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unvollkommenen und wenig ansprechenden, Gestalt. Der Klagen hierüber wurden immer mehr. Die Versuche zur Abhülfe blieben auch nicht aus. Mehr als Eine Commission wurde eingesetzt, löste sich aber resultat!os wieder auf. Einmal nahm auch ein ein. zelner Gelehrter die Last auf seine Schultern, erklärte aber ebenfalls bald, dass sie ihm zu schwer sei; auch mochten die von ihm vorgelegten Proben keinen Beifall finden. So sind mehr als vierzig Jahre hingegangen,

lazwischen suchten mehrere Privatunternehmungen ei nem Bedürfnisse abzuhelfen, welches unter dem dänischen Volke in demselben Masse lebhafter und allgemeiner empfunden wurde, als zugleich mit dem Erwachen des christlichen Lebens die Bibel mehr gelesen und in den Bibelstunden, welche durch das ganze Land hindurch sich verbreitet haben und sehr fleissig besucht werden, ausgelegt wurde. Der verstorbene Pastor Lindberg, ein begab. ter, eifriger Landgeistlicher, unter Grundtvig's Schülern und Freunden einer der entschiedensten, freilich auch leidenschaftlichsten, vollendete die grosse Arbeit, nämlich eine Uebersetzung der ganzen Bibel, völlig allein, eine Arbeit, welche in sprachlicher Hin. sicht nicht geringe Vorzüge hat, aber freilich auch, wie von dem Manne sich erwarten liess, gar manche Sonderbarkeiten in der Wahl der Worte und Wendungen zur Schau trägt. Sie hat indess Eingang gefunden, und erscheint jetzt in zweiter Auflage. Etwas früher, nämlich im J. 1847, gab Dr. Kalkar, in Verbindung mit mehreren Freunden, jedoch er als der Hauptverfasser, die hl. Schrift mit kurzen Anmerkungen (in Form und Umfang der Fr. v. Meyer'schen Ausg. zu vergleichen) heraus. Dieses vortreffliche Werk findet durch das ganze Land hindurch grosse Anerkennung, und wird in vielen christlichen Familien gebraucht. In 5000 Ex. verbreitet, ist es jetzt längst vergriffen, was gewiss, zumal bei einem so kleinen Volke, ebenfalls dafür Zeugniss gibt, dass dort nicht Wenige in der hl. Schrift forschen.

Neuerdings aber, nämlich seit Anfang des J. 1866, ist die Angelegenheit in ein neues Stadium getreten. Die Revision der dänischen Volksbibel, und zwar des Alten Testaments, ist, in öf fentlichem und amtlichem Auftrage, kräftig in Angriff genommen, und nunmehr schon so weit gediehen, dass an der baldigen und glücklichen Vollendung der Aufgabe nicht mehr zu zweifeln ist.

Vermuthlich auf Anregung des, unter uns wie in seiner Heimath hochverehrten, Bischofs Dr. Martensen, oder mehrerer unter den Bischöfen des Landes, in deren Zahl sich ausgezeichnete Männer finden, hat die dänische Regierung jenen Auftrag erlassen, aber sehr weislich keiner allzu grossen Commission ertheilt, sondern zwei Männern, nämlich dem vorhin genannten, auch für diese Aufgabe längst erprobten Dr. Kalkar und dem Stiftspropste Zeitschr. f. luth, Theol. 1869. I.

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C. Rothe in Kopenhagen. Um aber bei einem so wichtigen Werke dem überwiegenden Einflusse einer Persönlichkeit oder einseitigen Richtung vorzubeugen, und überhaupt das zur Zeit erreichbar Beste herzustellen, sind den beiden Genannten zwei Ober-Revisoren, und zwar Männer von hervorragender Bedeutung (s. unten), zur Seite gestellt worden, welche indess ihren Einfluss nicht, wie sonst wohl bei solchen commissarischen Arbeiten der Fall ist, zur Erschwerung und Hemmung der Sache, sondern in erfreulichster Weise zu ihrer Förderung anwenden. Von Einer Seite war der Wunsch ausgesprochen und lebhaft befürwortet worden, dass jedes Stück der neuen Redaction einzeln veröffentlicht, und darnach die aus dem Lande eingehenden Kritiken und Aenderungsvorschläge in der Commission geprüft und möglichst benutzt werden sollten. Ein unglücklicher Gedanke! Hätte man ihm nachgegeben, so wäre das ganze Unternehmen wahrscheinlich in dem Gewir weiser und unweiser Bemerkungen längst stecken geblie ben; jedenfalls wäre es bei solcher Procedur nicht möglich gewor den, dass schon im Frühling des zweiten Jahres der Druck des Werkes seinen Anfang nahm, um von da seinen ungehinderten Fortgang zu nehmen.

Um aber dem, der sich für die ganze Angelegenheit und die auch unter uns öfter wiederkehrende Frage nach dem richtigen Modus interessirt, einen Einblick in jene Werkstätte zu gewähren, welche ohnlängst in der dänischen Schwesterkirche geöffnet ist, und welche ohne Zweifel ein kirchliches Werk von bleibendem Werthe zu Tage fördern wird, scheint es mir zweckmässig, ein Actenstück, welches mir vorliegt, hier mitzutheilen. Es ist nämlich ein schon im Frühjahr 1867 von jenen Duumviren über Anfang und bisherigen Fortgang der schwierigen Arbeit amtlich erstatteter Bericht. Dieser lautet in wortgetreuer Uebersetzung folgendermassen:

,,An das Ministerium für das Kirchen- und Schulwesen des König. reichs Dänemark.

Nachdem wir Unterzeichneten, welchen am 19ten Januar vor. J. der Auftrag ertheilt worden, unsere kirchliche Uebersetzung des Alten Testaments einer gründlichen und genauen Revision zu unterziehen, nunmehr mit unserer Arbeit soweit fortgeschritten sind, dass das erste Buch zum Drucke abgeliefert ist: halten wir es für unsre Pflicht, E. H. Ministerium über die Art und Weise, wie wir zu Werke gegangen, ferner, wie weit wir bisjetzt gekommen sind, einen Bericht zu erstatten. Freilich hatte ich, der mitunterzeichnete Rothe, der ich, unter der Bürde neuer Amtsobliegenheiten, an der Arbeit mich nicht in gewünschtem Masse und Umfange betheiligen konnte, der Commission die Hinzuziehung

eines dritten Mitgliedes angerathen, damit der Fortgang des Werkes keine Störung erleide: jedoch, in Betracht der mancherlei Ungelegenheiten, welche mit einer grösseren Vertheilung der Arbeit verbunden sind, namentlich der Schwierigkeit, bei einer grösseren Anzahl von Mitarbeitern jedesmal die nöthige Uebereinstimmung zu erzielen, habe ich mich bestimmen lassen, einen Antrag zurückzuziehen, welcher meinen Mitarbeitern nicht zusagte.

Bei unsrem gemeinsamen Werke sind wir in folgender Weise verfahren. Zuerst vertheilten wir unter uns sämmtliche Bücher des A. T. dermassen, dass ich, Rothe, die fünf Bücher Mose, Hiob, die Psalmen, sowie die zehn ersten der kl. Propheten zu revidiren übernahm, und ich, Kalkar, die übrigen historischen Bücher, die Sprüche, den Prediger und das Hohelied, dazu die vier gr. Propheten, wie auch Sacharja und Maleachi. Diese verschiedenen Bücher haben wir zuvörderst, jeder für sich selbst, wie sie uns zugetheilt waren, bearbeitet, nur dass ich, Rothe, die übernommenen zehn kl. Propheten noch unter Händen habe.

Das Nächste war, dass wir gegenseitig Einer des Anderen Arbeit durchsahen und prüften, ausserdem aber auch etliche Fragen mit einander besprachen, über welche eine Verständigung unerlässlich schien. Sobald unser Auftrag bis dahin ausgeführt war, übersandten wir diese unsre erste Revision an Bischof Mar. tensen Hochw. und Prof. Hermansen [Orientalist], welche beide mit der Ober-Revision dieser Arbeit beauftragt waren. Die hierauf von Prof. Hermansen eingelieferten ausführlichen und auf Einzelheiten eingehenden Bemerkungen wurden von uns zum Behuf einer neuen Durcharbeitung des ersten Entwurfes sorgfältig benutzt. Diese Durchsicht nahmen wir in regelmässigen wöchentlichen Zusammenkünften vor, dergestalt, dass dieselbe eine durchweg gemeinschaftliche blieb. Die nunmehr von uns beiden nöthig und zweckmässig befundenen Berichtigungen und Aenderungen trugen wir in ein für diesen Zweck eingerichtetes Exem. plar der Bibel ein. Hiermit war die zweite Revision unserseits vollendet, welche wir alsdann den genannten beiden OberRevisoren zustellten. Schliesslich wurde sie noch einmal mit Prof. Hermansen in mündlicher Berathung durchgegangen, um über einzelne streitige Stellen uns mit ihm zu einigen.

Allerdings hat bei dem hier dargelegten Verfahren die Arbeit nicht den raschen Fortgang haben können, welcher aus manchen Gründen zu wünschen wäre: wir sind aber überzeugt, dass bei rascherer und oberflächlicherer Behandlung der Sache die Revision unsrer Volksbibel welche einer Berichtigung doch weit mehr, als wir selbst Anfangs meinten, bedürftig erfunden ist in keiner Hinsicht befriedigend ausfallen könnte. Nachdem indessen der Anfang in der oben beschriebenen Weise gemacht, und nachdem

sowohl die Grundsätze, denen wir folgen, wie unsere Anwendung derselben hinlänglich erprobt sind: so dürfen wir uns der Hoffnung hingeben, dass fortan die noch übrige Arbeit schneller fort gehen werde, es wäre denn, dass die Revision der poetischen und prophetischen Bücher, ferner die Correctur unter dem Drucke der selben, uns schliesslich noch besondere unerwartete Schwierigkeiten bereiten.

Um das bisher erreichte Ziel näher zu bezeichnen, fügen wir hinzu, dass ich, Kalkar, bereits die erste Revision der apo kryphischen Bücher angefangen habe, wobei ich bis zum Buche Jesus Sirach vorgerückt bin, und dass seinerseits Prof. Hermansen unsre Revision auch des zweiten Buches Mose schon durchgenommen und seine Bemerkungen beigefügt hat, überdies zu sämmtlichen Büchern von Josua bis Esra, endlich zu den 26 ersten Capiteln des B. Hiob.

Bei der zweiten gemeinschaftlichen Revision haben wir bisher, ausser dem 1. Buche Mose, die Bücher Josua, Richter, Ruth und das 1. Buch Samuelis erledigt. Druckfertig ist das erste B. Mose 1) und der grösste Theil des B. Josua.

Wir haben uns zu dem Beschlusse geeinigt, die erste Auf lage der neuen Kirchenbibel auf 1000 Ex. zu beschränken, damit demnächst bei der zweiten Auflage, welche jedenfalls stereotypirt werden muss, die bis dahin laut gewordenen öffentlichen Urtheile etwa noch zu einzelnen Berichtigungen benutzt werden können.

Indem wir uns beehren, E. H. Ministerium diesen unseren Bericht vorzulegen, wagen wir zu hoffen, dass der gegebene Ueberblick immerhin für den Draussenstehenden durch die verschie nen Stadien der Arbeit nicht so leicht verständlich jedenfalls dafür Zeugniss geben werde, dass die uns übertragene Aufgabe mit den uns verliehenen Kräften bestens gefördert wird, und dass das Werk mit Gottes Hülfe zu seinem nicht allzu fernen endlichen Abschlusse fortschreitet.

Kopenhagen d. 18. Mai 1867.

C. Rothe. Kalkar."

Bei dem Blicke auf die vorstehend geschilderte Revisionsarbeit in dem kleinen Dänemark drängt sich unwillkürlich die Vergleichung auf mit Dem, was das grosse evangelische Deutschland seit einer Reihe von Jahren in gleicher Tendenz anstrebt. Drüben energische, umsichtige und erspriessliche Arbeit, welche den rechten und nicht allzuvielen Händen mit unbeding tem Vertrauen übergeben ist, während bei uns die seit jenem Stuttgarter Kirchentage geführten Verhandlungen zwar zuletzt

1) Seitdem ist nicht nur das 1. Buch Mose im Druck fertig, sondern schon mehrere der folgenden Bücher dem Druck übergeben worden.

durch die Energie des Preussischen Ober- Kirchenrathes, welcher die Beschlüsse der Eisenacher Conferenz einfach beseitigte, zu ei. ner That gediehen sind; aber diese That die neuliche Herausgabe des revidirten Neuen Testaments wird sie den gewünschten Erfolg haben, nämlich eine Einigung der deutschen Landeskirchen und Bibelgesellschaften?

Al. Michelsen.

II. Die stereotypen Klagen der Neuen Evangelischen (oder richtiger neu-evangelischen) Kirchenzeitung über die, welche im Hader um Confession oder Union die evangelische Kirche zerfleischen u. s. w. u. s. w., könnten wir als selbstverständlich zwar fortdauernd ignoriren; wir wollen sie aber zum Ueberfluss doch ein für alle Mal ausdrücklich durch die kurze Hinweisung darauf beantworten, dass vor 1817 in und ausserhalb Preussen Lutherische und Reformirte ja schiedlich und friedlich ihren Weg gingen, dass aller neuere confessionelle Hader auf protestantischem Gebiete notorisch nur durch den Unionsschwarm und Unionsdespo. tismus erweckt worden ist, und ebenso notorisch auch nur dadurch erhalten wird, dass man unionistischerseits fortdauernd der lutherischen Kirche und ihren Bekennern ihr einfachstes Recht vorenthält; dass also die Ursach alles jenes Haders nicht in der Confession, sondern in der Union zu suchen ist. 1) Hört man endlich einmal auf, das non licet esse vos mit Wort und That Lutheranern entgegen zu rufen, fängt man endlich einmal an, das Panier wahrer Rechtsgleichheit oder wenigstens Duldsamkeit ehrlich aufzurichten, zeigt man endlich einmal sich geneigt, von dem unrecht gewonnenen Gute nur ein klein wenig zurück zu erstat ten: dann, aber freilich auch dann nur, ist der Streitszunder vernichtet, und es wird Friede seyn, Friede, wie er vor Einführung und despotisch gewollter Alleinherrschaft des unseligen Unionswerks, das doch jetzt als ein Segenswerk anzupreisen erste, ja einzige Forderung höchster Autorität ist, unter uns bestanden hat, und ausserhalb unserer Grenzen auch aller Orten besteht, wo man das unreifste Product moderner Weisheit von sich abzuwehren irgend vermocht hat. Ob und wie in diesem Frieden dann eine Mehrheit protestantischer Confessionen neben und mit einander sich (förmlich conföderirt oder nicht, aber immerhin auch äusserlich

1) Die N. E. weiss sonst so wohl zu unterscheiden, dass sie Unterschiedenes selbst in kleinlichster und unberechtigtster Unterscheidungsweise unterscheidet (indem sie z. B. 1868 Nr. 20 consequent stets von D. Baumgarten und Dr. Schwalb, nie von Dr. B. und D. S. redet, als habe diese denkbar absurdeste Unterscheidungsweise eines Dr. theol. und Dr. phil. durch D. und Dr. irgend einen vernünftigen Grund): sollte sie wirklich den Unterschied der Schuld von Union und Confession am Hader nicht zu durchschauen vermögen?

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