Page images
PDF
EPUB

bald an, bald gibt er auf der andern Seite nach eben dies sen Gesehen wieder zurück.

Auf diese Art entstehen. so wohl die Werke der Menschen überhaupt, als insonderheit ihre Kunstwerke, welche für sich bestehende Producte ihrer Kräfte und Werkzeuge sind. Da es mit dem Begriffe einer vernünftigen Causalitåt streitet, etwas zu wirken und außer sich hervorzubringen, ohne irgend etwas damit erreichen zu wollen, so kann man sagen, daß jegliches Werk, dem ich eine vernünftige Causalitåt voransehe, seinen Zweck habe. Es muß also ein jedes Werk einen Zweck haben. Das Werk selbst ist zu diesem Zwecke das Mittel; und je nachdem das Werk, als Mittel, weniger oder mehr zur Erreichung dieses Zweckes beiträgt, muß man es auch für schlechter oder besser halten. Beständige Rücksicht auf den Zweck und Zusammenhaltung des Mittels mit demselben muß uns also zum Richtmaße dienen, den Grad der Güte eines Werkes richtig zu schäßen.

Zu der Hervorbringung eines Kunstwerkes müssen natürlicher Weise gewisse Regeln und Vorschriften beobachtet werden. Der Inbegriff dieser Regeln wird gemeiniglich die Kunst genannt. So gemein aber dieser Sprachgebrauch ist, so sehr ist doch an seiner Schicklichkeit zu zweifeln. Denn Wissen` und Können sind zwei gar sehr verschiedene Dinge. Aus Wissen entstehet Wissenschaft, aus Können aber entstehet erst Kunst. Obgleich die Kunst Wissenschaft voraussehet, so hat doch nicht immer und nothwendig die Wissenschaft auch die Kunst zur Gefährtinn. Nach einen weit bef= fern, richtigern und philosophischen Sprachgebrauche nimmt man die Kunst lieber und ganz allein in einer subjectivischen Bedeutung. Und nach dieser verstehet man unter Kunst die Geschicklichkeit, Handlungen regelmäßig zu verrichten, oder Werke zweckmäßig darzustellen. Wer eine Fertigkeit hierin besigt, den nennen wir einen Künstler, nicht bloß, weil er etwas weiß, sondern auch, weil er etwas kann. Daß es bei der Kunst vornåhmlich auf die Darstellung der Werke außer uns ankomme, ist daraus klar, daß wir den, welcher bloß innerlich in seinem Geiste eine schöne Landschaft oder ein Gebäude sich nach Maßgabe der Regeln vorzubilden weiß,

noch keinen Künstler, keinen Mahler, oder Baumeister nennen. Wenn ich auch alle möglichen Regeln weiß, wonach ein vollkommenes Gemåhlde verfertigt werden muß, so bin ich ja deßwegen nicht im Besiße der Mahlerkunst. Wenn man auch den Inbegriff der Regeln, nach welchen der Künstler feine Verrichtungen vornehmen muß, die Kunst nennet, so würde das eine objectivische Bedeutung des Wortes seyn, die ich aber immer für unschicklich halte. Dieser Inbegriff der Regeln muß vielmehr Theorie, oder Wissenschaft der Kunst heißen. Daher nannte ich auch die Ästhetik, als einen Inbegriff von Kunstregeln, in meiner gegebenen Erklärung eine Wissenschaft, weil derjenige, der diese Regeln weiß, deßwegen noch nicht ein Künstler, z. B. kein Dichter, kein Redner ist.

So vielerlei Arten von menschlichen Werken es gibt, so vielerlei Arten von Künsten muß es natürlicher Weise auch geben. Denn jede Art der Werke erfordert eine eigene Richtung der subjectiven Fähigkeiten und Fertigkeiten. Allein so wie die verschiedenen Arten der Werke auch verschiedene Künste, als subjective Geschicklichkeiten genommen, veranlassen, also veranlassen auch die verschiedenen Künste verschiedene Wissenschaften, oder Theorieen der Künste.

Man pflegt die verschiedenen Künste überhaupt in mechanische und in freie Künfte in der weitern Bedeutung ein: zutheilen. Diese Eintheilung ist von den menschlichen Kräften hergenommen, welche bei der Ausübung der Künste in's Spiel gesezt werden. In so fern nåhmlich nur Kräfte und Geschicklichkeiten des Körpers zu Hervorbringung eines Werkes angewandt zu werden brauchen, in so fern ist es das Werk einer mechanischen Kunst, dergleichen alle diejenigen sind, die wir Handwerke zu nennen pflegen. Ein Werk hingegen, welches durch Kräfte und Fertigkeiten des Geistes hervorge bracht wird, ist das Product einer freien Kunst in weiterer Bedeutung.

Diese Eintheilung der Künste in mechanische und freie ist schon von den Griechen gemacht worden. Solche Han tierungen nähmlich, in welchen man durch Handarbeiten für sich und seine Familie nothdürftigen Unterhalt zu gewin

nen suchte, wurden von den Griechen Teva favavoαi genannt. Man könnte dieß durch nothwendige, aber unedle Künste übersehen. Denn die Griechen glaubten, daß durch diese nothwendigen dienenden Künste, besonders durch diejenigen, welche eine sißende Lebensart verlangten, der Leib so wohl, als die Seele geschwächt, und beide untüchtig gemacht würden, diejenigen Tugenden zu erlangen, die ein Bürger besigen müsse, um sein Vaterland nachdrücklich gegen Feinde vertheidigen, oder öffentliche Würden mit Klugheit und Geschicklichkeit führen zu können.

Diefen ffanben nun δια τέχναι ελευθεραι, bie freien oder freier Menschen würdigen Künste, entgegen, wodurch Knaben und Jünglinge zur Verwaltung öffentlicher Ehrenstellen und zu kriegerischen Tugenden vorbereitet und vorge übt wurden. Doch hatten diese in åltern Zeiten nicht den Umfang, den sie in spåtern Zeiten bekamen. Wollen Sie sich hierüber unterrichten, so belieben Sie Meiners Geschichte der Wissenschaften, Th. 2, S. 59, nachzulesen.

Für uns heut zu Tage ist diese ganze Eintheilung, selbst nach den obigen Begriffen von körperlichen oder geistigen Kräften und Geschicklichkeiten, von geringer Brauchbarkeit, und sie leidet selbst in der Anwendung ihre Schwierigkeiten. Denn in so fern die menschliche Kunst außer sich wirkt und Werke producirt, wird wohl nicht leicht ein Fall aufzutreiben feyn, da nicht Beides, so wohl Kräfte und Fertigkeiten des Geistes, als auch des Körpers, gemeinschaftlich zu Werke gingen; und es wird oft zweifelhaft seyn, welche mehr.

Die freien Künste in weiterer Bedeutung begreifen die strengen und die so genannten schönen Wissenschaften und Künste unter sich. - Bet dieser Gelegenheit muß ich et was vorläufig, wiewohl nur ganz kurz bemerken, ohne mich bei Beweis und Erläuterung aufzuhalten, welche erst zum Theil im Verfolge unserer Betrachtungen nach und nach eingewebt werden können. Es ist Ihnen vielleicht auffallend, und sollte es nicht auffallend seyn, so will ich es hier ausdrücklich auffallend machen, daß ich mich verschiedlich bisher des Ausdrucks so genannte, — so genannte schöne Künste und Wissenschaften, so genannte Wissenschaften bedient habe."

Die Ursache ist keine andere, als well ich das Beiwort schön und den Ausdruck Wissenschaft, in der gewöhnlichen Bedeutung, da man Poesie, Beredtsamkeit, mit Einem Worte, die Redekünste darunter versteht, für höchst unglückliche Nahmen halte. Es sind Nahmen, welche gewiß einen großen Theil der Irrthümer und schiefen Vorstellungen veranlaßt haben, welche unser Feld. wie Dornen und Disteln verunzieren, unwegsam machen, und oft dergestalt in Schwierigkeiten verwickeln können, daß gar kein Loskommen davon ist. Sie werden es einmahl in der Folge bei mehr, als Einer Gele: genheit verstehen und einsehen lernen, daß Erweckung von Schönheitsgefühl weder der einzige, noch der Hauptzweck derjenigen Künste seyn kann, die wir in Betrachtung nehmen. Hiernächst ist es unschicklich, die Poesie und Beredtsamkeit Wissenschaften zu nennen. Denn in fo fern ich darunter subjectivisch die Geschicklichkeit verstehe, poetische oder rednerische Werke hervorzubringen, in so fern sind sie Künste, so gut wie Mahlerei, Bildhauerei, Musik und alle diejenigen Geschicklichkeiten, die man schlechtweg Künste nennet. Deßwegen aber ist der Nahme Wissenschaft in unserm Fache keinesweges ganz und gar aufzugeben; und wenn sonst das Beiwort schön nur schicklich wäre, so würden wir allerdings schöne Wissenschaften behalten. Denn unter der schönen Wissenschaft müßte man nach den Bestimmungen und Erläuterungen, die ich vorhin gegeben habe, den Inbegriff derjenigen Regeln verstehen, nach welchen die schöne Kunst arbeitet und arbeiten muß, um ihren Endzweck zu erreichen. Der Inhalt dieser Wissenschaft ist Gegenstand des Verstandes, und zwar des allerschärfsten, wackersten und angestrengtesten Verstandés, so gut und wohl noch mehr, als manche andere Wissenschaft, die man mit dem herrischen Beiworte die strengen bezeichnet. In diesem Sinne würde jede schöne Wissenschaft auch strenge Wissenschaft seyn, die auf Unters richt des Verstandes hinausläuft. Was hingegen die elgentlichen schönen Künste und ihre Werke betrifft, die wir, um das unglückliche Wort schön zu vermeiden, vorläufig und bis wir etwa in der Folge einen noch schicklicheren Nahmen finden, ästhetische Künste, ästhetische Werke nennen können, so ha:

ben diese nicht den Zweck, uns zu unterrichten, sondern un fere Sinnlichkeit, unser Gefühlsvermögen zu beschäftigen, in Bewegung zu sehen. So wie die Philosophie, oder die Wissenschaft überhaupt Erkenntniß zum Zwecke hat, so zielen die ästhetischen Künste auf Erweckung des Gefühls ab. Auch da, wo sie in besondern Fållen einen unterrichtenden Stoff bearbeiten, thun sie es doch so, daß der Unterricht mit Ge fühl verbunden ist, ja, daß die Masse des Gefühls die Masse des Unterrichts überwieget. Denn man muß sich nicht einbilden, als ob Erkenntniß- und Gefühlsvermögen überall in der Natur so von einander gesondert wåren, so von einan der gesondert seyn und wirken könnten, als etwa die Abstrac tion des Denkers sie von einander spaltet. Wir nehmen in der Wirklichkeit die Eintheilung von dem überwiegenden, von dem Hervorragenden her, und geben danach dem Dinge auch seinen Nahmen. Der Gegenstand also, der mehr zum Er kennen, zum Denken anreißt, als zum Fühlen, ist Gegenstand des Verstandes, und umgekehrt, was mehr zum Fühlen, als zum Denken reißt, ist Gegenstand des Gefühls.

Wenn die strengen, oder besser, die Verstandeswissen schaften unsern Geist von den Beschaffenheiten der Dinge, nach Maßgabe unserer Erkenntnißgefeße, belehren, hingegen die ästhetischen Künste uns die Gegenstände nach Maßgabe unserer Gefühlsgeseße zu fühlen geben sollen, so wird dieß in der gewöhnlichen Baumgartenischen ästhetischen Schulsprache so ausgedrückt: Die strengen Wissenschaften haben zur legten und vernehmsten Absicht, die obern Erkenntnißvermögen zu verbessern, oder zu unterrichten, die schönen Wissenschaften und Künste hingegen haben zur leßten und vornehmsten Absicht, die untern Erkenntnißvermögen zu verbessern, oder zu vergnügen. Man nennt dieß, eine sinn: lich vollkommene Erkenntniß hervorbringen, und die Ästhe tik ist sonach eine Wissenschaft der Regeln der Vollkommen= heit der sinnlichen Erkenntniß und ihrer Bezeichnung.

Ich liebe diese Art, die Sache vorzustellen und auszu drücken, nicht, so wie auch überhaupt die schulübliche Einthei lung in obere und untere Seelenvermögen niemahls sonder lichen Beifall bei mir gefunden hat. Denn nicht zu geden:

« PreviousContinue »