Waffen der Wissenschaft bekämpfen müssen. Vergl. Münchner krit. Ueberschau II. (1855) S. 195, und Schletter's Jahrbb. V. S. 206-209.

II.

Die Methode des symbolischen Parallelisirens.

Zu § 3] Die Natur kann in freier Weise für die Lehre des Rechts benutzt werden, denn sie ist auf den Menschen, auf den menschlichen Geist hin erschaffen und bietet für alle Phänomene des Geisteslebens sinnliche Analogien. Auf diese Parallele hat der Mensch ein um so zweifelloseres Recht, als sie in seiner eigenen Natur und creatürlichen Art begründet ist. Die unfreie Welt oder die Natur schlechthin ist das Reich der Sinnlichkeit, die freien selbstbewußten Wesen als solche sind übersinnlicher Art: in

der Sinnlichkeit markirt sich die Grenze der selbstbewußten Freiheit. Der Mensch aber steht auf dieser Grenze: er gehört sowohl dem Reiche der Sinnlichkeit, als auch dem der Uebersinnlichkeit an.

Jenes Reich ist nur dem sinnlichen, das Reich der Freiheit nur dem geistigen Auge zugänglich, und damit scheint ein absoluter Gegensatz angenommen; dennoch hat die Natur einen gewissen Werth für die Erkenntniß des Geistes, indem wir, wie gesagt, finden, daß die Gesetze und Grunderscheinungen der beiden Reiche trotz ihrer Eigenartigkeit in dem Verhältniß einer prästabilirten, providentiellen Harmonie stehen, und, wenn wir sie von der formellen Seite zu nehmen wissen, uns einen gewissen Parallelismus bieten. Wir dürfen daher, wenn wir nur vorsichtig sind, die Natur als Bild des geistigen, bezieh. des juristischen Kosmos behandeln. Durch die Imagination, welche auf diesem Wege angeregt wird, kann freilich die nüchterne und mühsame Arbeit des Denkens nicht erspart und überflüssig, aber doch recht oft und zweckmäßig erleichtert werden; jene soll den Gedanken nicht ersetzen und verdrängen, sondern ihn beflügeln, ihm beistehn, dienen und Eingang verschaffen. Bildliche Unterstützung des Unterrichts gilt heutzutage als eine Cardinalmaxime der gebildeten Lehrmethode: diese soll lebendig, anschaulich, und Alles illustrirt werden, was gelehrt wird. Darf die Rechtslehre diesen Vortheil verschmähen? Wir wollen ja diese Bildlichkeit nicht als Grundlage, sondern nur als Hülfsmittel der juristischen Methodik, und dieselbe in den frischen Wellen einer didactischen Symbolik nicht zerfließen lassen, sondern nur baden und erfrischen. Es thut unsrer dürren Wissenschaft diese Erfrischung wahrlich Noth; gefährlich würde sie nur dann seyn, wenn man die Natur zur Argumentation, statt zur bloßen Illustration des Geistes verwerthen wollte!

Von dieser Seite, also im Formalen, würden wir uns dem teleologischen Naturalismus, oder der Abzweigung desselben, welche die naturhistorische Methode genannt worden ist, gewissermaßen annähern. In folgendem Punkte stimmen wir mit ihr überein. Das Rechtsleben ist eine geistige Welt, aber mit nichten ein bloß gedachtes Reich, wie das der Zahlen, Kategorien, Figuren und Begriffe. Wir haben es dort mit Phänomenen und Processen zu thun, welche zwar übersinnlich, aber wirklich (objectiv) sind: Realitäten erfüllen die Welt des Rechts. Die Genossenschaftskreise, die Körperschaften, die Personen und die einzelnen Rechtsverhältnisse derselben sind reelle und lebendige Potenzen, als solche müssen sie vor die Seele des Betrachters treten. Demgemäß soll die Methode des symbolischen Parallelismus dem Lernenden den Eindruck geben, daß er es nicht mit einem Schein, sondern Seyn, mit wirklichen Existenzen, Größen und Kräften, mit übersinnlichen und doch greif- und begreifbaren Realitäten zu thun bekommt, wenn er von Rechten, ihrem Entstehen und Untergehen hört und lernen soll, alles dieses zu analysiren und construiren, zu demonstriren und classificiren. Vergl. Meine Ausführung in Schletter's Jahrbb. V. S. 208. Dazu Trieps, Ueb. Nationalität und Einheit d. bürgerl. Rechts (Hamb. 1860). S. 6. 7.

III.

Fehler in der Fassung der Rechtsidee.

Zu § 41 Ich halte dafür, daß durch folgende Ansichten falsche Elemente in die Definition der Rechtsidee gebracht werden: 1) das Recht sei an sich eine Schranke der Willensfreiheit (Kant!). Das Grundprincip des Rechts muß aber ein positives seyn, wie jedes Grundprincip; wir finden auch, daß ein beträchtlicher Theil der elementaren Rechtssätze nicht beschränkend, sondern gewährend ist (uti legassit, ita jus esto!). Nur dies ist richtig, daß für den egoistischen Willen (welcher weiter geht als der Ich-Wille) das Recht als eine Schranke erscheint, und im geschichtlich-thatsächlichen Rechtsleben diese Seite am grellsten hervortritt. In einem gewissen Zusammenhange mit jenem Fehler steht der andere (Herbart!), daß der Conflict des menschlichen Geistes als dogmatischer Ausgangspunkt der Rechtsordnung zu behandeln sei. Ich halte es für unstatthaft, den Streit absolut früher als den Frieden, die Willkür vor die Ordnung anzusetzen. Das Recht ist aus der Freiheit, nicht aus dem Frevel abzuleiten. Wie soll ohne den Untergrund der Ordnung der Vertrag auf der wogenden Fläche des Streits das Recht erbauen?

2) Das Recht beziehe sich schlechthin nur auf die sociale Stellung des Menschen, sei nur für das menschliche Gemeinwesen bestimmt und wurzele lediglich in der Willensübereinstimmung (Vertrag?) einer genossenschaftlichen Mehrheit, (Krause, Ahrens, v. Scheurl u. s. w.). Ist nun aber wirklich das Recht im Wesen des Menschen schlechthin gegründet, so kann es in seinem innersten Kern nicht durch die Voraussetzung einer communalen Pluralität bedingt seyn. Das Pluralitätsmoment kann daher nur ein geschichtlich hinzukommendes Moment seyn, und gehört zur Rechtsidee nur insofern, als der Mensch nicht bloß Einzelwesen, sondern auch und zugleich Gemeinwesen ist. Demzufolge ist das Recht als eine Ordnung des menschlichen Handelns und Herrschens sowohl ohne, als mit Rücksicht auf die gesellschaftliche Coexistenz aufzufassen, und in dieser Zwiefachheit ist es auch von den Römern aufgefaßt worden, wie das honeste vive neben dem neminem laede, und wie die Grundidee des Röm. Privatrechts vor Allem zeigt (actio in rem!): im eigentlichen Privatrecht muß die sociale Coexistenz immer ein durchaus nur secundäres Moment bilden; anders freilich im jus publicum.

3) Das Recht sei die erzwingbare Ordnung des Zusammenlebens (Thomasius, Wolf!). Allein zwar strebt der Rechtstrieb nach Erzwingbarkeit der Normen, bringt es aber nicht überall dazu. Wir geben zu, daß an der Ausbildung von Zwangsmaßregeln meistens die Nachdrücklichkeit und Reife der Rechtsüberzeugung wahrgenommen werden kann, aber immer bildet der Zwang nicht das Kriterium, sondern nur ein Symptom des Rechts. Viele Sätze des Privat- und Staatsrechts entbehren des geordneten Zwangs (minima Praetor non curat - princeps legibus solutus!), im Völkerrecht wird die Zwangsordnung nie gleichen

[ocr errors]
« PreviousContinue »