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von Steenfelde allen anderen Höhen gegenüber in seinem Aufbau eine ausgeprägte Individualität. Im Osten, Süden, Westen und Nordwesten dieses von der Steenfelder Kirche gekrönten und allseitig sanft abfallenden Höhenzuges läßt sich die Grundmoräne in der Fazies des Geschiebelehms nachweisen, der sich nirgends, wie es bei den Durchragungszügen der Fall ist, an den Flanken hinaufzieht. Die Höhe ist aus konkordant geschichteten Bänken aufgebaut, die diskordant zu einander gelagert sind. Am Grunde der Einzelbänke finden sich Blöcke, die deutlich die Spuren des Wassertransports an sich tragen, von Faustbis fast Kopfgröße. Auch das deutet mit Sicherheit an, daß es eine frühhvitåglaziale Bildung in Form eines Durchragungszuges nicht sein kann. Die Höhe ist vielmehr, wie die Gerölle und der gesamte Aufbau deutlich erkennen lassen, aus Geröllglazial aufgebaut. Da sie mit den Geschiebeåsar links von der Ems gleiche Streichrichtung hat, so kann die Steenfelder Höhe als nichts anderes als ein Geröllås gedeutet werden.

Über die Entstehung des Geröllåsar ist auch heutzutage manches noch nicht geklärt. Doch herrscht kein Zweifel darüber, daß sie beim Rückzuge des Eises unterhalb des Eiskörpers entstanden sind und daß das Inglazial dazu das Material geliefert hat. Beim Dorfe Steenfelde, das von dem schon seit alten Zeiten aus dem Ås entnommenen erratischen Material seinen Namen hat, finden sich mehrere gute Aufschlüsse, welche im Querschnitt die Linsenstruktur deutlich erkennen lassen und im Längsschnitt die langgestreckten, beiderseits flach auskeilenden Bänke zeigen, die in sich konkordant geschichtet sind und durch braune Eiseninfiltrationen wie durch Adern voneinander geschieden werden. Häufig finden sich Riesenkessel, die teils tief keilförmig hinabsteigen und durch eingeschwemmten Kies, der mit Tonlamellen wechsellagert, wieder ausgefüllt wurden, teils aber bis 2 m Durchmesser erreichen und dann meist mit einem groben Kiese ausgefüllt sind, der durch die Eisenhydroxyde oben schwarz, in den unteren Partieen tiefgrau gefärbt ist. Die schon seit Jahrhunderten betriebene Ausbeutung des Geröllås auf Blöcke und Kies wird noch in der Gegenwart fortgesetzt.

Der Geröllås von Steenfelde zeigt im Süden einen deutlichen Abfall zur Ebene, während er im Norden sehr flach verläuft und bei Großwolde sein Ende erreicht, wo in der Nähe der Kirche sich im Späthvitåglazial die verschleierte Innenmoräne in Feuerstein- und Granitgeröllen deutlich nachweisen ließ. Der Nordabfall ist deshalb nur sehr schwach charakterisiert, weil sich der As hier orographisch unmerklich als ein späthvitåglazialer Sandrücken fortsetzt, der noch weit über Ihrhove hinaus nordwärts zu verfolgen ist. Der Westabhang ist namentlich deshalb deutlicher ausgeprägt als der Ostabhang, weil hier an der Westflanke stets die Ausbeutung vor sich ging. Südostwärts scheint sich das Geröllglazial als deckenförmige Innenmoräne noch weiter auszubreiten; ich konnte es als solche in einer Kiesgrube in Flachsmeer nachweisen 1).

1) Etwa 1 km nordwärts davon traf ich wieder die Grundmoräne als blockreichen Geschiebelehm an. Man möchte die Vermutung hegen, daß die decken

Zwischen den parallelen, benachbarten und, wenn auch im Aufbau verschiedenen, so doch durchaus gleichaltrigen Åsar von Diele-Stapelmoor im Westen und Steenfelde im Osten floß in frühpostglazialer Zeit ein Asbach nordwärts, um bei Leerort in die jetzige Leda zu münden. Er bildete den Wegweiser für die Wasser der erst viel später infolge von Stromverlegungen mit der Leda verbundenen Ems1).

3. Der Sandr vor der End moräne. Neben jenen Moränenrücken beherbergt das Vorland der Tergaster Endmoräne noch eine Anzahl ebenfalls in Süd-Nordrichtung streichender Höhen, welche durch einen ganz anderen Aufbau charakterisiert sind. Dahin gehören die Bunderhee, die Höhe von Weenermoor und von Holthusen, der Höhenzug von Weener, soweit er nicht durch den verdeckten Geschiebehügel im Süden repräsentiert wird, die Höhen von Bingumgaste und MitlingMark, welche sich orographisch ausnehmen fast wie Bild und Spiegelbild, der flache Sandrücken von Großwolde und Ihrhove, der nördlich dem Steenfelder Geröllås angelagert ist, die späthvitåglaziale Auffüllung zwischen den Geschiebehügeln von Rhaude und Holte, der Holterbarg, nordöstlich von Holte u. a. m.

Auf der Bunderhee fand ich einen Aufschluß, der 3 m tief war und nichts als den typischen späthvitåglazialen Decksand zeigte. Im Osten, Westen und Süden des Höhenzuges ist Grundmoränenlehm nachweisbar, der beim Brunnengraben in Bunderhee und Bunde auch überall unter diesem Höhenrücken angetroffen wird. Er ist also aus reinem Späthvitåglazial aufgebaut und lagert als jüngere Bildung auf der allenthalben scheinbar ganz horizontal sich hinziehenden Grundmoränendecke 2).

Die Höhe von Weener ist dem verdeckten Geschiebehügel unmittelbar angelagert. Der Bahneinschnitt gleich südlich von Weener zeigt eine Mächtigkeit des Decksandes von 4-42 m. Der Bahnkörper ruht hier im Einschnitt auf dem Geschiebelehm. In Weener ausgeschachtete Keller zeigten ebenfalls das typische Späthvitåglazial, so daß der Höhenrücken von Weener im Schema folgendes Längsprofil zeigt: N.

S.

Verdeckter
Geschiebehügel

Späthnitaglazial

Grundmoräne

Weener

Bahneinschnitt

Ähnlich liegen die Verhältnisse beim Steenfelder Geröllås, dem auch nordwärts ein flacher späthvitåglazialer Sandrücken, auf dem die Dörfer Ihrhove und Großwolde liegen, angelagert ist. In gleicher Weise sind die Geschiebehügel von Holte und Rhaude durch eine späthvitåglaziale Ausfüllung verbunden.

förmige Innenmoräne sich vielleicht ostwärts noch über Flachsmeer hinauszieht. Spätere Untersuchungen werden darüber die nötige Klarheit bringen.

1) Weiteres darüber im hydrographischen Teil.

2) Bei den Überschwemmungen früherer Jahrhunderte, die endlich die Entstehung des Dollarts herbeiführten, bildete die Bunderhee eine wasserumflutete Halbinsel. Hee bedeutet Höhe, Bunderhee also Höhe von Bunde.

Ebenso zeigen sich die Höhen von Bingumgaste, Mitling-Mark und Holterbarg aus reinem Späthvitåglazial aufgebaut. Das Dorf Weenermoor liegt auf einem ebensolchen Hügel, der nahezu 112 km lang ist und im N und S flach in der Ebene verläuft. Bei Holthusen erreicht der Decksand eine Mächtigkeit von 3 m, wie mir ein dortiger Aufschluß bewies.

Aus den Lagerungsverhältnissen von Weener, vom Steenfelder Geröllås und den durch Späthvitåglazial verbundenen Geschiebehügeln von Rhaude und Holte, sowie aus dem späthvitåglazialen Baumaterial muß gefolgert werden, daß alle diese aus Decksand bestehenden Höhen jünger sind als die Moränenrücken. Während die Asar schon entstanden, als das Eis mit seinen peripheren Teilen noch Reiderland und Overledingen bedeckte, gelangten diese meist langgestreckten Sandhöhen erst zur Ablagerung, als der Eissaum schon bis zu seiner Stillstandslage von Tergast zurückgewichen war. Die Verhältnisse des Höhenzuges von Weener zeigen mit zwingender Beweiskraft, daß die Ablagerung dieser späthvitåglazialen Höhen nur von Norden her erfolgt sein kann. Die Schmelzwasser transportierten die Sandmassen nach dem Süden. In dem verdeckten Geschiebehügel von Weener und im Steenfelder Geröllås stellten sich ihnen Barren entgegen, an denen sie rechts und links vorbeiflossen, indem sie davor die späthvitåglazialen Rücken herausmodellierten, die daher allesamt gleichaltrig und genetisch gleichartig sind. Sie repräsentieren in ihrer Gesamtheit einen Sandr vor der End moräne 1).

Überblickt man das ganze Diluvium südlich von der Leda-Unterems-Linie von der Bunderhee im Westen bis zum Holterbarge im Osten, so muß man gestehen, daß es in den großen orographischen Zügen gruppenweise ganz gleich gebaut ist und daher ein einheitliches Gebiet des ostfriesischen Diluviums darstellt, das in seiner Entwicklungsgeschichte deutlich seine Abhängigkeit vom Stillstande des Eises an der Tergaster Endmoräne bekundet. Man kann es dementsprechend als das Vorland der Tergaster End moräne bezeichnen.

b) Das glaziale Stromtal der Urems.

Aus der weiter unten geschilderten Entwicklungsgeschichte der hydrographischen Linien zwischen Weser und Vecht geht hervor, daß Hunte und Leda einst eine einzige Stromlinie, die Urems, bildeten, weshalb das glaziale Stromtal der Leda-Unterems als dasjenige der (unteren) Urems bezeichnet werden muß.

Als das Inlandeis bei Tergast stationär wurde, flossen die Schmelzwasser in der ersten Periode südwärts und bedeckten das Vorland der Endmoräne mit den späthvitåglazialen Höhen, die in ihrer Gesamtheit den Sandr vor der Endmoräne darstellen. Später suchten sich die

1) Die Bezeichnung „Sandr" stammt aus Island und wurde zuerst von Keilhack in die Terminologie eingeführt. Konrad Keilhack, Vergleichende Beobachtungen an isländischen Gletschern und norddeutschen Diluvialablagerungen. Jahrbuch der Königl. preuß. geolog. Landesanstalt für 1883, S. 168 ff.

Schmelzwasser, vor dem Eisrande nach NW drängend, einen Abfluß nach der Nordsee, wodurch das glaziale Uremstal geschaffen wurde, das daher jünger ist als der Sandr vor der End moräne. Der Anstoß zur Bildung dieser glazialen Rinne wurde möglicherweise durch die weiter ostwärts vielleicht in der Gegend der Stadt Oldenburg - vor dem Eissaume gestauten Schmelzwasser gegeben. Allmählich bildete sich vor dem Eisrande ein breites, sehr flaches Stromtal aus, das nach vollendetem Eisrückzuge von einem Flusse bewässert wurde, der als Urems die Hunte-Leda-Linie darstellte, von deren Lauf der jetzigen als Ems bezeichneten Stromlinie nur das unterste Stromstück von Leerort bis Borkum einverleibt wurde. Wenngleich späterhin die täglich zweimal hereinströmende Flutwelle fast das ganze glaziale Uremstal, soweit es Ostfriesland angehört, mit einer fruchtbaren Decke regenerierten Tonbodens in Gestalt der Flußmarsch bereicherte, so ist doch die ganze Tektonik des Tales und seine Entwicklungsgeschichte eine so echt diluviale, daß sie hier nicht übergangen werden darf.

Das glaziale Stromtal der Urems stellt sich als eine etwa 4 km breite, sehr flache Rinne dar, bei deren Entstehung bedeutende Schmelzwassermassen tätig gewesen sein müssen. Als später durch Stromverlegung die Hunte die oberen zwei Drittel der Urems ihre Wasser der Weser zuführte, fehlten dem nun fast zum toten Tale gewordenen unteren Reststück die großen Wassermassen und damit der Hauptfaktor der erodierenden Kraft. Die geschiebefreien Wasseradern der Leda und Jümme vermochten bei dem ihnen eigenen sehr geringen Gefälle ihre Rinnen nicht rasch genug zu vertiefen. So stand ihnen bei jedem Hochwasser, das durch herabströmendes Regenwasser oder durch Stauung der Flußwasser in der Emsmündung bei den häufigen Südweststürmen herbeigeführt wurde, ungehindert das ganze breite Flußtal offen, das daher bald gründlich versumpfte und allmählich zu einem weitgedehnten Wiesenmoor wurde, das sich durch das allenthalben zu konstatierende Darglager (Wiesentorf, Grastorf) kundgibt. Späterhin wurde dann dieses Lager von Torfsubstanz nach Maßgabe der täglich eindringenden Flutwelle nach und nach von einer Decke fruchtbarer Flußmarsch überlagert. Die im glazialen Stromtal vorhandenen wenigen Siedelungen leiden daher allesamt unter dem Mangel eines guten, reinen Trinkwassers, da das den Brunnen zufließende Sickerwasser durch organische Beimischungen, sowie Ulminate und Huminate gebräunt und verunreinigt wird.

Die nach Süden vorspringende Höhe von Leer zwang die Abschmelzwasser, diesen Geestrücken in einem stumpfen Winkel zu umfließen. Die Ursache dieser auffälligen Einbuchtung der sonst OSO-WNW verlaufenden Tallinie bildet der Durchragungszug von Heisfelde.

c) Der Durchragungszug von Heisfelde.

Von Bollinghusen nördlich von der Stadt Leer zieht in einer Länge von etwa 2800 m in der Richtung Nord zu Süd 20 Grad zu West durch das Dorf Heisfelde ein nicht sehr deutlich hervortretender Höhen

rücken, der sich bis zur Deichstraße in Leer verfolgen läßt und weiter südwärts in das Weichbild der Stadt hineinzieht, sehr wahrscheinlich bis ans Ufer der Leda, da in Leer, namentlich in der Gegend der Uferstraße, ein deutlicher Abfall des Ufers gegen den Fluß hin zu konstatieren ist, wie er sonst im ganzen Ledatale nicht wieder in dem Maße vorkommt. Auf dem Rücken des Höhenzuges hat die Stadt Leer im Interesse der städtischen Wasserversorgung Bohrungen anstellen lassen und treffliches Trinkwasser erbohrt. Ein hohes Eisengerüst krönt daher die stumpfe Kuppe der Höhe westlich von dem Dorfe Heisfelde. Auch sonst hat Menschenhand an dem Höhenzuge manches verändert. Seit langer Zeit hat man ihm Tausende von Kubikmetern des schönsten Kieses entnommen, die Oberfläche eingeebnet und die sanft gewölbte Höhe horizontal gelegt. An der Ostflanke finden sich noch heute mehrere Aufschlüsse, welche über die Natur des Höhenzuges Klarheit verschaffen. Namentlich instruktiv in dieser Beziehung war die van Hoornsche Kiesgrube.

Der ganze Höhenzug ist einheitlich aus konkordant geschichteten Kiesen aufgebaut, deren Einzelbänke zueinander diskordant gelagert sind. An beiden Flanken des Rückens findet man die Grundmoräne in der Fazies eines blockreichen Geschiebelehms, der aufwärts sanft auskeilt. In der östlichsten Kiesgrube wechselt ihre Mächtigkeit außerordentlich, indem sie bald 12, dann 1 m, ja oft 12 m beträgt. Der Geschiebelehm erscheint deutlich in das Frühhvitåglazial hineingepreßt, das daher in seinen obersten Partieen reich ist an Erscheinungen des Eisdruckes. In der van Hoornschen Kiesgrube wurden zahlreiche Driftblöcke gefunden, wie schon oben erwähnt worden ist. Auf der Kuppe der Höhe fehlt die Lehmdecke, die an der Ostflanke noch von etwa 12 m Decksand überlagert wird, zusamt dem Späthvitåglazial; hier liegt unmittelbar unter der Ackerkrume der frühhvitåglaziale Kies zu Tage. Im Schema zeigt der Heisfelder Höhenzug folgendes Querprofil:

[blocks in formation]

Das Frühhvitåglazial durchragt also die jüngeren Glieder des Diluviums; der Heisfelder Höhenrücken ist demnach ein Durchragungszug.

Der frühhvitåglaziale Kern des Heisfelder Durchragungszuges wurde beim Vorrücken des Eises von den Schmelzwasserbächen auf dem Vorlande des Inlandeises als sanfter Rücken herausmodelliert. In der flachen Rinne an seiner Ostflanke erfolgte dabei eine lebhafte Drift von Eisblöcken, die die mitgeführten Geschiebe in das Frühhvitåglazial einbetteten, worauf die Blöcke dann mit dem Kiese zugedeckt wurden. Das vorrückende und hinüberschreitende Eis vermochte den frühhvitåglazialen Rücken nicht einzuebnen, nur die Flanken wurden daher mit der Grundmoränendecke bekleidet, die langgestreckte Kuppe des Rückens aber erhielt keine Einhüllung durch Grundmoränenmaterial oder eine so höchst unbedeutende, daß sie jetzt nirgends mehr nachweisbar ist.

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