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stammung und Verwandtschaft eingewirkt haben werde, lässt sich von vornherein erwarten. Und in der That zeugen, auch hier zahlreiche Beispiele aus älterer wie neuerer Zeit theils für die äusserste sittliche Leichtfertigkeit, Schlaffheit und Schwäche, womit viele uncultivirtere Stämme ihre angeerbte Muttersprache gegen die Idiome mächtigerer und civilisirterer Völker in ihrer Nähe auszutauschen und so den allmählichen Untergang der ersteren herbeizuführen vermocht haben (z. B. in älterer Zeit die hamitischen Kanaaniter in Phönicien und Palästina, die Longobarden in Italien, die Berbern in Marokko; neuerdings die eingewanderten Chinesen auf Borneo, die Basken in den Pyrenäen, die Zigeuner in verschiedenen Ländern Europas u. s. w.), theils für die gewaltsam und absichtlich depravirende Einwirkung despotischer Stammeshäupter auf die Sprachen ihrer Völker, kraft deren sie diese nach ihren willkürlichen Launen zu ändern und bald hinsichtlich einzelner Ausdrücke, bald in ihrem gesammten Gepräge umzuformen suchen. Denn ähnlich wie jener Kaiser der chinesischen Tsin - Dynastie, um die Aufbringung geschichtlicher Urkunden, die gegen die Rechtmässigkeit seiner Thronfolge zeugen konnten, unmöglich zu machen, alle ihm nur zugänglichen Geschichtsbücher der Vorzeit verbrennen liess, oder wie Herodes d. Gr. in derselben Absicht auf Vernichtung aller Stammbäume des davidischen Hauses ausging, herrschte auf den Gesellschaftsinseln der Südsee vor Einführung des Christenthums bei ihren Bewohnern die seltsame Sitte, dass der König bei seiner Thronbesteigung eine beliebige Zahl von Wörtern der Landessprache ändern, einige bei Todesstrafe verbieten (also mit „,Tabu" belegen), andere erfinden und neu einführen durfte, und findet sich bei nicht wenigen der despotischen Staaten Innerafrikas bis auf den heutigen Tag im Wesentlichen der nemliche Gebrauch. 1) Die arge Missgestaltung, welche ein ohnehin nicht literarisch cultivirtes und fixirtes Idiom in Folge solcher unsinniger Gewaltacte schon nach wenigen Generationen erfahren haben musste; die eben dadurch beförderte Gleichgiltigkeit des Volks gegen seine Sprache und die wachsende Vernachlässigung derselben seitens aller zu ihrer Pflege Berufenen; die öfteren Unterjochungen durch feindliche Nachbarvölker, sowie die durch Raubkriege, Sklavenhandel, Auswanderungen u. s. w. unvermeidlich werdenden Mischungen der Stämme untereinander: alles dies macht

1) S. Bennett im Basl. Magaz. 1863, S. 41, und vgl. meine Abhandlung: Die einheitliche Abstammung des Menschengeschlechts", in den Jahrbb. f. deutsche Theol. 1863, H. 1, S. 73f.

es uur allzu begreiflich, dass der Ursprung der Sprachen so vieler wilder Naturvölker nachgerade gänzlich verwischt und unkenutlich geworden ist und dass namentlich die Dialekte kleinerer, dicht beisammen wohnender, aber in stetem Kriegszustande gegen einander befindlicher Völkerschaften oft räthselhaft unähnlich und starr von einander geschieden erscheinen. So hat der Sprachforscher die grösste Mühe, das Aehnliche, Gemeinsame und Urverwandte in den etwa 40 Sprachen aufzufinden, welche die Völkerschaften der hinterindischen Insel Timor sprechen; und ähnlich ist es mit den etwa 30 Sprachen, die Barth im Reiche Bornu in Centralafrika neben einander entdeckte, mit den mehr als 30 Sprachen des benachbarten Adamaua, mit dem fast noch ärgeren Sprachengewirr der zahlreichen Völker des Kaukasus u. s. w. 1)

Wie die Sprache, so hat endlich auch die religiöse Ueberlieferung und der allen Culten in letzter Instanz zu Grunde liegende oder geschichtlich vorausgegangene monotheistische Glaube der Urmenschheit die zerrütlende und zerreissende Einwirkung der Sünde im vollsten Maasse erfahren müssen. Grösser fast noch, als auf linguistischem Gebiete, ist die Zerfahrenheit, die Verworrenheit und Fülle von Widersprüchen, der man im Bereiche der Mythologie und ältesten Religionsgeschichte begegnet, sowohl was Götter- und Heroensagen, theogonische und kosmogonische Traditionen, wie was religiöse Ceremonien, Opfergebräuche u. dgl. betrifft. Götter und Helden, die dem einen Volke als Repräsentanten des guten Princips gelten, werden vom anderen als Personificatioren des bösen Geistes, als Ausgeburten der Hölle verflucht. 2) Weiheriten, Opferceremonien, Wahrsagergebräuche, die von der Religion des einen Volkes vorgeschrieben werden, gelten den Gesetzgebern und Priestern des Nachbarvolkes als schändliche Greuel. Nur leise und kaum vernehmbar klingen durch dieses verworrene Getöse von feindseligen und einander durchkreuzenden Stimmen sanftere und harmonischere Laute hindurch: die Erinnerungen an eine einstige Ureinheit aller Menschen als gemeinsamer Bekenner und

1) Vgl. die zuletzt angef. Abhdlg., S. 74 Anm.

2) Eines der bekanntesten Beispiele hiefür bilden die ältesten Sagen der Westarier oder Perser in ihrem Verhältnisse zu denen der Indier oder Ostarier. Der ,,Ahura" oder gute Gott der Ersteren entspricht den ,,Asura's“ oder bösen Geistern der Letzteren; dagegen sind die persischen Dews oder Dâmonen den Dewas (Göttern) der Indier. Es gehört hieher auch die interessante Thatsache, dass die Kaffern, abweichend von den meisten übrigen schwarzen Stämmen Afrikas (vergl. das Obige), nicht Weiss sondern Schwarz für die Normalfarbe und die Signatur des Göttlichen halten; weshalb sie ihren Teufel sich weiss vorstellen. Vgl. Waitz, a. a. O., II, 254, 256, 355 u. s. w.

Verehrer der wahren Gottheit; an ein Paradies, die Stätte der Wonne und Seligkeit, wo die Stammeltern aller Geschlechter einst in unmittelbarster Gemeinschaft mit Gott gelebt; an ein goldenes Zeitalter, eine glücklichere, reinere und kräftigere Kindheitsperiode der Menschheit; an die Rettung einiger weniger neuer Stammeltern aus den vernichtenden Gewässern einer allgemeinen Fluth, die als Strafgericht über das gottlose und entartete Urgeschlecht hereingebrochen war. 1) Mit den Anfängen der jetzt herrschenden Sprachentrennung hängt das bunte Gewirr und Gewebe dieser religiösen Sagen, durch welches die Reste der reinen geoffenbarten Urtradition gleich einem nur hie und da zerrissenen oder beschmutzten Goldfaden hindurchschimmern, auf das engste zusammen. Die Sprachentrennung und die Religionscheidung haben Einen gemeinsamen Ursprung in jenem merkwürdigen, nicht blos durch Gottes Wort, sondern auch durch viele ausserbiblische Ueberlieferungen als thatsächlich bezeugten Ereignisse des Thurmbaues zu Babel und seiner unmittelbaren Folgen (1 Mos. 11, 1-9). Als in Folge dieses göttlichen Gerichtes über den frevlen Uebermuth eines entarteten Geschlechtes der Grund zur Zertheilung der bis dahin noch um Einen gemeinsamen Mittelpunkt geschaarten Menschheit und zur Bildung der ältesten getrennten Staaten und Staatensysteme gelegt wurde, da bildeten sich zugleich mit diesen Staaten auch die ältesten besonderen Sprachen und Cultusformen aus, und wie in der Art ihres geselligen Zusammenlebens und mündlichen Verkehrs, so ging das Menschengeschlecht auch in der Weise seiner Gottesverehrung und in der Form und Fassung seiner religiösen Urüberlieferungen in eine immer zunehmende Mannichfaltigkeit von verschiednen Wegen auseinander. 2)

Das Wort Gottes ist der sicherste Leitstern und Führer inmitten der unendlich verworrenen Menge von sich durchkreuzenden und einander widersprechenden Gerüchten, Sagen und Traditionen, die sich in Folge dieses Ereignisses um das

1) Vgl. überhaupt Lüken, Die Traditionen des Menschengeschlechts u. s. w. 1856, und über die verschiedenen Sündfluthsagen insbesondere Th. Bindewald, Die Sintflut - Sagen der Heiden (Beweis des Glaubens, 1867, Juni).

2) Vgl. überhaupt Fabri, Die Entstehung des Heidenthums und die Aufgabe der Heidenmission, Barmen 1859 eine geistreiche und in ihren Grundanschauungen gewiss im Wesentlichen correcte Untersuchung, der wir gegenüber dem von Hengstenberg im Vorwort zu Jahrg. 1868 seiner Kirchenzeitung dagegen Vorgebrachten fortwährend Recht geben müssen, mag sie immerhin darin zu weit gehen, dass sie mit der Völker- und Sprachenzertrennung zugleich eine geologische Revolution, eine Zerspaltung des Festlands der Erdoberfläche in die jetzigen Continente, in Verbindung treten lässt,

Heiligthum der frühesten Anfänge unserer Geschichte herumgelagert haben. Die heilige Schrift allein vermag dies wirre Dunkel zu lichten; sie allein reicht die Mittel dazu dar, den einseitigen Betrachtungsweisen, vor welchen wir im Bisherigen warnen mussten, gründlich zu entgehen und zu einer wahrhaft gesunden, den Gesetzen der Natur gleicherweise wie den Grundgesetzen der Offenbarung und dem Wesen des menschlichen Geistes entsprechenden Auffassung der Urgeschichte zu gelangen. Dass die Urmenschheit als ein unentwickeltes, aber unendlich entwicklungsfähiges Kind von nicht thierisch rohem, sondern geistbegabtem, gottbildlichem Charakter zu denken ist; dass dieses Kind unter unmittelbarster persönlicher Leitung Gottes und in engem persönli chen Verkehre mit Ihm gestanden hat; dass aber auch die Sünde schon frühzeitig störend, rückbildend, verdunkelnd, ja verthierend auf seine Entwicklung influirt und alle jene Erscheinungen urweltlicher Wildheit, Rohheit und Barbarei hervorgerufen hat, womit dieselbe von Anfang an auf vielen Punkten durchzogen und versetzt erscheint: eine jede dieser drei Wahrheiten, um deren Darlegung es uns im Obigen zu thun war, wurzelt aufs tiefste im Gotteswort und empfängt immer neue Bestätigung und Bekräftigung aus dem Ganzen seiner Offenbarungen. Und die weltlichen Wissenschaften unserer Zeit, die Naturforschung, die Sprachforschung, die älteste Cultur- und Religionsgeschichte, sie können, vorausgesetzt dass sie ihre Befugniss nicht überschreiten, sondern sich bescheiden eine jede innerhalb ihrer natürlichen Schranken halten, lediglich bestätigende Zeugnisse für die Offenbarung auf jenen Punkten darreichen. Ihre Vertreter, die schon jetzt auf vielfache Weise, direct wie indirect, der Wahrheit des Gottesworts die Ehre geben müssen, werden, je mehr sich der Gang ihrer Forschungen allmählich läutert, berichtigt, vervollständigt, desto entschiedner bekennen müssen, dass alle die berühmten urgeschichtlichen Theorieen der Neuzeit: die Lyell'sche Altersberechnung der Erde, die Darwin'sche Entwicklungs- oder Artenverwandlungslehre, und die pluralistische Menschenschöpfungstheorie eines Agassiz und anderer Polygenisten, dass sie sammt und sonders leere Hypothesen und nichtige Menschenfündlein sind, die da vergehen und der Vergessenheit anheimfallen müssen, während das Wort des HErrn als himmlisch geoffenbarte Wahrheit bestehen bleibt von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Bemerkungen zu Jac. 4, V. 5 u. 6.

Von

Eduard Engelhardt,
Pfarrer zu Feuchtwangen.

Eine der schwierigsten Stellen des neuen Testamentes, über welche die Exegeten in die mannichfachsten Deutungen aus einander gehen, ist die oben genannte. Ein Schriftcitat scheint V. 5 einzuführen und doch lässt sich die an eye angeschlossene Aussage nirgends im alten Testamente nachweisen. Die verschiedensten Wege wurden eingeschlagen, um diese Schwierigkeit zu beseitigen. Man hat die Aussage der Schrift schon in V. 4 mitgetheilt gefunden, als hiesse es: Wisset ihr nicht, dass die Schrift sagt: die Freundschaft der Welt ist die Feindschaft Gottes? Oder meint ihr, dass solches die Schrift grundlos behauptet? Keineswegs ist solches der Fall. Denn mit der höchsten Eifersucht begehrt sie den Geist zu besitzen, der in uns wohnet. So Theile. Allein dem steht entgegen, dass oldate sich an das christliche Bewusstseyn wendet, das aus der Lebenserfahrung solche Erkenntniss schöpft. Wollte Jacobus ein Wissen aus der Schrift in Anspruch nehmen, so hätte er füglich sagen müssen: Wisset ihr nicht, dass die Schrift sagt? Aber auch grammatisch ginge dies nicht wohl an; es müsste doch zum wenigsten TOUTO bei ya stehen, das nothwendig ein Objekt verlangt. Das Folgende aber würde sich bei einem so eng geschlossenen Gedankengang viel zu unvermittelt anreihen. Man erwartele οὐχ οὕτως mit folgendem γάρ. Jacobus pflegt nur neue Abschnitte ohne Partikeln zu beginnen, aber so eng geschlossene Gedankenreihen hätte er irgendwie verbunden. Es ist daher auch grammatisch höchst unwahrscheinlich, dass sich ἡ γραφη λέγει auf das Vorausgehende beziehe und πρὸς φθόνον den Gegensatz zu xevoç einleite. Dazu kommt dann, dass V. 4 sich im alten Testament in dieser Fassung nirgends vorfindet, und man so, um der einen Schwierigkeit zu entgehen, in eine viel verwickeltere hineingeräth. Nun hat man zwar auf Matth. 6, 24 hingewiesen oudeis dúvataι dvoì xvρίοις δουλεύειν u. s. w. und auf Rom. 8, 7: τὸ φρόνημα τῆς σαρκὸς ἔχθρα εἰς θεόν, allein die Fassung jenes Gedankens ist in diesen Stellen eine zu verschiedene, als dass sich eine Hinweisung auf sie denken liesse, und was das Entscheidendste ist es lässt sich von Jacobus, der so entschieden den Zusammenhang mit dem alten Testamente wahrt, nicht wohl

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