Page images
PDF
EPUB

Inhalt und Ton so treu, ungezwungen, rein und lebendig, und dabey zugleich so wörtlichgenau als nur immer möglich, im Deutschen wiederzugeben. So ward nach und nach der größte Theil dieser Lieder, wenige ausgenommen, überseßt. Die schönsten Tage und Stunden vieler folgenden Frühlinge zumal wurden sorgsamer Feile gewidmet. Die Ueberseßung ward gleich vom Anfang an einzeln, und in der Folge mehrmals im Ganzen der strengsten -Prüfung kritischer und geschmackvoller Freunde unterworfen, wovon mehrere mit dem Original vertraut waren, andere damit unbekannt gleich: wohl ein richtiges, feines Gefühl für Werke der Musen überhaupt besaßen. Denn an und für sich schon sollten diese Lieder mit der Leichtigkeit, Correctheit, Grazie und Harmonie ei nes Originals im Deutschen sich lesen lassen. So gewann ich das Unternehmen allgemach lieb; ich durfte hoffen, meiner Ueberseßung eine höhere Vollendung zu geben, als bisher kaum irgendwo der Fall seyn mag. In dieser Absicht sammelte, las, verglich ich so ziemlich alles, was wir in den gebildeten ältern und neuern Sprachen an Ueberseßungen, Nachahmungen und Erörterungen des Dichters überall besigen. Daraus erwuchs mir natürlich zweyerley: eine kleine anakreontische Liederbiblis othek, und ein Commentar, den es nur von mir abhing, so dickleibig, kritisch, gelehrt

und lustig zugleich auszubilden als ich Geist und Laune hatte. Zum wenigsten sollte er auf eine nicht ermüdende Weise das Wahreste, Sinnreichste und Treffendste so wie das Ab= geschmackteste, was über Anakreon überall ge= sagt worden, verwebt mit meinen eigenen, oft genug ́abweichenden Ansichten und Bemerkun= gen darüber, der Beurtheilung prüfender Leser treu und offen darlegen. Bis beym Verschwin den der noch fortdauernden Bedrängnisse des Buchhandels, zumal in unsern Gegenden, etwa in einer leselustigern und geldreichern Zeit, die vollständige Ausgabe des Dichters zu Tage gefördert werden kann oder auch nicht kann;

[ocr errors]

mag dieser Auszug die genießbarste Blüthe davon unbefangnen Liebhabern des Schönen, und heitern Freunden des naivesten, frohsinnigsten, verständlichsten und lieblichsten Dichters aus der herrlichen Hellas, ohne Anmaßung und Zudringlichkeit, darbieten.

Nun nur noch zwey Worte über den Zweck dieser Ausgabe, und über meine Behand= lung Anakreon's.

Sie ist nicht für Gelehrte, nicht für Kenner des Originals bestimmt. Sie kennt keinen höhern Ehrgeiß, als der schönen, gebildeten Welt unter uns, die noch an Liedern Geschmack findet, und den Geist eines berühmten griechischen Dichters aus hohem Alterthum kennen zu lernen wünscht, manche vergnügte Stunde zu verschaf

[ocr errors]

fen. Daher ist alles bloß gelehrte, kritische, jede schwerere Worterklärung hinweggelassen worden; daher die, wie ich mir schmeichle, zweckmäßige und doch noch immer sparsame Anführung ähnlicher Lieder, Skolien, Sinnge= dichte und Stellen von Weltern und Neuern, um durch Mannigfaltigkeit und Vergleichung zu unterhalten und zu interessiren; daher das erklä rende Verzeichniß mythologischer Namen am Ende. Den achtungswürdigen Personen von gesundem Verstand und zarten Gefühl aus der eleganten Welt wünschte ich damit Freude zu machen. Diesen durfte ich auch mehr oder we= niger Kenntniß der neueren cultivirten Sprachen zutrauen", "woraus ich zur Vergleichung und Prüfung Aehnliches, mich dünkt, mit vorsichtiger Auswahl eingerückt habe. Wo ich bey, alten Schriftstellern befriedigende Ueberseßungen vorgefunden, da habe ich den Uebersezer redlich genannt; kannte ich eben keine, so habe ich das Epigramm oder die Stelle selbst überseßt. Die Lieder Anakreon's habe ich in ähnlichen leichten und bekannten, nur öfters abwechselnden Versmaaßen, wie sie mir zum Juhalt, Geifte und Ton des Originals am besten zu stimmen schienen, wiederzugeben versucht. Im Original herrscht in den Sylbenfüßen auch ähnlicher Versmaaße Abwechselung genug; aber im Deutschen würde bey der Einförmigkeit derselben, die unser Ohr fodert, langweilige Monotonie die natürli

che Folge gewesen seyn. Anstatt der ißt gewöhnlichern griechischen Namen: Eros, Athene, Peitho, Herakles und weniger anderer, habe ich für diese Ausgabe die bekanntern: Amor, Minerva, Svada, Hercules ic. vorgezogen.

Um meinen Lesern die Beurtheilung und Wür digung dieser Oden zu erleichtern, glaubte ich von der in allen bisherigen Ausgaben üblichen Stellung derselben einmal abweichen zu müßen. Ich habe die Lieder von ähnlichem Inhalt unter einer gemeinschaftlichen Rubrik zusammengestellt, uur so, daß die schönern überall vorangehen sollten. Es ist merkwürdig, daß sie nach Zeugnissen der Alten ebenfalls in fünf Bücher eingetheilt gewesen. Bey jeder Ode ist in römischen Zahlzeichen die Stelle bemerkt, die sie in Fi scher's großer Ausgabe und, bis auf sehr wenige Ausnahmen, in allen übrigen einnimmt. Die les berschriften der einzelnen Oden, die wohl nicht von Anakreon selbst herstammen, und, nach Weise der Alten, den Juhalt meistens nur sehr allgemein, dunkel und vieldeutig bezeichnen, habe ich nach Art der Neuern durch bestimmtere erseßt. Andere haben das vor mir gethan. Jedem der fünf Bücher habe ich, nach Wielands Beyspiel, eine kurze Einleitung vorangeschickt, die den Leser mit dem Inhalt vorläufig bekannt machen und den Zweck eines Vorspiels bey einer zu sin genden Arie, haben sollte. Die gleich folgende

Einleitung zum Ganzen durfte in einer sol chen Ausgabe des Dichters nur kurz seyn, nur das Wesentliche, ohne nähere Beweise und Erörterungen, flüchtig aber bestimmt herausheben.

Die uns erhaltnen Bruchstücke des Dichters sind, wenn sie nur irgend einen Sinn darz boten, und also, für uns einigen Werth haben, in den Erörterungen zu den einzelnen Oden übers all an schicklichen Stellen überseht eingeschaltet worden. Wenige Oden sind ohne eine neue, der Aufmerksamkeit vielleicht nicht unwürdige Bemerkung geblieben.

Kritiken von Kennern des Originals, denen geschmackvolle und richtige Ueberseßung und Erklärung Anakreon's an sich am Herzen liegt, ohne alle Rücksicht auf ein besonderes Interesse der Schule, Parthey oder Neigung, sehe ich mit wahrem Vergnügen entgegen.

Den verehrungswürdigen, fast einzig vaterländischen, Freunden der Muse Anakreon's, und meinen besondern, danke ich nachdrücklichst für gütige Unterstügung dieser Ausgabe, die ohne sie wohl nimmer zu Stande gekommen wäre..

Das Verzeichniß der Titl. HH. Subscribenten kann dießmal, gegen die Regel, nicht an= ders als nachgeliefert werden.

Landshut den 2. August 1816.

1

« PreviousContinue »