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Partit. 37, 10. (Thl. I. § 13.), als auch in de Off. III, 15, 61., wo Cicero besagt:

Iste dolus malus etiam legibus erat vindicatus, ut tutela XII tabulis et circumscriptio adolscentium lege Plaetoria; et sine lege iudiciis, in quibus additur EX FIDE BONA, wozu vgl. Beil. II. § II.

Denn da, wie bemerkt, die iudicia mit der Clausel „,ex fide bona“ durchgängig iuris gentium waren, so ergiebt diese Stelle des Cicero auf das Bestimmteste, daß die diesem Rechte angehörigen Klagen, wie Rechtsverhältnisse im Allgemeinen entschieden nicht auf legis lativen Vorschriften beruhten, vielmehr unabhängig von solchen zur Anerkennung in Rom gelangt waren. Ja, was die XII Tafeln insbesondere betrifft, so haben wir hierfür noch das ausdrückliche Zeugniß von Boeth, in Cic. Top. 5, 28. p. 321. Or. (§ 66. fin.); vgl. auch § 68.

Unternehmen wir es nun, auf Grund jener Zeugnisse Cicero's ein Urtheil über die formalen Quellen des ius gentium uns zu bilden, so haben wir nun einerseits zwar zu beachten, daß die obigen Aussprüche insgesammt nur allgemeiner gehaltene Urtheile uns bieten, neben denen in vereinzelten Punkten und in der Stellung von Ausnahmen zur Regel allerdings Modificationen des von Cicero bekundeten Sachverhältnisses zugelassen werden können, daß aber im Uebrigen die Zeugnisse des Lehteren in der That den vollsten Glauben verdienen, da ein Blick in seine Werke und namentlich in seine rhetorischen und philosophischen Schriften auf das Deutlichste erkennen läßt, daß derselbe den Rechtsverhältnissen des ius gentium, und vornämlich den denselben anheimfallenden Obligationen eine besondere Aufmerksamkeit widmete mit Rücksicht namentlich auf die an dieselben sich knüpfenden ethischen Fragen, wie auf die Bedeutung, die dieselben für den Rechtsanwalt bei der dem Leyteren dabei zukommenden freieren Stellung gewannen. Gehen wir daher von diesen leitenden Gesichtspunkten aus, so werden wir anerkennen, daß das ius gentium ganz unmittelbar aus dem geschäftlichen Verkehre des commerciellen Lebens zu Rom hervortrat und durch die innere Macht der gemeinen Meinung zunächst seine Beobachtung als Lebenssittte, wie später seine Anerkennung als Recht sich erzwang: es traten in jenem Verkehrsleben gewisse Normen in der Form von Usancen zu Tage, denen anfäng

lich jener Verkehr freiwillig gehorchend sich unterordnete; und indem nun allmählig die Ueberzeugung erwuchs, daß die Beobachtung solcher Usancen nicht lediglich Sache freien Beliebens sei, so errangen sich damit auch jene Gewohnheiten die Macht eines äußeren Zwanges und traten als Recht in das Dasein. Auf solchen Proces, den auch die speculativen Reflexionen der Juristen der zweiten Periode anerkennen (Thl. I. § 87.), werden wir daher mit Recht die bei weitem größte Partie des ius gentium, insoweit solches bereits der gegenwärtigen Periode anheimfällt, zurückzuführen haben. Als das Organ aber, welches der noch auf einfacher Verfehrsusance beruhenden Norm die Realisirbarkeit durch äußere Zwangsmittel errang und welches somit in erster Instanz die einfache Lebenssitte in Gewohnheitsrecht verwandelte, stellen sich die responsa prudentium dar, deren executives Organ wiederum der Prätor mit seinem Edicte bildete, insofern als derselbe jenen Postulaten der auctoritas Gehör lieh und seine vollziehende Hand darbot, ein Sachverhältniß, welches uns erkennen läßt, daß den Klagen des ius gentium im Allgemeinen der nämliche Ursprung zur Seite steht, der auch der dieser nämlichen Periode angehörigen querela inofficiosi testamenti beizumessen ist. Und diese Annahme ist nicht allein geboten durch die Zeugnisse Ciceros, sondern in noch weit dringenderer Maaße auch dadurch, daß die wichtigsten obligatorischen Klagen des ius gentium von der Jurisprudenz der Kaiserzeit dem ius civile im Gegensage zum ius honorarium überwiesen werden dadurch, daß die Klagen aus der emtio venditio, locatio conductio, societas, aus dem mandatum, mutuum, depositum, commodatum und pignus theils als contractus anerkannt, nicht aber den pacta praetoria beigezählt werden, theils aber auch als actiones civiles im Gegensaße zu den honorariae uns bekundet find (§ 108.). Denn hiermit allenthalben wird auf das Entschiedenste die Thatsache bewahrheitet, daß nicht dem ius honorarium, sondern dem ius civile in diesem Sinne 765) jene Klagen, wie überhaupt Rechtsverhältnisse des ius gentium entstammen, während wir andrerseits wiederum den responsa prudentium in der That

765) Wegen dieses Begriffes von ius civile vgl. namentlich Papin. lib.2. Defin. (Dig. I, 1, 7.): ius autem civile est, quod ex legibus, plebiscitis, senatusconsultis, decretis principum, auctoritate prudentium venit. Ius praetorium est, quod praetores introduxerunt.

die Macht beizumessen haben, ihren Anforderungen auf Realisirung der gültigen Verkehrsusancen durch eine vom Prätor zu vermit telnde Klage und Execution Folge zu verschaffen; denn genau von dem nämlichen Zeitpunkte an, von welchem wir den Aufschwung des commerciellen Verkehres zu Rom zu datiren hatten, beginnt jenes Steigen des Anschens und Einflusses des Juristenstandes in Rom, welches Varro lib. 2 de Vit. Pop. Rom. bezeichnet durch die Worte:

Hoc intervallo primum forensis dignitas crevit, wozu vgl. $. 74.

Hiernach haben wir daher in der That anzuerkennen, daß im Allgemeinen die Klagen des ius gentium auf einer civilis, nicht aber auf einer honoraria causa beruhten, und daß insbesondere die obligatorischen Klagen desselben in einer durch die auctoritas ICtorum in solches ius civile hineingetragenen causa ihre juristische Berechtigung fanden, während der Prätor selbst, indem er die formulae solcher Klagen proponirte oder anfänglich vielleicht auch ohne Proponirung von formulae die Processe ordinirte, nicht als Schöpfer und Urheber, sondern lediglich als ausführendes und vermittelndes Organ solcher Klagen sich betrachtete und galt. Und alles Dieses gilt für die gegenwärtige Periode bereits für die Klagen aus der emtio venditio, locatio conductio, societas, mandatum, mutuum, aus der lex Rhodia de iactu, für die exercitoria und institoria actio u. a. m., gleich wie es anch in der nächsten Periode noch bezüglich der commodati und depositi actio, der actiones praescriptis verbis u. a. m. sich wiederholt. Allein mit Alle dem ist andrerseits auch wiederum eine selbstständigere edictive Thätigkeit der Magistrate für die gegenwärtige Periode nicht ausgeschlossen, ja es erhellt eine solche ganz unzweideutig aus dem Edicte der curulischen Aedilen de mancipiorum venditione, ingleichen aus dem prätorischen Edicte Des Aquillius über den dolus malus und des Octavius über die pacta, quae nec vi nec dolo malo facta sunt.766)

Dagegen die leges betreffend, so haben wir an Cicero's Wors ten insofern festzuhalten, als kein Gesez erlassen wurde, um die Rechtsverhältnisse des ius gentium insbesondere zu regeln, obwohl

766) De Offic. III, 17, 71. 14, 60. 24, 92. u. a. m.; vgl. auch de Inv. II 19, 57. praetoriis exceptionibus multae excluduntur actiones.

anderntheils manches Gesez allerdings auch auf das Gebiet des ius gentium mit übergriff, wie denn z. B. die lex Cincia de donis ac muneribus Rechtssäge aufstellte, welche auf die Schenkungen angewendet wurden, mochten diese nun in eine Geschäftsform des ius civile oder des ius gentium sich kleiden.

Endlich der litterärischen Thätigkeit der römischen Juristen haben wir, wenigstens insofern dieselbe dem Ausgange unserer Periode angehört, zwar nicht alle Berücksichtigung des ius gentium abzusprechen, wie schon aus Cic. de off. III, 17, 70. sich ergiebt; allein eine eigene systematische Behandlung dieses Rechtes blieb allerdings der Wissenschaft dieser Periode noch fremd (Thl. I. §. 43), daher wir bei der Abhängigkeit, in welcher in doctrineller Beziehung das ius gentium von dem ius civile und dessen Systeme stand, schwerlich der litterärischen Thätigkeit dieser Periode eine wesentliche systematische Förderung und Erweiterung des Ersteren beimessen dürfen.

Eine Besonderheit gegenüber den gewonnenen Säßen nimmt indeß, worauf wir in §. 82 näher zurückkommen werden, das dem ius gentium anheimfallende Delictrecht ein, insofern hier allerdings ebensowohl der Legislation, wie den prätorischen Edicten ein bedeutender bestimmender Einfluß beizumessen ist. Dagegen in Bezug auf das geschäftliche ius gentium sind, wie bemerkt, die consuetudo und die responsa prudentium allein als Hauptquellen anzuerkennen, neben denen dann nur in einzelnen Punkten auch das Edict des Prätors und der Aedilen selbstständiger eingriff. Und so trat daher das ius gentium in groben und allgemeinen Umrissen hervor aus dem Verkehre und Leben des Volkes, in den mores fich offenbarend, und als consuetudo zum Rechte sich gestaltend; die prudentes ergriffen sodann formend und veredelnd, verbindend, scheidend und determinirend jene rohe Masse und wurden so das Organ, welches in den responsa, und somit in einer überwiegend casuistischen Weise jenen Stoff verarbeitete und weiter ausbildete; die Prätoren aber liehen im Wesentlichen nur den durch mores und responsa bereits als Recht verlautbarten Postulaten ihre ausführende Hand. So erwuchs das ius gentium ganz unmittelbar aus dem Leben und Verkehre der bürgerlichen Gesellschaft Roms, als ein frischer und lebenskräftiger Baum, der mehr und mehr sich reich entfaltend und zu üppiger Entwickelung gedeihend, noch heutigen

Tages troß seines hohen Alters und seiner Verseßung auf fremden Boden an seiner unerschöpflichen Lebenskraft ungemindert schir mend über den Rechtsverkehr sich breitet.

§. 80.

Die materialen Quellen des ius gentium.

Indem das ius gentium aus dem geschäftlichen Verkehre Roms in naturgemäßer Entfaltung erwuchs, so mußte der Stoff, aus welchem dasselbe seine normativen Dispositionen entnahm, mit Nothwendigkeit zunächst durch die Ideen und Anschauungen geboten sein, welche durch die Ueberzeugung von der Billigkeit der gestellten Postulate den Trägern jenes Verkehres sich aufdrängten und als das aequum et bonum denselben vorschwebten. Daher nimmt das ius gentium von Vorn herein in unverfälschtem Kindschaftsverhältnisse seinen Ausgang von der römischen Nationalanschauung: es tritt als ächtes und eingebornes Kind des Volksgeistes in das Leben, bestimmt in seinen Normen durch die Anforderungen und leitenden Ideen des Lezteren. Gerade dieser Ausgang erheischt aber, daß die ältesten Sagungen des ius gentium noch unter der Herrschaft derjenigen Principien und leitenden Säße stehen, welche Durch das ius civile den Römern angeboren und geläufig waren. Und dieses uranfängliche Bestimmtsein des ius gentium durch das ius civile Romanorum vermochten wir in der That bereits nachzuweisen in dem Edicte des Publicius über die Publiciana in rem actio: denn hier begegnen wir noch, genau wie in dem ius civile -Romanorum der Ansicht, daß zur Klagbarkeit des Veräußerungs, geschäftes nicht allein eine emtio venditio an sich genüge, sondern auch der Vollzug solchen Geschäftes hinzuzutreten habe, so daß die Abweichung dieses Edictes von den Säßen des ius civile zunächst nur als eine geringe sich darstellt, insofern als an die Stelle des meum esse ex iure Quiritium der Usucapionsbesig als das aus jener emtio venditio hervorgehende geschüßte Rechtsverhältniß gesezt wird (§. 77 fin.). Allein im Laufe der Entwickelung schlug das ius gentium mehr und mehr eine von dem ius civile Romanorum divers girende Bahn ein, bis es endlich am Ausgange unserer Periode bereits auf einem Punkte angelangt ist, von welchem aus es in sei= nen einzelnen Sagungen und Instituten, wie selbst in seinen lei

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