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Menschheit, war der Mangel oder vielmehr die Unmöglichkeit einer gesetzlichen und gesicherten Successionsordnung in der Monarchie. Usurpation war die Wiege, ward aber auch zugleich das Grab der Kaisermacht. Wer keinen Rechtstitel für sich hatte, als eben nur die Gewalt, mußte dem nicht die Furcht vor fremder Gewalt wie ein bleiches Gespenst immer vor der Seele stehen? Viele Hunderte wußte er von Neid und Geldgier gegen sich aufgestachelt, keiner durch die Schranke des Gewissens von Mord und Empörung abgehalten, Hunderttausende aber als Werkzeuge dafür brauchbar und leicht zu gewinnen. Selbst der gute, ja der beste Regent war zwar relativ mehr, aber keineswegs vollkommen gesichert. Wurden doch selbst Vespasian, Titus, Trajan und Marc Aurel durch Verschwörer und Rebellen bedroht, fielen doch Pertinax, Alex, Severus, der jüngere Gordian, Aurelian und Probus durch Mörderhand. So kam es denn, daß von etwa 34 Kaisern, die bis Diocletian (285 n. Chr.) regierten, 20 gewaltsamen, nur 14 natürlichen Todes oder im Kampfe gegen die Feinde starben Nie hat auch der besten Kaiser einer die Thronfolge durch organisches Gesetz zu regeln versucht. Einmal würde schon in der bloßen Idee einer, für immer festzustellenden, förmlichen Entäußerung der, wenn auch nur scheinbaren Volkssouveränetät etwas sehr Bedenkliches gelegen haben, dann aber wäre auch ein solches Gesetz todter Buchstabe geblieben, ohne zugleich die Macht zu dessen Handhabung zu schaffen. Wie aber diese herstellen, ohne zugleich die Kaisermacht selbst zu brechen? Verpflichtung der Heere z. B. auf den Senat, nach des Kaisers Tode, wäre entweder eine nutzlose Spielerei, ein Eidbruch mehr durch Hunderttausende, oder die Quelle noch häufigerer Bürgerkriege gewesen. Zwar hat der Senat den Schein des Wahlrechts immer behauptet, einmal sogar einmüthig und weise gewählt, aber gewiß nur, weil er eben keine Macht hatte, während mit solcher sofort Eigennutz, Zwietracht, Mißbrauch, vielleicht noch schlimmeres Uebel eingebrochen, zuletzt aber doch immer die Klügsten und Mächtigsten zur Herrschaft gelangt wären. In der That gibt es nur Eine Macht auf Erden, welche eine ruhige Thronfolge zu sichern vermag. Es ist dies die Macht der Meinung, auf den Glauben und das hierin wurzelnde Rechts- und Sittengefühl gegründet. Das Christenthum allein, nach welchem alle Obrigkeit von Gott verordnet ist, hat den tiefen heiligen Grund dazu gelegt. Aber nicht in dem abgetragenen Boden Rom's und Byzanzes, nicht in knechtischen Seelen konnte die reine Idee der Legitimität Wurzel schlagen. Im freien germanischen Urgefühl keimend, in den Wirren des Mittelalters aufblühend, hat erst die volle Reife politischer Entwicklung das Princip der Legitimität zu einer der schönsten Früchte christlicher Civilisation, zu einer der höchsten Errungenschaften der Neuzeit erhoben. Die monarchische Staatsform hat, wir wissen es, ihre Gegner, Gottlob für Europa nur ohnmächtige, die Legitimität innerhalb der Monarchie hat deren keine. Wo, und so lange man noch, selbst im Sturme der Revolutionen, an der Monarchie überhaupt festhielt, bestand über die

gesetzliche Erbfolge in solcher kein Zweifel, an Wahlreich kein Gedanke."

Betrachten wir nun die factische Successionsordnung im Röm. Reiche, so ergibt sich zwar, daß solche im Grundsatze eigentlich stets auf Wahl des Heeres und des Senats beruhte, und zwar so, daß ersteres, mindestens die prätorianische Garde, die factische Macht übertrug, erst der Senat aber die förmliche Bestätigung verlieh. Nach dem geschichtlichen Hergange aber läßt sich eine dreifache Art der Thronfolge annehmen:

,,1. Die erbliche, die, wie überall, selbst in Wahlreichen, auch im Römischen, in der Natur der Verhältnisse mächtige Begründung fand (nicht ganz richtig Marquardt Röm. Alterth. II. 3. S. 302). Man kann diese daher, wenn der Kaiser einen Sohn oder nahen Erben hinterließ, für die herrschende annehmen.

,,2. Inmitten dieser Zeit indeß hatte schon Galba versucht, was von Nerva bis zu Antoninus Pius zum Heile der Menschheit über 80 Jahre lang ausgeführt ward, die Adoptivfolge einzuführen, welche den doppelten Vortheil gewährte, nicht allein den Tauglichsten zu wählen, sondern auch dem Thronfolger bei Lebzeiten des Kaisers schon Anerkenntniß und Gehorsam des Heeres zu sichern. „Von fürstlichen Eltern gezeugt und geboren werden, ist Zufall, in der Adoption selbständiges Urtheil, und die Auswahl bewährt sich durch die Zustimmung," sprach Galba im Senat (Tac. Hist. 1, 16); treffend für eine Zeit, welcher der tiefe Grund und Sinn der Legitimität noch nicht aufgegangen war. Adoption und die spätere Annahme eines oder mehrerer Cäsare, als Regierungsgehilfen, war daher unstreitig die richtigste und segensreichste Art der Thronfolge, freilich aber nur durch selbst gute Kaiser möglich, weil der Tyrann solche gefürchtet, oder bei schlechter Wahl der Thronfolger nur den Sturz des Kaisers getheilt hätte.

„Wo nun aber weder Erbanspruch, noch Adoption entschied, trat 3. reine Wahl ein. Von einer legalen, durch den Senat allein, findet sich indeß nur das einzige Beispiel des Kaisers Tacitus (275—276), der würdig, aber so hoch bejahrt war, daß er seine Ernennung nur wenig überlebte. Daß nun in der Regel die Armee wählte, war an sich nicht so verwerfllich, als es scheinen möchte, nicht nur weil das Volk unter den Waffen der einzige versammelte und geschlossene Theil der Nation, würdiger immer noch, als der Pöbel Rom's, und die Idee einer wirklichen geordneten Volksvertretung der alten Welt überhaupt noch nicht aufgegangen war, sondern auch, und das ist die Hauptsache, weil der Kaiser, mindestens von Commodus an, vor Allem Feldherr seyn mußte, zur Wahl eines solchen aber das Heer am befähigtsten erschien. Das Schlimmste war dabei der Mangel an Eintracht unter den Heeren, daher nicht selten so viel Kaiser, als Heere, und Bürgerkrieg unter solchen. Aber gerade darin offenbarte sich dann oft, wie durch Gottesgericht, die Tüchtigkeit; aus derartigen Kämpfen sind daher auch mehrfach ausgezeichnete Kaiser, wie Vespasian, Sept. Severus, Diocletian

und Constantin d. Gr., hervorgegangen. Am scheußlichsten der Entscheid durch die Prätorianer allein, weil diese nur die Verderbniß des Röm. Volks, nicht aber auch die Beschwerden, Gefahren und Blutkämpfe der Krieger theilten die Spitze der Niederträchtigkeit der öffentliche Verkauf des Thrones an den meistbietenden Julian, nach des edlen Pertinax Ermordung.

,,Immer aber blieb bei Wahl, wie bei Adoption, im Gegensatze zur erblichen Thronfolge, der große Vorzug, daß Männer berufen wurden, welche nicht in der Pestluft der Schmeichelei, sondern umgekehrt im Abscheu der Tyrannei, deren Druck sie vorher selbst empfunden, groß gezogen waren. Betrachten wir dagegen den Thronerben. Hätte er nicht mehr als Mensch seyn müssen, um in dieser Zeit tiefster Verderbniß der niedrigsten Schmeichelei, der raffinirtesten Verführung, den lockendsten Genüssen jeder Art fortwährend ausgesetzt dennoch gut und rein zu bleiben? Daher waren denn auch die Adoptivkaiser die besten, die gewählten in der Regel die nächstguten, die Erbkaiser aber entschieden die schlechtesten, wie denn unter 10, bis mit Gallien (270), als Söhne oder Anverwandte berufenen, Titus allein, der aber bei des Vaters Thronbesteigung schon erwachsen war, vor Allem auch nur 2 Jahre lang regierte, den guten beigezählt werden kann.“ (v. Wietersheim, Gesch. d. Völkerwand. I S. 39-41. 42-44).

Inwiefern unter diesen staatsrechtlichen Figuren die s. g. „adoptio regia" die am meisten für das Röm. Recht karakteristische ist, hat Ihering (Geist d. R. R. III. S. 282-4) treffend ausgeführt. Er sagt über die Adoption als Form der Ernennung des Thronfolgers“: „Unter den ersten Kaisern eine wirkliche Adoption, die dem Adoptirten ganz die Stellung eines Hauskindes anwies (Suet. Tib. 15; Galba bei Tacit, 1, 15), ward sie nach und nach eine reine Form für die angegebenen Zwecke, deren Unterschied von der ächten Adoption ein Zeugniß aus der Zeit Diocletian's als einen ganz bekannten voraussetzt (Spartan. Ael. Ver. 1)... Es waren Verabredungen rein politischer Art, bei denen die Adoption nur den Nainen hergab, um die Reihe der Regierungsnachfolger zu bestimmen, ohne daß man ihr auf die Privatverhältnisse weder einen hinderlichen noch förderlichen Einfluß eingeräumt hätte (Capitol. Pius 12). Es war ein neuer Begriff: die adoptio regia (so bezeichnet sie Capitol. Ant. Phil. 5), bei der daher auch die alten Formen bald anderen Platz machten ... Im 3. Jahrhundert fiel endlich selbst die formelle Anknüpfung an die Adoption hinweg. Die Ernennung erfolgte durch Patent, welches den Titel eines Cäsar verlieh (donatio Caesariani nominis: Capit. Clod. Albin. 2. 3).“ - Vergl. auch Puchta Cursus I. § 88 a. E. u. Walter R. Rechtsgesch. I. § 272. Anm. 33.

In diesem Vorherrschen der Successionsanordnung durch Adoptivernennung des Cäsar zeigt sich ein Röm. Grundzug, welchem im Privatrecht analog ist, daß die Erbfolge vornehmlich auf die Omnipotenz des Willens des paterfamilias gegründet ward.* Die Legalfolge oder

*) Vergl. Kuntze Cursus § 131. 196. u. Ders. Ueber den mos Civitatis etc. in der Münchener krit. Vierteljahrschr. IX. S. 550.

Intestaterbordnung war bei den Römern wie im Privat-, so auch im Staatsrecht dürftig und unvollkommen entwickelt, das Testament, bez, die adoptio regia blieb der eigentliche Muster- und Normalfall: nur so ist die publicistische, wie die civilistische Universalsuccession des Röm. Rechts zu verstehen. Jene Adoptivernennung des Nachfolgers (Cäsar) war gewissermaßen eine Fortbildung der in der Ernennung des Princeps Juventutis eingeleiteten Idee, und der Uebergang aus der hausangelegenheitlichen Adoption in den staatsrechtlichen Act der Thronfolgebestimmung hat seine Parallele in der Entwicklung des Fiscus.

IV.

Die lex regia de imperio.

Zu § 281] Die verschiedenen sich im Principat sammelnden Gewalten wurden anfangs von den Principes successiv übernommen, später aber ihnen durch einen Generalact übertragen. Dies geschah auf Senatsantrag; das Sctum ward dann in Form eines Volksschlusses gebracht und hieß danach Lex de imperio (Gai. 1, 5; Dio Cass. 53, 32), später auch Lex regia (fr. 1. D. de const. princ. 1, 4; l. 1. § 7. C. de vet. jure enucl. 1, 17; § 6. J. de jure nat. 1. 2). Die von Niebuhr (R. Gesch. I. S. 380) aufgestellte Ansicht, daß jene Lex in Zusammenhang mit der alten lex curiata de imperio* stehe, ist nicht haltbar (Walter Röm. Rechtsgesch. I. § 273 a. E. u. Marquardt Röm. Alterth. II. 3. S. 210.).,, Von der lex de imperio Vespasiani ist ein beträchtliches Bruchstück im 14. Jahrhundert in Rom gefunden worden, wo es noch jetzt sich befindet. Darin wird dem Vespasian das Recht gegeben, Bündnisse zu schließen, Seta zu veranlassen, Personen zu obrigkeitlichen Würden dem Senat und Volk vorzuschlagen, das Pomörium zu erweitern, Verordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen,** alles dieses, wie es August, Tiberius, Claudius gehabt haben; von denselben Leges und Plebiscita, von denen diese befreit waren, soll auch er entbunden seyn; was er bisher schon verfügt hat, soll so giltig seyn, als wenn es auf Befehl des Volks geschehen wäre. Endlich was Jemand kraft dieses Gesetzes, wenngleich gegen andere Gesetze, thut oder unterläßt, das soll ihm auf keine Weise zum Nachtheil gereichen." Puchta Cursus I. § 87.

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Als den Endpunkt der Geschichte der legislativen Competenz der Comitien kann man die lex regia de imperio betrachten, durch welche die Kaiser die verschiedenen Gewalten in Einem Acte erhielten: ein Gesetz, in welchem eben auch die gesetzgebende Gewalt des Volks dem Kaiser formell übertragen wurde. Es ist bemerkenswerth, daß somit die gesetzgebende Gewalt des Volks nach vollendetem Kreislaufe gleichsam zu ihrem Ursprung zurückkehrt. Denn die lex regia de imperio ist zwar nicht die lex curiata de imperio, wie überhaupt keine lex curiata,

*) s. Cursus § 62.

**). Cursus § 304, 308.

aber doch ein unter gänzlich veränderten Verhältnissen, die nur in der Thatsache der Monarchie übereinstimmen, entstandenes Nachbild derselben. In der lex curiata de imperio der Königszeit verzichteten die patresfamilias auf ihre familienrechtliche Souveränetät, und eben dieser Verzicht war der Keim der Volkssouveränetät; in der lex regia de imperio verzichtete das theoretisch noch immer souveräne Volk der Tributcomitien auf die Ausübung seiner Souveränetät. Da sich das Volk gerade durch die Annahme der lex regia seiner legislativen Gewalt begab, so ist es natürlich, daß die Kaiser mit der Erstarkung der monarchischen Regierungsform sich sehr bald über die Mitwirkung des Volks bei diesem Acte hinwegsetzten und, während die lex de imperio Vesp. sich selbst als lex rogata bezeichnet, sich mit dem Sctum über die lex regia begnügten." Lange Röm. Alterth. II. S. 617.

Wir treffen auch hier auf ein unsrem monarchischen Rechtsbewußtseyn entgegengesetztes Moment. Schon der altrömische König war nicht im vollen Sinn und kraft eignen Rechts Souverän, sondern die Familienhäupter galten ursprünglich als die von selbst (von Gott?) gesetzten Organe der obrigkeitlichen Gewalt und ihr Wille als die Quelle des Imperium d. h. des Zwangsgebots; so war die Staatsmacht ein Vertrag der Organe der Familienordnung. Aber je mehr die Familienordnung in den Hintergrund trat und sich in den selbstherrlichen Willen der einzelnen Bürger (patresfamilias im spätern privatrechtlichen Sinn) auflöste, um so entschiedener trat der Demokratismus hervor. Zuletzt läßt sich aber der Princeps, als die bürgerliche Gesellschaft sich völlig in Atome aufgelöst hatte, die obrigkeitliche Gesammtgewalt übertragen, der Art, daß, insoweit nicht dabei sein castrensisches Imperatorenamt in Frage kam, es der concessio liberae administrationis bei dem peculium profecticium verglichen werden könnte. Noch gilt de jure der populus Romanus, gleichsam die Eine große Familie, als Träger der Souveränetät, aber indem der Souverän auf fernere Ausübung seiner Souveränetät verzichtet, und der Princeps als Pater patriae proclamirt wird, ist dieser nun endgiltiges Organ der obrigkeitlichen Machtfülle, und es bereitet sich die Idee vor, daß der Monarch auch Quelle dieser Machtfülle seyn könne. Zur Vollständigkeit dieser Idee hat es freilich das Alterthum nie gebracht, und auch die Ausdrücke regia Urbs, regia lex, regia adoptio und Praefectus Aegypti vice regis enthalten das nicht; erst auf dem Boden christlich germanischer Sitte* und nur in der Gestalt des dynastischen Königthums konnte jene Idee wirklich reifen. Bemerkenswerth aber bleibt, wie das Rechtsbewußtseyn der Röm. Kaiserzeit, anknüpfend an die Idee der demokratischen Souveränetät, anderseits die Thronfolge fast patriarchalisch-absolutistisch gestaltete. Soviel dem Princeps genetisch abging, war ihm dispositiv hinzugethan, indem so der Seele des Monarchismus eine aushilfsweise Gewähr der Dauer gewonnen schien. Der Princeps vereinigte nicht nur in sich eine größere Fülle von Souverä

*) s oben Excurs I.

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