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in ihrer Entwickelung zu beobachten. Dagegen die Untersuchungen über die jenen Ganzen anheimfallenden einzelnen Rechts- Institute und Rechts-Sagungen bleiben nach dem oben Bemerkten füglich von dem Gebiete des gegenwärtigen Theiles ausgeschlossen und werden in späterer Zeit in einem anderen Werke nach anderem Gesichtspunkte zur historischen Darstellung gelangen.

Daß dabei die im ersten Theile festgestellten Perioden auch im gegenwärtigen Theile beibehalten und hiernach der Stoff eingetheilt worden ist, versteht sich von selbst: denn da ohne Zeitfolge keine Geschichte, so ist auch ohne Perioden keine Rechtsgeschichte denkbar, wie möglich.

Endlich die Citate von Vorgängern mußten reichlicher, die Polemik häufiger ausfallen, als in dem ersten Theile des Werkes. Doch sind Beide auf das Maaß des nothwendig Scheinenden beschränkt worden, wobei der Werthmesser in lezter Beziehung theils durch die Autorität gegeben ward, welche der betreffende Schriftsteller innerhalb des Gebietes der classischen Alterthumswissenschaften genießt, theils durch den höheren Grad von Wahrscheinlichkeit, den derselbe seiner entgegenstehenden Ansicht zu gewinnen vermocht hat; dagegen in erster Beziehung war im Wesentlichen maaßgebend der Umstand, daß ich wissentlich eine fremde Ansicht zu der meinigen machte, welche noch nicht Gemeingut der Wissenschaft geworden ist.

Einleitung.

8. 1.

Völkerrecht und Particularrecht.

Wie das Leben des einzelnen Menschen ein zwiefältiges ist: ein inneres und ein äußeres, so auch das Leben des Staates und der Völker. Und dem entspricht, daß auch das Recht ein zwiefaches ist: ein Recht, welches innerhalb des Staates gilt und dessen inneres Leben regelt, und ein Recht, welches die Beziehungen des Staates zu seinen Nebenstaaten, somit dessen äußere Lebensverhältnisse ordnet. Das leztere Recht ist das Völkerrecht, das erstere dürfen wir als das Particularrecht der Staaten bezeichnen.

Zwischen dem Particularrechte und dem Völkerrechte waltet nun ein Unterschied ob, der von der höchsten Wichtigkeit erscheint und darin beruht, daß das Particularrecht unmittelbar oder mittelbar vou der betreffenden Staatsgewalt ausgeht, während das Völkerrecht auf einer weit breiteren Basis beruht, als solche der einzelne Staat bietet, auf dem Willen der Gesammtheit aller der Staaten nämlich, welche das Völkerrecht als maaßgebende und bindende Norm für ihren äußeren Verkehr anerkennen 1). Denn die Gesammtheit dieser Staaten und Völker bildet die intellectuelle Potenz, welche jenes Recht producirt und trägt. Als Consequenz aus diesem wesentlichen Unterscheidungsmerkmale zwischen Völkerrecht und Particularrecht ergiebt sich aber, daß der einzelne Staat dem Ersteren untergeordnet ist, während er gegenüber dem Leßteren über solchen steht in der Weise, daß er sein Particularrecht zu verändern und

1) Hierauf stüßen wir die Behauptung, daß die Begriffsreihe von Völkerrecht, Staatsrecht, Kirchenrecht und Privatrecht logisch falsch ist: fie enthält einen saltus dividendi, der durch Zweckmäßigkeitsrücksichten nicht gerechtfertigt ist. Vielmehr bilden Völkerrecht und Particularrecht die Obereintheilung, von welchem Leßteren wiederum Staatsrecht, Kirchenrecht nnd Privatrecht eine Untereintheilung find.

umzugestalten vermag; daß ferner das Völkerrecht der Idee nach ein einiges und einziges ist, während die Particularrechte so vielfach sein können, als es Staaten giebt; sowie daß endlich die Herrschaft des Particularrechtes auf diejenigen Personen sich beschränkt, welche der Staatsgewalt des betreffenden Gemeinwesens untergeordnet sind, während das Völkerrecht a priori über alle Personen seine Herrschaft ausbreitet. Denn was insbesondere den legten Moment betrifft, so tritt derselbe am deutlichsten hervor, sobald wir uns vergegenwärtigen, daß in leßter Justanz der einzelne Mensch es ist, welchem alle Machtentfaltung und Wirksamkeit des Rechtes gilt. Und während nun das Völkerrecht a priori die gesammte Menschheit gleichmäßig umschlingt und berührt, als universelles und wahrhaft fosmopolitisches Recht, so betrifft das Particularrecht, schüßend, wie wehrend, nur die Individuen, die in derjenigen gegebenen Beziehung zum betreffenden Staate stehen, durch welche die Unterordnung des Subjectes unter solches Particularrecht begründet wird.

Fragen wir nun aber fernerweit, welches jene Beziehung zum Staate ist, durch welche die Unterordnung des Subjectes unter das Particularrecht ermittelt wird, so erkennen wir, daß verschiedene solcher Anknüpfungspunkte von den verschiedenen Staaten statuirt worden sind. Gerade diese Wahrnehmung aber führt zur Erkenntniß verschiedener Principien und entsprechender Systeme für die Herrschaft des Particularrechtes über das Subject, ein Punkt, auf dessen Erörterung wir in §. 2. näher eingehen werden. Und wie nun diese Erörterung ergeben wird, daß die Staaten mit Rücksicht auf ihr Particularrecht je eine verschiedene Stellung gegenüber den Individuen einnehmen, so erkennen wir, wenn wir nach der andern Richtung hin den Blick wenden, daß die Staaten auch eine verschiedene Stellung gegenüber den Particularrechten der Nebenstaaten und den denselben untergeordneten Subjecten einnehmen, worauf in §. 4. eines Weiteren zurückzukommen ist.

§. 2.

Principien der Herrschaft des Particularrechtes über das Subject.

Die Theilnahme des Individuum an dem Particularrechte eines Staates, d. h. an dessen Rechts-Institutionen und Rechts-Sazungen, wie an den dadurch bedingten Rechten und Rechtspflichten, läßt sich

im Allgemeinen einem doppelten Gesichtspunkte unterordnen: zunächst auf Seiten des Subjectes gestaltet sich jene Theilnahme ebensowohl zu einer Empfänglichkeit für die Dispositionen des Geseßes oder zu einer Fähigkeit des Individuum, der durch das Gesch des Staates ftatuirten Befugnisse, wie Verbindlichkeiten theilhaft zu sein, wie auch zu einer Dienstbarkeit gegen das Gesez des Staates und zu einer Botmäßigkeit gegen dasselbe in Recht, wie Rechtspflicht. Dagegen auf Seiten des Particularrechtes gestaltet sich jenes Verhältniß ebensowohl zur Concession einer Willens- und Handlungssphäre, innerhalb deren das Individuum als eine Person herrscht und dient, wie zu einer Herrschaft des Staatsgeseßes über das Subject und zur Unterwerfung des Lezteren unter seine Gebote. Beide Parallelflächen je der doppelten Seite dieses Verhältnig begreifen wir unter den Bezeichnungen: Rechtsfähigkeit des Subjectes und Herrschaft des Gesezes über das Subject, wobei wir indeß anerkennen, daß jene Rechtsfähigkeit nicht allein die eigentliche Rechtsfähigkeit, sondern auch die Rechtspflichtigkeit umschließt, während die Herrschaft des Gesezes ebensowohl als ein zwingendes Herbeiziehen zu den Rechtspflichten, wie als Gewährung und Garantie von Rechten sich darstellt.

Indem nun die Herrschaft des Gesezes über das Subject auf einem höchsten und legten Sage beruht, welcher statuirt, daß und welche gegebene Beziehung des Individuum zum Staate die Angehörigkeit des Ersteren zur Herrschaftssphäre des Gesezes vermittelt, so entsteht nun die Frage, welches diese Beziehung ist, die zwischen das Individuum und das Geseß in jener Weise als Mittelglied eintritt. Hierfür bietet sich aber a priori eine doppelte Möglichkeit dar, gegeben durch die Thatsache, daß der Staat selbst eine doppelte entsprechende Beziehung umfaßt. Denn indem der vollendete Staat selbst aus einem doppelten Elemente besteht: einem ethnischen, dem Volke oder der Nation, und einem geographischen, dem Territorium, so läßt sich nun an die Existenz der Beziehung des Individuum zu einem von jenen beiden Elementen die Herrschaft des Gefeßes knüpfen. Hiermit gewinnen wir daher zwei verschiedene reine Grundprincipien für die Modalität der Verknüpfungspunkte des Particularrechtes mit der Person: das Princip der personalen und das der localen Herrschaft des Gesezes über das Subject.

Indem daher das Princip der personalen Herrschaft des Ge

sezes diese Herrschaft selbst an eine persönliche Eigenschaft des Subjectes, das Princip der localen Herrschaft aber solche an eine Beziehung des Subjectes zum Territorium anknüpft, so treten nun zwischen beiden Principien Verschiedenheiten zu Tage, die zwar lediglich darauf beruhen, daß die persönliche Eigenschaft und die Beziehung zu Grund und Boden in einer anderen Weise zu dem Subjecte selbst sich verhalten, die dennoch aber empirisch von hoher Wichtigkeit sind. Denn die Verwirklichung der vorausgeseßten Beziebung des Subjectes zum Territorium liegt in abstracto in der Macht und Willkühr des Individuum selbst, indem im Allgemeinen ein Jeder es vermag, ohne Weiteres sich zu dem Territorium in die bes treffende Berührung oder Beziehung zu seßen. Dagegen die persönliche Eigenschaft, welche in einem ethnischen Verwandtschaftsverhältnisse beruht, ist entweder gar nicht willkührlich herzustellen, indem fie vielmehr durch Geburt und Abstammung allein erlangt wird, oder sie kann, indem ein künstliches Surrogat solcher Abstammung anerkannt ist, nur durch einen Act gewonnen werden, der in den Ethnos adoptirt und somit von dessen Mitwirkung und Consens abhängig ist, so daß daher diese persönliche Eigenschaft des Subjectes in höherem Maaße unabhängig von dessen Willkühr erscheint. Hierdurch bedingt gewinnt bei dem Principe der personalen Herrschaft des Gesezes die Rechtsgenossenschaft d. h. die Gemeinheit der Theilhaber des uämlichen Particularrechtes den Character einer festeren Geschlossenheit und höheren Stetigkeit, während bei dem Prin= cipe der localen Herrschaft des Gesezes diese Herrschaft selbst, wie die Rechtsfähigkeit allgemeiner und schrankenloser erscheint, weil die Rechtsgenossen ihrer Individualität nach häufiger und in kürzeren Zeiträumen wechseln. Der Grund dieser Erscheinung liegt zwar, wie bemerkt, lediglich in der verschiedenen Voraussegung der beiden Principien: in der Beschaffenheit des für die Herrschast des Geseyes gewählten Anknüpfungspunktes selbst, nicht aber in den Principien an sich: denn bei Beiden ist regelmäßig jedem Menschen die abstracte Möglichkeit geboten, des Eintrittes in die Rechtsgenossen= schaft theilhaft zu werden durch Verwirklichung des Anknüpfungspunktes der Herrschaft des Rechtes in seiner Person; allein immerhin ist auch jener obige zufällige Unterschied practisch so wichtig, daß er bestimmend eingewirkt hat auf die Wahl zwischen beiden Principien Seitens der Völker. Denn während jene Geschlossenheit und

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