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den Titel praefectus Aegypti, später Augustalis, und ein imperium ad similitudinem proconsulis, d. h. die Vollmacht eines Provinzialstatthalters ohne dessen äußere Ausstattung und ohne fasces erhielt. Sein Beamtenpersonal besteht aus Freigelassenen des Kaisers."

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„Die zweite Eigenthümlichkeit war, daß das Land nicht, wie Italien und die meisten Provinzen, in eine Anzahl neben einander bsstehender Communalverbände und städtischen Territorien zerfiel, deren Administration von städtischen Senaten und Behörden ausging, sondern zum Zwecke einer centralisirten Verwaltung in Theile zerlegt war, welche einander untergeordnet, von Beamten verschiedner Rangstufen regiert wurden. Es gab in Aegypten 3 große Bezirke (Epistrategien): Oberägypten (Thebais), Mittelägypten (Heptanomis) und Unterägypten, Jeder derselben war getheilt in Nomen, die Nomen in Toparchien, diese in ziuaι und rózot, in welchen das Land genau nach povou vermessen war. Die großen Bezirke standen jeder unter einem ἐπιστράτηγος, der ein Römer war." Von dieser Verwaltung des Landes waren die griechischen Städte, namentlich Alexandria, Ptolemais und Antinoe ausgenommen, welche nicht unter der Regierung der Beamten des Nomos standen, sondern eine griechische Communalverfassung hatten.“ „Auch Alexandria hatte unter den Ptolemäern eine Eintheilung in Phylen und Demen; aus ihnen war ohne Zweifel eine Sový gebildet, welche Augustus nach der Eroberung der Stadt auflöste. Mit dieser Auflösung hängt wahrscheinlich die Einsetzung einer besonderen und viel besprochenen Behörde, des Juridicus Alexandriae, zusammen. Denn daß derselbe einige Male auch Juridicus Aegypti genannt wird, und daß in späterer Zeit Juridici provinciarum mehrfach vorkommen, beweist noch nicht, was man mehrfach angenommen hat, daß er eine Gerichtsbarkeit in ganz Aegypten ausgeübt habe. Dies ist um so unwahrscheinlicher, da die höchste Gerichtsbarkeit in Händen der Präfecten, die niedere aber in Händen der Ortsbehörden war (s. Ritter i. d. Vorr. zum Gothofred. Cod. Theod. Thl. V.). Vielmehr hat der Juridicus eine Analogie in den praefectis juri dicundo, wie sie in alter Zeit theils in eroberten italischen Städten vorkommen, deren Senat ebenfalls aufgelöst wurde, theils in den alten italischen Colonien, in welchen außer der Röm. Ansiedlung noch eine ursprüngliche Einwohnerschaft fortbestand, die zur Gemeinde nicht mit gehörte."

,,Die Augusteische Organisation Aegyptens erhielt sich bis auf Diocletian. Die Nomeneintheilung dauerte indeß bis in das 7. Jahrhundert v. Chr." Vergl. Franz Corp. Inscript. Gr. Vol. III. fasc. 2. p. 322 sq. Kuhn d. städt. u. bürg. Verfass. des Röm. Reichs, II. S. 476 ff.

Es ergibt sich aus dieser Darstellung, wie das Karakteristische der Ausnahmestellung Aegyptens im Röm. Reichsorganismus, der durch und durch städtisches Gepräge trug, in der Beibehaltung des territorialen oder ländlichen Gepräges bestand: eine Concession des politischen Occidentalismus an den Orient, der in Aegypten seine höchste politische Leistung besaß.

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VII.

Die Colonien.

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Zu § 294],,Was zuerst die äußeren Verhältnisse betrifft, so unterscheiden sich die s. g. Bürgercolonien der 1. Periode von den Militärcolonien der letzten nicht, wie man aus dem Namen schließen möchte, durch die Art der Colonisten denn einerseits hatten auch die alten Colonien rein militärische Zwecke und dienten gleichfalls zur Versorgung ausgedienter Soldaten, anderseits sind nicht nur die Soldaten der Kaiserzeit Bürger, sondern es sind auch die Colonien dieser Periode zur Versorgung der städtischen Plebs, wie früher, angewendet worden. sie unterscheiden sich ferner nicht durch den Ritus der Ausführung, welcher im Ganzen unverändert blieb, sondern ausschließlich durch die Personen, durch welche die Deduction verfügt und vollzogen wurde. Die älteren Colonien wurden auf Antrag eines Consuls oder Tribunen und auf Grund eines Sctum, in welchem die Zahl der Colonisten, die Landanweisung und die Behörde, welche die Anlage ausführen sollte, bestimmt war, durch einen Volksbeschluß (lex colonica) angeordnet, und die Wahl der Commission, welcher dieser Auftrag gegeben wurde, und welche gewöhnlich aus 3 Personen (triumviri coloniae deducendae agroque dividundo) bestand, ebenfalls vom Volke in Tributcomitien vorgenommen. Die Commission empfing durch eine lex curiata das imperium für die Dauer des Geschäfts, namentlich das Recht, zu entscheiden, was als ager privatus anzuerkennen oder als ager publicus in Anspruch zu nehmen sei. Die Mitglieder der Commission blieben auch nach Vollendung der Deduction als Patroni der Colonie in dauernder Beziehung zu derselben (Cic. pr. Sull. 21). Die Militärcolonien der Kaiserzeit sind dagegen ohne Mitwirkung des Volks durch den Imperator auf Grund seines imperium angeordnet, und nicht durch eine gewählte Commission, sondern durch einen Legaten des Kaisers ausgeführt, so daß die militärische Organisation des ganzen Beamtenwesens, welche die Monarchie mit sich brachte, auch in diesem Zweige der Verwaltung erkennbar ist. Dieses neue Verfahren bei der Assignation der Ländereien ist aber ebenso wenig plötzlich entstanden, als die Monarchie selbst; Sulla, der als Begründer der Militärcolonien zu betrachten ist, ließ sich die Vollmacht zur Gründung seiner Colonien noch durch die lex Valeria übertragen, und scheint die Ausführung derselben einer Civilcommission überlassen zu haben; Cäsar setzte in seinem 1. Consulate (59 v. Chr.) seine lex agraria mit Gewalt durch und ließ seine Colonien durch vigintiviri deduciren; erst während seiner Dictatur bediente er sich zur Aeckerassignation seiner legati, und hierin folgten ihm die Triumvirn des Jahres 43 und später die Kaiser" (s. Zumpt Comment. epigr. p. 249. 301. 444). „Der Soldat verdankte seine Versorgung nunmehr nicht dem Staate, sondern der Person des Imperators. Die Ansiedlungen sind zwar theilweise in Italien auf vacant gewordenen Ländereien (zuletzt

unter Nerva) bewirkt, allein seit Cäsar auch in den Provinzen, zuerst namentlich in Spanien und Gallien in größerer Anzahl gegründet.“ ,,Der ursprüngliche Bauernstand Italiens war ausgerottet, die großen Güter wurden durch Sklaven bearbeitet, welchen die Provinzen den Unterhalt liefern mußten (Tac. Ann. 14, 27). Die überall und wiederbolt angesiedelte Soldatenmasse, großentheils ohne Frauen und Kinder, schmolz so schnell zusammen (Tac. Ann. 3, 54), daß die italischen Städte, einstmals die unerschöpfliche Quelle der Röm. Militärmacht, spärlich bevölkert, theilweise verödet waren, und ein fortwährender künstlicher Ersatz durch neue Ansiedlungen für die Erhaltung derselben nothwendig war. In den Provinzen, wo die Abnahme der Bevölkerung zwar etwas später, aber seit Hadrian in dem Grade merklich wurde, daß man barbarische Stämme für die Zwecke des Ackerbaus in dieselben aufzunehmen gezwungen war, trat außerdem das Bedürfniß militärischer Ansiedlungen wegen der Sicherheit gegen äußere und innere Feinde ein, welches bei den Colonien der Kaiserzeit bis zuletzt maßgebend geblieben ist.“ „Die ersten Städteanlagen in neu gewonnenen barbarischen Ländern wurden nicht durch Soldaten, sondern durch die Einwohner des Landes selbst auf Anordnung des Kaisers vorgenommen, von welchem sie häufig den Namen führen, ohne daß sie deshalb für Colonien zu halten sind; unter den vielen Ortschaften, mit welchen Trajan das verwüstete Dacien neu bevölkerte, waren nur 4 Colonien.",,Als Colonien sind nur diejenigen Ansiedlungen zu betrachten, in welchen Röm. Bürger zu einer neuen Gemeinde durch eine besondere lex coloniae constituirt wurden (Hygin. de cond. agr. p. 118. 164). Seit Hadrian ist das Privilegium einer Colonie, wie es scheint, als bloßer Titel auch an Städte übertragen worden, in welchen eine neue Ansiedlung nicht vor sich ging. Daneben aber bestehen die eigenthümlichen Colonienanlagen, besonders in den Grenzprovinzen, fort. Die letzte wirklich ausgeführte Colonie ist Verona, welches, von Trajan gegründet, im Jahre 265 durch Gallienus nochmals eine Ansiedlung erhielt; noch später, vielleicht unter Diocletian, ist Nicomedia in Bithynien zum Range einer Colonie erhoben. Unter Constantin ist das Institut der Colonien nicht mehr vorhanden" (Zumpt l. c., p. 437). Marquardt III. 1. S. 311-4; 335–341.

XXVIII. Kapitel.

III. Rechtsquellen.

(Zu § 296-322)
I.

Die Augusteische Gesetzgebung.

A. Lex Aelia Sententia und Furia Caninia.

Zu § 299] Das Wachsthum des Proletariats in den Hauptstädten und das Zusammenschwinden des Röm. Bluts in Italien und den Pro

vinzen waren die zwei Dämonen, welche den neuen Thron umlagerten. Augustus, der den Thron aufgerichtet hatte, mußte ihn auch durch Beschwörung der Unholde zu sichern suchen: dies war der eigentliche Zweck der Augusteischen Gesetzgebung, welche in den Leges Aelia Sentia und Furia Caninia, sowie der lex Julia et Papia Poppaea gipfelte. Es galt, das Röm. Blut möglichst rein zu halten und zugleich möglichst zu mehren. Diese Gesetzgebung griff tief ein nicht nur in die sociale Freiheit, sondern auch in die juristische Nationalsitte des Römerthums, welches nicht gewöhnt war, den souveränen Privatwillen unter die Hand der Behörde und des Angebers zu beugen und den anspruchsvollen Staatswillen über die Schwelle des Hauses zuzulassen. Wo aber konnte sich diese Freiheit des Privatwillens so mit Selbstbewußtseyn paaren, als in dem Ehebund, mit welchem der Römer sich ein eignes Haus gründete, in der Sklavenfreilassung, durch welche er dem Staate neue Bürger stellte und sich mit Creaturen seiner Liberalität umgab, und im Testamente, in welchem er die Rolle eines Gesetzgebers der kommenden Generation spielte? An diesen Punkten also trafen die neuen Entwürfe gleichsam ins Herz der Römer. August's Unternehmen war das Hineintreiben eines Keils in den nationalen Organismus des Rechts und eine Forderung des Eingeständnisses, daß, um Rom zu retten, eine Bahn neben dem Röm. Geist eröffnet werden müsse. Weniger die tieferen sittlichen, als vielmehr sociale und politische Gründe waren es, welche Augustus veranlaßten, zu diesem eigenthümlichen Wettkampf in die Volksarena herabzusteigen, und wer sich wunderte, daß vor dem sittlichen Abgrunde, an welchem die heidnische Welt von Damals stand, Rom so lange sich sträubte, sich retten zu lassen, der würde kein Verständniß für den Geist der Röm. Nation haben. Es handelte sich um die Alternative, ob Rom einen Theil seines eigensten Wesens preisgeben wolle, um der andern Hälfte ein doch im Grunde gebrochnes Leben zu fristen. Der sittliche Bankerott, der den socialen und politischen im Gefolge haben mußte, stand bevor: August's Zähigkeit erwirkte ein Compromiß, welches einer cessio bonorum zur Abwehr des vollen Bankerotts verglichen werden könnte; insofern dieses Rechtsmittel, das bekanntlich auch durch eine lex Julia (de cessione bonorum) für den Civilproceß eingeführt wurde, eine Wohlthat genannt werden mag, ist auch August als der Wohlthäter seines Zeitalters zu preisen, und mithin möchte ich nicht ohne Weiteres in Ihering's Aburtheil über diese Bemühung des ersten Princeps (Geist d. R. R. III. § 57. S. 253) einstimmen. Das Christenthum, als dieses in das sterbende Alterthum eindrang, griff freilich tiefer und mußte sich in Gegensatz zu dem äußerlichen Regenerationssystem stellen; so fiel dieses Stück für Stück, es ward Ruine, und Justinian beseitigte den letzten Schutt: jene Gesetzgebung erscheint nun wie eine großartige Episode in der Röm. Rechts- und Culturentwicklung; sie verschwindet fast spurlos vom Schauplatz der Geschichte. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß der Keil, der da hineingetrieben gewesen, alle innersten Kräfte der Juris

prudenz zur höchsten Erregung und Schärfung lockte, und daß in den Convulsionen dieser Episode dem Forscher Blicke bis ins feinste Mark des Römischen Lebens und Wesens verstattet werden. Auch das ist ein merkwürdiges Denkzeichen der hiermit beginnenden Kaiserzeit, daß der Sata Princeps legibus solutus est (fr. 31. D. de leg. 1, 3) mit Rücksicht auf diese Gesetze zur Geltung kam, und damit zum ersten Male im civilisirten Occident sich eine monarchistische Grundidee ankündigte; denn ein Monarch, der Souverän ist, kann nicht unter dem Zwangsgesetz stehen, der Schöpfer des Gesetzes thront der Idee nach über dem Gesetz, und seine Beobachtung desselben ist eine freie: so ward der Princeps, der frei erklärt war, damit auch als Schöpfer anerkannt, und vom Monarchismus hier die erste principielle Consequenz gezogen.

Die Entsittlichung der Bevölkerung hing mit dem Luxus aufs Engste zusammen, der Luxus aber zeigte sich vorzüglich mit in dem Halten von Sklavenmassen und in der Maßlosigkeit der Freilassungen, man prunkte mit dem einen wie mit dem anderen, und so wurde die Sklaverei die Pflanzschule des Proletariats, das in immer gefährlicheren und widerlicheren Formen zu Tage trat. August schuf mittels der in der Ueberschrift genannten Gesetze hier einen heilsamen Damm, durch welchen die Sklavenhalter sich genöthigt sahen, besser als bisher für ihre hilfsbedürftigen Knechte selbst zu sorgen. Rudorff (R. Rechtsg. I. § 26) nennt die lex Aelia Sentia „ein sorgfältig durchdachtes Gesetz, in welchem der Stand der Freigelassenen nach dem Verdienst bestimmt wird". In gewisser Weise schloß sich an sie ein unter Tiberius erlassenes Gesetz über unförmliche Freilassungen an, die „,lex Junia Junia, bequemer, obwohl gegen die Regel nach dem Cognomen des Einen, Junia Norbana, nicht Norbani, genannt, die, indem sie auch die gegen die lex Aelia Sentia vor dem 20. Lebensjahre des Herrn und 30. Lebensjahre des Sklaven Freigelassenen betraf, auch einen Theil jenes Gesetzes umfaßt, so daß beide Gesetze soweit in willkürlicher Abwechslung genannt werden, bis Justinian der ganzen latinischen Freiheit ein Ende macht."

,,Die innern Schäden, an denen das öffentliche und häusliche Leben der Römer beim Beginn der Kaiserherrschaft krankte, ergeben sich am klarsten aus den Veranstaltungen, welche Augustus zu ihrer Abhülfe traf. Viele Gebrechen Rom's waren die natürliche Folge des eigenthümlichen Ursprungs, den die Monarchie gehabt, andere wurden unmittelbar durch die Machthaber herbeigeführt, um die Alleinherrschaft zum Durchbruch zu bringen. Die Vermischung der Peregrinen mit Römern, und ihre Aufnahme in den Senat war ein Hauptmittel, wodurch Cäsar seinen Zweck zu erreichen strebte und welches auch seinen Nachfolger anfänglich förderte (Dio C. 48, 34). Jedoch der vollendete Machthaber suchte die Wunde zu heilen, die auch er als werdender Herrscher in dieser und anderer Hinsicht dem Römerthum geschlagen hatte. Die von Augustus veranlaßten Gesetze oder in anderer Form

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