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In ähnlicher Weise wird aber auch bezüglich des Patronates in der lex mun. Salp. c. 23. bestimmt :

Qui quaeque h(ac) lege) e(ivitatem) R(omanam) consecutus consecuta erit, is in libertos libertasve suos suas paternos paternas, qui quae in c(ivitatem) R(omanam) non venerit, deque bonis eorum earum et is, quae libertatis causa inposita sunt, idem ius eademque condicio esto, quae esset, si civitate mutat[u]s mutat[a] non esset;

denn auch dieser Bestimmung ist der Sinn beizumessen, das vor Erwerb der Eivität bestandene Patronat als civiles aufrecht zu erhalten, wobei indeß solches Recht in seinem Inhalte noch von dem salpensanischen Municipalrechte bestimmt wird.

Hier allenthalben aber tritt der nämliche Sachverhalt uns entgegen, den wir in not. 79-81. bereits bezüglich der Peregrinen im Allgemeinen vorfanden: der Erwerb der römischen Civität löst die, wie dem Peregrinen, so auch dem Latinen vorber zuständigen und weder auf ius gentium, noch auf ius civile Romanorum beruhenden Rechte. Diese Thatsache selbst aber wird in den obigen Stellen theils direct bezeugt, theils indirect dadurch, daß dem Latinen nach Erwerb der Givität das civile Recht bezüglich der bereits früher begründeten Lebensverhältnisse erst besonders verliehen wird; denn hieraus ergiebt sich in der Thaf mit innerer und absoluter Nothwendigkeit, daß das vor Erwerb der Givität bestandene analoge Recht nicht civil war, somit also nicht auf einer

das ius optandi tutoris verlieb. Durch Erwerb der Eivität wurde nun nicht das Testament infirmirt, denn dies bestand in Folge der testamentifactio bereits vorher nach ius civile Roman., wohl aber jenes Recht insbesondere, weil dasselbe auf der manus im Besonderen beruht, diese aber für den Salpensaner nicht nach ius civ. Rom., sondern nach ius munic. Salp. bestand, daber dieselbe durch Erwerbung der Civität dem allgemeinen Principe nach sich löst. Die lex mun. Salp. c. 22. sept jedoch dieses Princip für Salpensa außer Wirksamkeit und bestimmt, daß auch nach Erwerbung der Givität die alte manus und das alte ius optandi fortbestehen und zwar nunmehr als iusta oder nach ius civile Rom. beständig gelten sollen. Diese Auffassung hat im Wesentlichen bereits Giraud, les tables de Salp., während Huschke, Gajus p. 15. not. 6. durch die sublime und völlig bodenlose Scheidung, die tutoris optio jei nicht von der manus, sondern von der in manum conventio bedingt, die Sache wieder verwrirt. Nicht minder unbaltbar ist die Ansicht von Mommsen Stadtr. p. 479. sq.

Voigt, Jus naturale etc. II.

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Theilnahme des Latinen am bezüglichen ius civile Romanorum und auf einer entsprechenden Rechtsfähigkeit beruhte. Der Grund solcher Lösung jener vor Erwerb der Civität innegehabten Rechte liegt aber in dem Principe der Exclusion des peregrinen Rechtes, welches in den in Frage stehenden Beziehungen die Unterordnung des civis Romanus unter ein ius peregrinorum, und dem entsprechend das Innehaben des auf Municipalrechte berubenden Rechtes für schlechthin unzulässig erklärt (§. 90 fin.). Indem daher in Fortwirkung dieses alten Principes die vor der Erwerbung der römischen Civität dem Latinen zuständigen Rechte der Agnation und patria potestas nebst entsprechendem Intestaterbrechte, die manus nebst ius optandi tutoris, mancipium und Patronat in Folge jenes Erwerbes der allgemeinen Regel nach aufgehoben werden, so bestimmt nun die lex mun. Salp. um die daraus für den Latinen hervorgehenden materiellen Nachtheile abzuwenden, ausdrücklich und besonders den Fortbestand jener Rechte, und seßt somit durch ein communales Privileg dasjenige fest, was wir als personales Privileg bereits in not. 79. bezüglich des Peregrinen im Allge meinen in ähnlichen Fällen vorfanden.

§ 98.

Die privatrechtliche Rechtsfähigkeit im Allgemeinen der
Latini colonarii und luniani.

In §. 97 stellten wir fest, daß der Latine ausgeschlossen war von dem ius civile Romanorum insoweit als solches zunächst dem Begriffe des conubium sich unterordnete; insoweit solches ferner die Gentilität, Agnation und das Patronat betraf; und insoweit endlich Rechtsgeschäfte in Frage kamen, welche wie z. B. die arrogatio, manumissio censu, confarreatio, coemptio, eine höhere Stufe der Rechtsfähigkeit vorausseßten, als solche commercium nebst legisactio und testamenti factio gewährten. Daher waren im Allgemeinen die Latinen ausgeschlossen von dem römischen Personen», Familien- und Intestaterbrechte. Wenn wir nun aber innerhalb dieser Sphären der Lebensverhältnisse nothwendig den Latinen ein ordnendes und bestimmendes Particularrecht beizumessen haben, so entsteht nun die Frage nach dem Inhalte, wie nach der Qualität solchen Rechtes. Zunächst die Qualität dieses Rechtes betreffend,

so baben wir festgestellt, daß es das ius civile Romanorum nicht war, denen jene Verhältnisse zur Normirung unterlagen: es mangelte den Latinen ebensowohl die Civität, wie eine jenen Rechtspartien entsprechende partielle und besondere Rechtsfähigkeit, welche das Medium gebildet hätte, das ius civile Rom. mit dem Latinen zu verbinden. Vielmehr ist es hier lediglich ein ins dediticiorum, welches die Verhältnisse der Latinen regelt, und welches bei den Lat, colonarii als' ius municipale zu Tage tritt, bei den Lat. Iuniani dagegen solcher communalen Beziehung entbehrt und an eine rein personale, von jeder Mitgliedschaft in einer Commune unabhängige Qualität des Individuum, an dessen personale Latinitas sich anknüpfte.

Wesentlich verschieden hiervon ist die Frage nach dem Inhalte solches ius dediticiorum; und diese Frage haben wir in der That dahin zu beantworten, daß ès im Allgemeinen der normative Stoff des ius civile Romanorum war, der den Inhalt jenes Rechtes der Latinen bildete, so daß daher solches ius dediticiorum, zwar seinem Wesen nach von dem ius civ. Rom. verschieden, doch in der weitgreifendsten materiellen Uebereinstimmung mit dem Legteren stand. Und dieses Resultat wird theils ausdrücklich durch die Quellen bestätigt, theils leitet die historische Reflexion darauf hin. Denn wenn wir als den leßten Ausgangspunkt der hier betrachteten Verhältnisse die zwölf lat. col. minderen Rechtes anzuerkennen haben und diese wiederum an noch ältere Erscheinungsformen der vorhergehenden Periode sich anlehnen, so haben wir nun vor Allem als einen beachtenswerthen Moment anzuerkennen, daß das gemeine Privatrecht der liberae civitates Latiums, somit das ius civile Latinorum bereits in seinem Ausgange zahlreiche Berührungspunkte und Aehnlichkeiten mit dem ius civile Romanorum darbot, und namentlich war es das mancipium und die patria potestas nebst mancipatio, fiducia und manumissio, die adoptio und die tutela, welche wir hier, wie dort vorfanden (§. 32). Diese Berührungspunkte aber wurden im Laufe der politischen wie cultur historischen Entwickelung immer zahlreicher: indem Rom und Latium immer inniger und fester durch die Bande der Lebensgemeinschaft verknüpft wurden, so geschah es, daß ebensowohl dei Latiner zahlreiche römische Rechtssagungen recipirten, wie die lex Furia testamentaria, lex Voconia de mulierum hereditatibus u. a.

(§. 32), wie daß auch Rom Rechtsinstitutionen annahm, welche dem latinischen Rechte angehörten, wie die Stipulation und den Litteralcontract mit ihren Condictionen (§. 33. 34), während die. cautiones und actiones rei uxoriae in Rom und Latium zu gleicher Zeit aufkommen mochten (Gell. N. A. IV, 3, 1. 2.) Und wie daher auf diese Weise das gemeine Privatrecht der souveränen latinischen Mutterstaaten, wenn auch nicht vollständig (not. 246), so doch in immer ausgedehnter Maaße zu materieller Uebereinstimmung mit dem ius civile Romanorum sich erhob, so mochte nun in noch weit erhöhter Potenz solche Uebereinstimmung in dem Privatrechte der coloniae latinae obwalten, wo dem römischen Elemente von Voin herein ein weit gewichtigerer Einfluß zukam durch das Mittel der römischen Colonen und unter der Schwerkraft der römischen Hegemonie. Und andrerseits haben wir auch einen ähnlichen Entwicke lungsgang anzunehmen in den Communen mit ius nexi mancipiique, indem auch hier das nationale Rechtselement, welches neben dem durch jene technische Bezeichnung gegebenen römisch - civilen Rechtsstoffe von Vorn herein in Anwendung sich erhielt, mehr und mehr römischen Rechtselementen weichen mochte, bestimmt bierin sowohl durch die Attractionskraft jenes bereits gegebenen römischen Rechtsstoffes, wie durch die Romanisirungspolitik Roms selbst und durch dessen dynamisches, wie geistiges Uebergewicht (§. 62). So daher dürfen wir der Annahme Raum geben, daß bereits in den 12 col. lat. minderen Rechtes das durch das ius nexi mancipiique oder ius nexi et hereditatis nicht gedeckte Rechtsgebiet von römis schem Rechtsstoffe inficirt, ja beherrscht ward, insofern auch hier das ius civile Romanorum Anwendung fand, wenn immer auch nicht als solches, sondern lediglich als ein damit übereinstimmendes ius dediticiorum. Und indem nun die mit dem ius- Latii bewidmeten Communen der späteren Zeit, die Latini colonarii der gegenwärtigen Periode ihre politische und juristische Organisation jenen 12 col. lat. minderen Rechtes entlehnten, so beschah es nun auch, daß dieselben in der gleichen Weise das ius civile Romanorum als ihr Municipalrecht erhielten, wie Jene. Und hieraus erklärt sich daher, daß wir in dem ius municipale von Salpensa auch außerhalb des Gebietes von commercium und testamentifactio so zahlreiche Institute des ius civile Romanorum vorfinden, wie die patria potestas (lex mun. Salp. c. 21. 22.), die manus,

die tutoris optio und das mancipium (c. 22.) das Patronat mit jeinen Rechten in bona liberti (c. 23.), die tutela impuberum, wie mulierum (c. 28.) und die tutela dativa (c. 29.), ja wahrscheinlich auch die manumissio per vindictam und censu (s. unten). Allein daß hierin allenthalben zwar römisch - civiler Rechtsstoff, nicht aber ius civile Romanorum selbst, sondern lediglich ius municipale Salpensorum uns entgegentritt, beweist nicht allein die Ausführung von §. 97, sondern auch die Bestimmung von lex mun. Salp. c. 29.: Qui tutor h(ac) (ege) datus erit, is ei, cui datus erit, quo ne ab iusto tutore tutela [a]beat, tam iustus tutor esto, quam si is c(ivis) Romanus) et adgnatus proxumus c(ivis) R(omanus) tutor esset;

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denn das ius civile Romanorum erleidet hiernach auf den Latinen keine natur- und berufsmäßige, vielmehr lediglich eine natur- und berufswidrige Anwendung, welche lediglich durch die Fiction: quam si civis Romanus esset 836) vermittelt wird und somit in der gleichen Weise auf einem künstlichen Verfahren und rein singulären Machtgebote beruht, wie wenn in lex mun. Salp. 22. u. 23. die Forts dauer der vor Erwerb der römischen Givität begründeten Verhältnisse durch die Fiction nicht eingetretener Statusveränderung: si civitate (sc. Salpensana) mutatus mutata non esset aufrecht erhalten wird. Und die Richtigkeit dieser Auffassung wird noch besonders bestätigt durch lex mun. Mal. 54., wo selbst Rechtssäze Des publicum ius civile Rom. durch die Fiction: si civis Romanus esset auf die Malacitaner übertragen werden. 837) Wenn daher in

836) Diese Fiction hat bler eine andere Bedeutung, als bei denjenigen Klagen des ius gentium, wo wir denselben ebenfalls begegneten (§. 82); die Fiction betrifft dort nur die Klagformel und vermittelt nur scheinbar die Uebertragung eines Klagrechtes auf den Peregrinen, welches ursprünglich zwar iuris civilis gewesen, in späterer Zeit aber wahrhaft iuris gentium geworden war, daher nunmehr jene Fiction ohne alle reelle Bedeutung ist, und lediglich noch eine formelle Existenz in der Klagformel sich behauptet. Hier dagegen betrifft die Fiction das materielle Recht selbst und vermittelt einen Rechtssah auf die Peregrinen, der als iuris civilis noch fort und fort anerkannt wurde. Hier hat daher die Fiction noch eine reelle Bedeutung, während wiederum die formelle Bedeutung ihr fehlt, da sie wahrscheinlich den Klagformeln nicht inserirt ward.

837) Eine entsprechende Form, in welcher die Uebertragung von römi chem ius publicum ausgesprochen wird, findet sich in lex mun. Mal. 64. : obligati

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