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neben Delictsschulden etwa nur das Darlehn Platz. Diejenigen Verträge, welche im ausgebildeten Verkehr die Güterbewegung vermitteln und künstliche Werthe schaffen, sind das Umsatzgeschäft, welches sich natürlichermaßen in Kauf (res ipsa) und Pacht (usus rei) spaltet, sodann die Uebernahme von Dienstleistungen, welche sich in Mandat und Dienstmiethe spaltet, und die gesellschaftliche Verbindung zu gemeinsamen Unternehmungen. Solche Verträge mögen allerdings schon frühzeitig vorgekommen seyn, aber selten und als Ausnahmen, bez. unter der verhüllenden Decke der fiducia; sie blieben freund- und verwandtschaftliche Vertrauensverhältnisse, welche sich ohne Richter abwickelten, oder sie wurden durch absonderliche Urkunden concret formulirt: das Bewußtseyn rechtlicher Typen fehlte noch. Der Kauf führt erst dann über zur Obligationsidee, wenn er als Creditkauf und als Liefergeschäft auftritt; so lange er ein Geschäft Zug um Zug bleibt, kann höchstens die Eviction (auctoritas) in Frage kommen, eine Frage, die aber sich noch hinter die usucapio zurückzieht. Immer ist es das Darlehn, welches wirthschaftlich zuerst indicirt ist, aber es tritt anfangs nicht rein auf; bei den Germanen, in den mittelalterlichen Städten erscheint es im Rentenkauf als radicirt auf Grundstücken, bei den Römern in dem persönlichen Gewaltrecht am nexus. Auf dieses Verhältniß war das alte Executivverfahren der legis actio per manus injectionem berechnet. Daneben konnte durch (sacrale) confessio in jure ein dare oportere begründet werden, aber das geschah wohl hauptsächlich nur im Zusammenhange mit einem Proceß oder zum Zwecke der Intercession, etwa wenn ein vindex als Bürge die Schuldsumme auf sich nahm, welche ein anderer aus dem nexum oder einem Delict schuldete. Die sponsio spielt als Bürgschaft frühzeitig eine Rolle bei den Römern.

Im Wesentlichen trug also das Vermögen und der Verkehr zuerst sachlichen, dinglichen Karakter: das res mea est ex jure Quiritium war die alleinige Rechtsfrage des täglichen Lebens; auf diese Frage war auch der älteste Proceß berechnet: das ist der Sacraments proceß. Wir wissen, daß für diesen zwei Werthstufen unterschieden wurden, jenachdem der Streitgegenstand wenigstens 1000 As oder aber weniger betrug: 1000 As war auch der Satz der lex Pinaria (472 v. Chr.?) für das Institut der Einzelrichter,* und ebensoviel erklärte die lex Furia testamentaria (342 v. Chr.?) als zulässig für letztwillige Zuwendungen an Nichtverwandte.** 1000 Libralas aber entsprachen dem Werthe eines jugerum Ackerland, d. h. einem halben heredium, und ein jugerum war in ältester Zeit das kleinste Landmaß, was wirthschaftlich in Betracht kam. So war also die Sacramentssumme eine verschiedene, je nachdem es sich um Grundstücke oder Mobilien, um praedia oder pecudes handelte. Sklaven wurden erst später wichtig, und res nec mancipi lagen noch außerhalb des limen juris, letztere konnten höchstens als Obligationsinhalt in Frage kommen: auf sie ging das nexum indirect

*) s. Cursus § 135.

**39. Cursus § 147 und Excurse 8. 154.

(direct auf das corpus debitoris), die sponsio direct. Schuldansprüche, die zum Sacramentsproceß gelangten, dürften immer unter die niedere Sacramentssumme gefallen seyn, denn schwerlich ging in jenen Zeiten ein Darlehn oder ein Delict auf höhere Summen, als der Werth eines jugerum betrug, hinaus. Ein Schuldner aber riskirte Haut und Haar; so haben wir vielleicht in dem alten Satze, daß in Freiheitsprocessen immer nur die niedere Sacramentssumme einzusetzen war, einen Rest der Regel zu erkennen, daß eine Obligatio unter dem Maximum von 1000 As blieb. Wir hätten danach im Sacramentsproceß mit 50 As Wettbetrag die lites über bewegliche res mancipi und den Anfang obligatorischer lites über res nec mancipi. Die ältesten Forderungsrechte gingen nur auf res nec mancipi d. h. Quantitäten oder Fungibilien. Obligationes speciei zeigen sich immer erst auf der Stufe künstlicher Verkehrsgestaltung. Die res nec mancipi, d. h. Fungibilien, kommen zuerst bei Obligationen in rechtlichen Betracht, und Obligationen treten ursprünglich mit ausschließlichem Bezug auf res nec mancipi auf.

Der Nexumproceß enthielt zugleich die Execution, ja er war der in private Personalexecution zusammengezogene Proceß: er war der eigentliche Proceß für Obligationen. Wie setzte nun daneben auf Grund des Sacramentsprocesses der siegreiche Kläger sein erstrittenes Recht durch? Unstreitig war auch diese Durchsetzung seiner Privataction überlassen: er setzte sich in Besitz der behaupteten Immobilie oder Mobilie, welche zugänglich, ja im Streite gegenwärtig war. Aber wie, wenn eine (sacrale) Obligation im Sacramentsprocesse erstritten war? Vielleicht war für diesen Fall die Privataction der pignoris capio ursprünglich der allgemeine Ausweg, und es entspräche diese Executionsart dem Sacramentsproseß (mit 50 As Wette) ebenso, wie die manus injectio dem nexum. Späterhin trat das Verfahren der manus injectio an die Stelle, indem dieselbe nun auch auf Sacramentssachen (Obligationen) Anwendung fand.*

VIII.

Zwei leges Furiae.

Zu § 147] Gai. 4, 22-24 erwähnt zwei leges Furiae, welche für die Geschichte des altröm. Executivprocesses wichtig sind; er unterscheidet sie durch die Zusätze de sponsu und testamentaria, und nennt sie neben einander („et aliae leges“ in § 23 init.) so, daß es scheint, er halte sie für zwei getrennte Gesetzgebungsacte, und so ist ihr Verhältniß bisher immer aufgefaßt worden. Rudorff (I. S. 51. 55.) setzt die lex de sponsu in d. J. 345 v. Chr. (409 d. St.), die testamentaria aber, wie es scheint (,, vor die lex Voconia“ v. J. 169, 585 d. St.), weit später; mit ihm stimmt Lange Alterth. I. S. 167. II. S. 223. 562 überein, welcher annimmt, daß diese lex testamentaria unter dem Einfluß der Cato

*) s. Cursus § 137-139. 143.

nischen Partei entstanden sei. v. Bethm. -Hollw. (I. S. 162) dagegen setzt sie gewiß mit Recht lange vor die lex Voconia", läßt aber dahin gestellt,,,ob auch vor die lex Valeria“ (342, 412 d. St.), und Huschke (Nexum, S. 141 ff. u. Gaius. Beitr. z. Kritik. S. 72) bringt alle diese Gesetze mit dem Nexum, der lex Poetelia und Aquilia in innigen Zusammenhang. Sollte die lex Furia testam. etwa ein zweites Kapitel in der alten lex Furia (de sponsu) gewesen seyn und also der Mitte des 4. Jahrh. v. Chr. angehören? So würde die lex Furia testam. in die Nähe der lex Marcia und in Uebereinstimmung mit der von Gaius 4, 23 gegebenen Reihenfolge gebracht. Selbst an einer gewissen Gedankenverwandtschaft beider so verschieden scheinenden Gesetze fehlt es nicht, da beide die Einschränkung in Geltendmachung bisher unbeschränkter Privatrechte („,qui plus quam virilem partem exegisset" ,,plus mille assibus cepisset“) enthielten und überdies in beiden Fällen eine gleichartige Abhülfe gewährten. Vergl. Ihering Geist d. R. R. III. S. 112. Die Bezeichnung als lex de sponsu und testamentaria konnte recht wohl gerade durch die Unterscheidung zweier Kapitel der nämlichen lex veranlaßt seyn, und schwerlich kann als Instanz dagegen die Bezeichnung der lex Furia testam. als Plebiscit bei Varro lib. III de vita populi Rom. 1, 247 (Bip.) in Betracht kommen. Jedenfalls ist bemerkenswerth, daß nach Gaius Bericht in der processualen forma legis Furiae testam, die Clausel pro judicato in Widerspruch mit der lex selbst eingeschaltet wurde, was dem Gaius unverständlich schien (,,nulla ratione factum"): des Gaius Geschichtskunde erscheint hier in mindestens zweifelhaftem Lichte; wie, wenn die Annahme jener lex testam, als zweites Kapitel der lex de sponsu zur Beleuchtung jener von dem Wortlaut des Gesetzes abweichenden forma legis actionis verwerthet werden könnte?! Im 2. Kapitel der lex konnte die Clausel pro judicato weggelassen und stillschweigend hinzu gedacht seyn; im einzelnen Anwendungsfalle mußte natürlich die Clausel inserirt werden. Hiernach würde freilich die lex Furia testam. eigentlich unter den Gesetzen der l. a. pro judicato aufzuzählen gewesen seyn, und Gaius durch den Vorwurf der Unrichtigkeit getroffen werden; allein. jene lex konnte recht wohl eben durch die Auslassung der Clausel den ersten Anlaß zur Milderung des Executivprocesses geben, und es würde so auch des Gaius ungenauer Bericht erklärlich seyn.

Ueber den Zusammenhang der lex Valeria, Poetelia und Silia s. Huschke Nexum S. 122. 144ff. Die lea Valeria milderte die Strenge des Executivprocesses, traf also die lex Furia de sponsu und wahrscheinlich implicite die lex Furia testam., so daß dadurch Gaius um so leichter verführt werden konnte, diese letztere neben der lex Marcia zu nennen. Die lex Valeria gehörte derselben Bahn der Entwicklung an, wie die lex Poetelia und Silia; durch jene ward das Nexum entkräftet, durch diese die profane Stipulation anerkannt; sollte die lex Valeria, die gewiß nicht bloß ein negatives milderndes, sondern zugleich ein positives erweiterndes Gesetz war, mit der Anerkennung der expensilatio

zusammenhängen, für welche sich ein nexumähnlicher Executivproceß wohl empfehlen mochte?

IX.

Das Arbitrium liti aestimandae.

Zu § 150] Unter den dunkeln Punkten des alten Legisactionenprocesses ist einer der dunkelsten das arbitrium liti aestimandae. Ganz in Abrede stellen läßt sich ein solches nicht (wie Stintzing d. Verhältn. der 1. a. sacram. S. 65, meint) wenn auch seine Hauptanwendung beseitigt ist, sofern man annimmt, daß auch bei in rem actiones im Sacramentsproceß die Verurtheilung in ipsam rem erfolgte. Eine Taxation war nothwendig im Sacramentsproceß bei in rem actiones (die in diesem Proceß zulässigen in personam actiones waren nur strenge Geldforderungen, etwa mit Ausnahme von Delictsklagen, wo auch eine Abschätzung nothwendig werden konnte) behufs Normirung des Succumbenzgeldes im einzelnen Falle, ebenso in der l. a. ex lege Calpurnia behufs Vorbereitung der Execution der Naturalforderung; auch kam sie vor in der 1. a. per judicis postulationem je nach Bedürfniß des Falls, und endlich im Sacramentsproceß dann noch besonders, wenn es sich um Ersatz der versäumten Früchte seiten des unterliegenden possessor handelte. Bald war hier der erkennende Richter berufen, die Abschätzung beiläufig mit zu bewirken (so in der l. a. per jud. post. und per condict, ex lege Calpurnia), bald war auch wohl der Magistrat veranlaßt, für die Abschätzung ein besonderes arbitrium zu constituiren. Sichere Nachrichten über die dabei geltenden Regeln (bald 1, bald 3 arbitri u. s. w.) fehlen; am meisten entspricht es der Art des ältesten Processes, daß hierbei mehr die Vereinbarung der Parteien, als die Anordnung des Magistrats den Ausschlag gab. Da, wo das Urtheil noch nicht executionsreif war, sondern noch einer Ergänzung durch eine Geldreduction bedurfte, war bis dahin der Verurtheilte nicht condemnatus, sondern nur judicatus (Rudorff II. § 66), denn erst, nachdem die aestimatio hinzugekommen, stand der Verurtheilte auf Einer Linie mit demjenigen Schuldner, welcher nach der rechtsgeschäftlichen Formel: damnas esto! executivmäßig gefaßt werden konnte. Vergl. v. Keller Civ.-Proc. § 16. 63; Rudorff II. § 6. 21. 41; v. Bethmann-H. I. S. 63. 104. 150. 154.

Ueber die Worte Judex und Arbiter s. v. Bethmann-H. I. S. 55. Anm. 5 u. S. 63. Anm. 9 gegenüber Rudorff Schriften d. Feldmesser II. S. 428 u. Röm. R.-Gesch. II. § 6. Anmerk. 9.

Dritte Periode.

Vom ersten Punischen Kriege bis auf
Augustus und Labeo.

(ca. 250-1 v. Chr.)

XIX. Kapitel.

Beich und Bevölkerung.

(Zu § 151-160)

I.

Rom's Weltherrschaft.

Zu § 151] Am Anfang dieser dritten Periode ist Rom Herrscherin der italischen Halbinsel, am Ende derselben Herrin des Erdkreises geworden. Wie das Fatum der antiken Welt, Schritt für Schritt vordringend, dehnt es sich in immer weiteren Kreisen aus, bis es an Meere, Gebirge, Wüsten und auf Barbarenstämme trifft, welche unwirthlich wie das Meer, oder starr wie Gebirge, oder unfruchtbar wie Wüsten sind. Die, auch für die Rechtsgeschichte nicht gleichgültige, Frage liegt nahe, wann dieses Rom mit Bewußtseyn nach dieser Stellung einer Weltenbeherrscherin zu streben anfing. Mommsen (I. S. 668) nimmt an, vor dem Kampfe mit Hannibal habe Rom sein politisches Ziel noch nicht höher gesteckt, als bis zur Beherrschung der italischen Inseln und Meere, und es sei wahrscheinlich, daß auch am Schlusse dieses Kampfes nicht der Gedanke, eine Weltmonarchie zu gründen, sondern nur der, eine gefährliche Nebenbuhlerin unschädlich gemacht zu haben, die Römer erfüllt habe. Doch ein solches Ringen, wie das mit Hannibal, mußte, da es nicht zum Untergang führte, dem Röm. Geist einen Schwung zum Höchsten geben, und ob auch Scipio Aemilianus in seiner berühmten strengen Censur (143, 611 d. St.) das solenne precationis carmen beim lustrum, d. h. das Gebet um die salus publica dahin abänderte, ut Dei res populi Romani (statt wie bisher: meliores amplioresque facerent) perpetuo incolumes servarent (Val. Max. IV, 1, 10): so zeigt doch die hellenisirende Neigung der Scipionen, des Flamininus, des Aemilius Paulus, wohin jetzt der Blick Rom's gerichtet war. Nur Seemächte können vernünftigerweise nach der Weltherrschaft streben, Rom aber war jetzt eine Seemacht ersten Rangs geworden; mit der Verbrennung der großen punischen Flotte nach der Schlacht von Zama (202), in den Schlachten am Eurymedon und bei Magnesia (190), wodurch die asiatische Großmacht des Antiochus gestürzt und dessen Kriegsmarine vernichtet ward, sprach es Rom aus, daß es keine Seemacht mehr

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