Page images
PDF
EPUB

bereits von Zumpt 1. c. hervorgehobene grammaticalische Bedenken, daß excoluit, nicht aber excoluerunt gesagt ist, sondern es wird auch solchenfalls die Nothwendigkeit herbeigeführt, den receptus in leges Francus mit Zumpt 1. c. als Colonen aufzufassen. Gerade aber dieser Annahme widerstreitet ganz offenbar die auf den nämlichen in Frage stehenden Vorgang bezügliche Stelle bei Eumen. Paneg. Constantino Aug. 6, 2.:

Quid loquar rursus intimas Franciae nationes,

ab ulti

mis barbariae litoribus avulsas, ut, in desertis Galliae regionibus collocatae, et pacem Romani imperii cultu iuvarent et arma dilectu.

Denn diese Stelle läßt auf das Unzweideutigste erkennen, daß das characteristische Merkmal in der Stellung dieser Franken im römischen Reiche nicht allein auf ihrer Verpflichtung zur Bodencultur, sondern auch auf ihrer Verpflichtung zum Militärdienst (armorum dilectus) und zur Aufrechterhaltung des Friedens (pacem Romani imperii iuvare) beruhte; und da nun in der Stellung der Colonen in der That nur das erstere, nicht aber auch das leztere Moment das characteristische Merkmal bildete, so weist diese Stelle darauf hin, jene Franken in der That als Läten, nicht aber auch als Colonen aufzufassen. Und wie nun dieser Moment maaßgebend ist für die erstcitirte Stelle aus dem Paneg. Constantino Aug. 5, 4., so ist sie es auch für die andere Stelle aus dem Paneg. Constantio Caes. 21, 1. in der Weise, daß nunmehr Francus als Prädicat mit laetus zu verbinden und auf diesen fränkischen Läten das postliminio restitutus et receptus in leges zu beziehen ist. 988) Dann aber kann diesem receptus in leges nur der Sinn beigemessen werden, daß jene fränkischen Läten das röm. Bürgerrecht erhielten, eine Auffassung, wofür auch eine Parallele bei Zosim. I, 71. sich bietet, wenn

988) Denn die Annahme von Rambach, de Laetis p. 15., laetus im Sinne von lätisch auf Francus zu beziehen, verbietet sich dadurch, daß solches Adjectiv den Quellen unbekannt ist. Dagegen die von uns statuirte Auffassung wird auch dadurch bedingt, daß die Not. Dign. Occ. p. 120.* laeti franci nennt, die Quellen aber von keiner anderen, als der obigen Ansiedelung von Franken in Gallien uns berichten, welche die Leßteren in das Lätenverhältniß gebracht hätte. Denn die salischen Franken des Jahres 358 (not. 970) waren foederati (§ 117).

Voigt, Jus naturale etc. II.

57

derselbe bezüglich der von Probus im J. 277 in das Colonat aufgenommenen Bastarner berichtet:

Βαστάρνας δέ, Σκυθικὸν ἔθνος, ὑποπεσόντας αὐτῷ προσέμενος κατῴκισε Θρακίοις χωρίοις· καὶ διετέλεσαν τοῖς Ῥωμαίων βιοTεÚOVTES VÓμOLS (Bastarnas, gentem Scythicam, quae illi se dedidit, admittens in Thracia concessis agris collocavit; hi deinceps secundum leges Romanorum perpetuo vixerunt). Nach Alle dem aber nehmen wir um so weniger Anstand, den Läten, gleich den Colonen die römische Civität beizumessen,989) als einmal weder der römischen Civität für die gegenwärtige Periode auch nur annäherungsweise noch jene hohe Werthschägung zukam, welche ibr während der ersten, wie zu Beginn der zweiten Periode beigemessen wurde, noch auch andrerseits die Annahme begründet ist, daß den Läten eine höhere Geringschäßung als den übrigen Colonen zu Tbeil geworden sei, da ja z. B. selbst der Gegenkaiser Constantin's, Magnentius ein Läte war.990)

§. 117. Fortseßung.

(Die gentiles und foederati innerhalb des röm. Reiches.)

Neben den peregrinen Bevölkerungselementen, welche in die römische Civität selbst aufgenommen wurden, umschloß das römische Reich noch andere gleichartige Elemente, welchen der Eintritt in die Civität nicht zu Theil ward. Die generelle Bezeichnung für diese Bevölkerung ist gentiles oder barbari, Ausdrücke, die in der gegenwärtigen Periode die Stelle der früheren Benennung peregrini einnehmen (Beil. XI. §. IX. sq.). Und indem nun das Vorkem

989) Nicht in Widerspruch hiermit steht, daß Eumen. Paneg. in not. 967. cit. den Läten als cultor barbarus bezeichnet; denn dies geht offenbar nur auf die Abstammung, nicht aber auf die staatsrechtliche Stellung im röm. Reiche. Gleiches würde zu gelten haben von Amm. XVI, 11, 4., wo laeti barbari gesagt ist, wenn hier überhaupt laetus mit Böcking 1. c. p. 1056* durch Läte zu überseßen wäre. Allein da diese Alemannen gar nicht römische Colonen, sondern unabhängige Gränznachbaren Roms find, so werden wir allerdings die Auffassung von Gothofr. ad C. Th. VII, 20, 12. für richtiger zu halten haben, der laetus im Sinne von gaudio delibutus nimmt.

990) Zosim. II, 54. Iulian. Or. I. in Const. p. 34. Spanh. Aur. Viet. Caes. 41. Epit. 42.

men dieser peregrinen Elemente im Reiche darauf beruhte, daß denselben sei es durch Dedition, sei es durch foedus der Eintritt eröffnet, von Verleihung der Eivität aber an dieselben Umgang genommen wurde, so trat nun auch beim leßteren Falle unter gewissen Voraussetzungen an die Stelle jener allgemeinen Bezeichnung die besondere Prädicirung als foederati.

Fassen wir nun zunächst jene römischen d. h. innerhalb des römischen Reiches seßhaften gentiles schlechthin901) in das Auge, so ergiebt sich der sicherste Beweis ihres Vorhandenseins aus der Notitia Dignitatum Occid., und zwar theils p. 99* v. 9. Böck., wo ein Tribunus Gentis Marcomanuorum, u. p. 103* v. 3. 4., wo ein Tribunus Gentis per Raetias deputatae erwähnt wird, theils p. 119* sq., wo gentiles Suevi, Sarmatae u. Taifali erwähnt werden. Denn wenn auch beidemal rein militärische Verhältnisse es sind, in denen diese gentiles hier erscheinen, so ergiebt doch jene Bezeichnung der Marcomannen, daß dieselben ebensowohl eine der römis schen Civität nicht theilhafte, 992) wie auch innerhalb des römischen Reiches seßhafte993) Bevölkerungsmasse bildeten, während gleiches auch von der ethnisch nicht näher bezeichneten 994) und in Rhätien seßhaften gens gilt; und andrerseits vermögen wir aus der militärisch-technischen Bezeichnung jener Sueven, Sarmaten und Taifalen, als gentiles, wie aus deren Stellung im römischen Heere mit Sicherheit zu erkennen, daß dieselben ebenfalls sowohl Peregrinen, wie auch innerhalb des römischen Reiches seßhaft waren, indem die auswärtigen peregrinen Nationen nicht als gentiles, sondern als auxi

991) Die erste Erwähnung dieses Verhältnisses findet sich im Anonym. Vales. de Constant. M. exc. § 32. aus dem Jahre 334; der Ausdruck gentiles tritt aber zuerst bei Amm. Marc. XIV, 7, 9. aus dem Jahre 353 auf, wo er als Bezeichnung römischer Truppenkörper sich vorfindet.

992) Die Bezeichnung gens läßt hierbei gar keinen Zweifel aufkommen; vergl. Beil. XI not. 17.

993) Vergl. Aurel. Vict. in not. 964; von diesen auf röm. Gebiet Uebergefiedelten sind die souveränen Marcomannen außerhalb des röm. Reiches zu scheiden, welche auxilia zum römischen Heere stellten (vergl. Beil. IX. § X. unter 3). so Not. Dign. Occ. p. 25* num. 40. 41. p. 31* num. 12. p. 34* num. 36. 39. v. 26.; vergl. auch Böding, Not. Dign. II, 2. p. 726* sq.

[ocr errors]

994) Böcking, I. c. II, 2. p. 799* erklärt diese gens für eine sarmatische; vielleicht aber war es vielmehr eine aus verschiedenen ethnischen Elementen gemischte Bevölkerung, welche künstlich zu einer gens verschmolzen war.

lia oder auxiliares oder auxiliarii im römischen Heere erscheinen (Beil. XI. §. X. unter 3). Um nun eine angemessene Vorstellung von der Stellung jener Peregrinen im römischen Reiche zu gewinnen, gehen wir am Angemessensten von einer Betrachtung der inländischen römischen foederati 995) aus, bezüglich deren zwei anschauliche Beispiele in den salischen Franken und den Westgothen sich uns darbieten.

Zunächst der Eintritt eines Theiles der salischen Franken als foederati in das römische Reich datirt von Constantius im J. 358; denn noch im J. 295 hatte Constantius Chlorus die über den Rbein vorgedrungenen Franken theils zurückgedrängt, theils als Läten im Gebiete der Nervier und Trevirer angesiedelt (not. 963) und noch Constantin d. Gr. hatte während seiner Verwaltung von Gallien im J. 306-312 die abermals in Batavia eingedrungenen Franken zurückgetrieben.996) Als dieselben jedoch nach kurzer Zeit abermals vordringen und in Batavia wie auch in Toxandria sich ausbreiten, so unternimmt nun Julian im J. 358 einen abermaligen Feldzug gegen dieselben, der mit der Besiegung und Unterwerfung des Volkes endete. Die Maaßregeln nun, welche Julian gegenüber den Besiegten ergriff, waren durch die gesammte Situation an die Hand gegeben: die Erfahrungen der legten Vergangenheit hatten gezeigt, daß die Römer nicht in der Lage waren, die nördlichste Grenze Galliens wider die Germanen zu vertheidigen; daher lag es nahe, durch Germanen selbst jene Grenze gegen äußere Feinde vertheidigen zu lassen. Und indem dieses Project von Julian ergriffen wurde, so beließ er nicht allein den in seinen Sißen jenseits des Rheines zurückgebliebenen Theil der Franken, die Salii schlechthin, sondern auch den nach Gallien eingedrungenen Theil des Volkes,

995) Der Begriff foederati ist ein doppelter und bezeichnet 1. die Bundesgenossen Roms; hier wird er angewendet a. auf auswärtige Staaten, b. auf diejenigen gentiles, welche durch das Mittel irgend eines Pactum, eines foedus in diesem Sinne in das röm. Reich eintraten; c. auf diejenigen unter den foederati sub. b., welchen die Benennung foederati als besonderes auszeichnendes Prädicat auf Grund eines bestehenden foedus im technischen Sinne gleich als Bundesgenossen innerhalb des Reiches, selbst von Rom zugestanden war (not. 979 und 1010); 2. diejenigen römischen Truppenkörper, welche aus dem Mittel der römischen Bundesgenossen gebildet wurden, worüber vergl. Beil. XI. not. 18.

996) Incert. Paneg. Constantino Aug. 25, 2.

die Salii Gallicani in ihren Wohnsigen (not. 970), deren fünftige Stellung zum röm. Reiche durch Verträge ordnend, die, wenn auch mit einzelnen Unterbrechungen (so Amm. Marc. XXVII, 8. aus d. J. 368), doch bis zum Beginn des fünften Jahrhunderts die Grundlage des Verhältnisses der Franken zum röm. Reiche blieben.997) So nun erscheinen fortan die salischen Franken, deren einer Theil sonach innerhalb des römischen Territorium seßhaft ist, als foederati: der Oberhoheit des römischen Kaisers untergeordnet 998) und zu bestimmten Leistungen gegen das Reich verpflichtet: vor Allem zur Vertheidigung der Reichsgrenze gegen äußere Feinde und sodann auch zur Stellung von Soldaten zum römischen Heere, die dann römischen Oberbefehlshabern unterworfen sind und in der Notitia Dignitatum unter dem Magister Peditum Praesentialis in den auxilia palatina erscheinen.999) Allein andrerseits bleibt auch den Franken ihre nationale Selbstständigkeit gewahrt: die Verleihung der Civität wird ihnen nicht zu Theil, vielmehr verbleiben sie Gentilen und bilden eigene Gemeinwesen unter dem Regimente von selbstbestellten, nationalen Fürsten; 1000) und in diesen Gemeinwesen

997) Nur kurz berühren den oben in Frage stehenden Zeitpunkt: Zeuß, die Deutschen, p. 332., Gaupp, die germ. Ansiedl. p. 416.; völlig irrig und unklar ist dagegen Sybel in Jahrb. d. Ver. v. Alterthums - Fr. im Rheinl. IV. p. 23. sq. Daß das foedus bis in das 5. Jahrhundert fortbestand, unterstüßt der Vorgang in not. 998; vgl. auch Claudian, de laud. Stil. I, 219 sq.

998) Diese Oberherrlichkeit Roms erhellt am Evidentesten daraus, daß noch Stilicho im Jahre 385 den fränkischen König Markomir wegen Vertragsbruches in Untersuchung zog und nach Toscana relegirte; s. not. 1000 und dazu Gibbon, Gesch. der Verf. und Unterg. des röm. Weltreichs Sp. 996 fin. sq. übers. v. Sporsch.

999) Die Not. Dign. nennt unter den auxilia palatina: 1. die Salii [Iuniores] Gallicani in Occ. p. 19. 26. 37.; sowie 2. die Salii in Or. p. 19. Occ. p. 18. 24. 25.; die Ersteren halte ich für die cisrhenanischen, die Leßteren für die transrhenanischen Salier.

1000) Als solche fränkische Fürsten, reguli, regales, subreguli, auch reges von den Römern genannt, werden erwähnt im Jahre 385 Markomir und Sunno von Sulpit. Alex. lib. 4. Hist. bei Gregor. Turin. Hist, Franc. II, 9., wozu vergl. Claudian. de laud. Stil. I, 235. sq.; vergl. auch Apoll. Sidon. Epist. IV, 20. Auf diese fränkischen Könige bezicht mit Recht Gothofred die Constit. von Valentin. et Valens in C. Th. VII, 1, 9. (367): tam duces, quam etiam comites et quibus Rheni est mandata custodia, sinceritas tua protinus admonebit, ut neque regalibus, neque legatis sua milites iumenta suppeditent. Etenim cum propriis ani

« PreviousContinue »