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zwischen den Aratoren und Decumanen, namentlich über das Verfahren wegen Einhebung der decumae Seitens des Lezyteren, nebst einer Ordnung für das gerichtliche Verfahren wegen des von denselben widerrechtlicher Weise zu viel Erhobenen 495). Beiderlei Edicte hatten gleichmäßig Gültigkeit für die römischen Bürger, wie für die Provinzialen; dagegen bezüglich der weiteren Edicte des Verres über die bonorum possessio secundum tabulas, wie de mulierum hereditatibus, welche Beide dem entsprechenden edictum urbanum tralaticium gleichlauteten 496), ist es wahrscheinlich, daß dieselben lediglich auf die in Sicilien verweilenden römischen Bürger Anwendung fanden. Endlich erfahren wir auch noch aus Cic. in Verr. III, 65, 152., daß der Nachfolger des Verres im J. 684, L. Caecilius Metellus, das Edict des Octavius über die actio quod metus causa in das ficilische Edict mit herübernahm.

Wenn endlich neben allen diesen positiven Rechten zweifelsohne auch das ius gentium in Sicilien Anwendung erlitt, so erkennen wir nun hiermit, wie eine dreifache Rechtsmaterie in Sicilien galt als ordnende Norm für die Rechtsverhältnisse der Provinzialen: das von Rom denselben gnadenreich belassene heimische Recht; das ihnen von Rom vorgeschriebene Recht römischen Ursprunges, wie endlich das ius gentium, und diese dreifache Rechtsmaterie unterscheidet auch Cic. in Verr. act. I, c. 4. §. 13.:

Hoc praetore Siculi neque suas leges, neque nostra senatus consulta, neque communia iura tenuerunt;

wozu vgl. Schol. Gronov. in h. 1. p. 391. Or. (nach Orelli's Emen. dation):

Suas leges Regis Hieronis. Omne enim ius civile Siciliae est aut proprium civitatis (also ius proprium Siculorum), aut civium Romanorum (§. i. ius Romanum), quod a populo Romano suscepit provincia per P. Rupilium. Nam hic inter decem legatos missus est, qui ex senatus consulto iura Siculis constituerent.

Neque communia iura] Iura gentium (sunt).

495) Cic. in Verr. III, 10-15., wozu vgl. Rudorff in Zeitschr. X. p. 96. sq.

496) Cic. in Verr. I, 46. und dazu Leist, Bon. Poss. I. p. 125.;

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§. 52.

Fortseßung.

(Das Privatrecht der Provinz Cilicia).

Eine wesentlich verschiedene Stellung, als Sicilien, war der Provinz Cilicien zu Theil geworden: im J. 690 in ausgedehnterer Maaße von Pompejus als Provinz organisirt497) und durch eine lex Pompeia in seinen Verhältnissen dauernd geregelt 498), erhielt Cilicien, was das Privatrecht anbetrifft, in dieser lex sein angestammtes, heimathliches Recht nicht zurückverliehen, indem vielmehr die lex Pompeia Vorschriften über das Privatrecht Ciliciens gar nicht enthalten zu haben scheint. Als daher diese Provinz im I. 703–704 dem Cicero zufiel, so arbeitete dieser zunächst einen Entwurf seines Edictes bereits in Rom selbst aus: hinsichtlich der Verhältnisse zwischen den Publicanen und den Provinzialen nahm er die Bestimmungen seines Vorgängers Appius Claudius Pulcher in sein Edict auf, wogegen er in anderen Punkten hiervon abwich, und namentlich neue Bestimmungen traf, welche den Zweck hatten, den städtischen Aufwand in Cilicien zu mindern, aus welchem Grunde er insbesondere die Legationen der Städte beschränkte und die Kosten der venditio und exactio tributorum minderte 499). In der Provinz angekommen scheint jedoch Cicero diesen Entwurf seines Edictes in mehrfachen Stücken abgeändert zu haben: er legte das Edict des M. Calpurnius Bibulus, der gleichzeitig mit ihm Proconsul von Syrien war, seinem eigenen Edicte zu Grunde, entfernte jedoch daraus eine auf die Rechtsgeschäfte zwischen den Publicanen und den Steuerpflichtigen bezügliche Exception, welche von

497) Vgl. Marquardt, Handb. III, 1. p. 164. sq.

498) Vgl. Dio Cass. XXXVII, 20. Cilicien entrichtete ein Stipen dium, wozu die Einzelnen den Tribut nach einer Kopfsteuer entrichteten, welche 1 p. ct. des Census betrug; vgl. App. bell. Mith. 50. Cic. ad fam. III, 7, 2. ad Att. V, 16, 2. Walter, Gesch. d. röm. Nechts I. p. 276. not. 63. nimmt daneben, gestüßt auf Cic. ad fam. III, 8, 5., noch eine Sclaven- und Haussteuer an; allein exactio capitum atque ostiorum dürfte lediglich die Execution wegen rückständiger Kopfsteuer bezeichnen.

499) Cic. ad Fam. III, 8, 3. 4. 5., wozu vgl. Walter, Gesch. des röm. Rechts I. p. 286. not. 144. und Cic. ad Att. V, 16, 3.

Bibulus in seinem Edicte proponirt war und die ihm gravirlich für die Publicanen erschien 500). Vielmehr seßte er an deren Stelle eine Exception, welche Q. Mucius Scaevola Pontif. im J. 655 als Proconsul von Afia zuerst in seinem Edicte aufgestellt hatte und die seitdem für das asiatische Edict tralaticia geworden zu sein scheint, dahin lautend:

extra quam si ita negotium est, ut eo stari non oporteat ex fide bona 501).

Im Uebrigen edicirte Cicero bezüglich des Privatrechtes der Cilicienser in der Weise, daß er theils das angestammte und heimathliche Recht denselben als ordnende Norm ihrer Rechtsverhält nisse unter einander zurückgab, theils auch jenen für Rechtsstreitigkeiten zwischen sich einheimische Richter gewährte, Bestimmungen, in denen Cicero ebenfalls dem von Q. Mucius herrührenden asiatischen Edicte folgte 592). Um dieser legteren Anordnungen willen war daher auch das Edict Ciceros sehr kurz, da, insoweit ciliciens sisches Recht galt, weitere Bestimmungen im Allgemeinen nicht erforderlich waren, und diese Kürze beförderte Cicero noch wesentlich durch die systematische Disposition über den Stoff, die er traf503). Indem er nämlich die Materie des Provinzialedictes in drei Theile zerlegte (f. not. 508), so stellt er nun in den ersten Theil, das genus provinciale edicti, die auf die Rechtsverhältnisse in der Provinz bezüglichen Rechtsbestimmungen, für welche das einheimische Recht keine genügenden Normen bot, oder welche doch einer genaueren Determinirung bedurften, nämlich): de rationibus civitatum, de aere alieno, de usura, de syngraphis, omnia de publicanis 504),

500) Cic. ad Att. VI, 1, 15.: de Bibuli edicto nihil novi praeter illam exceptionem, de qua tu ad me scripseras:,,nimis gravi praeiudicio in ordinem nostrum."

501) Cic. ad Att. VI, 1, 15.; vgl. not. 506 und 548.

502) Cic. ad Att. 1. c.: multaque sum secutus Scaevolae, in iis illud, in quo sibi libertatem censent Graeci datam, ut Graeci inter se disceptent suis legibus; ibid. 2, 4. So finden wir, daß dort Q. Mucius, hier Cicero in ihren Edicten im Wesentlichen die nämlichen Anordnungen trafen, welche für Sicilien gefeßlich festgestellt waren.

503) Cic. ad Att. VI, 1, 15.: breve autem edictum est propter hanc meam dixipeotv, quod duobus generibus edicendum putavi.

504) Cic. ad Att. VI, 1, 15. Analoge Bestimmungen finden sich in den

somit über das Finanz- und Schuldwesen der Communen, über die Verhältnisse zwischen den Publicanen und Provinzialen, und über den Zinsfuß, die Schuldverhältnisse und die syngraphae in der Provinz. So edicirte Cicero bezüglich der Zinsen:

centesimas se observaturum cum anatocismo anniversario 505), während in Bezug auf die Klagen aus syngraphae namentlich mit Rücksicht auf die Rechtsgeschäfte zwischen Publicanen und Provinzialen diesem Theile die oberwähnte Exception aus dem asiatischen Edicte inserirt ward 506). Endlich wird hierher auch die not. 502 erwähnte Bestimmung bezüglich der Richter zu ziehen sein. Indem daher dieser Theil des Edictes das provinziale honorarische Particularrecht enthält, so prädicirt er sich demgemäß als genus provinciale und schließt sich nun correctorisch oder suppletorisch unmittelbar an das nationale ciliciensische Privatrecht an. Seine bindende Kraft und Gültigkeit aber in Bezug auf das Rechtssubject erstreckt dieses honorarische ciliciensische Recht, ebenso wie das angestammte nationale Recht nicht allein auf Cilicier selbst, sondern auch, bestimmt durch die maaßgebenden Systeme der Herrschaft des Rechtes über das Subject (§. 64), auf Peregrinen, wie auf cives Romani, daher denn auch die Sagungen de publicanis in diesem Theile des Edictes ihre Stelle fanden.

Während somit der erste Theil des Edictes gemeines provinzielles Particularrecht enthält, so fallen nun dem zweiten Theile

leges municipales, z. B. in lex Malac. rubr. 60. 63–65. 67–69. Nur freilich lauteten derartige Bestimmungen für die asiatischen Städte anders, als für die Municipten mit Latinität; so erforderte z. B. das Statut von Temnus, Provinzialstadt in Mysia, bei Auszahlung öffentlicher Gelder die Concurrenz von fünf praetores, drei quaestores und vier mensarii, d. i. öffentlicher, vom Volke gewählter Finanzbeamter, Cic. p. Flacc. 19, 44.; so gab die lex von Antiochia, libera civitas Syriens, der Commun ein Pfandrecht an den Gütern ihrer Schuldner, Papinianus lib. 10. Resp. (Dig. XLII, 6, 37.); so hatte Amisus, libera civitas in Pontus eine Armenkasse (eranum ad sustinendam tenuiorum inopiam), was in röm. Städten nicht gestattet war, Plin. Ep. X, 92. 93. u. dgl. m.

505) Cic. ad Att. V, 21, 11. Jn Rom dagegen ward zu derselben Zeit (703) ein Senatusconsult dahin erlassen: ut centesimae perpetuo foenore ducerentur, ad Att. V, 21, 13.

506) Vgl. z. B. Cic. ad Att. VI, 1, 16. und Gneist, die formellen Vers träge p. 504, sq.

Bestimmungen anheim, von denen Cicero lediglich sagt, daß sie Rechtsverhältnisse betreffen, die der Ordnung durch das Edict ebensowohl bedürftig, wie gewohnt waren 507): de hereditatum possessionibus, de bonis possidendis, magistris faciundis, vendendis, somit ein Regulativ für die bonorum possessio und für die missio in bona und venditio bonorum. Indem aber dieser Theil des Edictes dem genus provinciale desselben als genus civile sich gegenüberstellt (not. 508), so prädicirt sich nun hiermit dessen Inhalt als das ius honorarium für die in der Provinz verweilenden römischen Bürger, so daß dieses Edict als Stellvertreter des für die in Rom verweilenden Bürger proponirten edictum urbanum sich darstellt.

Endlich den aus Cicero's logischer Disposition über das Edictsmaterial sich ergebenden dritten Theil, die Jurisdictionsund Proceßordnung betreffend, ließ Cicero aus unbekannten Gründen ganz hinweg, obgleich er in dieser Beziehung die Zusicherung ertheilte, daß er sich darin nach den Vorschriften des edictum urbanum richten werde 508). Auch diesen Theil des Edictes haben wir seinem Inhalte nach als genus provinciale d. h. als provinzielles gemeines Recht aufzufassen.

Vergegenwärtigen wir uns nun schließlich, wie neben allen jenen Rechtsnormen auch das ius gentium für Cilicien Anwendung erleiden mußte, so gewinnen wir damit ein allgemeines Bild von

507) Cic. ad Att. VI, 1, 15.: — quod sine edicto satis commode transigi non potest; quae ex edicto et postulari et fieri solent.

508) Cic. ad Att. VI, 1, 15.: tertium, de reliquo iure dicundo aypapov reliqui. Dixi me de eo genere mea decreta ad edicta urbana accomodaturum. Cicero's Disposition ist demnach folgende: 1. genus reypapuévov, 2. genus aypapov; ad 1.: a. genus provinciale, b. genus [civile]; ad 2.: [genus provinciale]. Zwar könnte der Gegensaß zu dem genus provinciale auch in einem genus commune erblickt werden, als in einem Edicte, welches gleichmäßig für die cives Romani und Provinzialen Gültigkeit hatte; allein daß diese Auffassung nicht richtig sein würde, ergiebt sich daraus, daß theils das edictum provinciale bereits ein commune in jenem Sinne ist, wie dies namentlich das edictum de publicanis und de usuris, wie de syngraphis beweist, theils auch das edictum de hereditatum possessionibus sich nicht füglich als derartiges edictum commune auffassen läßt. Ueberdem würden auch genus provinciale und commune an fich keinen richtigen Gegensaß geben.

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