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bezäglich der Pferde ein Exportverbot existirte, obgleich bestimmte Nachrichten hierüber mir nicht bekannt sind 263). So enthält demnach diese Verleihung ein höchst persönliches Privileg für einen ganz concreten Fall.

Ob dagegen in dieser Periode Verleihungen von conubium, commercium und actio an einzelne Personen zur Belohnung für dem römischen Staate geleistete Dienste vorkommen, darüber ist uns allerdings Nichts überliefert. Allein immerhin erscheint solches nicht wahrscheinlich, da zu allen Zeiten in derartigen Fällen Verleihung der Givität oder anderer Vortheile, so in früherer Zeit des hospitium publicum 264) vorkommt, hierdurch aber die Verleihungen jener Rechtszuständigkeiten entbehrlich wurden. Entsprechender Maaßen fehlt daher auch in dem S. C. Lutatianum de Asclepiade sociisque folche Rechtsgewährung, während gleichwohl dasselbe eine gnadenreiche Belohnung von Peregrinen für geleistete Dienste enthält (§. 90). Das conubium der tabulae honestae missionis dagegen fällt erst der nächsten Periode anheim (§. 92).

263) Eine entfernte Analogie bietet das Militärreglement des August bei Macer lib. 1. de re milit. (Dig. XLIX, 16, 12. §. 1.).

164) So im J. 360 von Timasitheus von Lipara nach Liv. V, 28.

Drittes Capitel.

Das Privatrecht der römischen dediticii.

§. 36.

Völkerrechtlicher Status der Nationen.

Das Recht der dediticii ordnet sich, wie wir in §. 14 darlegten, als gleichstehendes Glied der Begriffsreihe ein, welche durch das ius civile Romanorum und das privatrechtliche ius gentium, wie durch das bei conubium, commercium und recuperatio geltende Privatrecht gebildet wird. Und wie hier allenthalben der Anknüpfungspunkt ein verschiedener war, in welchem die Verbindung des Rechtes mit dem Subjecte sich vermittelte, theils nämlich die römische Civität, theils die Libertät, theils die Civität in einem mit Rom föderirten Staate, so kommt dort, bei dem ius dediticiorum, als maaßgebend diejenige Staatsangehörigkeit in Betracht, welche nach römischer Auffassung in der Bezeichnung dediticius ihren allgemeinsten Ausdruck findet. Wenn daher dieser leßtere Begriff selbst vor Allem eine genauere Feststellung beansprucht, so betreten wir hiermit ein Gebiet, welches zunächst zwar unter der Herrschaft des ius publicum der Römer steht, im legten Grunde jedoch seine Ordnung bereits von dem ius gentium empfängt, und welches, wie fast alle derartige Materien, von unserer historischen Wissenschaft noch nicht in der befriedigenden Weise nach seinen leitenden Grundbegriffen und Grundprincipien theoretisch reconstruirt ist. Da wir indeß diese leztere Aufgabe bei dem äußeren Umfange, den ihre Lösung beansprucht, nicht in das Gebiet dieses unseres Werkes hereinziehen dürfen, so haben wir uns zu begnügen mit Darlegung derjenigen Grundelemente, die für unsere Zwecke als ganz unentbehrlich sich erweisen. Und indem wir diese Erörterungen in §. 36-39

zusammendrängen, so können wir dabei von dem Saße ausgehen, daß die Eigenschaft und die Stellung des dediticius in ihrem legten Grunde auf einem völkerrechtlichen Status beruhte.

Indem nämlich in Folge des Entwickelungsganges, den das antike Rechtsleben eingeschlagen hatte, Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den verschiedenen Rechtssubjecten entstanden und festgestellt worden waren, welche nicht lediglich auf ein vereinzeltes und transitorisches Lebensverhältniß sich bezogen, vielmehr eine dauernde, wie eine weitergreifende und allgemeinere Beziehung hatten, infofern dieselben auf die ganze Lebensstellung des Subjectes von entscheidendem Einflusse waren; indem ferner diese Abhängigkeitsverhältnisse von der clässischen Volksanschauung scharf in's Auge gefaßt und nicht bloß als thatsächlich bestehende, vielmehr als wahrhaft juristische anerkannt und construirt: mit bestimmten rechtlichen Wirkungen bekleidet, wie auf gewisse Gründe in Entstehung und Lösung zurückgeführt waren; so vergegenwärtigte sich nun bereits frühzeitig der Wahrnehmung des Alterthums das allgemeine Wesen jener mehrfachen Abhängigkeitsverhältnisse, die in verschiedenen Erscheinungsformen im Leben zu Tage traten. Dieses allgemeine Wesen solcher Abhängigkeitsverhältnisse ward aber von den Römern in der Weise aufgefaßt und bezeichnet, daß hierbei allenthalben die Begriffe potestas, ius und libertas die Centren bilden, um welche herum die Ausdrucksweise sich gruppirt, so daß hieraus wiederum wir die Auffassung selbst zu erkennen vermögen, welche die Römer jenen Verhältnissen bei deren Betrachtung zu Theil werden ließen.

Hiernach aber führte eine reflectirende Betrachtung jener histo risch gegebenen Abhängigkeitsverhältnisse der Individuen das Alterthum zu der Wahrnehmung, daß innerhalb solchen Verhältnisses dem Einen der Betheiligten eine äußere und juristische Selbstbestimmung zukomme, welche dem Anderen fehlte. Und indem man nun diese äußere juristische Selbstbestimmung als Macht und Gewalt auffaßte und sie als potestas bezeichnete, so erkannte man in der Zuständigkeit oder dem Mangel solder potestas das wahre Wesen jenes Abhängigkeitsverhältnisses an und schied somit das Individuum, welches in seiner eigenen und welches in einer fremden potestas stand, d. h. also dort das Vermögen der äußeren juristischen Selbstbestimmung hatte, hier dem Bestimmtwerden durch den Dritten in Bezug auf sein äußeres, juristisches Dasein und

Handeln unterlag. Und mit dieser Auffassung ward diejenige Terminologie gewonnen, welche an die Bezeichnung potestas sich anlehnt, und die weiter unten noch näher festzustellen sein wird.

Allein neben jener ältesten und, für uns, ursprünglichen Anschauungsweise trat im Laufe der Zeit eine andere Auffassung zu Tage, die wir hinter der Bezeichnung libertas zu erkennen vermögen. Gleichwie nämlich die moderne Psychologie im Gebiete des Wollens des Menschen auf dessen innere Selbstbestimmung für Etwas den Begriff der Willensfreiheit stüßt, so faßte in entsprechender Weise das Alterthum jene Selbstbestimmung auf dem Gebiete des juristischen Handelns als libertas auf: die Zuständigkeit jener potestas, oder des Vermögens der äußeren, juristischen Selbstbestimmung stellt sich dar als libertas 265).

Neben dieser doppelten Auffassung jedoch, welche in dem Vermögen jener in den Verhältnissen selbst empirisch erkennbaren, äußeren, juristischen Selbstbestimmung eine potestas, in der Zuständigkeit solchen Vermögens aber eine libertas anerkannte, faßte endlich das Alterthum auch jene freie juristische Selbstbestimmung in der allgemeinen Modalität ihrer Kundgebung noch besonders in's Auge und erkannte hier, wie diese Selbstbestimmung als legislative Gewalt, oder, in actueller Beziehung aufgefaßt, als ein Junehaben der aus der eigenen legislativen Gewalt emanirten Sazung, als ein Innehaben des eigenen Rechtes und Gesetzes sich offenbarte, während die Unterordnung unter die potestas des Anderen als Unterordnung unter dessen legislative Gewalt oder unter das von demselben gegebene Recht und Gesez sich darstellte.

So erkennen wir eine dreifache Form des Gedankens und eine dreifältige Richtung in Anschauung des nämlichen Denkobjectes, repräsentirt durch eine dreifältige entsprechende Ausdrucksweise; und so erscheint es sachlich gleichbedeutend, ob Jemandem die äußere juristische Selbstbestimmung: ius oder leges, d. i. legislative Gewalt oder die daraus emanirte eigene Sagung, oder ob ihm das Vermögen dieser Selbstbestimmung: potestas, oder ob ihm die Zu

265) Daß nullius potestati subiectum und liberum esse Wechselbegriffe sind, ergiebt speciell die Definition von Procul. lib. 8. Epist. (Dig. XLIX, 15, 7. §. 1): liber populus est is, qui nullius alterius potestati est subjectus.

ständigkeit dieses Vermögens: libertas beigemessen wird. Und wie nun in unseren Quellen alle diese Denkweisen mit ihren Ausdrucksformen uns zwar gleichmäßig entgegentreten, so vermögen wir doch immerhin zu erkennen, daß die zweite derselben von Alters her die bestimmende in Bezug auf die in Frage stehenden Abhängigkeitsverhältnisse war (not. 303).

Jene dreifältige antike Auffassung durchdringt nun nach allen Richtungen hin das Recht in seinen einzelnen Partieen. Allein indem auf dem Gebiete des ius publicum und ius sacrum die Sache eine sehr einfache Gestaltung gewinnt, insofern hier nur ein einziges derartiges Abhängigkeitsverhältniß existirt, so wird auch hier dessen Erwähnung in den Quellen sehr selten. Denn auf dem Gebiete des ius publicum ist es der Staat, die civitas, welcher das Vermögen jener äußeren juristischen Selbstbestimmung zuerkannt wird, welche somit in sua potestate ist, wogegen in der potestas des Staates der einzelne civis sich befindet. Für diese Auffassung dient als Zeuge Varro de L. L. IX. §. 6. M.:

Populus enim in sua potestate, singuli in illius;

fie tritt aber auch darin zu Tage, daß der civis der potestas des Magistrates, als des Trägers und Repräsentanten der Staatsgewalt untergeordnet ist, während andererseits der einzelne Magistrat selbst wieder gegenüber der höheren und volleren Staatsgewalt: der Gewalt der Comitien, wie späterhin des Senates in dem Zustande des in aliena potestate esse sich befindet 266).

Und ähnlich sind auf dem Gebiete des ius sacrum die Götter, selbst nebst ihren irdischen Organen diejenigen, welchen die potestas zusteht, während die Glieder der Cultusgemeinde diejenigen sind, welche jener potestas unterliegen 267).

266) Daß der einzelne civis in potestate des Magistrates sich befindet, geht daraus hervor, daß Leßterem eben potestas beigelegt wird; vgl. Becker, Handb. II, 2. p. 57 sq. Und daß andererseits der Magistrat in der potestas der höheren und volleren Staatsgewalt, als die seine ist, sich befindet, erhellt aus Cic. Phil. VI, 2, 4.: mittuntur (sc. legati ad Antonium) qui nuntient:,,sit in senatus populique Romani potestate." Aehnlich verhält es sich mit dem in potestate senatus esse (vgl. Becker, Handb. II, 2. p. 454), nur daß hier das Actuelle, weniger das Potentielle in dem Verhältnisse maaßgebend in's Auge gefaßt wird.

267) Dies erhellt daraus, daß die Götter selbst als potestates aufgefaßt werden; vgl. Marquardt, Handb. IV. p. 18.

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