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wetteiferten an Reichthum Smyrna, Ephesus und Pergamus. Auf gleiche Weise blüte Syrien mit andern Provinzen der Halbinsel. Antiochien's Bevölkerung kam der von Alexandrien gleich, und ihr ähnlich ragten Seleucia, Apamea, Laodicea und andere Städte durch Einwohnerzahl und Wohlstand hervor. Caesarea in Cappadocien enthielt 400,000 Einwohner, und Nicomedien in Bithynien stand an Schönheit keiner Stadt der Welt, an Größe nur Rom, Konstantinopel, Alexandrien und Antiochien nach. In Aegypten stieg der Handel um das Sechsfache seiner früheren Bedeutung (Plin. H. N. 5, 43; Dio 51, 18).“ „Die Güter der Erde wurden durch den geknüpften Verkehr zum allgemeinen Besitz (Plin. 3, 6; 14, 1). Die Gegenstände der Nahrung und Kleidung verbreiteten sich mit Leichtigkeit durch alle Theile der Röm. Herrschaft; und namentlich das Pflanzenreich fand eine erweiterte Heimat. Schnell wanderten Kunstfertigkeiten und Erfindungen mit ihren Urhebern aus einem Lande ins andere; die alten und neuen Schriftwerke der geistig hervorragenden Völker fanden Aufnahme in den Culturstädten der entferntesten Provinzen. Viele Meisterwerke der alten hellenischen Literatur wurden auf diese Weise vor dem Untergange bewahrt. Die Cultur unsrer Tage ist größtentheils das Verdienst der Römer, denn sie retteten durch Verbreitung, was uns gebildet hat" (Hoeck Röm. Gesch. I. 2. S. 265-9). „Was Wunder“, so schließt Josephus (de bell. Jud. 3, 5) seine Schilderung des Röm. Heerwesens, „, wenn der Euphrat und der westliche Ocean, das innere Afrika und die Donau zu Grenzen des Reichs wurden; ist man doch berechtigt zu behaupten, dieses Gebiet sei kleiner, als seine Herren“, und von einem noch höhern Standpunkte aus sagte mehrere Jahrhunderte nachher Augustinus (de civ. Dei 5, 17): Humanissime factum est, ut omnes ad romanum imperium pertinentes societatem acciperent civitatis et romani cives essent.

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Zu § 273] Die Röm. Action war während der ersten Hälfte der vorigen Periode auf Europa (und Afrika) beschränkt gewesen;* je weiter aber Rom in Asien eingriff, um so mehr zeigte sich der eigene Schwerpunkt der hellenistischen Cultur des Orients: Aegypten bildete den Schlußstein der orientalischen Reichshälfte. Während in Afrika, Spanien, Gallien und längs der Donau lateinische Sprache und Sitte die Oberhand gewannen, fand der Orient im Hellenismus das Band eines engeren Zusammenhangs, an welches er schon seit Jahrhunderten gewöhnt war, und welches durch die Herrschaft der Römer nicht zerrissen, unter ihrer Obhut vielmehr gestärkt und bewahrt wurde. So kam es, daß, als die Lebenskraft des großen Reichsorganismus zu schwinden begann, die orientalische Hemisphäre sich immer selbständiger zu Rom und dem Occident stellte.

*) s. Cursus § 152.

Die ersten Regungen einer Absonderung der Osthälfte zeigten sich schon zu Sulla's Zeit: zuerst, als im Kampfe zwischen Sulla und Cinna die Partei des Ersteren in Makedonien Rückhalt suchte, und hier in Sulla's Hauptquartier sich aus den geflohenen Senatoren gleichsam ein zweiter Senat bildete (Mommsen R. Gesch. II. S. 321), während das Haupt der Popularpartei nicht bloß Italien, sondern sämmtliche occidentalischen Provinzen eine Zeit lang absolut beherrschte (i. J. 87 v. Chr.). Und seltsam, gerade zu der nämlichen Zeit war es, daß der asiatische Orient sich in der Person des gewaltigen Pontischen Königs Mithridates zu seiner letzten großen Opposition erhoben hatte. Die Aufgabe Sulla's war keine geringere, als die, die Suprematie Europa's über Asien definitiv zu besiegeln; Mithridates hatte sich der asiatischen Länder und angrenzenden Meere bemächtigt, bereits richtete er seinen Angriff auf Europa und wollte in Hellas selbst die Entscheidung herbeiführen, wo er nicht bloß mit den Waffen, sondern zugleich mit der nationalen Propaganda“ wirkte. Die Hellenen und die Asiaten vereinigten sich in dem Jubel, der den Befreier empfing; es ward üblich, den König, in dem, wie in dem göttlichen Indiersieger, Asien und Hellas sich abermals zusammenfanden, zu verehren unter dem Namen des neuen Dionysos" (Mommsen II. S. 273-307). Sulla überwand den Gegner, und seitdem mußte dieser asiatisch-hellenische Geist innerhalb des Reichsganzen neue Bahnen suchen, er nöthigte Rom immer neue Rücksichten ab, machte sich in Kunst und Literatur, selbst im Rechts- und Staatsleben geltend und fand endlich im dualistischen Imperatorenthum einen Ausdruck, durch welchen der Auseinanderfall des Reichs gewissermaßen eingeleitet wurde. Schon in der letzten Zeit der Republik war man so weit, „daß in der gesammten Westhälfte des Röm. Staates der Denarfuß ausschließlich herrschte: denn Italien, Sicilien, Sardinien, Africa brauchten ausschließlich Röm. Silbergeld, und das in Spanien noch umlaufende Provinzialsilber, sowie die Silbermünze der Massalioten und Illyriker war wenigstens auf Denarfuß geschlagen. Anders war es im Osten. Hier, wo die Zahl der seit alter Zeit münzenden Staaten und die Masse der umlaufenden Landesmünze sehr ansehulich war, drang der Denar nicht in größerem Umfang ein. Diese wesentliche Verschiedenheit des occidentalischen und des orientalischen Münzwesens ist von der größten geschichtlichen Bedeutung geworden: die Romanisirung der unterworfenen Länder hat in der Annahme der Röm. Münze einen ihrer wichtigsten Hebel gefunden, und es ist kein Zufall, daß dasjenige, was wir in dieser Epoche als Gebiet des Denars bezeichnet haben, späterhin zu der lateinischen, dagegen das Gebiet der Drachme späterhin zu der griechischen Reichshälfte geworden ist" (Mommsen II. S. 407).

Unter den Juliern, Flaviern und Antoninen schien der Orient noch keine Selbständigkeitsgelüste zu nähren, dem Antoninus Philosophus, der seinen Bruder L. Verus zum Mitregenten annahm (162-165), lag der Gedanke der Reichsvertheilung noch fern. Bedeutsamer ist, daß

Septimius Severus, der in Illyrien zum Kaiser ausgerufen worden, in Pescennius Niger einen in Syrien zum Kaiser ausgerufenen Gegenkaiser zu bekämpfen hatte (194), und daß seit Heliogabalus die Sitte der Mitregentschaft sich zu bilden begann. Heliogabalus ernannte den Severus Alexander (221), dieser den Ovidius Camillus (229), Gallus dann den Hostilianus und Volusianus (251), nächstdem Valerianus seinen Sohn Gallienus (253) zu Mitregenten. Die Diocletianische Reichsvertheilung, diese erste officielle Anerkennung des Reichsdualismus, war also nicht ohne allen Vorgang. Wie in vielen Punkten, so hatte sich auch hier im Stillen und langsam der Umbau vorbereitet, welcher in der nachclassischen Zeit mit den Formen eines neuen Baustyls hervortrat.

III.

Der Soldatenstand.

Zu § 276] Eine der interessantesten Erscheinungen der Kaiserzeit ist der Aufwuchs des Soldatenstandes. Einen solchen hatte es -- abgesehen von dem altindischen und altägyptischen Kastenwesen -- über haupt bis dahin noch nirgends gegeben; jetzt im Röm. Weltreich, getrieben durch das persönliche Interesse der Imperatoren, sowie durch das Vertheidigungsbedürfniß der gestreckten Reichsgrenzen, löste sich aus dem geschwächten Volksthum ein kräftiger Soldatenstand, der Erbe des Römerthums, ab und schuf sich eine neue imposante Welt eigenthümlicher Einrichtungen. Die Kreise der Prätorianer und der Veteranen, die Legionskörper und die Hilfstruppen, die Militärstraßen und die Standlager mit dem militärischen Reichsärar und der militärischen Würdenscala zeigen die Gliederung dieser neuen Welt, in welcher die straffe Disciplin schneller, als außerhalb, Germanen und Kelten, Hispanier und Mauretianier, Illyrier und Thraker, Syrer und Armenier zu Einer Masse zusammenschmolz. „Aufgefordert und aus eignem Antriebe läßt sich die germanische Jugend, welche daheim ihre Kampflust nicht befriedigt sieht, von den Römern anwerben; der Dienst unter einem Proconsul gilt ihr dem heimischen im Gefolge gleich. Vorzüglich drängt sich der deutsche Adel zu den Röm. Adlern und fühlt sich geschmeichelt durch die Auszeichnungen, womit der Kaiser Verdienste um Rom belohnt" (Hoeck I. 2. S 87). Tac. Ann. 2, 9. 10. 58; 13, 55; Vell. Put. 2, 118. Durch die Reform des Augustus, welcher jeden Soldaten zu einer bestimmten Reihe von Dienstjahren (16 bez. 20?) verpflichtete, waren die bis dahin im steten Wechsel des Anwerbens und Auflösens begriffenen Legionen zu einem stehenden Heere und zugleich zu einem neuen Stande im Reiche umgeschaffen worden. Unter Tiberius gab es im Reiche 25 Legionen mit einer Truppenzahl von über 170,000 Mann, welche vorzugsweise aus den Provinzen, d. h. aus den Provinzialen der Hilfscohorten, ergänzt wurden; die Zahl der letzteren kam der der eigentlichen Legionäre ungefähr gleich. Oft wurden neu

in die Legion Aufgenommene mit der Civität beschenkt, doch war diese jetzt keineswegs mehr zum Legionsdienst nöthig, und so wurden die Legionen bald mit vielen fremden Völkerbestandtheilen dermaßen erfüllt, daß sie als der miles peregrinus dem Röm. Militär, d. h. den prätorianischen und städtischen Cohorten entgegengesetzt wurden. Bei außerordentlichen Ereignissen zogen die Kaiser selbst Sklaven, welche zu diesem Behufe freigelassen wurden, zum Kriegsdienst (Sueton. Aug. 25; Dio 55, 23, 24).

Gleichfalls von Augustus datirt die Aussonderung eines bevorzugten Gardecorps, der dem Praefectus Praetorio untergebenen Prätorianer, welchen neben kürzerer Dienstzeit höherer Sold bewilligt war. Diese sowohl, als auch die Stadtgarnison, welche unter dem Praefectus Urbi stand, wurden aus Italikern ergänzt (Dio 53, 11; Tuc. Ann. 4, 5). Hoeck I. 2. S. 174-180; Marquardt Röm. Alterth. III. 2. S. 235 bis 279; v. Wietersheim Gesch. d. Völkerwand. I. S. 75-84. „Sejanus vermehrte die prätorianischen Cohorten und gab dem Tiberius den Gedanken, sie in dem Castrum praetorianum, einer Citadelle außerhalb der Mauer des Servius Tullius, zusammenzuziehen, wie die italienischen Tyrannen. Das ist das folgenreichste Ereigniß in der Kaisergeschichte; die Prätorianer wurden nun der eigentliche Souverän, wie die Janitscharen, sie bestimmen die Röm. Geschichte bis Diocletian: dadurch ward Rom eine militärische Republik, die gewöhnlich schlief bis auf die Zeiten der Thronveränderung". Niebuhr Vorträge über Röm. Gesch. ed. Isler, III. (1848) S. 174. Dazu Hoeck I. 3. S. 115. Vergl. dazu Marquardt Röm. Alterth. III. 2. S. 349-462.

IV.

Der Verfall des Reichs.

Zu § 277] Im zweiten Dritttheil des 3. Jahrhunderts beginnt die Zeit des entschiedenen Sinkens.* Zur Verwirrung im Innern kommen siegreiche Barbarenangriffe, namentlich ein gewaltiger der Gothen (251), von Außen; zu den politischen Usurpationen in allen Hauptprovinzen gesellt sich eine das Reich entvölkernde 15jährige Pest (252 n. Chr.).

In Maximinus (235-238) besteigt ein thrakischer Hirt, Sohn eines Gothen und einer Alanin, somit reiner Barbar, und ein solcher nicht bloß der Abstammung, sondern auch der Bildung nach, den Thron, erhoben von einer aus lauter Barbaren bestehenden Armee von der Ostgränze; er geht auf planmäßige Vernichtung des Röm. Wesens aus. Von da an erbebt das Reich unter zahlreichen und fast unaufhörlichen Soldaten- und Bauernaufständen.,,Eine kurze Zeit über geht das Reich ganz aus den Fugen, und planlose Soldatenwillkür und provinziale Verzweiflung bekleidet bald da bald dort den Ersten Besten mit dem Purpur." Die östlichen Reichsländer drohen ganz abzufallen, in Gallien

oben Excurse S. 57. 58 u. Cursus § 65.

scheint sich ein transalpinisches Reich für sich bilden zu wollen; Gallienus sieht sich genöthigt, einigen der „,30 Tyrannen" Cäsaren- und Augustentitel zu ertheilen; er behauptet mit Mühe Italien für sich, und selbst die von ihm anerkannten Provinzialkaiser scheinen eigene Dynastien bilden zu wollen. Burckardt D. Zeit Constantin's d. Gr. (Basel 1853) S. 16-28. Bernhardt Polit. Gesch. d. Röm. Reichs von Valerian bis Diokletian (Berl. 1867) S. 56.

Zwar erhebt Rom noch einmal sein Haupt über die Fluten, aber sein Antlitz ist ein anderes; Illyriker besteigen den Thron, ihnen verdankt Rom die augenblickliche Rettung, aber von da an beginnt ein neuer Zug der Geschichte; die Namen Aurelian (Restitutor Orbis), Diocletian und Constantin drücken die stufenweise Entwicklung eines neuen orientalischen Regiments aus, durch welches das Römerthum in Schatten gestellt wird, und unter welchem die völlige sociale Umbildung der Reichsbevölkerung in Sprache und Sitte, Kunst und Recht sich vollzieht. Die Geschichte der classischen Jurisprudenz der Römer schließt mit der Mitte des 3. Jahrhunderts ab, die Geschichtschreibung wird von da an eine völlig verworrene, auch die Kunst ist im 3. u. 4. Jahrh. wie erstorben, barbarische Trachten gewinnen die Herrschaft: Römerthum und Griechenthum scheinen gleichmäßig und gleichzeitig im Abgrunde dieser Reichsverwirrung versunken zu seyn, und durch den morschen Bau der Antike beginnt nun der Hauch des Christenthums zu wehen; selbst in dem herrschenden Typus der Gesichter zeigt sich eine Veränderung (s. v. Wietersheim Gesch. d. Völkerwanderung II. S. 259ff. 280ff; Burckhardt S. 291-7). „In der Mitte des 3. Jahrh. versank Rom schon in Allem unaufhaltsam in Barbarei, sogar die Schriftzüge in den Inschriften nehmen eine barbarische Gestalt an, die Zeilen gehen schief und krumm." Sowie nun überall die Namen der Freien in Confusion kommen, so gibt es fast kein einziges Grabmal mehr von der 2. Hälfte des 3. Jahrh. an, wo Libertinen vorkommen. Die Zufuhr der Sklaven muß aufgehört und die Domesticität daher ungeheuer abgenommen, die Entwicklung des Colonats das Meiste davon verschlungen haben" (Niebuhr Vortr. ed. Isler, III. S. 273. 275. 291).

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Nicht ohne schwere Unfälle hatte die Röm. Republik den Gipfel erklommen, erschütternden Gedächtnisses die Tage an der Allia und bei Cannae, auf der Höhe seiner Macht die Cimbernschlachten, und Crassus' Fall mit seinen Legionen, in der beginnenden Monarchie die Varusschlacht. Nun aber bestand diese bereits 280 Jahre lang, als zuerst ein Röm. Imperator selbst (Decius) mit seinem ganzen Heere im Kampfe fiel. Wachsthum wie Untergang der Völker lassen sich nicht nach festen Zeitpunkten abtheilen und messen. Unmerklich schreitet im Flusse des Werdens der Naturlauf vor- wie rückwärts. Unstreitig aber tritt die Deciusschlacht (gegen die Gothen in Mösien 251 n. Chr.) als einer der wichtigsten Wendepunkte, als ein Schlagmoment in dem Vernichtungsdrama der alten, d. i. Röm. Welt hervor. Noch stand diese hoch, beinahe unangetastet, unter Septim. Sever, selbst unter Alexan

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