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auf die actio directa, und nur ausnahmsweise im Falle eines Treubruches des Mandanten auf die actio mandati contraria. "

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Wurde der Beklagte im Civilprozesse durch einen Prokurator vertreten, so trat keine Infamic cin. Der Prokurator wurde nicht infam, weil er nur als Vertreter verurtheilt war, und der vertretene nicht, weil das Urtheil nicht auf seinen Namen ging, sondern auf den des Prokurators. 10

b) Häufig war die Infamie unmittelbare Folge gewisser Thatsachen o hne vorgängiges richterliches Urtheil. Wurden die Thatsachen in Abrede gestellt, an welche die Infamie geknüpft war, und hierüber gerichtlich entschieden, so konstatirte das Erkenntniß nur die bestehende Infamic, dieselbe war also nicht Folge des Erkenntnisses. 11

Unmittelbare Infamic knüpfte sich unter anderem an schimpfliche Entlassung aus dem Heere; 12 an zahlreiche geschlechtliche Verfehlungen, insbesondere gleichzeitiges doppeltes Verlöbniß sowie Bigamie, 13 Verlegung des Trauerjahres durch die Wittwe, 14 gewerbsmäßige Unzucht und gewerbsmäßige Kuppelei; endlich war sie Folge des Auftretens als Schauspieler. 15 Nach vorjustinianischem Rechte machte auch Konkurs infam. 16

Die einmal verwirkte Infamie war lebenslänglich. Nur Begnadigung durch Senat oder Kaiser - in integrum restitutio konnte dem Infamen die Ehre zurückgeben.

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18 fie bildete ferner

Die Infamie schloß von Ehrenämtern aus; ein Hinderniß für die Ehe mit unbescholtenen, hatte Unfähigkeit

9) Gaj. Inst. IV § 182, 1. 6 § 5, 1. 7 D. h. t. 3, 2. 10) 1. 6 § 2 D. h. t. 3, 2.

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11) Unmittelbar infam war die im Ehebruch ergriffene Frau. Ulpianus libro 1 ad legem Juliam et Papiam 1. 43 § 12 D. de ritu nuptiarum 23, 2 führt aus: si deprehensa quidem sit, damnata autem non sit, notata erit? ego puto, etsi absoluta sit post deprehensionem adhuc tamen notam illi obesse debere, quia verum est, cam in adulterio deprehensam: quia factum lex, non sententiam notaverit.

12) 1. 2 D. h. t. 3, 2.

13) 1. 13 § 2 D. h. t. 3, 2.

14) 1. 8 ff. D. h. t. 3, 2.

15) 1. 2 § 5 D. h. t. 3, 2.

16) Gaj. Inst. II § 154, IV § 102 lex Julia municipalis 115 ff. Anders im Falle der cessio bonorum 1. 11 C. de causis, ex quibus infamia 2, 11.

17) 1. 1 § 9, § 10 D. de postulando 3, 1. JIn der Lebenslänglichkeit der Infamie lag etwas hartes, ja grausames.

18) Cicero pro Cluentio cap. 42, 1. 6 § 3, l. 12 D. de decur. 50, 2, 1. un. C. de infamibus 10, 59.

19) Vgl. über dieses Eheverbot Savigny Vd. 2 Beilage VII S. 517 ff.

zur Postulation für Dritte bei Gericht zur Folge und nach der Notariatsordnung von 1512 auch Unfähigkeit zum Notariat. 20

2. Neben der Infamie fommt die turpitudo vor, d. h. die auf einem schimpflichen Lebenswandel beruhende sociale Miß chtung. Sic bemißt sich nach individuellen Momenten. Mit der Besserung der Sitten und der Rehabilitirung in der Gesellschaft hört sie auf. Ueber sie befindet das richterliche Ermessen.

Die Erbeseinsehung ciner persona turpis berechtigt die Geschwister des Erblassers, welche dessen nächste gesetzliche Erben wären und denen das Pflichttheil nicht hinterlassen ist, zur Anfechtung des Testamentes, weil der Schimpf der Uebergehung als durch die Bevorzugung eines solchen Erben gesteigert erscheint. 21 Dies ist die einzige, gesetzlich besonders normirte Folge der turpitudo.

Daß die Infamie in Deutschland recipirt wurde, ist zweifellos; denn die Geseze des alten Reichs sezten ihre Geltung voraus, und bestimmten neue Fälle und Folgen derselben. 22 Doch erstreckte sich die Reception nicht auf alle römischen Fälle; insbesondere trat in Deutschland nie Infamie ein als Folge der Verurtheilung aus Kontraktsklagen.

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Das deutsche Strafgeschbuch hat aber die Infamic vollständig beseitigt, 24 indem es den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte gemäß germanischer Rechtsideen in einer mit dem römischen Institut unverträglichen Weise ordnete. 25 Hiernach ist der Verlust der Ehrenrechte Strafzufaz für Vergehen, welcher durch das strafrichterliche Urtheil besonders ausgesprochen sein muß. Diese Aberkennung ist bei einigen Vergehen zulässig, bei anderen geboten. 26 In der Regel ist er auf Zeit auszusprechen. Die Folgen sind vorzugsweise Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern und zur Ausübung anderer politischer Rechte,

20) Not.D. § 2.

21) 1. 27 C. de inofficioso testamento 3, 28 Constantinus.

22) Zahlreiche Reichsgesehe, welche die Infamie erwähnen, citirt Savigny Bd. 2 S. 227.

23) Denn die Praxis erforderte, daß in dem Urtheil der überwiesenen Treulosigkeit" ausdrücklich Erwähnung geschehen sein müsse, wenn die Infamie eintreten sollte, Glück Bd. 5 S. 196, und dies geschah nicht. Andere erachteten geradezu die Infamie wegen Verurtheilung aus Kontrakten als beseitigt.

24) Für die Unanwendbarkeit der Infamie im heutigen Rechte erklärte sich schon früher namentlich Savigny Bd. 2 S. 228.

25) Mandry, civilrechtlicher Inhalt der Reichsgefeße S. 92. Windscheid Bd. 1 § 56.

26) Strafgesetzbuch § 32. Auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte muß erkannt werden bei Meineid, schwerer Kuppelei und gewerbsmäßigem Wucher, Strafgesetzbuch §§ 161, 181 und 302 d.

Unfähigkeit zum Zeugniß bei Aufnahme von Urkunden, zur Vormundschaft und Zurücksetzungen im Gesellschaftsrechte. 27

Die turpitudo als bloß thatsächliche Ehrenminderung blieb unberührt.

Die Unterschiede in der Rechtsfähigkeit wegen des religiösen Bekenntnisses, welche in der römischen christlichen Kaiserzeit zur Geltung kamen, wurden in Deutschland nicht festgehalten und neuerdings ausdrücklich beseitigt.

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§ 59. Verhältniß der juristischen zur natürlichen Person.

Außer dem menschlichen Individuum haben eine selbständige Rechtsfähigkeit gewisse den menschlichen Gesellschaften angehörende Organisationen. Solche Organisationen pflegt man derzeit juristische Personen zu nennen; im vorigen Jahrhundert war der Ausdruck moralische Person in Ucbung, so daß man moralisch in dem Sinne von ,,transcendent" d. h. über der Körperwelt hinausliegend auffaßte.

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Arten der juristischen Personen sind Personengesammtheiten Korporationen; ferner Anstalten, d. h. öffentliche Einrichtungen; endlich Stiftungen, d. h. nüßlichen Zwecken gewidmete Vermögen.

27) Strafgesetzbuch § 34. Rechtsanwaltsordnung v. 1. Juli 1878 § 6. Reichsgeset über die Wirthschafts- und Erwerbsgenossenschaften v. 4. Juli 1868 § 38. Reichsgewerbeordnung §§ 83 und 86. Gesetz über die eingeschriebenen Hülfskassen v. 7. April 1876 § 21.

28) Reichsgeset v. 3. Juli 1869. Mandry, a. a. D. S. 71. Windscheid § 55 Anm. 3. Das Eherecht ist zum Theil konfessionell geblieben.

1) Aus der Litteratur über die juristischen Personen heben wir hervor Savigny Bd. 2 S. 235, welcher die ältere Litteratur anführt, Demelius über fingirte Persönlichkeit in Jherings Jahrbüchern Bd. 4 n. 2, Brinz, Pandekten 1. Auflage 2. Abth. S. 979 ff., Salkowski, zur Lehre von den juristischen Personen 1863, Böhlau, Rechtssubjekt und Personenrolle 1871, Zitelmann, Begriff und Wesen der 1. g. juristischen Personen 1873, Volze, der Begriff der juristischen Person 1879. Ein reiches Material hat verarbeitet Gierke, deutsches Genossenschaftsrecht. Vor allem ist hier wichtig Vd. 3 „die Staats- und Korporationslehre des Alterthums und des Mittelalters und ihre Aufnahme in Deutschland.' Hierzu kommt Gierke die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung 1887.

Es ist herkömmlich, die juristischen Personen als fingirte zu betrachten. Die Idee der Fiktion zicht sich seit der Zeit der Postglossatoren durch die Litteratur und hat bis zum heutigen Tage Vertreter. 3 Der ursprüngliche Begriff der Persönlichkeit, führt insbesondere Savigny aus, falle mit dem des Menschen zusammen; denn um des Menschen willen sei alles Recht da. Dieser ursprünglichen Idee entspreche die Formel: jeder einzelne Mensch und nur der einzelne Mensch ist rechtsfähig. Durch Ausnahmerecht sei jedoch des Nutzens halber die Rechtsfähigkeit auf künstliche, durch bloße Fiktion angenommene Subjekte ausgedehnt worden. Das seien dann die juristischen, d. h. die bloß zu juristischen Zwecken geschaffenen Personen.

Lange suchte man auf solche Fiktion die Theorie der juristischen Personen zu gründen. In neuerer Zeit aber gab sie den Anlaß zu dem. Unternehmen, die Theorie der juristischen Personen aus den Angeln zu heben und deren Existenz zu leugnen. -Insbesondere erklärte Brinz dem Begriffe der juristischen Person den Krieg. Von fingirten Personen zu sprechen, sei ein Fehler; es liege darin das Zugeständniß, daß eine wirkliche Person fehle, denn fingirte Wesen seien nicht existirende. Was nicht existire, könne aber keine Rechte haben. Fingirtes ferner könne nicht wollen, ohne ,,wollen und dürfen“ aber bestehe kein Recht, ohne die Fähigkeit hierzu keine Rechtsfähigkeit. Wirklich vorhanden sei nur ein Zweckvermögen, nämlich ein Vermögen, welches Niemandem gehöre, aber zu gewissen Zwecken diene. In diesem Vermögen fänden sich Eigenthum ohne Eigenthümer, Forderungen ohne Gläubiger, Schulden ohne Schuldner subjektlose Rechte.

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Mit diesen Ausführungen wird die ungesunde Idee der Fiktion zu Tode gehezt, aber das Wesen der juristischen Person nicht getroffen.

Es ist unhistorisch, daß ursprünglich der Mensch allein Persönlichkeit hatte. Vielmehr ist die juristische Person urwüchsig und ursprünglich wie die natürliche und bereits in den Anfangsstadien von Staat und Recht vorhanden.

Seit alten Zeiten hatte insbesondere in Rom die Volksgemeinde

2) Vgl. Gierke a. a. D. Bd. 3 S. 362.

3) Savigny Bd. 2 S. 2 S. 236, Kierulff S. 129.

4) Brinz a. a. D. §§ 60 ff. Die juristische Person, meint Brinz, sei nicht viel mehr als eine juristische Vogelscheuche. Die Grundanschauung von Bring theilt zwar Bekker Pand. Bd. 1 S. 196, doch widerstrebt er nicht einstweiliger Beibehal tung" der juristischen Person mit Rücksicht auf Herkommen und Bequemlichkeit, wenn man sich nur hüte, aus der Fiktion einer nicht vorhandenen Person weitere Folgerungen zu ziehen, als man eben brauchen könne. Dagegen Karlowa z. L. v. d. juristischen Personen in Grünhuts Zeitschrift Bd. 15 S. 381.

juristische Persönlichkeit, und ihr nachgebildet die Gemeinden, nicht minder Korporationen, die zum Theil ihren Ursprung auf Numa und auf Servius Tullius zurückführten. 5

In der That ist es eine gesellschaftliche Nothwendigkeit, die sich unmittelbar geltend macht und nichts künstliches hat, daß sich die Vermögensfähigkeit nicht bloß an Individuen, sondern nicht minder an sociale Organisationen knüpft. Denn die Vertheilung der Sachgüter unter die Individuen ist zwar eine zweckmäßige, auf höheren Kulturstufen unentbehrliche Form des Gesellschaftslebens. Aber das Individualeigenthum bedarf einer Ergänzung seiner Einseitigkeit und einer Ausgleichung seiner Härten. Diese liegt eben darin, daß neben den natürlichen Personen Personengesammtheiten, Anstalten, Stiftungen die privatrechtliche Vermögensfähigkeit haben; erst dadurch werden sie fähig, allgemeinen Zwecken dienstbar zu sein.

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Die juristischen Personen sind freilich nichts körperliches, aber keinesweges etwas unwirkliches; sie sind Vorstellungen, aber um deswillen nicht Fiktionen. Beides ist nicht identisch. Denn die Fiktion denkt etwas einem Thatbestand hinzu oder von ihm hinweg, was nicht ist, im Widerspruch mit der Realität der Dinge. Die Vorstellung der juristischen Person unterstellt dagegen das wirkliche cinem ihm entsprechenden Begriffe. Der Begriff einer Gemeinde z. B. knüpft sich an Land und Leute, die in einem gewissen Verhältnisse stehen. Diese Vorstellung entspricht der Realität der Dinge. Sie ist kein Erzeugniß der Phantasie, wie man vermeint hat, sondern des Verstandes; sie hat Allgemeingültigkeit. s

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5) Vgl. Pernice, Labeo Vd. 1 S. 254.

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6) Die Aeußerung der 1. 2. D. de statu hominum 1, 5 von Hermogenianus libro 1 juris epitomarum: hominum causa omne jus constitutum est zieht insbesondere Savigny a. a. D. S. 2 dafür an, daß natürlicherweise nur Menschen Rechtsobjekte seien. Mit Unrecht. Unzweifelhaft ist alles Recht um der Menschen willen da. Aber auch das Recht der juristischen Personen dient den Menschen. 7) Anders Bekker Pand. Bd. 1 S. 205. Gegen die Fiktionstheorie vgl. noch Meurer heilige Sachen Bd. 1 S. 66.

8) Nicht begründet ist, daß die Römer die juristische Persönlichkeit auf eine Fikktion stüßten. Vgl. Pernice, Labeo Bd. 1 S. 281. Gierke, Genossenschaftsrecht Bd. 3 S. 104, hat ihn nicht widerlegt. Mit Unrecht bezieht man sich auf 1. 22 D. de fidejussoribus 46, 1 von Florentinus libro 8 institutionum. Mortuo reo pro

mittendi et ante aditam hereditatem fidejussor accipi potest, quia hereditas personae vice fungitur sicuti municipium et decuria et societas. Florentin erklärt hier die Rechtsfähigkeit der hereditas jacens damit, daß sie an Stelle eines rechtsfähigen Menschen stehe, wie dies auch bei juristischen Personen der Fall sei. Er will vergegenwärtigen, daß es außer den natürlichen auch vorgestellte Personen gebe. Es ist schwer begreiflich, wie man aus einer solchen Parallele eines juristischen Schriftstellers weittragende Schlüsse ziehen kann.

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