Page images
PDF
EPUB

kehrsleben immer mehr in städtische Mobiliarwirthschaft überging; das Geld ist die feinste Form der Mobiliarwerthe, und darum gipfelt die Römische Mobiliartendenz in der Geldwirthschaft. Abgesehen von der unendlich feinen und unendlich expansiven Vermögensmacht des Credits, zu dessen voller Entwicklung es das classische Alterthum nicht brachte und überhaupt nicht bringen konnte (denn ihm ging die Werthschätzung der Arbeit und der operativen Zeugungskraft des freien Menschen ab), bietet der Geldbesitz die parateste und universellste Vermögensmacht. In demselben Maße, als der Verkehr alles Nationalgut flüssig macht und dem Markte zuführt, vermag man mittels Geldes das Meiste, macht man sich zum Herrn des Augenblicks und jeder Conjunctur, und hat man in den disponiblen Geldsummen potentiell alle Grundstücke und Sklaven, Pretiosen und Victualien, kurz alles was feil ist. So ist das Geld die unterwürfigste, servilste und dienstbarste Vermögensform und mithin dasjenige Gut, an welchem die Qualität des privaten Rechtsobjects am reinsten und vollkommensten verwirklicht ist. Das aber mußte dem Römischen Rechtssinn bei seiner entschiedenen Richtung auf Durchbildung der Grundzüge aller civilistischen Entwicklung ganz besonders willkommen seyn und commercielle Befriedigung gewähren. In der dritten Periode, mit der Silberprägung und Münzcentralisation, dürfte dieses wirthschaftlich-rechtliche Entwicklungsmoment vollendet worden seyn.

*

Im engsten Zusammenhang mit dieser geldwirthschaftlichen Tendenz stand die Sklavenwirthschaft, welche im Verlauf dieser Periode die größten Dimensionen annahm.** Die industrielle Arbeit war ohne nationales Ansehn und lag auf den Schultern der Sklaven, durch deren abhängige Stellung sie fast ganz in den Grenzen der Hausindustrie gehalten ward. Sklavenarbeit ist immer die billigste, und darum hält sie den freien Aufschwung und Wetteifer der wirthschaftlichen Kräfte nieder. Das zeigte sich an Rom und Italien jetzt. Indem die nationale Productivkraft brach blieb, der Ackerbau in den Latifundien zurückging und die städtische Industrie von den Largitionen überwuchert ward, machte Rom sich immer mehr von den Productivkräften der Provinzen abhängig; dem Import von Naturalwerthen gegenüber hatte es fast nur Metall und Geld aufzuweisen. „Es entstand ein Mangel an Consumtionswerthen und ein Ueberfluß an Tauschwerthen. Dies nöthigte zur Ausgleichung der Verhältnisse durch regen Handel, bei welchem auf Seiten der Fremden die Producte, auf Seiten der Römer das Geld waren. Das Hauptagens des Römischen Verkehrs wurde so das Metallgeld, und es entstand die mit dem Namen der Römischen Geldwirthschaft bezeichnete specifisch Röm. Wirthschaftsart." v. Scheel in d. Jahrbb. für Nat.-Oek. u. Stat. 1866. I. S. 330.

Wie die Röm. Volkswirthschaft sich im Großen und Ganzen nie über die Stufe der Geldwirthschaft hinaus zur Creditwirthschaft

") a. Cursus § 123.

**) s. oben Excurse zu § 151-160. No. V.

erhoben hat (s. Endemann die national-ökonomischen Grundsätze der canonistischen Lehre; Jena 1863. S. 73.): so ist auch der Verkehr nie über den gewöhnlichen Gewerbebetrieb hinaus zum eigentlichen Merkantilismus gelangt. Die corporative Neigung, so wichtig, ja unerläßlich für den Handel, fehlte den Römern zu schr, ihre societas war für Privatleute, aber nicht für Kaufleute organisirt. Durch die Privatorganisation der Sklavenarbeit, vermöge deren die Producte während des ganzen Verlaufs des Productionsprocesses bis zur Consumtion höchst selten den Besitzer wechselten, war der Güterumlauf auf ein Minimum beschränkt (s. Rodbertus i. d. Jahrbb. f. Nat. Oek. u. Stat. Bd. IV. S. 343). Die Röm. Nation war ihrer ganzen Anlage nach durchaus nicht kaufmännischer Art: zeigt doch das nationale odium, welches über den argentarii, wie über den nautae schwebte, ebenso auch die Sitte, durch Sklaven Geschäfte zu treiben und Urkunden unterzeichnen zu lassen (fr. 5. § 4. D. de auct. tut. 26, 8), hinreichend die Abkehrung des Röm. Sinnes von kaufmännischer Art. Es fehlte den Römern überhaupt die speculative Beweglichkeit, welche sie an den Griechen zu bewundern Gelegenheit hatten; nur ihre angeborene haushälterische Sparsamkeit, ihr praktischer Organisationstrieb und ihr Sinn für solide Lebensordnungen schienen sie für gewisse Arten des Geschäftsbetriebs oder der Geschäftsleitung zu befähigen, und dazu standen ihnen freilich die nöthigen Geldmittel in unvergleichlichem Maße zu Gebote; aber auch hier sehen wir die merkantile Engigkeit ihrer Triebe: die großen Kapitalien liebten es immer, sich den wirthschaftlich gar nicht oder sehr wenig productiven Unternehmungen, als: Steuerpachtungen, Wechsler- und Darlehnsgeschäften, zuzuwenden.

*

Was nun aber von handelsrechtlichen Elementen im Röm. Recht doch angetroffen wird, verdankt vornehmlich dieser Periode seine Entstehung. Die Expensilation und ihre besondere Ausbildung für die argentarii, die actio recepticia (? s. Ihering Geist d. R. R. III. S. 207), die societates argentariorum und venaliciorum, die partes societatum publicanorum, die actio instituria und tributoria, die pecunia trajecticia zeigen uns Ansätze einer merkantilen Rechtsbildung, und ihre Entwicklung und Blüte gehören den letzten Jahrhunderten der Republik an. Mommsen (R. Gesch. I. S. 855) sagt: „Der Ausgangspunkt der Röm. Geldwirthschaft war natürlich das Leihgeschäft, und kein Zweig der commerciellen Industrie ist von den Römern eifriger gepflegt worden, als das Geschäft des gewerbmäßigen Geldverleihers (fenerator) und des Geldhändlers oder des Banquiers (argentarius). Das Kennzeichen einer entwickelten Geldwirthschaft, der Uebergang der größeren Kasseführung von den einzelnen Capitalisten auf den vermittelnden Banquier, der für seine Kunden Zahlung empfängt und leistet, Gelder belegt und aufnimmt, und im In- und Ausland ihre Geldgeschäfte vermittelt, ist schon in der catonischen Zeit vollständig entwickelt. Aber die Banquiers

*) s. Cursus § 130 a. Excurse zu § 123-131. No. IV. u. V.

machten nicht bloß die Kassirer der Reichen in Rom, sondern drangen schon überall in die kleinen Geschäfte ein und ließen immer häufiger in den Provinzen und Clientelstaaten sich nieder. Schon fing im ganzen Umfange des Reichs es an, so zu sagen, Monopol der Römer zu werden, den Geldsuchenden vorzuschießen." Cicero (pr. Fontej. 5) entwirft uns von der Gallia Narbonensis kaum 50 Jahre nach ihrer Einrichtung als Röm. Provinz folgendes Bild: ,,Referta Gallia negotiatorum est, plena civium Romanorum, Nemo Gallorum sine cive Romano quidquam negotii gerit; nummus in Gallia nullus sine civium Romanorum tabulis commovetur".

Die Römer ließen trotz der staatsrechtlichen Nivellirung Italiens die „consuetudines locorum“, soviel möglich, unangetastet,* allein, indem sie die ganze (freie) Bevölkerung Italiens zur Civität zuließen, gaben sie dem Röm. Privatrecht für den Massenverkehr einen solchen Nachdruck, daß derselbe sich bis an die Grenzen des Orbis Romanus nach allen Seiten hin mit Uebermacht geltend machen mußte. Das Röm. Privatrecht ward innerhalb dieser Grenzen zum Verkehrsrecht im eminenten Sinn. In dem knappen und correcten Styl des jus strictum mit der übersichtlichen und sicher berechenbaren Tragweite seiner Rechtsgeschäfte (s. Ihering Geist d. R. R. II. S. 480), in der einfachen und doch biegsamen Solennität der stipulatio und in dem ganzen alten System abstracter, d. h. den speciellen Geschäftsgrund und das Valutaverhältniß verhüllender Obligationen, zu welchen unser modernes Handelsrecht zurückgekehrtist (s. allg. deutsch. Handelsges. B. Art. 301), ferner in dem wichtigen Satze, daß der Gewaltuntergebene durch seine rechtsgeschäftliche Thätigkeit das Erwerbs- und Operationsinstrument seines Gewalthabers seyn könne, waren so bedeutende Vorzüge vor dem Peregrinenrecht gegeben, daß das Röm. Recht für den gewerblichen Unternehmungsgeist wohl geeignet schien, und für jene Zeit neben dem Peregrinenrecht etwa das leisten mochte, was bei uns heutzutage das besondere Handelsrecht neben dem gemeinen Civilrecht leistet. (Vergl. Voigt d. jus naturale, II. S. 847). Zwischen dem altröm. Recht und diesem modernen Handelsrecht besteht überhaupt betreffs der juristischen Technik eine tiefer begründete Verwandtschaft, als gewöhnlich angenommen wird.

Jener Vortheile theilhaft zu werden, mag eben so sehr, wie die publicistische Gleichstellung und der criminelle Schutz der Person (Freiheit von Todes- und Prügelstrafe: Civis Romanus sum! Cic. Verr. 5, 62), ein Beweggrund für die Anstrebung der Röm. Civität, sowie eine hauptsächliche Ursache der künstlichen Ausbreitung der Latinität ** über die Provinzen gewesen seyn. In der Mehrzahl waren es schwerlich Nationalrömer, welche die Speculation belebten und fortspannen, sondern Punier, Rhodiser, Alexandriner, spanische, gallische, byzantinische Hellenisten, Freigelassene aller Nationalitäten und deren Nach

*). Cursus § 199 u. Excurse zu § 193-199. No. II.

**) s. Cursus § 190

kommen, welche die kaufmännische Routine schon als Familienerbtheil überkamen. Mommsen (II. S. 403. 416) denkt sich ,,die kaufmännische Emigration" in den orientalischen Provinzen wohl zu sehr als eine nationalrömische. Vergl. dazu Marquardt Alterth. III. 1. S. 289. Wir dürfen auch annehmen, daß besonders von dieser das Röm. Verkehrsrecht übenden hellenistischen Reichsbevölkerung die Annäherung der hellenistischen Rechtsgebräuche an das Röm. Recht gefördert wurde, welche sich im Laufe der dritten Periode vollzog. Die Röm. Staatspächter hatten in den Provinzen vorzugsweise mit solchen Hellenisten zu thun, dort erfüllten sie sich mit freieren (liberalen und laxen!) Anschauungen, und seitdem aus dem Ritterstande die Gerichte besetzt wurden (Mommsen II. S. 114), fanden sie Gelegenheit, diesen Anschauungen Eingang in Rom zu verschaffen. Die (für längere Zeit durchgesetzte) Verdrängung der Senatoren durch die Ritter mag entscheidend gewesen seyn für die Anerkennung des direct in das Civilrecht einströmenden jus gentium und für die Sanctionirung des modernen mos Civitatis.

Es liegt in dem Verkehrsgepräge der Mobiliarwirthschaft ein eigenthümlicher Fortschritt über den Naturgrund aller traditionellen Lebensund Rechtsordnungen hinaus und eine Emancipation von dem Bande der Natur, mithin eine Cultivirung des Rechts, welche zugleich eine Mobilisirung der entwicklungsfähigen Elemente der bis dahin noch ziemlich schwerfälligen Gesammtmasse des Rechtsbestandes ist. Eine solche Mobilisirung pflegt sich auf dem Schauplatze großstädtischen Verkehrslebens zu vollziehen, und darum nimmt in diesem Processe das Recht mehr oder weniger die Signatur der urbanitas, immer mehr städtischen Typus an. Nach dem Grundsatze, daß der Karakter der praedia, wie der mancipia „non loco, sed qualitate et genere" bestimmt werde (fr. 166. 198. D. de V. S.; 1. 6. C. de praed. 5, 1), ward der Stadtkarakter auch auf das platte Land übertragen; nicht bloß, was innerhalb der Stadtmauern lag, sondern Alles mit der Stadt in baulicher Continuität Zusammenhängende ward später zur Stadt gerechnet (fr. 87. 139. 147. 154. D. de V. S.). Unter denselben Gesichtspunkt kann die sonst merkwürdige und nur dadurch erklärliche Anschauung gestellt werden, wonach nicht das Gebäude als ein Theil des Grundstücks, sondern umgekehrt der Grund und Boden, welcher überbaut wird, als Theil des ihn gleichsam individualisirenden Gebäudes galt (fr. 49. D. de rei vind. 6, 1; fr. 20. § 2. D. de serv. pr. urb. 8, 2). Im Zusammenhange dieser Entwicklung erklärt sich ferner, daß, während das System der Rusticalservituten keine namhafte Weiterbildung erfuhr und im Vergleich mit der Fülle des germanischen Rechtslebens in diesem Gebiete fast kümmerlich blieb, nun die Urbanservituten in reicher Entwicklung hervortraten, um allerhand nachbarschaftlichen Feinheiten Geltung zu verschaffen; auch erkennen wir nun, warum die usucapio servitutum (durch die lex Scribonia) und die usucapio hereditatum (durch desuetudo) aufgehoben wurden, denn jene Usucapion war

für Urbanservituten nicht so dringend indicirt, und diese Usucapion hatte jetzt, wo Vermögensmassen nicht mehr vorzugsweise aus (Land-) Grundstücken, sondern mehr und mehr aus Mobiliarwerthen bestanden, eine gesunde Basis zu haben aufgehört.

II.

Fortbestand der Particularrechte im Reich.

Zu § 199] Mit der Ausbreitung des Röm. Bürgerrechts und der fortschreitenden Beeinflussung aller Verkehrsverhältnisse durch die Röm. Ansiedler in den Provinzen nahm wohl die Nivellirungstendenz zu, indeß läßt sich durch Rückschlüsse aus späterer Zeit constatiren, daß noch lange particularrechtliche Strömungen zugelassen und die consuetudines locorum, regionum, civitatium, provinciarum gewahrt blieben. Die,,leges moresque peregrinorum" wurden in Bezug auf Ehe und Bürgschaft anerkannt, wie wir bei Gai. 1, 92 und 3, 120 angeführt finden; Peregrinen testirten,,secundum leges civitatis suae", wie Ulp. 20, 14 sagt, und Letzterer setzt von den Proconsuln allgemein voraus, daß sie die,,consuetudo civitatis vel provinciae" berücksichtigten (fr. 34. D. de leg. 1, 3). Die durch Diokles für Syrakus (i. J. 415 v. Chr.) besorgte Codification des Rechts, welche sich in Sicilien zu fast allgemeiner Geltung erhoben hatte, ward von den Römern durch die lex Rupilia und noch später dauernd anerkannt; aus einem unter Galba erlassenen Statthalteredict erkennen wir, daß das besondere eheliche Güterrecht der Aegyptischen Provinzialen (apot: Mitgift, die nicht Eigenthum des Mannes ward) aufrecht erhalten wurde. Vergl. Haenel Corpus legum p. 279. Voigt d. jus naturale d. Römer II. S. 374-413. 697. Bechmann Röm. Dotalrecht I. S. 111-113. In Rescripten der divi Fratres (fr. 71. D. de contr. emt. 18, 1 und fr. 3. § 6. D. de test. 22, 5) wurde hinsichtlich des Maßes und Preises beim Waarenhandel, sowie der Requisition entfernter Zeugen, von Gaius (fr. 6. D. de evict. 21, 1) hinsichtlich der cautio pro evictione, von Paulus (fr. 6. D. quod universit. 3, 4) hinsichtlich der gerichtlichen Vertretung der Corporationen, von Gaius (fr. 3. D. de eo, quod certo loco 13, 4) und Ulpian (fr. 7. $10. D. de admin. tutor. 26, 7 und fr. 39. § 1. D. de leg. I.) hinsichtlich des Zinsfuẞes, von Letzterem ferner (fr. 13. § 1. D. comm. praed. 8, 4) hinsichtlich öffentlicher Benutzung von Steinbrüchen auf Privatgrundstücken und (fr. 50. § 3. D. de leg. I. und fr. 34. D. de R. J.) hinsichtlich der Auslegung von letzten Willen und Verträgen, von Modestin (fr. 32. § 6. D. de adm. tut. 26, 7) hinsichtlich der Frage, ob die domini oder conductores praediorum die onera annonarum et contributionum temporalium zu tragen hätten, auf den mos regionis oder provinciae verwiesen, und selbst die Peregrinenterminologie ward von den Röm. Juristen berücksichtigt, wie wir aus den hellenistischen syngraphae bei Gai. 3, 134 und dem (den griechischen Paraphernen verglichenen) Gallischen peculium bei Ulpian (fr. 9. § 3. D. de jure dot. 23, 3) bemer

« PreviousContinue »