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sich heutzutage schwerlich mehr auch nur errathen. Aber es ist nicht unwichtig, festzuhalten, daß der Typus der obligatio aus dem Typus der proprietas (in corpore) hervorwuchs: nur aus dieser Genesis trug er die Sicherheit seiner civilistischen Contoure davon. Es ist dasselbe Princip, nach welchem die hellenische Kunst verfuhr, indem sie bei der Erfindung neuer Typen von vorhandenen ausging und diese je nach dem Karakter um- und fortbildete, z. B. aus den Grundformen des Zeus. Ideals dasjenige des Poseidon und dann nicht minder des Pluton entwickelte (s. Kekulé, Hebe, 1867. S. 60).

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Wahrscheinlich hatten schon die XII Tafeln nicht bloß überhaupt eine Regelung, sondern eine Milderung des alten jus manus injectionis eingeführt, indem sie dem überführten Schuldner eine Monatsfrist (velut quoddam justitium) bewilligten, die Möglichkeit, die drohende domum deductio durch sofortige Stellung eines vindex in jure abzuwenden, eröffneten, und noch eine von da an laufende 2 monatliche Frist für etwaiges Abkommen, nebst 3 maliger Proclamirung an den nundinac behufs etwaiger Meldung eines freiwilligen vindex und zur Notiz für etwaige andere Gläubiger anordneten, bevor der Gläubiger zum Aeußersten seiner Executions - Befugniß schreiten durfte (jus necandi, trans Tiberim vendendi). Die von Gell. 20, 1 referirten Worte des Decemviralgesetzes (tab. III) lauten: „Aeris confessi [rebusque jure] judicatis XXX dies justi sunto. Post deinde manus injectio esto. In jus ducito. Ni judicatum facit aut quis endo eo in jure vindicit, secum ducito. Vincito aut nervo aut compedibus. XV pondo ne minore (oder nach Huschke Nexum S. 83: majore; s. dagegen Lange I. S. 155 u. Em. Hoffmann i. d. Zeitschr. f. d. österr. Gymn. Wien 1860. S. 606), si volet majore (minore?) vincito. Si volet, suo vivito (Selbstbeköstigung statthaft). Ni suo vivit [qui eum vinctum habebit] libras farris endo dies dato. Si volet, plus dato." Vergl. Huschke d. Recht des nexum. S. 83. 94; Lange Röm. Alterth. I. S. 180; Ihering Geist d. R. R. 1. S. 136. Aum. 43 u. S. 152 (d. 2. Aufl.); Schöll Legis XII tab. reliquiae (Lips. 1866) p. 122. Die lex Poetelia versagte dem Nexumgläubiger die Verhaftung und Heimführung des Schuldners überhaupt und milderte überdies die Privathaft, welche noch auf Grund wirklich gefällten Urtheils eintrat, indem sie die schwere dauernde Fesselung und körperliche Züchtigung des Haftschuldners verbot, den Gläubiger am Schluß des Verfahrens zur Entlassung jenes aus der Haft, wofern derselbe bona cedirte oder alsbaldige Zahlung eidlich angelobte, nöthigte und das Recht der Tödtung oder Veräußerung in die Fremde ganz beseitigte. Infolge dieses Gesetzes galt als Object der Herrschaft des Gläubigers fortan nicht mehr corpus, sondern bona debitoris, und es ward dieses Gesetz in gewisser Hinsicht als eine Erlösung der Menge, als das initium libertatis der Plebs gepriesen, aber freilich damit auch ein mächtiger Hebel prompter Vertragserfüllung (ingens vinculum fidei) zerstört, und die endliche Antiquirung des nexum eingeleitet (Cic. de rep. 2, 34). Livius (8, 28) gibt diese Bestimmung des Gesetzes bez.

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der 2 Capitel desselben (s. Huschke, Nexum, S. 132) in den Worten: Ne quis, nisi qui noxam meruisset, donec poenam lueret, in compedibus aut in nervo teneretur, pecuniae creditae bona debitoris, non corpus obnoxium esset. Vergl. Lange Alterth. I. S. 153. 181. II. S. 61; v. Bethmann-Hollweg Röm. Civilproc. I. S. 164. 200.

In dem strengen Nexum hatte der Gläubiger eine ungemeine Sicherheit besessen, denn in dem Recht über die Person war ihm zugleich, insoweit nicht Reservationen nuncupirt worden, eine Macht über Alles, was dem Schuldner gehörte und anhing, mithin eine indirecte Realexecution gewährleistet, und die einfache Personalcaptur schon war ein in vielen Fällen rasch zum Ziele führendes Mittel. Dieses Mittel aber wurde durch die lex Poetelia so sehr abgeschwächt, daß nun gewiß ein Bedürfniß nach Surrogaten eintrat: es ist mir wahrscheinlich, daß seitdem theils das negotium fiduciae bei der Mancipation (die doch neben dem Nexum in Bezug auf einzelne Sachen des Schuldners nicht wohl gedacht werden kann), theils das Verbürgungsgeschäft besonders ausgebildet wurde, und die freiere fidejussio, welche auch für andere als Verbalobligationen zugelassen ward, in Gebrauch kam; jedenfalls weisen uns die lex Publilia und Furia de sponsu mit ihrem dem Nexum nachgebildeten Executivproceß* auf dieses zurück.

Schon die alten leges Appuleja (390?), Publilia (384?), Furia* (345?), Valeria (342?) hatten offenbar den Zweck verfolgt, die Uebernahme von Bürgschaften zu erleichtern und zu begünstigen, sie betrafen aber nur die sponsio und fidepromissio (vergl. dazu Huschke Gaius. Beitr. z. Kritik. 1855. S. 74. 83). Die eigentliche Pfandidee war noch nicht zu Tage getreten, in der fiducia nur vorbereitet, und überhaupt der Römer mehr dem Personal- als dem Realcredit zugeneigt. Daher dürfte sich wohl die Vermuthung empfehlen, daß nunmehr die Intercessionsidee in der fidejussio entwickelt wurde. Zuerst in ihr trat die Intercessionsidee, welche in der alten sponsio und fidepromissio noch mehr oder weniger latent gewesen, völlig hervor, und die Anwendung der expensilatio auf Schuldübernahme (transscriptio a persona in personam) würde, wenn es richtig ist, sie als eine privative Intercession zu verstehen, eine zweckmäßige Ergänzung gebildet haben. Die eine diente inter praesentes, die andere inter absentes, jene stellte den Intercedenten neben den Hauptschuldner, diese an dessen Statt. Die stipulatio und die expensilatio gehörten dem System des strictum jus an, aber sie wurden gleichsam Nachbarn des jus gentium und ragten dann selbst in diese neue Region herein. Gaius (3, 93. 133) berichtet uns, daß nur die alte Sponsionsform der stipulatio und die transscriptio a persona in personam später für juris mere civilis geachtet wurden: die anderen Formen und Anwendungen wurden (später) zum jus gentium gerechnet und sind daher wohl verhältnißmäßig neuen Datums. Vergl. übrigens über die transscriptio in alios die merkwürdige Stelle bei Liv. 35, 7 („in socios... nomina transscriberent“).

*) 9. Cursus § 144.

**) vergi. unten Excurse zu § 132-150. No. XI.

IV.

Die stipulatio und expensilatio.

Zu § 130] Neuerdings sind von Voigt (das jus naturale und gentium der Röm. II. S. 228ff. 357ff. 369. 492) mancherlei Beweisgründe zusammengestellt worden, um wahrscheinlich zu machen, daß die Genesis der stipulatio und expensilatio im Zusammenhang mit der politischen Erweiterung der Röm. Herrschaft über Unteritalien gestanden hat. Rom näherte sich in der 2. Hälfte unserer Periode dem hellenistischen Unteritalien und knüpfte daselbst dauernde Verkehrsbeziehungen; App. Claudius Caecus schuf die große Verkehrsader zwischen Rom und Capua (s. Lange Alterth. I. S. 756). Der Eintritt aber der süditalischen Bevölkerung in den Umkreis des Röm. Staatslebens war ein Vorspiel des späteren Eintritts der großen Peregrinenmassen der Mittelmeerwelt in das Röm. Weltreich, und die Schöpfung provinzähnlicher Bezirke innerhalb Italiens die staatsrechtliche Vorstufe zu dem ausgebildeten Provinzialsystem der folgenden Periode: ganz adäquat diesem Entwicklungsgange nun war die Ausbildung der stipulatio und expensilatio, welche gleichsam mit ihrem Stamme noch dem nationalen jus strictum angehörend doch ihre jüngeren Zweige in der Region des jus gentium trieben. Der rege und gesicherte Verkehr mit Capua, Cumae und anderen campanisch-hellenischen Handelsstädten mußte ja mächtig auf die Rechtsanschauung der Römer wirken, das beginnende Zusammenfluten der Kapitalien und der Händler in Rom die starre Masse des Röm. Rechts in Fluß bringen, und wir können denken, daß die Einführung des vom Prätor L. Furius auf Anordnung des Senats für Capua entworfenen Stadtrechts und die Einsetzung der Praefecti pro praetore juri dicundo in den 10 campan. Städten (nach 338 v. Chr.) den Römern selbst manchen neuen Impuls gaben. Schrittweise mit der Ausdehnung des politischen Reichs erweiterte sich auch der civilistische Horizont der Römer. Vergl. Lange Alterth. I. S. 755–7; II. S. 58. Voigt a. a. O. II. S. 233 nimmt ein Einwandern der Stipulatio aus Latium an und setzt diese Reception in die Zeit von 443-389 v. Chr., während dem Latium in enger und treuer Verbindung mit Rom stand; speciell findet er in der condictio ex lege Silia und Calpurnia die Gestalt, in welcher das neue Rechtsinstitut Anerkennung und Schutz erhielt (II. S. 240 und Ders. Ueb, die condict. ob causam S. 258 ff. Dagegen Girtanner d. Stipulation S. 222). Für etwas neueren Datums aber hält er die expensilutio, welche als eine Bankiergeschäftsform mit der Aufnahme des campan. Argentarienwesens (335-330 v. Chr.) nach Rom gebracht, hier national ausgebildet und nicht bloß für den gesammten Handelstand, sondern überhaupt für den bürgerlichen Verkehr der Römer Gewohnheitsrecht geworden sei (II, S. 246).

Im Allgemeinen kann wohl als unzweifelhaft gelten, daß die literalis figura der expensilatio jünger als die verborum solennitas der sacralen sponsio ist, allein es fragt sich, ob nicht die neue freiere und unter

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den Gesichtspunkt des jus gentium gestellte Form der stipulatio jünger als die expensilatio, wenigstens jünger als die transscriptio a persona in personam sei, welche unbestritten nicht juris gentium war. Es läßt sich dafür zunächst der Umstand, daß das Wort acceptilatio von der expensilatio (für die es offenbar allererst gebildet war) auf die stipulatio übertragen ward, anführen; daß aber die verborum solennitas nur allmählich vereinfacht und wohl schrittweise profanisirt wurde, läßt sich aus der Geschichte der Bürgschaft (sponsio, fidepromissio, fidejussio) entnehmen; auch ist bemerkenswerth, daß, während die expensilatio wohl auf certa pecunia beschränkt blieb, die moderne stipulatio auf andere Werthleistungen Anwendung fand, sowie daß die transscriptio a persona in personam, d. h. die intercessio per expensilationem, besonders neben den alten auf Verbalobligationen beschränkten Verbürgungsformen der sponsio und fidepromissio zur Ergänzung derselben im Verkehr Bedürfniß seyn mußte. Sollte nicht das Wort stipulatio (stipula, Halm! s. dagegen Ihering Geist d. R. R. II. S. 585. Anm. 747) ein Fingerzeig seyn, daß mit ihr eine Ausdehnung von Obligirungen auf Getreide und von da auf andere Fungibilien stattfand, und diese Ausdehnung gerade ein Hauptzweck der Einführung dieser Stipulationsform (promissio: Verpflichtung mit Handschlag statt der alten exsecratio?) war? Huschke (Gaius. Beiträge z. Kritik, S. 83) und Rudorff (R. R.-Gesch. I. § 20) verlegen die 4 Bürgschaftsgesetze in die Zeit 390-342 v. Chr.; in die Mitte dieser Zeit (367) fällt die lex Licinia Sextia, welche die bestehenden Zinsenverbindlichkeiten behufs Erleichterung der Lage der gewerbtreibenden Volksclassen milderte; demselben Zweck dienten die Schuldencommissionen, welche zinsenlose Darlehen aus Staatsfonds gegen doppelte Sicherheit (praediis praedibusque) vorschossen, z. B. die quinqueviri mensarii, welche nach dem Vorgange des M. Manlius i. J. 352 eingesetzt wurden (Liv. 6, 20). In dasselbe System nun mögen auch die Bürgschaftserleichterungen, sowie die Vereinfachung bez. Erweiterung der sponsio zur Stipulation gehört haben. Sie scheinen eine historische Gruppe zu bilden, und die Vermuthung liegt nahe, daß dieselbe unter dem Einflusse des genialen Camillus entstanden ist. Rudorff führt die lex Furia de sponsu auf einen späteren Dictator Furius (345 v. Chr.) zurück, allein es ist unwahrscheinlich, daß die Bestimmung der lex Furia so rasch, nämlich drei Jahre nachher, durch die lex Valeria (342) eine Abänderung erfahren haben sollte. Was hindert uns, die lex Furia im Zusammenhang mit den Bestrebungen des alten Camillus († 365 v. Chr.) zur Wiederbelebung und Hebung des Verkehrs nach dem Gallischen Brande zu bringen? Es ist dies zugleich die Zeit, welche Voigt als letzten Termin der Reception der stipulatio annimmt. Unter allen Umständen muß angenommen werden, daß, als App. Claudius Caecus es wagen konnte, den Herculescult von der gens Potitia auf servi publici zu übertragen, die alte sponsio ad aram maximam längst nicht mehr in geachteter Uebung stand und der stipulatio Platz gemacht hatte.

V.

Das alte Testament und die alte Intestaterbfolge.

Zu § 131] Die letztwillige d. h. eigenherrliche Anordnung einer Universalsuccession ist ihrem innersten Wesen nach nicht (wie Köppen Röm. Erbrecht I. S. 10 u. 54 sagt) ein Ausfluß des natürlichen Familienbandes, sondern ein Widerspruch zu demselben, denn in ihr löst sich der Einzelwille von der Familie ab und erklärt sich souverän. Innerhalb der sacralen Gentilordnung läßt sich eigentlich nur eine Intestaterbfolge denken, und nur auf der Grundlage derselben mochte der Privatwille einigen Spielraum finden. Ein Testament im vollen Sinne war etwas Fremdes; der letzte Wille machte sich etwa nur mit der Function einer divisio parentis inter liberos oder dazu geltend, um Cognaten etwas aus der Masse zufließen zu lassen, was unbeschadet der sacra in Wegfall kommen konnte: um diese zu wahren, darum mußte der letzte Wille in den Curiatcomitien erklärt und controlirt werden (testamentum calatis comitiis conditum). Neben dieser feierlichen Form des „legare“ kam eine unfeierliche Form vor, statthaft im Kriege, für alle im Felde stehenden Römer, von besonderer Bedeutung aber für die Plebejer, welche den eigentlichen sacra gentilicia fern blieben und seit Servius Tullius gerade in militärischer Beziehung zum activen Bürgerrecht gelangt waren. Freier in der Form muß das testamentum in procinctu auch sachlich den Privatwillen entfesselt haben: wie der Römische Feldherr im Felde fast Omnipotenz hatte, der Soldat frei von der Hausordnung war, so mochte auch der legirende Soldat weniger gebunden seyn, und darum hier zuerst das Wagniß einer freien Anordnung der Erbfolge geschehen.

Daß dieses Wagniß zuvörderst an dem Familienprincip anknüpfte, ist natürlich; dadurch erklären sich die auf jenes Princip zurückweisenden Momente, z. B. das Bedingtseyn der testamentarischen Berufung durch das conubium, was u. A. die Erbunfähigkeit der Latini beweist (s. Köppen a. a. O., S. 13), und insofern läßt sich wohl sagen, daß das Testament eine ,,Nachbildung des Familienbandes" oder „Substituirung eines anderen Familienkreises" gewesen sei. Es war eine Anlehnung des jüngern Princips an das ältere, aber in seinem Wesen war ein Widerspruch zu diesem enthalten. Mit der absoluten Freigebung des Testirens war die Naturordnung der Familie überwunden. Dies geschah wahrscheinlich durch die Worte der XII Tafeln: Uti legassit, ita jus esto! Was im Kriegstestament scheinbar als Abnormität aufgetreten, aber doch schon bisher immer mehr zur factischen Regel geworden war, weil die jährlichen Feldzüge in Kürze alle Römer in's Feld führten, das ward jetzt als gesetzliche Regel sanctionirt. Damit war die Einführung der letztwilligen Universalsuccession entschieden, und das Recht, sie anzuordnen, ward nun von den Römern auf die omnipotente patria potestas gegründet: exheredare licet, quem et occidere, sagt Paulus (fr. 11. D. de hered. inst. 28, 2).

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