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gehen, daß sie mit den ersteren durch ein besonderes Band ethnischer Verwandtschaft zusammenhingen. Als die Römer durch einen glücklichen Kriegszug die illyrische Piraterie vernichtet und eine Anzahl hellenischer Städte befreit hatten (229), wurden sie von den Hellenen zu den isthmischen Spielen und den eleusinischen Mysterien feierlich zugelassen und so aus „Barbaren gleichsam zu Hellenen" erklärt. Auch griechische Geschichtsschreiber kamen dann den Römern vielfach entgegen; so schrieb Dionys. von Halikarnaß (7 v. Chr.), die Römer seien hellenischen Bluts, sie hätten sich schon in alter Zeit hellenischer Schriftzeichen bedient und sprächen eine halbhellenische Sprache, Rom sei eine hellenische Stadt, wie selbst aus den Röm. Spielen zu erkennen sei (I, 4. 89. 90; IV, 26; VII, 70), und weitläufig setzte er (I, 61) auseinander, daß die Römer wegen ihrer troischen Beimischung als Hellenen anzusehen seien (s. Schwegler Röm. Gesch. I. S. 99). Dies ist überhaupt der Sinn der Lavinischen Aeneassage.

Rom folgte zunächst der Neigung vieler italischer Städte, ihren Ursprung an Figuren der griechischen Mythologie und besonders des troischen Heldenkreises anzuknüpfen. Der Name des Diomedes, des Ulysses, des Philoktet taucht in den Gründungssagen italischer Städte häufig auf, und mancher Ort galt als troische Ansiedelung (SchwegI. S. 310). „Ueber Rom's vermeintlichen Zusammenhang mit Troja ist Timaeos auf Sicilien, der sein Geschichtswerk i. J. 262 schloß, der erste vollgültige Zeuge, unter den Römern selbst aber der Dichter Naevius der älteste Zeuge dafür, und zur Zeit des ersten punischen Kriegs muß der Glaube an die troische Abstammung des Röm. Volks schon sehr festgewurzelt gewesen seyn, da von dieser Zeit an officieller Gebrauch davon gemacht wird... Dem König Seleucus sagten die Römer Freundschaft und Bundesgenossenschaft nur unter der Bedingung zu, daß er den Iliern, den Blutsverwandten des Röm. Volks, alle Abgaben erlasse. Besondere Veranlassung zur Ausmalung der Aeneassage gab das Emporkommen der Julier. Cäsar gedachte sogar, wie wenigstens das Gerücht behauptete, den Sitz des Reichs nach Ilium zu verlegen. Er beschenkte die Ilier mit Land und Abgabenfreiheit" (Schwegler I. S. 305). So war die vielleicht von Cumae her importirte Sage trotz ihres künstlichen Ursprungs zum Staatsglauben der Römer erhoben worden. Viele vornehme Familien, so die Caecilier, Mummier, Junier, führten ihr Geschlecht auf Genossen des Aeneas, die Aemilier und Julier auf Aeneas selbst zurück, ja den dynastischen Hoffnungen Caesars mußte diese aeneadische Abstammung zur Verleihung des Nimbus ehrwürdiger Legitimität dienen (Schwegler 1. S. 16. 335). Als Trojersöhne fühlten sich die Römer den Hellenen verwandt und ebenbürtig, dem Orient und seiner glänzenden Cultur genähert und schließlich zur Oberherrschaft über die civilisirte Welt beglaubigt (s. Mommsen I. S. 471-3).

IV.

Sklaverei.

Zu § 156] Die Sklaverei ist ein Hauptstück des Alterthums und ihre Geschichte unter Röm. Herrschaft besonders interessant. Daß die classischen Völker die Besiegten nicht vernichteten, sondern retteten, indem sie sie unterjochten, bezeichnet einen Fortschritt der Humanität; vermöge ihrer körperlichen und geistigen Kräfte wurden die Sklaven die Maschinen im antiken Verkehr, und durch den in ihnen vorzugsweise ausgeprägten Rassengegensatz die Folie der vollen Menschenwürde, zu welcher es der damalige Gebildete nicht rein durch sich, sondern nur im Gegensatz zu Niedrigeren brachte. Das Sklaventhum trägt in das Verkehrsbild des Alterthums jene interessanten Schattirungen hinein, welche dem Bilde erst sein rechtes Leben verleihen, aber es wird auch zum Abgrund des socialen Unheils, in welchem endlich das antike Volksthum sein Grab findet.

Eroberung und Kauf waren die beiden Erwerbstypen. Nach des Regulus erster Landung in Afrika (256) wurden nicht weniger als 20,000 Sklaven nach Rom geführt und da verkauft (Mommsen I. S. 528). „, Den Hauptsitz des Gewerbes, durch Gefangennehmung oder Raub freie Menschen gleichwie fremde Sklaven zu einer Marktwaare zu machen, bildeten die Gebiete der räuberischen Volksstämme, die als Grenznachbarn die Röm. Provinzen umgaben, oder auch als zweifelhafte Unterthanen und Befreundete der Röm. Herrschaft, innerhalb des Provinzialgebietes geduldet werden mußten, und durch ihre gefährlichen Raubzüge Land und Meer gefährdeten. Besonders waren es die Kretenser, die den Seeraub in größerer Ausdehnung übten und ihre Insel als Niederlageplatz benutzten für die von den benachbarten Piraten aufgebrachten Raubgüter. Die Insel leistete den Waffen Rom's 2 Jahre lang Widerstand, bevor sie sich an Q. Metellus Creticus ergab“ (68). Nicht minder hartnäckig trieben schon von Alters her einzelne Landschaften des benachbarten Continents von Asien den Seeraub, namentlich Cicilien und Isaurien. Bald bildeten diese Bezeichnungen Collectivnamen für sämmtliche Piraten des Mittelmeers. Plut. Sertor. c. 9., Caesar c. 2. (Drumann Röm. Gesch. IV. S. 393. 398). Die Römer duldeten anfangs das Gewerbe dieser Piraten, durch welche ihre Sklavenmärkte reichlich versorgt wurden. Strabo Geograph. XIV. 4. § 2 berichtet, daß nach der Zerstörung Korinths und Karthago's große Reichthümer in Rom zusammengeflossen seien, und der steigende Luxus die Nachfrage nach Sklaven unendlich vermehrt habe. Zur Befriedigung dieses Bedürfnisses seien die Mittel vornehmlich durch die Lieferungen der Seeräuber den Sklavenmärkten gesichert worden. Erst als die Röm. Waffen jenseits des Taurus sich ausgebreitet hatten, seien die Römer genöthigt gewesen, jenen Räuberverkehr in der unmittelbaren Nachbarschaft ihres Gebiets nicht länger zu dulden (Heeren histor. Werke, XI. S. 296). Gleichwohl setzten einzelne Volks

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stämme das Lieferungsgeschäft für die Sklavenmärkte der Römer fort, und man forschte nicht ängstlich nach den Mitteln, durch welche sie zu ihrer Waare gelangten. Dies galt namentlich von den Cappadociern. Spartian. in Hadr. c. 13. In ähnlicher Weise, wie der Seeraub, war das Betreiben von Räubereien auf dem festen Lande in einigen Provinzen der Römer vorzugsweise verbreitet: Hispanien, Lusitanien, bei den Alpenvölkern an den Grenzen Galliens, den Thraciern, Skordiskern insbesondere, und den Illyriern. Die Sklaven von epirotischer Abstammung wurden von den Römern vorzugsweise geschätzt (vergl. Drumann II. S. 68. 180. 445. 453. III. S. 225. 265. IV. S. 362). Noch Strabo und Plinius (hist. nat. 3, 26) bezeichnen unter den Inseln des ionischen Meerbusens, sowie auf dem benachbarten Küstengebiete, einige minder bedeutende Punkte als die Niederlagen eines ausgedehnten Betriebs des Piratengewerbes, und verschiedene Landschaften des asiatischen Continents waren unter den ersten Kaisern verrufen wegen der frechen Räubereien, welche deren Bewohner auf dem Lande sowie zur See vollführten." Seneca Controvers. 1, 2. Dirksen, die Quellen der Römischrechtlichen Theorie von der Auslösung der in fremde Gefangenschaft gerathenen Personen; in d. Abhandl. der Berl. Akad. d. Wiss. Philosophisch-hist. Classe. 1858. S. 96-99.

V.

Stand der Bevölkerung.

Zu § 158] Zumpt bestreitet mit Wallace den Satz, daß die Bevölkerung der alten Welt in der Zeit der Antonine am stärksten gewesen sei, und sucht nachzuweisen, daß die Blüte der physischen Kraft der Völker im Alterthum der Blüte ihrer geistigen Cultur vorangegangen, und daß nach diesem Höhepunkt der physischen Kraft infolge der vernichtenden Kriege und der wachsenden Ehe- und Sittenlosigkeit eine immer größere Entvölkerung eingetreten sei, die endlich zum Untergang der alten Welt geführt habe. Für Griechenland setzte er jenen Höhepunkt in die Zeit der Perserkriege, für Italien etwa 100 Jahre später in die Zeit, als Rom durch Beilegung des Kampfes zwischen den Patriciern und Plebejern zur inneren Einheit gelangt war. Eine specielle Berechnung der Bevölkerung wagt Zumpt nicht; doch vermuthet er, daß Italien um 225 v. Chr. an Seelenzahl dem heutigen Italien nicht viel nachstand. Es ist die Zeit zwischen dem 1. u. 2. punischen Kriege, als die Römer gegen die Gallier am Po Krieg führten und ein weiteres Vordringen ihrer Feinde fürchteten. Es ist dies die Zeit, welche späteren Röm. Autoren, ebenso wie den Griechen die Zeit der Perserkriege, als Maßstab der ehemaligen Kraft Italiens galt. Durch das übereinstimmende Zeugniß der alten Historiker ist erwiesen, daß die Römer mit ihren Bundesgenossen 210,000 Mann damals unter Waffen hatten, und daß die Zahl der zum Waffendienst Verpflichteten 770 bis 800,000 Mann betrug. Zumpt, Ueber den Stand der Bevölkerung

und die Volksvermehrung im Alterthum; in den Abh. d. Berl. Akad. 1841. S. 20ff. Vergl. Mommsen II. S. 403.

VI.

Nobilität und Ritterschaft.

Zu § 159] Mit der neuen Nobilität als vollendetem Gebilde treten wir in die dritte Periode ein. Die Umbildung hatte längst begonnen. Schon zur Zeit der leges Publiliae des Q. Publilius Philo (339), der selbst erster plebejischer Prätor ward, hatte sich gezeigt, daß, während innerhalb des Patriciats Feindschaften, wie die zwischen Papirius Cursor und Q. Fabius Rullianus, zersetzend wirkten, patricische und plebejische nobiles einig waren, wenn es galt, trotz des Plebiscits v. 342 die bedeutendsten Feldherren vorzeitig wieder zu Consuln zu wählen: eine Auszeichnung, die sowohl dem Patricier Papir. Cursor als auch dem Plebejer Publ. Philo mehrmals zu Theil ward. Es scheint, daß namentlich Letzterer durch seine leges und durch die Energie, mit welcher er die Consequenzen derselben zog, einen wichtigen Antheil an der thatsächlichen Entwicklung der Verfassungszustände gehabt und zur Ausbildung der Nobilität einen bedeutenden Anstoß gegeben habe (s. Lange Röm. Alterth. II. S. 42. 61. 65). Die Censur des Appius Claudius 312 war ein Protest gegen die Ueberhebung der plebejischen Nobilität, worauf dann wieder die Reaction folgte, welche sich an den Namen des Fabius Maximus (303) knüpft: dieser stellte das frühere Gleichgewicht in der Nobilität wieder her und legte durch Einrichtung der jährlichen Festparade der Ritter (transvectio equitum) den Grund zur Ausbildung des Ritterstandes als eines über das Volk emporragenden Standes der Höchstbegüterten. Endlich wurde durch die lex Ogulnia und lex Valeria de provocatione (300) der Schlußstein in den Nobilitätsbau eingesetzt. Nun konnte die Eintracht der Nobilität als festbegründet, und das Regiment derselben über Volk und Magistrate als thatsächlich gesichert gelten (Lange II. S. 66. 78—87).

,,Daß der gentilicische Namenzwang für die Plebejer nicht rechtlich von Haus aus bestand, folgt nicht bloß daraus, daß der gentilicische Verband sie überhaupt nicht einschloß, sondern es wird auch von jenen Decreten, die einzelne Vornamen gewissen Geschlechtern untersagten, ausdrücklich und wiederholt bemerkt, daß sie sich nur auf die patricischen Gentilen bezogen. Aber die ganze Entwicklung des Plebejerthums besteht in dem allmählichen Ansich nehmen der patricischen Reservatrechte, mit welchen die adeligen Freiheitsbeschränkungen bis zu einem gewissen Grade unzertrennlich verknüpft waren. Die Neubürgerschaft, namentlich die plebejische Nobilität hat in allem Uebrigen sich nach dem Muster der Altbürgerschaft gleichsam in Geschlechter constituirt und ihr Erbrecht nach der patricischen Agnation und Gentilität gestaltet, obwohl beide Begriffe nach ältestem Recht auf Plebejer sicher keine Anwendung litten. Es war nur folgerecht, auch die

patricische Namenordnung in der Art auf die Plebs zu übertragen, daß die plebejische Quasi-Gens so gut wie die wirkliche patricische, sich nicht bloß einen geschlosssenen Kreis von Vornamen setzte, sondern diese auch ausschließlich aus jenen 15 allgemein gültigen auslas; und so finden wir es." Mommsen Röm. Forschungen (Berl. 1864) S. 27—29. Die Ritterschaft blieb lange ein Organ der Nobilität, indem sie unter ihnen die Senatoren selbst die Elite des Volks darstellte. Allein mit der Ausbildung der Capitalien und des Staatspachtsystems entwickelten sich specifische Interessen der Reichen, die oft in Conflikt mit den Zwecken der regierenden Aristokratie traten: so geschah es, daß der Ritterstand sich vom Senatorenstand ablöste, und dann das Schwanken der Staatsmaschine zwischen Optimaten und Popularen bald vermehren, bald vermindern half. Vergl. Schwegler Röm. Gesch. II. S. 673.

VII.
Individualismus.

Zu § 160] Im letzten Dritttheil der vorigen Periode schien ein einzelnes Geschlecht sich der Spitze des Röm. Staatswesens bemächtigen zu wollen: die Gens Fabia dieser Zeit schon früher einmal (485-479) der Ausbildung eines oligarchischen Regiments nahe: s. Lange Röm. Alterth. I. S. 526 - ist wie eine Weissagung auf die Gens Julia, mit welcher Rom in die vierte Periode eintritt. Q. Fabius Maximus war der Restaurator d. J. 305; sein Vater Rullianus, er selbst und sein Sohn Gurges waren nach einander principes Senatus, der Gedanke einer oligarchischen Familienpolitik lag nahe genug: noch widerstand aber der eigene Gemeinsinn der Fabier selbst (Lange II. S. 89). Anders ward es in der dritten Periode, in welcher Rom einen wesentlich neuen Karakter zeigt.

An Fülle extensiver Bethätigungen wächst der Röm. Nationalgeist, aber man wird es bald gewahr, daß er über den Höhepunkt seiner intensiven Lebenskraft hinaus kommt. Die vorige Periode war die kraftvollste, diese ist die glänzendste Zeit Rom's. Die Situationen werden grandioser, aber die Karaktere an ihrer Spitze sind nicht mehr so geschlossen, in sich gerundet und patriotisch selbstlos. Dafür tritt Rom nun mit gesammelter Manneskraft auf die breitere Bahn der Völkergeschichte, und an seinem Schalten und Walten in derselben erkennt man, wie aus der entschwindenden Blütenwelt der vorigen Periode die reifen Früchte hervorgehen, die Früchte einer festgefügten gesetzlichen Ordnung für den wirren Erdkreis, In demselben Maße, als der Röm. Genius sich der allgemeinen Strömung des civilisirten Menschenthums jener Zeit erschließt, werden auch die Situationen und Karaktere Rom's unserm geschichtlichen Auge näher gerückt und unsrem modernen Sinn verständlicher; der ideale Schwung ermattet, es folgt die Zeit der praktischen Ergebnisse und der realistischen Zwecke. Für die Syste

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