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Annahme Raum geben, daß auch hier, wie dort das ius civile Rom. vielfach eine analogische Anwendung erfahren habe. Und diese Annahme findet volle Bestätigung einerseits durch Ulp. lib. sing. de Off. Praet. Tut. (fr. Vat. §. 193):

Exemplo civium Romanorum Latinos Iunianos excusari · oportet,

indem hiermit auf das Unzweideutigste gesagt ist, daß es einmal Rechtsfäße des ius civ. Rom. sind, die in der fraglichen Beziehung Anwendung auf den Latinus erleiden, und sodann, daß diese Anwendung nur auf einer Analogie und künstlichen Uebertragung beruht, 843) andrerseits aber auch durch Paul. Sent. rec. IV, 9. §. 8: Latina ingenua ius Quiritium consecuta, si ter peperit, ad legitimam filii heredidatem (sc. ex S. Cto Tertulliano) admittitur;

und Ibid. IV, 10. §. 3.:

Ad legitimam intestatae matris hereditatem (sc. ex S. Cto Orphitiano) filii cives Romani, non etiam Latini admittuntur; denn indem diese Stellen uns erkennen lassen, daß weder das S. Ctum Tertullianum, noch Orphitianum auf die Latini Iuniani Anwendung erlitten, so scheint hieraus zugleich sich zu ergeben, daß anderen römischen Erbordnungen solche Anwendung zu Theil wurde, in Bezug worauf dann die B. P. unde liberi, unde cognati und unde vir et uxor dem Blicke sich darbieten. Allein wie weit im Einzelnen solche künstliche Uebertragung in Bezug auf die verschiedenen Institute ausgedehnt wurde, dies ist eine Frage, deren Beantwortung weder unserer Aufgabe anheimfällt, noch auch nach der Haltung unserer Quellen eine allseitige Beantwortung finden wird, wenn immer auch der Mangel der Communalangehörigkeit die Un-. anwendbarkeit des römischen Rechtes in mehreren Punkten, wie

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843) Was auf dem Gebiete des Proceßrechtes die actiones utiles sind, das ist auf dem Gebiete des materiellen Rechtes die Anwendung des Rechtssages instar, ad instar, exemplo, ad exemplum, quasi, u. dergl., worüber vergl. Brisson. de V. S. s. v. Hieraus erbellt die Bedeutung des obigen exemplo civium Romanorum. Beiläufig bemerke ich, daß Vangerow, Lat. Iun. p. 127. mit Unrecht annimmt, der Lat. Iun. babe die tutela dativa über den civ. Rom. haben können; dafür spricht nicht Ulp. lib. sing. de Off. Praet. Tut. (Fr. Vat. § 221.), wo von der Zutel des civis über den eivis die Rede ist, während dagegen spricht Beil. XVI. not. 16.

z. B. bezüglich der arrogatio, manumissio censu u. dgl. uns deutlich erkennen läßt. Jedenfalls aber haben wir anzuerkennen, daß einerseits das ius civile Romanorum auch in dieser seiner Anwen dung auf den Latinus Iunianus und außerhalb des Gebietes von commercium und testamentifactio seinen Character als ius civile verlor und wie bei den Latini colonarii die Qualität eines ius dediticiorum annahm, anderntheils aber auch hier das Edict des praetor peregrinus etwaige Lücken ergänzend eingriff.

Jassen wir nun nach Alle dem die Eigenthümlichkeit des ius Latii, wie solches in §. 97 und 98 uns entgegentrat, in Einem Ueberblicke zusammen, so finden wir, wie zunächst die Erscheinungsform dieses Rechtes eine zwiefache ist: einmal als Communalverfassung mit wesentlich staatsrechtlicher Bedeutung, gleichzeitig aber auch die Theilnahme des Communmitgliedes am privatrechtlichen ius civ. Rom. bestimmend; sodann aber auch als Standesrecht einer außerhalb der Commun stebenden Classe der römischen Staatsangehörigen. Jene erstere Erscheinungsform bildet die unmittelbare, die lettere dagegen die mittelbare Fortseßung der Rechtsordnung der zwölf jüngsten col. lat. minderen Rechtes, daher jene Beiden durch diese legte ihre nähere Bestimmung empfangen. Dieser bestimmende Factor aber ist von Alters her gegeben namentlich in dem ius nexi mancipiique oder dem ius nexi et hereditatis, und diese Rechtsordnung selbst findet sich in ihren wesentlichen Elementen und Bestandtheilen in der That in dem ius Latii der gegenwärtigen Periode vor. Wohl aber ist gegenwärtig die theoretische Auffassung, welche dieser Rechtsordnung zu Theil wird, eine wesentlich andere geworden. Denn die vorhergehende Periode hatte einen Ausdruck, welcher die gesammten einzelnen Beziehungen in der Stellung der jener Rechtsordnung Theilhaften zur begrifflichen Einheit zusammenfaßte, nicht gekannt, noch gebildet, vielmehr heb dieselbe aus der Mehrheit jener rechtlichen Beziehungen nur eine einzelne Gruppe von Zusammenbehörigen hervor, dieselben in jenen Bezeichnungen ius nexi mancipiique oder ius nexi et hereditatis zusammenfassend. Dahingegen die gegenwärtige Periode gewann einen die Gesammtheit der gegebenen rechtlichen Beziehungen zur Begriffseinheit verbindenden Ausdruck in der Bezeichnung ius Latii u. dergl.; daneben ordnetę sie aber auch noch die besonderen Beziehungen, in denen der Träger jenes ius Latii zum ius civ. Rom.

erscheint, den Begriffen von commercium und testamentifactio unter, so daß diese als einzelne, besonders markirte Bestandtheile des ius Latii erscheinen; dagegen jene überlieferten Benennungen von ius nexi mancipiique oder ius nexi et hereditatis ließ die gegenwärtige Periode gänzlich fallen, und zwar aus dem Grunde, weil sie völlig überflüssig geworden waren, da eben zur Bezeichnung jener Rechtsordnung im Ganzen, wie in ihren einzelnen, besonders wichtigen Bestandtheilen neue Benennungen als angemessener befunden und angenommen worden waren. Allein immerhin betrifft diese Verschiedenheit nur die Auffassung und Benennung des Verhältnisses, nicht aber dessen Wesen und Inhalt.

$.99.

C. Ius togae.

Den Gebrauch der Toga erklärten von Alters her die Römer für eine dem römischen Bürger in prärogativer Weise ausschließlich zustehende Befugniß, die jedoch zur ehrenvollen Auszeichnung auch an einzelne socii und amici gleich als Ehrenrecht besonders verliehen wurde (not. 17.). Diesem ius togae haben wir daher in dieser Verleihung an Peregrinen von Vorn herein eine weitere Bedeutung nicht beizumessen, als die Befugniß zum Tragen des römischen Nationalkleides zu gewähren. Eine Erweiterung der inliegenden Befugnisse erfuhr jedoch das ius togae durch eine Constitution der Kaiser Verus und Antoninus Philos. (161-169), welche zugleich beweist, daß die Verleihung jenes Rechtes während der Kaiserzeit auch über den Kreis der socii und amici hinausgriff. Es berichtet nämlich in dieser Beziehung Marcian. lib. 14. Inst. (Dig. XLIX, 14, 32.):

Si accepto usu togae romanae ut cives Romani semper egerint (sc. obsides), Divi fratres procuratoribus hereditatum rescripserunt, sine dubitatione ius eorum ab obsidis conditione separatum esse beneficio principali, ideoque idem ius eis servandum, quod haberent, si a legitimis (leg. si legitimi a) civibus Romanis heredes instituti fuissent.

Da nämlich die Geiseln auf römischem Territorium die Stellung als Peregrinen einnahmen, daher ihnen denn auch die testamentifactio ebensowohl in activer, wie in passiver Beziehung fehlte,

vielmehr solches Recht denselben im Wege besonderer Verleihung ertheilt wurde (§. 92); so entbehrten nun dieselben auch der Befug niß zum Tragen der toga. Durch kaiserliches Privileg ward indeß mitunter auch Jenen solches ius togae ertheilt, und für den Fall nun, daß die so Beliehenen zugleich auch noch der römischen Lebensweise und den römischen Verkehrsformen sich accommodirten, ward die testamentifactio in activer Beziehung für ein Attribut solcher Individuen erklärt. Hier daher erscheint solche testamentifactio als abhängig von dem ius togae, gleich als von seiner conditio sine qua non, während den Erwerbstitel selbst des Rechtes, die causa efficiens jene pro cive Romano gestio bildet.

Doch fehlt diesen Säßen ebensowohl alles principielle Funda ment, wie alle doctrinelle Ausbildung, daher sie für uns nur eine untergeordnetere Bedeutung haben, obgleich sie nicht allein die ganze gegenwärtige Periode hindurch, sondern auch für die leßte Periode ihre Gültigkeit behaupteten, wie wir aus der Aufnahme jener Stelle des Marcian in das Corpus Iuris zu ersehen vermögen (§. 119).

Zweites Capitel.

Das Privatrecht der römischen dediticii und der liberae civitates innerhalb der äußeren Grenzen des römischen Reiches.

§. 100.

Staatsrechtliche Stellung und Privatrecht der dediticii.

In dem Breviarium imperii des Kaiser Augustus, einer von diesem selbst verfaßten Reichsmatrikel, welche zur Uebersicht der militärischen und financiellen Kräfte des Staates ein Verzeichniß der Provinzen, Communen und sonstigen Pertinenzen des Reiches enthielt, und welches unter Anderem Plinius bei Abfassung seiner Historiae naturales für einzelne Partieen benußte, 844) in diesem Werke waren, wie wir aus Plinius entnehmen dürfen, 845) die sämmtlichen Gemeinwesen innerhalb der äußeren Grenzen des Reiches in den außeritalischen Districten nach folgender Rangordnung classificirt: coloniae, nämlich civium Romanorum d. s. Militärcolonieen, municipia oder oppida civium Romanorum, oppida Latinorum oder Latio donata, oppida libera und oppida foederatorum, sowie endlich oppida stipendiaria, neben allen denen

44) Vgl. Marquardt, Handb. III, 2. p. 163. sq., Bernhardy, röm. Litt. § 113. und die das. Citirten, wozu Müllenhoff, über die Weltk. und Chorogr. d. Kais. August. Kiel 1856.

845) H. N. III. 1, 7. bezüglich Baetica, III, 3, 18. bezüglich der Hispania citerior, IV, 21, 117. bezüglich Lufitania, III, 8, 88. bezüglich Sicilia, V, 4, 29. bezüglich Africa, wozu vgl. Zumpt, comm. epigr. I. p. 198. Auch beim Ricardus Coronens. de situ Brit. p. 36. finde ich für Britannien die entsprechende Rangordnung von municipia, coloniae, Latii iure donatae und stipendiariae, was von Wichtigkeit bleibt, selbst wenn die Ansicht von Wer in Rhein. Mus. N. F. IV. p. 346. sq. und Tac. Agr. p. 20. sq. in Wahrheit beruhen sollte. Ob die Rangordnung, welche die municipia vor die coloniae stellt, die eigentlich augusteische ist, was aus Gell. N. A. XVI, 13. entnommen werden könnte, steht dahin, will mir jedoch nicht recht wahrscheinlich deuchen. Berneinenden Falles, weiß ich diesen Differenzpunkt beim Ricardus oder vielmehr in dessen Urquelle nicht zu erklären.

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