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So haftet denn auch ganz natürlicher Weise das Verbrechen mit seinen Rechtsfolgen am Thäter, die rechtliche Reaction erfaßt den Schuldigen selbst, wie sie auch das Thier oder die leblose Sache, welche eine Vermögensbeschädigung Dritter verursacht haben, erfaßt und in Anspruch nimmt. Aber die rechtliche Reaction beschränkt sich auch zunächst hierauf. Cum animalia, quae noxam commiserunt, non ultra nos solent onerare, quam ut noxae ea dedamus, multa magis ea, quae anima carent, ultra nos non debent onerare (Ulp. fr. 7. § 1. D. de domn. inf. 39, 2)* — Si jussu domini servus injuriam fecerit, et proponatur servus manumissus: placet Labeoni, dandam in eum actionem, quia et noxa caput sequitur (fr. 17. § 7. D. de injur. 47, 10) – XII Tafeln: si membrum rupit, ni cum eo parit, talio esto! Wir sehen, wie in den Fällen, da eine leblose Sache, ein Thier, ein Sklave Verletzungen bewirkt hat, die rechtliche Reaction sich zunächst unmittelbar gegen diese Sache, dieses Thier, diesen Sklaven richtet.** Die actio noxalis aber ist, wie das in fr. 17. cit. direct angedeutet liegt, eine verdeckte Delictsklage, und dem entsprechend trifft der alte Grundsatz: noxa caput sequitur, eigentlich auch die Delicte freier und selbständiger Menschen: der Thäter hat mit seinem Körper einzutreten, an seiner Person haftet sein Delict. Darum verfällt der ertappte Dieb dem Bestohlnen, muß der öffentliche Schmäher Geißelung erfahren, der membri ruptor Talion gewärtigen. Es ist eine Milderung und ein Schritt zum Künstlichen, wenn Ablösung d. i. Sühnung durch Bußgeld, Strafe durch Geldleistung an den Verletzten vorgesehen und gewährleistet wird. Die Genugthuung muß sich hier mit einem Surrogat begnügen.† Jener Satz der XII Tafeln zeigt uns den Uebergang in dieses neue System von Rechtsanschauungen; ob schon fertig, oder nur in dem Sinn, daß es eine Mahnung an den Verletzten sei, sich freiwillig im Wege Vertrags zur Annahme eines Surrogats zu verstehen? das kann noch gefragt werden. Allmählich aber nehmen sämmtliche Privatdelicte diese Wendung, und die Ueberlassung des schuldigen Menschen oder Thiers bleibt nur noch in der besonderen Anwendung bei noxae datio bestehen, wo sie als eine negative Resolutivbedingung der Entschädigungspflicht erscheint. Die reinen Delictsklagen gehen nun schlechthin auf eine Geldsumme.

II.

Besondere actiones furto cohaerentes.

Zu § 714] Die älteren Juristen Rom's zählten mehrere Arten des furtum auf, erst Labeo machte darauf aufmerksam, daß es bei einigen derselben sich nur um Unterschiede der Klage handle. Gaius (3, 183 -194) gibt eine ziemlich ausführliche Darstellung, die aber nicht in allen Punkten ganz klar ist. Schon unter den Veteres wurden feinere Rechtsfragen betreffs des furtum ventilirt (fr. 21. pr.; fr. 66. §2; fr.76.

*) s. Cursus § 738. **) s. oben Excurse S. 455.

†) s. Cursus § 717.

§ 1. D. de furt. 47, 2), auch in den Anfängen der Kaiserzeit ward viel über den Begriff des furtum verhandelt, und namentlich scheint derselbe ein Gegenstand des Streits zwischen Labeo und Sabinus gewesen zu seyn. Labeo, welchem auch die Theorie der Injurien viel verdankt (furtum-injuria: cf. z. B. fr. 21. § 7. eod.), strebte offenbar nach festerer Begrenzung des Begriffs des furtum: er war es wohl, welcher gegenüber dem Sabinus den Gedanken eines furtum fundi bekämpfte (fr. 25. $1. eod.: woraus vielleicht auch geschlossen werden mag, daß erst durch Celsus das furtum possessionis festgestellt wurde, gleichsam zur Ergänzung der Lücke, die durch Beschränkung des furtum rei auf Mobilien entstand). Sabinus vertrat den laxeren Begriff, womit seine Ableitung des Wortes furtum von fraus* (fr. 1. pr. eod.) zusammenhängen dürfte; er behandelte das furtum sowohl im 2. Buche seines jus civile, als auch in seinem liber singularis de furto (Gell. N. A. 11, 18).

Von größter Wichtigkeit war aus ältester Zeit der Unterschied des furtum manifestum und nec manifestum. Es muß auffallen, daß nach dem äußern Moment des Ertapptwerdens die Strafe, d. h. die Strafbarkeit abgemessen wurde, allein es ist zu vermuthen, daß dieses Moment die Bedeutung eines Symptoms hatte und den Gedanken enthielt, ein Dieb, der sich der Gefahr des Ertapptwerdens aussetzt, sei besonders frech verfahren und darum besonders gefährlich (furis manifesti intoleranda audacia: Gell. 20, 1) und strafwürdig; m. a. W. das furtum manifestum sei dem Raub verwandt und bez. mit ihm identisch. Vielleicht lebt in diesem Unterschied auch jener den alten Aegyptern und Lakedaemoniern geläufige Gedanke, daß ein gelungener Diebstahl, als Bewährung einer List (und vielleicht auch als Beweis gegentheiliger Unachtsamkeit), Straflosigkeit verdiene (s. Gell. 11, 18). Sabinus definirt das furtum manifestum so: quod deprehenditur, dum fit; faciendi finis est, cum perlatum est, quo ferri coeperat (Gell. 1. c.). Ulpian definirt in seinem Sabinuscommentar: fur est manifestus, qui deprehenditur cum furto; et parvi refert, a quo deprehendatur, utrum ab eo, cujus res fuit, an ab alio. Sed utrum ita demum fur sit manifestus, si in faciendo deprehendatur, an vero, et si alicubi fuerit deprehensus? Et magis est (ut et Julianus scripsit), et si non ibi deprehendatur, ubi furtum fecit, attamen esse furem manifestum, si cum re furtiva fuerit apprehensus, priusquam eo loci rem pertulerit, quo destinaverat. Sive igitur in publico, sive in privato deprehendatur, antequam ad locum destinatum rem perferret, in ea causa est, ut fur manifestus sit, si cum re furtiva deprehendatur; et ita Cassius scripsit; sed si pertulit, quo destinavit, tametsi deprehendatur cum re furtiva, non est manifestus fur (fr. 3. 5. D. de furt. 47, 2). Paulus definirt: Manifestus fur est, qui in faciendo deprehensus est, et qui intra terminos ejus loci, unde quid sustulerat, deprehensus est, vel antequam ad eum locum, quo destinaverat, perveniret (Sent. rec. II, 31. § 2; fr. 4. D. eod.).

*) Vergl. oben Excurse S. 498.

Die XII Tafeln hatten den fur manifestus mit Geißelung und Ueberlieferung an den Bestohlnen, den nec manifestus mit Geldstrafe im Betrag des doppelten Sachwerths bedroht, und dem furtum manifestum das furtum lance et licio quaesitum gleichgestellt. Aus Gaius (3, 186—194) ist nicht genau ersichtlich, wie dieses letztgenannte furtum sich zu dem s. g. furtum conceptum und prohibitum verhielt, sowie auch schon unter den späteren Römern selbst der für jene Haussuchung vorgeschriebene Ritus unverständlich geworden war. Es ist fraglich, ob das licium (linteum) ein Leibgurt oder eine Kopfbinde war, und aus welchem Grunde der Suchende mit beiden Händen eine Schale halten mußte. Schon Gaius war darüber ganz im Unklaren; er deutet an, daß jenes eine Verletzung der Schamhaftigkeit, dieses eine Unterschiebung von Sachen verhüten sollte. Bei Plato de leg. (in Ed. Bip. IX. p. 202) heißt es: Si quis in domo alterius quaerere quidpiam tanquam suum velit, is nudus et licio cinctus, cetera discinctus justosque per Deos ante jurans, se inveniendi spe id facere, ita demum requirito! Wir sehen daraus, daß die solennitas (cf. Aristoph. Nubes I, 6. v. 497—9) sacraler Natur (Priesterbinde und Opferschale?) war, und dürfen danach die Vermuthung wagen, daß sie vom Suchenden als ultima ratio gewählt wurde, wenn der Gegner sich der (einfachen) Haussuchung widersetzte und sein Widerwille gebrochen werden sollte. Später als die Kraft des Ritus erlosch, mußte der Widersetzungsact selbst bestraft werden, und so trat vielleicht an die Stelle des furtum lance et licio quaesitum der Begriff des furtum prohibitum, und da jenes ältere dem furtum manifestum gleichgalt, die edictsmäßige poena quadrupli adversus eum, qui quaerere volentem prohibuerit (Gai. 3, 192). Jener Ritus hinge also geschichtlich mit dem furtum prohibitum, nicht aber (wie Gellius 11, 18 anzunehmen scheint) mit dem furtum conceptum zusammen. Auch dieses letztere soll schon in den XII Tafeln vorgesehen worden seyn, es galt aber nicht dem furtum manifestum gleich, sondern nur als eine ausgezeichnete Spielart des furtum nec manifestum, daher die poena pecuniaria (tripli) vorgeschrieben war. Dieser Strafe verfiel nämlich, wer die gesuchte Sache verleugnete und dann infolge Haussuchung der Unwahrheit überführt ward, gleich viel ob er der Dieb selbst oder nur Hehler war; die Haussuchung geschah unter Zuziehung von Zeugen (Gai. 3, 186. 191; 4, 173). Endlich trafen die XII Tafeln einen vierten Fall: Wem von einem Anderen böswillig eine gestohlene Sache zugeschoben wurde, so daß er durch nachherige Entdeckung der Sache in Verdacht gerieth, der hatte gegen den Schuldigen die actio furti oblati auf poena tripli (Gai. 3, 187); es war für ihn eine Regreßklage, wenn er selbst der actio furti concepti erlegen war (Paul. II, 31. § 5).

Vergl. v. Keller Grundriß zu Vorles. üb. Institut. (Berl. 1854-8) S. 139-141. Grimm Deut. Rechtsalterth. S. 640 ff, u. i. d. Zeitschr. f. geschichtl. Rechtswiss. II. (Poesie im Recht) S. 91 ff. v. Vangerow De furto concepto ex lege XII tab. (Heidelb. 1844).

Im nachclassischen Recht traten diese besonderen Klagen allmäh

lich in den Hintergrund, dem Justinianischen Recht sind sie fremd; nach demselben trifft jeden wissentlichen Hehler gestohlnen Gutes die einfache Strafe des furtum nec manifestum (§ 4. J. de oblig. quae ex del. 4, 1). Von Justinian wird unter den veralteten Klagen auch eine actio furti non exhibiti aufgeführt, welche aus dem prätorischen Edict entsprungen sei (§ 4. J. cit.). Theophilus (ad h. l.) versteht darunter die Vorenthaltung einer entdeckten (gestohlnen) Sache; sollte aber exhibere ein Restituiren ausdrücken? Exhibere bedeutete in der Rechtssprache: materiae ipsius apprehendendae copiam facere, oder videndi tangendique facultatem praehere (fr. 3. § 8. D. de tab. exhib. 43,5; fr. 3. § 8. D. de hom. exh. 43, 29); es liegt daher näher, anzunehmen, daß der Begriff des furtum non exhibitum eine Ergänzung des furtum prohibitum, welches gleichfalls aus dem Edict abgeleitet ward, bildete: wagte der Suchende nicht, Haussuchung vor Zeugen zu verlangen, war er seiner Sache minder gewiß, so forderte er den Verdächtigen auf, die fragliche Sache vorzuzeigen, um deren Identität festzustellen: Weigerung dessen war mit poena furti bestraft. Weitere Nachrichten über diese Klage fehlen in den Quellen. Nur in Einer Anwendung finden wir noch im Justinianischen Recht eine unmittelbare Reminiscenz an jenes furtum prohibitum: in Anwendung auf servi fugitivi, mit deren Aufspürung Senatsconsulte und Gesetze sich beschäftigten. Senatusconsultum aditum dedit militi vel pagano ad investigandum fugitivum in praedia Senatorum vel paganorum. Cui rei etiam lex Fabia* prospexerat, et Sctum Modesto Consule factum: ut fugitivos inquirere volentibus literae ad magistratus dentur: multa enim centum solidorum in magistratus statuta, si, literis acceptis, inquirentes non adjuvent. Sed et in eum, qui quaeri apud se prohibuit, eadem poena statuta. Est etiam generalis Epistola Divorum Marci et Commodi, qua declaratur, et Praesides et magistratus et milites stationarios dominum adjuvare debere in inquirendis fugitivis, et ut inventos redderent et ut hi, apud quos delitescant, puniantur, si crimine contingantur (Ulp. fr. 1. § 2. de fugitivis 11, 4). Divus Pius rescripsit, eum, qui fugitivum vult requirere in praediis alienis, posse adire Praesidem, literas ei daturum, et si ita res exegerit, apparitorem quoque, ut ei permittatur ingredi et inquirere, et poenam eundem Praesidem in eum constituere, qui inquiri non permiserit. Sed et D. Marcus oratione, quam in Senatu recitavit, facultatem dedit ingrediendi tam Caesaris quam Senatorum et paganorum praedia volentibus fugitivos inquirere, scrutarique cubilia atque vestigia occultantium (Ulp. fr. 3. cod.). Auch bei der Aufspürung von Sklaven scheint es noch vorgekommen zu seyn, daß man Zeugen zuzog (fr. 58. § 2. D. de aed. Ed. 21, 1).

Uebrigens machte sich, während jene alterthümlichen Klagen veralteten, und im Wesentlichen nur die einfache actio furti und condictio furtiva bestehen blieben, immer mehr das eigentlich criminalistische Princip geltend, d. h. es wurde im Interesse der öffentlichen Sicherheit

*) Unter Domitianus (um 90 p. Chr.)? s. Plin. Ep. 1,5 (Mommsen Ausg. der Digesten ad h. l.).

ein strafrechtliches Verfahren angeordnet. 1) Einzelne eigenthümlich geartete Fälle, z. B. das crimen expilatae hereditatis, sepulcri violati, effracturae (fr. 3. D. de off. praef. vig. 1, 15), das furtum balnearium wurden unter amtliche Cognition gestellt und extra ordinem untersucht. 2) Auch die gewöhnlichen Diebstahlsfälle wurden immer häufiger im Wege öffentlicher Anklage (accusatio) verfolgt, obschon dem Bestohlnen die Wahl blieb, statt dessen zur civilis actio zu greifen (Ulp. fr. 92. D. de furt. 47, 2). Vergl. Rein Röm. Criminalrecht S. 316ff. Rudorff Röm. Rechtsgesch. II. § 106. 122.

XLI. Kapitel.

Legalobligationen.
(Zu § 722-739)

Nemo cum alterius detrimento locupletior fieri debet.

Zu § 722] Man hat früher den Satz von der Bereicherung auf fremde Kosten ohne Weiteres als ein Rechtsprincip hingenommen; dann hat man diesen Satz wegen seiner principlosen Allgemeinheit getadelt und die Quellenaussprüche einschränken zu müssen gemeint (s. Windscheid Pandektenrecht II. 2. § 421. Anm. 1). Beides ist unrichtig. Pomponius, von welchem jener Satz aufgestellt ist (fr. 14. D. de cond. ind. 12, 6; fr. 6. § 2. D. de jure dot. 23, 3 und fr. 206. D. de R. J.), hat ihn mit der entscheidenden Einschränkung: cum detrimento et injuria, aufgestellt; offenbar besagt dies nichts Anderes, als was sonst mit den Worten: sine justa causa, ausgedrückt ist.

Der bezeichnete Satz enthält ein Rechtsprincip, aber nicht ein dem jus civile oder honorarium, sondern dem jus naturale angehöriges. Das System der condictiones sine causa ist der erste Stoff des jus naturale, welcher zur Anerkennung gelangte. Als Satz des jus naturale steht er bei Paulus (fr. 15. pr. D. de cond. ind. 12, 6) und bei Pomponius (fr. 14. eod.; fr. 206. D. de R. J.); Marcian (in fr. 25. D. de act. rer. am. 25, 2) nennt das jus gentium nicht für die condictio sine causa, sondern für die condictio furtiva und actio rerum amotarum. Dagegen nennt Tryphonin (in fr. 64. D. de cond. ind. 12, 6) ausdrücklich das jus naturale für die condictio indebiti, und Papinian's Ausspruch in fr. 66. D. eod. steht dem nicht entgegen.

Es ist bemerkenswerth, daß der Anfang des Systems der condictiones sine causa schon bei den Veteres liegt (fr. 8. D. de cond. causa data 12, 4; fr. 6. D. de cond. ob turp. c. 12, 5); namentlich aber scheinen es Labeo (fr. 4. § 3. D. cod.) und Juventius Celsus (fr. 4. § 2; fr. 6. eod.; fr. 6. 26. § 13. D. de cond. ind. 12, 6), zuletzt Julian gewesen zu seyn, welche sich um die junge Lehre verdient machten. Ueber die s. g. condictio Juventiana s. fr. 32. D. de reb. cred. (12, 1), über die condictio pecuniae quasi mutuae s. fr. 12. eod. und über den Fall einer con

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