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ken. Vergl. Gneist d. form. Verträge S. 413ff. 485ff. Voigt 1. c. S. 417. v. Bethmann-Hollweg Röm. Civilproc. II. S. 35. 36. 135.

XXIV. Kapitel.

VI. Rechtspflege: 1) Sponsionen- und Interdictenproces.

(Zu § 200-212)
I.

Die sponsio praejudicialis und actio in rem.

Zu § 201] Abweichend von der im Cursus dargestellten Ansicht Stintzing's, wonach die Präjudicialsponsion eine sehr weite Anwendung fand und mit dieser Wichtigkeit bereits zur Zeit des Legisactionenprocesses vorkam, hat v. Keller (Civilproc. § 25. 27. nach Zimmern R. R. Gesch. III. S. 193) ausgeführt, daß jene Sponsion gerade ganz besonders dem Formularproceß angehöre und hier dem Zwecke dinglicher Klagansprüche gedient habe, denn es sei das in rem agere per sponsionem an die Stelle des alten Sacramentsprocesses getreten, um den Vindicationsanspruch auf künstliche Weise mit dem Formularproceß zu vereinigen, bis endlich in einer eigenen formula in rem eine Proceßform erfunden worden sei, durch welche die Erörterung und Entscheidung geradezu auf das dingliche Recht gerichtet wurde (s. Stintzing Verhältn. der leg. actio sacram. z. d. Verfahren durch sponsio praejud. S. 42. 58). Diese Ansicht ist von Römer (d. Erlöschen des kläger. Rechts nach der Einleit. d. Proc. 1852. S. 21) und Müller (Lehrb. d. Instit. § 28. S. 44 u. § 29. S. 45) adoptirt worden. Die Kellerschen Gründe werden von Stintzing l. c. S. 43-60 widerlegt; directe Zeugnisse der Quellen sind für jene Ansicht nicht vorhanden, und die innere Verwandtschaft zwischen der leg. actio sacramento (in rem) und der nachherigen intentio petitoria in der Formula ist so eng, daß ein unmittelbarer Uebergang von jener in diese schon an sich wahrscheinlich ist; der materielle Gehalt der alten judicatio in ipsam rem erhielt sich dann in der Gestalt des arbitrium de restituendo (Stintzing S. 61. 66. Dazu Huschke, Gaius S. 189). –

II.

Ursprung und Zweck der Interdicte.

Zu § 203 u. 205] Die Stelle, welche die Interdicte im System des materiellen Rechts wie des Proceßrechts einnehmen denn ihre Bedeutung liegt auf der Grenze beider ist durch neuere Forschungen an vielen Punkten aufgeklärt worden. Entscheidend war zuerst eine Abhandlung von Huschke De causa Silaniana (Silii causa in Cic. ep. ad Trebat. Testam) v. J. 1824, wieder abgedruckt in desselben Studien d. R. R. (1830) S. 1-24. Hier ist zuerst der innere Zusam

menhang des Verfahrens, soweit er durch das Verständniß der sponsiones bedingt ist, dargelegt worden; das von Puchta Instit. II. § 169 entworfene Bild des Interdictenprocesses beruht darauf. Eine (nicht ganz vollständige) Uebersicht der einzelnen Interdicte nach der Eintheilung in prohibitorische. restitutorische und exhibitorische gibt Zimmern R. R. Gesch. III. § 73. Vergl. auch Unterholzner Lehre v. d. Schuldverhältnissen II. § 359–372. 380—426, auf dessen Ausfüh rungen hauptsächlich die Heimbachsche alphabetische Darstellung in Weiske's Rechtslexikon V. S. 526 ff. gegründet ist. Eine neue Beleuchtung des ganzen Gebiets hat K. A. Schmidt d. Interdictenverfahren d. Römer (1853) gegeben, und er hat viel zur Berichtigung bisheriger Ansichten beigetragen, z. B. über die interdicta rei persecutionem continentia und die Delictsnatur der Interdicte (s. Leist d. Bonor. Possessio I. S. 354. 366ff.): Schmidt S. 81 ff. S. 189 ff.

Daß die Interdiete ihrem Ursprunge nach wenigstens theilweise schon der Zeit des Legisactionenprocesses angehören, ist zuerst durch Huschke Studien S. 3ff, Leist . c. S. 325 ff. und v. Keller Röm. Civilproc. § 22 dargethan und dann von Schmidt l. c. S. 303 ff. Rudorff R. R. Gesch. II. § 53 und Witte jun. d. interd. uti possidetis (1863) S. 8 angenommen worden; auch v. Bethmann-Hollweg hat in Abweichung von seinem älteren Handbuch d. Röm. Processes (1834) jetzt im Röm. Civilproc. (1864) I. S. 202 sich dieser Ansicht zugewendet. Dagegen hält derselbe an seiner über den Zweck der Interdicte ehedem aufgestellten Ansicht fest, gegenüber der Ansicht von Puchta Instit. II. § 169 und Schmidt l. c. S. 302. 318ff., wonach die Interdicte dem Prätor nur zur Einführung neuer Klagrechte gedient haben sollen; v. Bethmann-Hollweg betont mehr die durch den Befehl bewirkte regelmäßige Beschleunigung der Sache und stimmt darin am nächsten mit Rudorff R. R. Gesch. II. § 53 überein.

Es handelte sich in der That bei der Aufstellung von Interdicten um eine Ausfüllung von Lücken des materiellen Rechts, aber zugleich kam es dabei auf ein die Erledigung beschleunigendes und unter einem besonderen Druck stehendes Rechtsmittel an. Schmidt begnügt sich mit dem ersteren Punkte und muß es demgemäß für eine Zufälligkeit erklären, ob dann der Prätor zu einem Interdict oder zu einer in factum actio griff. Wir bedürfen der Hinzunahme des zweiten Punktes, um jenen Dualismus von Rechtsmitteln zu erklären und begreiflich zu machen, warum nicht nach völliger Ausbildung des Systems der in factum actiones der Prätor überhaupt und allgemein den Interdicten solche ordentliche actiones substituirte, und warum in manchen Fällen neben der zugelassenen in factum actio ein concurrirendes Interdict beibehalten wurde. Im Zusammenhange hiermit läßt sich auch mit einigen Zügen der Karakter der ganzen Interdictengruppe angeben, während Schmidt auf jedes Kriterium sachlicher Unterscheidung der Interdicte und in factum actiones verzichten muß. Im Interdictenwege schritt der Prätor (auch späterhin) vorzugsweise da ein, wo es sich um Wah

rung der äußeren Ordnung, Aufrechthaltung und Herstellung des gemeinen Friedens und Ungestörtheit der augenblicklich bestehendem Form des Zusammenlebens handelte; demgemäß waren die meisten Interdicte nur possessorischer, nicht petitorischer Tendenz, und ihr Erfolg vornehmlich ein provisorischer, während, wo es sich um definitive Geltend machung materieller Rechte, des Eigenthums, eines Forderungsrechts u. s. w. handelte, meist in factum actiones aufgestellt und die anfänglichen Interdicte durch eigentliche Klagen ersetzt wurden, so das int. Salvianum durch die actio Serviana, das int, quorum bonorum durch die hereditatis petitio possessoria, das int. fraudatorium durch die actio Pauliana, das int. de superficie durch die utilis in rem actio. Vergl. v. Bethmann-Hollw. II. § 98. Anm. 19.

Es ist anzunehmen, daß das System der Interdicte sich vornehmlich in der 2. Hälfte der dritten Periode, also namentlich seit der Revolution der Gracchen und infolge der Partei- und Bürgerkämpfe, wodurch der Besitzstand vielfach in Verwirrung kam und Gewalt und Willkür wucherten, ausbildete. Es war dieselbe Zeit, in welcher mit den quaestiones perpetuae eine neue Gerichtsordnung im Criminalgebiet entstand. Eine große Rolle mußte für Grundstücksverhältnisse das int. quod vi aut clam spielen, und aus fr. 1. 4. 5. 7. § 4. fr. 13. § 4. 5. fr. 15. § 1. 2. fr. 22. § 3. D. quod vi (43, 24) ersehen wir, daß von Scaevola bis auf Labeo fast alle bedeutenderen Juristen sich lebhaft mit ihm beschäftigten.

III.

Der Criminalproceß; Reform desselben.

Zu § 204] A. Die Centuriat- und die Tributcomitien waren die regelmäßigen Instanzen für die criminelle Jurisdiction geworden; dadaneben aber häuften sich nun die Niedersetzungen außerordentlicher Untersuchungscommissionen, und allmählich begann die Thätigkeit der Comitien zu verkümmern (Geib Gesch. d. Röm. Crim.-Proc. S. 216). Infolge einer leg. Porcia (198 v. Chr. 556 d. St.), wodurch nicht bloß die durch Prügel verschärfte Todesstrafe, sondern überhaupt die Prügelstrafe (außerhalb des militärischen Imperium) abgeschafft und mithin die Provocation für viele Fälle überflüssig wurde (Liv. 10, 9; Cic. de rep. 2, 31; Fest. pro scapulis p. 234), kam es nur selten noch zu Criminalversammlungen der Centuriatcomitien, hauptsächlich dann, wenn die alten (leges Valeriae) und die ergänzenden Provocationsgesetze (leges Porciae) von Magistraten einmal verletzt wurden; zwar ward durch eine lex Sempronia (des G. Gracchus 123 v. Chr. 631 d. St.), ne de capite civium Romanorum injussu populi judicaretur, vorgeschrieben, daß vom Senat hinfüro nicht außerordentliche Commissionen mit Capitalgewalt ohne Bewilligung der Comitien niedergesetzt werden sollten (Cic. pr. Cluent. 55; Catil. 1, 11; Verr. 5, 63; Gell. 10, 3), allein

*) s. oben Excurse zu § 132-150. No. I.

die der Volksgerichtsbarkeit zugrunde liegenden Anschauungen wandelten sich gänzlich um; der Verfall der Centuriengerichtsbarkeit, namentlich infolge der Bürgerkriege und Sullanischen Maßregeln, zeigte sich, als in Cicero's Consulat gegen Rabirius zwei duumviri perduellionis injussu populi vom Prätor ernannt wurden, und Clodius gegen Cicero, statt einen Perduellionsproceß vor den Centurien wegen Verletzung der lex Porcia und lex Sempronia anzubringen, durch eine gegen Cicero gerichtete lex Clodia (68 v. Chr. 696 d. St.) diesen ins Exil trieb. Lange Alterth. II. S. 479–485. 591. Zumpt Crimin.-R. d. Röm. Republik I. 2. S. 386ff. 417ff.

Vor den Tribut comitien waren es jetzt, seitdem die Hauptquelle der von den Tribunen betriebenen politischen Processe fast versiegt war, vorzugsweise die Aedilen, welche die criminelle Initiative übten, indeß begnügten auch sie sich oft mit ihrem beschränkten jus multae dictionis, manche Verbrechen, wie Diebstahl, Injurie und bez. stuprum, verblieben dem Civilproceßwege, und bei weit verzweigten Verbrechen, wie Giftmischerei, erwiesen sich die außerordentlichen Commissionen als praktischer (Liv. 8, 18; 10, 31; 38, 35; 43, 16. Val. Max. 6, 1, 7. 8). Zwar lebte der Hang zu politischen Processen und Anklagen durch Volkstribunen mit der Ausbildung der Demagogie wieder auf, sie waren namentlich gegen ungerechte Amtsführungen gerichtet und galten als ein dem Wahlrecht verwandtes Symptom der Volkssouveränetät (Polyb. 6,14); der rüstige Parteikämpe M. Porcius Cato sen, ward in zahlreiche politische Processe verwickelt, als Ankläger bei den Tribunen, als Vertheidiger und als Angeklagter: 44 Mal angeklagt ward er immer freigesprochen (Liv. 39, 40. Plin. H. Nat. 7, 27. Plut. Catil. 15). Als aber ständige Untersuchungscommissionen eingerichtet und namentlich, als dieselben durch Sulla erweitert und reorganisirt wurden, nahm die Criminalgerichtsbarkeit der Tributcomitien vollends den Karakter der Ausnahme an; die Volkssouveränetät begnügte sich fortan mit dem Antheil, welchen das Volk bei der Niedersetzung der Commissionen hatte; überhaupt hat das Röm. Volk nie jene maßlose Competenz erstrebt, welche das Athenische Heliastengericht, und zwar sogar für Civilsachen, in Theorie und Praxis besessen und leidenschaftlich geübt hatte. Lange II. S. 500-511.

Von einer judiciellen Competenz des Senats kann auch in dieser Periode noch nicht die Rede seyn, doch zeigen uns dessen Mitwirkung bei Niedersetzung von Untersuchungscommissionen, die durch Volksschlüsse erlangten Vollmachten zur Aburtheilung abtrünniger Gemeinden und Bürger (z. B. Liv. 26, 33. 34), sowie die öftere Verhängung von Tadel über die oberen Verwaltungsbehörden der Provinzen Ansätze zur senatorischen Jurisdiction, deren Ausbildung in der Kaiserzeit wirklich erfolgte. Geib S. 217. Lange II. S. 384, 587. Walter Gesch. d. Röm. R. II. § 830. Zumpt 1. 2. S. 374.

Daß bei jeder Niedersetzung außerordentlicher Untersuchungscommissionen (außer gegen Nichtbürger) ein Volks

schluß vorhergehen mußte, stand seit Beginn dieser Periode fest; bekannt ist die von Cato befürwortete rogatio Petillia de pecunia regis Antiochi, durch welche (187 v. Chr. 567 d. St.) eine quaestio extraordinaria wegen peculatus über L Scipio Asiaticus angeordnet wurde (Gell. 7, 19); die angeführte lex Sempronia sanctionirte ausdrücklich jenes Recht der Comitien Auch nach der Einführung ständiger Untersuchungsbehörden wiederholten sich oft noch Niedersetzungen außerordentlicher Commissionen: aus der letzten Zeit sind die lex Pompeja de vi (52 v. Chr. 702 d. St.), durch welche über die Ermordung des Clodius eine solche Commission angeordnet wurde (Cic. pr. Mil. 5, 6; Brut. 94; Gell. 10, 20), und die lex Pedia de interfectoribus Caesaris (43 v. Chr. 711 d. St.), welche von Octavianus veranlaßt wurde (Appian B. Civ. 3, 95; Suet. Nero 3), von geschichtlicher Berühmtheit. Lange II. S. 587-590. Zumpt I. 2. S. 316. Geib S. 219-225. Ueber den eigentlichen Unterschied von extraordinaria und ordinaria Quaestio s. Rudorff R. R.-Gesch. II. § 102. Anm. 3.

B. Zuerst wegen Erpressungen der Oberbeamten in den Provinzen (pecuniarum repetundarum crimen) wurde ein stehender Gerichtshof (quaestio perpetua) durch eine lex Calpurnia des L. Piso Frugi (149 v. Chr. 605 d. St.) niedergesetzt; für wichtigere und besonders häufige Arten von Verbrechen wurde dann in ähnlicher Weise verfahren, und oft mit einer lex über solche Vergehen gleich die Anordnung einer ständigen Untersuchungsbehörde dafür verbunden. Das geschah für Mord (quaestio inter sicarios, de parricidio?), Giftmischerei, Fälschung, Peculat, Majestätsverbrechen, Adulterium, Gewalt (Cic. pr. Cluent. 20. 53. 54; pr. Mur. 20; Verr. 1, 13; in Milon, 35) u. s. w. Sulla nahm dann eine allgemeine Reform und Ergänzung des Systems dieser quaestiones perpetuae vor (fr. 2. § 32. D. de O. J. 1, 2), doch blieb die Form des Ganzen immer nur ein Aggregat vieler einzelner Proceßordnungen, unter denen einige, wie die über Repetunden, Majestätsverbrechen und Adulterium immer ihre ganz besonderen Eigenthümlichkeiten behielten (Geib S. 169-174).

Jedem solchen Gerichtshofe präsidirte einer der Prätoren (Auct. ad Herenn. 4, 35), daher deren Vermehrung (durch Sulla und Cäsar) nothwendig wurde; sie hießen in dieser Beziehung Quaesitores. Neben ihnen kamen auch Judices quaestionum als Commissionsvorsitzende (ohne Imperium) vor (Geib S. 186ff. 307). Die Geschwornen (Judices selecti, Anzahl derselben? 50? 100?) wurden für die einzelnen Quaestionen durchs Loos und unter Berücksichtigung des dem Ankläger wie dem Angeklagten zustehenden Verwerfungsrechtes bestimmt (aus den Senatoren bez. Rittern und Aerartribunen. Geib S. 178ff. 306 ff. Walter II. § 834-6. Rudorff R. R.-Gesch. II. § 102. 103. Mommsen Röm. Gesch. II. S. 114. Die Theilung des Richteramtes zwischen Prätor und Geschwornen war gleich derjenigen im Civilproceß. Rudorff II. § 102.

Die Anklage war Sache der Bürger überhaupt, und nur ausnahms

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