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Verweisung an einen ständigen Gerichtshof außer Uebung und in Vergessenheit kamen.

V.

Die Execution auf Grund der legis actio.

Zu § 143] Da die Execution eine (zwangsweise) Verfolgung des erstrittenen Rechtes ist, und nach altröm. Auffassung zunächst als unmittelbare Ausübung dieses Rechts durch die siegreiche Partei selbst erschien so mußte sie sich je nach Art der durchzusetzenden Rechte verschieden gestalten, und folglich auch hier wieder jener schon beim sacramentum wichtige Unterschied von absoluten und relativen Rechten hervortreten. Demgemäß ist wohl anzunehmen, daß bei in rem actiones durch die vom judex ausgesprochene addictio rei (Fest. v. addicere) der Sieger berechtigt war, Hand an das erstrittene Object zu legen, und es, wenn gegenwärtig, z. B. den Sklaven, sofort mit sich, oder wenn nicht, z. B. das entlegene Grundstück, nachher eigens im Besitz zu nehmen, die etwaige Widersetzung des Gegners, sei es durch Angehung der praedes litis et vindiciarum, welche für den vollen Geldwerth des Objects nebst Früchten einzustehen hatten,* oder auch unmittelbar mit Hülfe des Proceßmagistrats, d. h. seiner lictores oder viatores, zu überwinden, und wegen der etwa nicht vorhandenen (weil verbrauchten oder vernachlässigten) Früchte den Ersatz ihres doppelten Werthes zu fordern, welcher solchenfalls zufolge der XII Tafeln noch durch eine besondere Schätzungscommission zu ermitteln war: Si vindiciam falsam tulit, si velit is, qui vicit, Praetor arbitros tres dato: eorum arbitrio reus fructus duplione damnum decidito". Vergl. v. Bethm.H. I. S. 193 und dazu Ihering Geist d. R. R. III. S. 183. Vielleicht lag es im Fall der Widerspenstigkeit des judicatus in der Hand des Klägers, die Sache zu einer Geldverurtheilung zu treiben, den judicatus zum damnas zu machen und so die litis addictio auf die familia pecuniaque auszudehnen. s. Huschke Gaius. Beitr. z. Kritik. S. 170.

"

Anders bei Schuldklagen, welche ja nicht einfach auf Behauptung in einem zustehenden Recht, sondern weiter auf Bewirkung einer erst herbeizuführenden Rechtsänderung, nämlich auf eine Vermögensleistung durch den Willen des Schuldners geht. Diese Leistung ist eine Gegenwärtigmachung der geforderten Handlung und holt gleichsam das nach, was bei in rem actiones durch die (reelle oder symbolische) Präsenz der Sache vorausgeschehen ist. So hat nun der Sieger sich hier unmittelbar und von vornherein an die Person des ungehorsamen Schuldners zu halten und der Person selbst sich zu bemächtigen. Die hierdurch begründete Macht über die dem Sieger preisgegebene Person hatte nur im Hintergrunde und verdeckt den Erfolg und Zweck einer Ablösung und Befreiung durch nachträgliches freiwilliges Leisten, und beruhte nicht eigentlich, oder nicht allein auf einem be

⚫) s. 8. 145.

sonderen strafrechtlichen Karakter des Verfahrens, wie Huschke, Em. Hoffmann u. A. annehmen, auch nicht auf dem äußeren Gesichtspunkt, daß solchenfalls gänzlicher ökonomischer und mithin auch bürgerlicher Verfall des Schuldners anzunehmen sei, wie v. Bethm.-H. I. S. 195 denkt, sondern auf dem tieferen Grunde, daß die Handlung als Willensäußerung nur im Willen, der Wille nur in der Person und die Person nur im corpus debitoris be- und erzwingbar sei, m. a. W. daß im strengen Natursinn die persönliche Handlung nur durch Besitznahme der handeln sollenden Person selbst präsent gemacht, dem Sieger verschafft und gesichert werden könne. Wie der Sieger in der in rem actio die Sache selbst ergriff, so bemächtigte in Schuldklagen der Sieger sich der Handlung mittels der Person, weil nur aus deren freier und untheilbarer Lebenskraft die Handlung quillt: eine psychologisch richtige und energische Rechtsidee, die zugleich für ursprüngliche Zeiten einen hohen practischen und sittlichen Werth hatte, indem mit ihr dem Gläubiger die größtmögliche Garantie, nämlich die vereinten Vortheile der Personal- und Realexecution gegeben und überdies der etwaige Leicht- oder Starrsinn des Schuldners („dolus malus“ Gai. 4, 21) angemessen getroffen wurde.

Die spätere Milderung dieses Executionsmodus durch die lex Poetelia (327? 313?) hatte den Sinn, daß die Ergreifung der Person des Schuldners, die vorher als civilistische Consequenz des Schuldrechts gegolten hatte, nun nur noch als Mittel zum (Executions-) Zweck und bez. als vorübergehende processuale Maßregel erschien: diese Umbildung aber hatte zur Voraussetzung eine Civilisirung und feinere Organisation der Obligatio, die eben nicht mehr nach dem Zuschnitt körperlicher Rechte, sondern als Recht am aes d. h. dem Vermögen dieses rechtlich von der Person abgelöst und als ideale Einheit gedacht behandelt wurde.*

Eman. Hoffmann in der Zeitschr. f. österr. Gymnas. (Wien) 1866. S. 580 u. 595-611, obgleich einräumend, daß Livius das Recht der nexi und der judicati gleich erachtete, führt aus, daß das Executionsverfahren aus einem Urtheil wesentlich verschieden gewesen sei von dem Verlauf des geltend gemachten nexum, und daß das erstere seinem rechtlichen Wesen nach gar nicht, sondern nur factisch infolge eines pactum des der capitis poena verfallenen judicatus mit dem Gläubiger, zur Schuldgefangenschaft hätte führen können. Allein daß unter pactum die (nachträgliche) Eingehung eines nexum mit verstanden worden sei, ist unglaublich; daß die capitis diminutio durch Unterlassung des pacisci (Störrigkeit des judicatus!) gerechtfertigt gewesen, darum nicht denkbar, weil das pacisci doch mit vom freien Willen des Gläubigers abhing (was durch den Ausdruck „jus paciscendi“ Statthaftigkeit der Gestundung nicht widerlegt wird); überdies reißt jene Annahme einmal den Executionsmodus und den Executivproceß, und

*) vergl. Excurse aut§ 123-130. S. 130. 131.

sodann den Executionsmodus der in rem und der in personam actiones in einer Weise auseinander, welche sich in eine mit einfachen Mitteln operirende Zeit nicht wohl einfügen will; sodann macht sie unbegreiflich, wie die manus injectio gegen den nexus mit „pro judicato“ bezeichnet werden konnte; endlich löst sie den Executionsmodus innerlich von dem civilistischen Wesen der obligatio dermaßen ab, daß sie überhaupt mit der Natur des Röm. Civilprocesses, welcher unmittelbarer Ab- und Ausdruck des Rechtes selbst ist, in Widerspruch tritt. Zugegeben, daß die prätorische Realexecution der spätern Zeit in ihrer processualen Gliederung der altcivilen Personalexecution entspricht, und daß nach jener der Gläubiger kein umittelbares Recht am Vermögen des judicatus erhielt, so folgt daraus schwerlich, daß auch nach der alten Executionsordnung der Gläubiger kein unmittelbares Recht an der Person des Schuldners gehabt; das prätorische Verfahren knüpfte an die durch die lex Poetelia geschaffene Ordnung an, nach welcher allerdings der Gläubiger kein jus in corpore, sondern nur noch ein vorübergehendes pfandähnliches Recht am Schuldner hatte.

VI.

Die legis actio per manus injectionem.

Zu § 144] In den ausführlichen Bestimmungen der XII Tafeln über die la per manus injectionem, welche, wie wir annehmen, sowohl auf Grund des nexum als des judicatum gewährt wurde, steht die Idee eines jus in corpore debitoris noch in ziemlicher Kraft da.* Die dort bewilligte Zahlfrist von XXX dies justi bezog sieh zunächst auf den geständigen und den durch Sentenz verurtheilten Schuldner, fand aber sicher auch auf Nexumschuldner, denen keine längere Schuldfrist zur Seite stand (s. fr. 41. § 1. D. de V. O. 45, 1), Anwendung. Nicht haltbar dürfte v. Bethm.-H. Ansicht seyn (S. 160), daß noch nach dem vertragsmäßigen Verfalltag die Monatsfrist gewährt worden sei.

Die manus injectio haben wir uns als einen außergerichtlichen Act, d. h. so zu denken, daß der Gläubiger dem Schuldner, wo er ihn traf, ihm in seine Behausung zu folgen, ansinnen durfte, und der Schuldner, wenn er nicht sofort einen vindex (welcher im Unterliegungsfalle das duplum als Selbstschuldner leisten mußte) stellen konnte, in die Schuldgefangenschaft zu folgen hatte. Auch da noch blieb der letzte Schritt suspendirt, denn das jus in corpore war nicht ein rohes, unbedingtes, sofort realisirbares mehr: seine Realisirung mußte sich durch mehrere Phasen erst gleichsam zögernd vorbereiten und hindurch entwickeln. Darum war dem gefesselten nexus noch eine 60tägige Frist gelassen, nach deren Verstreichung erst derselbe sammt Kind und Kegel seinem Schuldherrn auf Gnade und Ungnade verfiel, d. h. (wie mit v. Bethm.H. S. 199 gegenüber Niebuhr anzunehmen ist) der Schuldherr konnte

*) s. oben zu § 123-131. Exc. III s. E.

nun, wenn er wollte, den Schuldgefangenen streng genommen tödten, oder ihn doch ins Ausland verkaufen, d. h. in den wirklichen Sklavenstand versetzen, oder aber auch ihn bei sich behalten, welchenfalls der Schuldner nicht eigentlich Sklave, doch gleichsam ein Gefangener (captivus) ward und nach der Praxis durch Abarbeiten der Schuld sich immer noch zu rehabilitiren die Aussicht und ein jus quasi postliminii hatte.* Die namentlich durch Niebuhr vertretene Ansicht, daß der Schuldherr den addictus oder nexus nicht hätte in heimischer Gefangenschaft dauernd halten dürfen, weil das ein Volksärgerniß gegeben hätte, stimmt nicht zu der häufigen Erwähnung der Schuldgefangenschaft als dauernden Zustandes in den Quellen.

In der lex Poetelia ist mit v. Bethm.-H. S. 164 u. 200 die Bestimmung über das nexum zu scheiden von der über die Urtheilsvollstreckung; der Nexumgläubiger verlor nun das jus ductionis, womit das nexum eben aufhörte, ein jus in corpore zu seyn; allein gegen den judicatus bestand die manus injectio, wenn auch wesentlich gemildert und beschränkt, fort bis zur allgemeinen Abschaffung der Legisactionen.

In der gewöhnlichen Darstellung der manus injectio tritt dasjenige Moment zu sehr in den Vordergrund, welches ihr (unter Umständen) mit der in jus vocatio im Ordinarproceß gemein, mithin gar nicht specifisch war. Worin nun unterschied sich diese leg, actio von der Einlei tung der l. a. sacramento (und per condictionem), wenn die in jus ductio schlechthin erforderlich und eine addictio in jure unerläßlich war? Einer Autorisation des Magistrats bedurfte es gewiß nicht da, wo der Schuldner beim Contrahiren schon sich gleichsam selbst eventuell dem Gläubiger zugesprochen (verschrieben, verpfändet) hatte: was er als persona sui juris im Geiste des alten Rom vermochte; die manus injectio war eine selbstverständliche Consequenz des geltend gemachten Rechts, nicht ein Ausfluß des magistratischen imperium; im Stadium der Urtheilsvollstreckung des Ordinarprocesses aber bedurfte es ebensowenig einer besonderen ausdrücklichen addictio judicati debitoris durch den Magistrat, da schon in der Formirung der leg. actio in jure und Constituirung des judicium der Ausgang des Processes in das Judicat vorgesehen und gleichsam die (eventuelle) addictio stillschweigend anticipirt war. Die litis contestatio im Mangel Zugeständnisses ersetzte die addictio rei, die nur im Falle der in jure confessio (analog der in jure cessio) selbständig hervortrat. Nur unter dieser Annahme wird der Einklang des Executionsverfahrens bei in rem und in personam actiones gewahrt, der in der Auffassung der letzteren bei v. Bethm.-H. verloren geht; es ist damit im Einklang, was Huschke Nexum S. 79 bemerkt hat, daß die XII Tafeln nichts von einer addictio oder adjudicatio vorschrieben, Gai. 4, 21 vollständig hierin übereinstimmt, und auch im Edict addicere kein Kunstausdruck war.

Mit Recht hat Ihering neuerdings (Geist d. R. R. 2. Auflage I.

') s. oben zu § 128-130. Exc III. 8 130.

S. 152ff.) mit der 1. a. per manus injectionem die per pignoris capionem in Verbindung gebracht und einen völligen Parallelismus der Organisation beider nachgewiesen, auf welchen uns schon der Name der Actionen hätte führen können; denn während sacramentum und judicis postulatio so gut wie condictio (diese nach v. Bethmann's Auffassung, welcher ich beistimme) einen Act in jure und magistratische Assistenz andeuten, enthalten manus injectio und pignoris capio einen Fingerzeig auf erlaubte Selbsthülfe: dieser Gedanke bildete den Mittelpunkt der . a., und wenn die pignoris capio (nämlich von Gaius, der die alte Zeit nicht mehr ganz, nur halb verstand) als eine Abart der leg. actiones aufgefaßt wurde, so hätte man mit ihr die 1. a. per manus injectionem zu Einer Gruppe, nämlich „bedingter Proceßwege" vereinigen müssen. Dies hat Ihering nun gethan, indem er ausführt, daß auch die l. a. per pign. cap. zu einer Verhandlung in jure führte, wenn nämlich der Ausgepfändete etwa die Rechtmäßigkeit der Pfändung bestreiten, bez. der Pfändende jenen zur Einlösung des Pfandes zwingen wollte. „Nur darin unterschieden sie sich, daß bei der man. injectio, wo die Einsprache des Gegners sofort laut werden kann, auch das Verfahren selber sofort anhängig gemacht werden soll, während dies bei der pign. capio, die auch in Abwesenheit des Gepfändeten statthaft war, erst hinterher möglich war" (Ih. S. 162). Ich stimme dem bei und möchte nur noch die Frage anknüpfen, ob nicht Ihe ring noch zu viel der alten Ansicht concedirt habe, wenn er an die Möglichkeit denkt, daß der Beklagte auch, ohne einen vindex zu stellen, durch bloß wörtliche Anfechtung der Rechtsmäßigkeit die man. injectio verzögern, d. h. die Sache zuvor an den Prätor treiben konnte. Mir scheint, daß die Präsentation eines Vindex das einzige Mittel war, die angethane man. injectio rechtmäßig zu sistiren. Aller alte Röm. Proceß war auf persönliche Nähe und persönliche Bereitschaft basirt, auch die Sistirung der manus injectio konnte daher wohl nur durch augenblickliche Präsentation eines vindex habilis erzielt werden. Es war Sache des Bedrohten, sich rechtzeitig nach einem solchen umzuthun, und die Unterlassung dessen mochte schon an sich ein Zeichen der Widerspenstigkeit seyn.

Die Fälle der (anomalen) pignoris capio gehörten der Sphäre des Staats- und Sacralinteresse an und gründeten sich theils auf mores (Forderung des Miles wegen des militare und des Eques wegen des aes equestre und hordearium), theils auf leges (Forderung des Verkäufers eines Opferthiers wegen des Kaufpreises u. s. w.). Gai. 4, 26-29. 32. Fest. v. Equestre und Hordearium. Rudorff R. R.-Gesch. II. § 25.

VII.

Vermuthungen über das Verhältniß der legis actiones.

Zu § 137] Die Idee der Obligatio war schwerlich schon in ältester Zeit entwickelt. Da herrschte das Tauschsystem. In diesem findet

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