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3. Die Innenmoräne.

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Die Beobachtungen und Berichte v. Drygalskis haben uns gelehrt, daß die Grundmoräne aus dem Eise herausschmilzt, indem sie durch das Schwinden des Eiszementes entsteht". Demnach geht die Grundmoräne aus der Innenmoräne hervor und ist nichts anderes als die beim Vorrücken des Eises abgelagerte Innenmoräne. Hat aber das Eis nicht seinen gesamten Blockinhalt zum Aufbau der Grundmoräne hergegeben, sondern streckenweise noch einen Rest oder den größeren Teil bewahrt, so gelangt dieser Schuttinhalt während des Eisrückzuges als Innenmoräne zur Ablagerung. Diese tritt daher nicht wie die Grundmoräne als kontinuierliche Decke, sondern nur streckenweise in Deckenform auf, während sie öfters ganz ausgeschaltet ist. In den Eistunneln wurde sie von den Schmelzwassern zu Moränenrücken (Geröllåsar) aufgearbeitet, die daher ihre Längsachsen rechtwinklig zum Eissaume orientieren. Vor dem Eisrande aber und parallel mit diesem entstanden durch Aufschüttung des Geröllglazials die Rand- oder Endmoränen, auch Aufschüttungsend moränen genannt, die Drygalski (a. a. O. S. 110) im Karajakgebiet bis zu 30-40 m Höhe aufgehäuft sah.

Infolge der Bearbeitung und Ablagerung durch die Schmelzwasser wurde das Inglazial stets schicht- oder bankweise abgelagert. Diese Bänke haben im Durchschnitt flach-elliptische Form (Linsenform) und sind zu einander diskordant gelagert; doch ist jede Einzelbank in sich konkordant geschichtet. So kommt in den Ablagerungen des Geröllglazials die diskordante Parallelstruktur oft in höherem Maße zur Ausprägung als in den frühvitåglazialen Sanden und Kiesen, namentlich in den vom Inglazial gebildeten Höhenrücken. Je nachdem das Material der Innenmoräne bald oder nach längerem Wassertransport zur Ablagerung gelangte, sind die Blöcke entsprechend mehr oder weniger abgerollt. Nur bei sehr baldiger Ablagerung vermögen die Blöcke noch ihre Kantenrundung, Schliffflächen und Glazialschrammen zu bewahren; in Ostfriesland habe ich das allerdings nirgends beobachten können. Hier zeigte allenthalben das Geröllglazial starke Abrollung. Wie rasch die Spuren des Eistransportes vom Wasser beseitigt werden, konnte Keilhack sehr schön auf Island beobachten; er berichtet1) darüber: „Einige Bemerkungen über das Vorkommen der geschrammten Geschiebe, der Scheuersteine, in den verschiedenen Glazialablagerungen seien mir hier gestattet. In den Moränenbildungen sind dieselben so allgemein, daß wir in den Endmoränen des Sölheima-Jökulls z. B. kaum ein einziges größeres Geschiebe gefunden haben, welches nicht vorzügliche Schrammung gezeigt hätte. Aber nur 100 m abwärts von der Gletscherstirn war nicht ein einziges geschrammtes Geschiebe mehr zu erblicken, sondern alle hatten die Spuren des Eistransportes ganz verloren und trotz der Kürze der Strecken, auf der sie bewegt waren, völlig den Charakter von Flußgeröllen angenommen. Ein wenn auch

1) Keilhack, Vergleichende Beobachtungen an isländischen Gletschern und norddeutschen Diluvialablagerungen. Jahrbuch der Königl. preuß. geolog. Landesanstalt für 1883, S. 172.

noch so unbedeutender Wassertransport vernichtet also alle Spuren des Eistransportes."

Die Bezeichnung der Innenmoräne als Geröllglazial darf nicht zu der Annahme führen, daß nun auch alles in der Innenmoräne anzutreffende Moränen glazial gerollt sein müßte. Wie die Geologie stratiMoränenglazial graphische Begriffe konstruiert, deren Bezeichnung nur von einer charakteristischen Fazies der ganzen stratigraphischen Reihe hergeleitet ist, wie z. B. die der Kreideformation, deren Schichtenserie wir aber größtenteils in der Sandsteinfazies ausgebildet finden, so ist auch der Begriff des Geröllglazials aufzufassen. Doch sah ich in ganz Ostfriesland nur an einer einzigen Stelle, im Geröllås von Etzel, eine Innenmoränenfazies entwickelt, die nicht dem Gerollten, sondern dem Suspendierten angehört.

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Hier in Etzel fand sich ein schön bänderartig geschichteter Glimmerton in den unteren Teilen der Innenmoräne, der von Eisenverbindungen gelb gefärbt war, und dessen ausgeworfene Schollen gelbem Lehm täuschend ähnlich sahen. Ich vermag mir nicht zu versagen, die instruktiven Ausführungen Keilhacks über die Bildung dieser inglazialen Tone hier anzuführen. Er sagt (a. a. O. S. 168 und 169) darüber: Gerade der Umstand, daß oft inmitten ausgezeichnet grandiger Bildungen, deren diskordante Parallelstruktur keinen Zweifel daran aufkommen lassen, daß man es in ihnen mit Absätzen schnell strömender Wasser zu tun hat, solche Linsen und Schmitzen feinsten, tonigen Materiales sich finden, läßt ihre Entstehung schwer erklären.. Die niedrige, in parallelen Rücken vor der Gletscherstirne liegende Endmoräne wird ununterbrochen von den Gletscherwassern umgearbeitet, eingeebnet und in geschichtete Bildungen verwandelt. An einer Stelle nun hatte einer der Schmelzwasserbäche, aus deren Vereinigung der Fulilaekr entsteht, durch aufgeworfene Kiesmassen sein eigenes Bett sich zugedämmt, etwas weiter oberhalb von der absperrenden Barre am Rande seines neu eingewühlten Bettes eine zweite Kiesbank aufgeworfen und auf diese Weise aus einem Teile seines alten Bettes einen kleinen, ringsum abgeschlossenen See gebildet, dessen Boden etwas tiefer lag, als der des daneben fließenden trüben Baches. Infolgedessen sickerte durch die Kiese des den kleinen Tümpel einschließenden Uferwalles ununterbrochen Wasser hindurch, das mit tonigen Teilen beladen in denselben hineingelangte, erstere in ihm absetzte und auf der anderen Seite, gewissermaßen filtriert und gereinigt, wieder abfloß. So mußte sich hier auf den groben Kiesen eine Tonablagerung bilden, die in ihrer Schichtung selbstverständlich der Oberfläche des Grundes, auf dem sie zum Absatze gelangte, sich anschmiegte. An einer anderen Stelle in der Nähe der eben beschriebenen sah ich dann noch eine zweite, ähnlich entstandene, kleine Einsenkung, die ebenfalls zum Absatze von Ton Veranlassung gegeben hatte, aber bereits völlig trocken gelegt war: das Resultat war hier gewesen, daß eine äußerst fein geschichtete, wenig mächtige Tonlage die vielleicht nur um Tage oder Stunden älteren Kiese überlagerte. Ein warmer Tag aber und damit gesteigerte Eisschmelze muß in solchem Gebiete völlig genügen, das Abflußsystem der Schmelzwasser umzuändern. Heftiger Wasserandrang

wird die kleine absperrende, wenig widerstandsfähige Barre zerstören, grobe Kiese werden über den Tonen aufgeschüttet, und so inmitten groben Materiales eine Schicht feinsten Tones in einem von außerordentlich reißenden Wassern durchströmten Gebiete gebildet. Dieser Vorgang kann sich natürlich mehrmals wiederholen und zu einer sehr wechselnden Schichtenfolge führen.“

Das Gerollte findet sich im Inglazial in jeder Größe vom feinsten Kiese bis zu großen Rollblöcken von fast 2 cbm Inhalt.

Nach den Lagerungsverhältnissen des Geröllglazials unterscheidet man eine deckenförmige Innenmoräne und eine solche in Hügel- und Wallform.

1. Die deckenförmig entwickelte Innenmoräne. Bei der deckenförmigen Innenmoräne ist es manchmal schwer, ja geradezu unmöglich, sie von dem Späthvitåglazial oder auch vom Subglazial abzutrennen 1). In Ostfriesland ist nun, wie bei der Besprechung des Späthvitåglazials hervorgehoben werden wird, die Trennung des Inglazials vom Späthvitåglazial insofern leichter, als namentlich in den ostelbischen Gebieten des norddeutschen Flachlandes, weil in Ostfriesland überall das Späthvitåglazial nur in der Fazies eines gleichförmigen, feinkörnigen und feingeschichteten Decksandes anzutreffen ist. In dieser reinen Ausbildungsweise führt der Decksand niemals Gerölle. Wir dürfen daher immer dort, wo das Späthvitåglazial in seinen unteren Schichten Gerölle enthält, deren Gegenwart gleichzeitig eine unruhige Ablagerung in diskordant gelagerten, manchmal kiesigen Bänken erkennen läßt, ein verschleiertes Inglazial annehmen, das sich als Glied des Diluviums aber nicht mehr vom Späthvitåglazial trennen läßt. Ich betone nachdrücklich, daß sich der Nachweis der vom Decksand nicht abzutrennenden verschleierten Innenmoräne in den Geröllen der unteren Partieen dieser beiden zur scheinbaren Einheit verschmolzenen Glieder nur für Ostfriesland verwenden läßt. (Siehe S. 37 u. 38.) Ich traf diese verschleierte Innenmoräne an manchen Stellen, so z. B. in Plaggenburg etwa 1 km südlich vom Meerhuser Walde, in Lüdstede westlich von der Ziegelei, in den Rüstmannschen Kiesgruben in Nenndorf, in Wiesederfehn, westlich von der Barger Schäferei (südlich von Marx), in Poggenkrug, im Dorfe Uttel bei Wittmund, im ausgetrockneten Mühlenberger Meer östlich von Hopels und a. a. O. An den fünf letztgenannten Stellen ließ sich nachweisen, daß hier der Saum der Innenmoränendecke lag, sie also allmählich auskeilte. Wahrscheinlich zieht sich auch von Plaggenburg unter den Meerhuser Wald und Diedrichsfeld ein deckenförmig entwickeltes Geröllglazial hin, wie gleiche Verhältnisse westwärts von Nenndorf und ostwärts von Lüdstede vermutet werden müssen. Um die Ausbreitung der Einzelfelder der Innenmoränendecke festzustellen, sind noch weitere Untersuchungen nötig.

An einer Stelle des ostfriesischen Diluviums erwies sich auch die Abgrenzung der Innenmoräne gegen die Grundmoräne als unmöglich; es ist das Vorkommen in den Tongruben von Poggenkrug.

1) Sehr beachtenswerte Ausführungen darüber finden sich in: J. Martin, Über die Abgrenzung der Innenmoräne. Sonderabdruck aus den Briefen Nr. 3, Jahrgang 1905 der Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft.

In tonig-sandiger Fazies zeigte sich die Innenmoräne in Upgant entwickelt, wie schon oben bei Darlegung der Oszillation des Eissaumes bei Upgant besprochen wurde. In der Fazies eines gut konkordant geschichteten feinkörnigen Kieses findet sich die Innenmoräne in Flachsmeer und in Abickhafe. Sehr grobkörniges Material in ausgeprägt diskordanter Schichtung bietet die Innenmoräne bei Hohejohls und sonst mehrfach in der Friedeburger Gegend, ferner in Hohehahn, etwa 3,5 km westlich von Wittmund. Hier lagert unter einem 30 cm mächtigen, humosen Sande ein typisches, 10-50 cm mächtiges Späthvitåglazial, dessen Liegendes das Geröllglazial bildet, das ich 2,50 m tief aufgeschlossen fand. Die Innenmoräne zeigte hier einige Riesenkessel (Evorsionskessel); die oberen von ihnen waren mit gelbem Hvitåsand ausgefüllt. Die Ablagerung ist hier eine sehr unruhige gewesen, was die zuweilen große Diskordanz der Bänke beweist. Der Kies bestand zum großen Teil aus Körnern von Bohnen- und Kirschengröße. Zahlreiche Gerölle zeigten die Größe eines Hühnereies, wenige erreichten mehr als Kopfgröße. Ein Granitgeröll hatte über 50 cm Durchmesser. Sämtliches Material zeigte deutlich die Spuren starker Abrollung. Einzelne tonige Bänke waren eingeschaltet, deren Tonpartikelchen die groben Kieskörner etwas verkittet hatten; doch ließen sich die herausgeworfenen Schollen leicht zerschlagen.

Die deckenförmige Innenmoräne hat namentlich im nordöstlichen Teile Ostfrieslands weite Verbreitung. Sie charakterisiert die Friedeburger Gegend und das Gebiet des Wittmunder Waldes nebst dessen nördlicher Umgebung. Man kann daher mit Recht den Kreis Wittmund als das Gebiet der deckenförmigen Innenmoräne im Nordosten bezeichnen. Wie oben begründet wurde, liegt die Annahme nahe, daß sie auch zwischen Lüdstede und der von Esens nach Ogenbargen führenden Landstraße strichweise vorkommt.

Das zweite, weit kleinere Gebiet der deckenförmigen Innenmoräne liegt im Nordwesten und beginnt südlich von Marienhafe. In Upgant ist das Inglazial bereits reichlich zwei Meter mächtig, woraus mit Sicherheit der Schluß gezogen werden darf, daß es nordwärts von Upgant noch weite Strecken bedeckt. Auch im südlichen Teile Ostfrieslands findet sich neben der wallartig aufgeschütteten Innenmoräne noch deren Deckenform, die ich in Flachsmeer nachweisen konnte.

2. Die hügel- und wallartig aufgeschüttete Innenmoräne. Höhenbildend tritt das Geröllglazial im Süden, Westen und im Osten Ostfrieslands auf. Der im Süden liegende, älteste Rücken des Geröllglazials ist der Geröllås von Steenfelde. Am westlichen Saume der ostfriesischen Geest bildet die Geröll- oder Aufschüttungsendmoräne von Tergast die wichtigste Trennungslinie hinsichtlich der morphographischen Verhältnisse Ostfrieslands. Im Osten endlich zieht sich eine doppelte Kette von Geröllhügeln hin, deren längste sich von der Barger Schäferei in gerader Linie bis zum Dorfe Etzel erstreckt. Das Dorf Etzel selbst liegt auf einem Geröllas, dem jüngsten Moränenrücken Ostfrieslands. Diese aus dem Inglazial aufgeschütteten Hügel und Höhenzüge sollen im orographischen Abschnitt näher besprochen werden.

Die technische Verwertung des Innenmoränen materials kann vom wirtschaftlichen Standpunkte aus nicht das gleiche Maß von Interesse beanspruchen als die Ausbeutung der Grundmoräne. Das Geröllglazial wird in Steenfelde, Flachsmeer, Tergast, Upgant, Hohehahn, Reepsholt, Abickhafe, Etzel u. a. O. ausgebeutet. Aus der Geröllendmoräne von Tergast wurde der obere Teil des Bahnkörpers von Emden bis Leer gebaut. Aus dem Steenfelder Geröllås förderte man seit unvordenklichen Zeiten zahllose Blöcke, die zu bautechnischen Zwecken und zur Beschotterung von Straßen Verwendung fanden. Zur Herstellung von Mörtel bietet der inglaziale Kies und Mauersand ein geschätztes Material, ebenso zur Bestreuung der Fußwege neben den Landstraßen und der Pfade und freien Plätze in Gartenanlagen. Ein Unterschied in der Verwertung des frühhvitåglazialen und inglazialen Kieses wird nirgends gemacht; doch ist das Geröllglazial wegen seines manchmal zu groben Kornes oft minderwertig.

4. Das Späthvitåglazial.

Nachdem das abschmelzende und daher zurückweichende Eis das Geröllglazial entweder vor dem Saume aufgeschüttet oder in Tunneln und durch Abschmelzung sonst entstandenen flachen Hohlräumen zur Ablagerung gebracht hatte, wurde das jetzt fertige Moränenglazial von den letzten abfließenden Schmelzwassern noch mit einer oft sehr gleichmäßigen Decke feingeschichteten und sehr feinkörnigen Sandes überlagert. Es ist das Späthvitåglazial, das man treffend auch als Decksand bezeichnen kann. Das vor der Tergaster Endmoräne nordwestwärts ziehende glaziale Stromtal der Urems (Leda-Jümme und Unterems) nahm die Abflußwasser sehr bald auf, um sie der Nordsee zuzuführen. Im späteren Stadium des Eisrückzuges fanden sie einen raschen Abfluß zum glazialen Wesertal (Aller-Wesertal). So kam es, daß tonige Bänke in dem späthvitåglazialen Geröllsande nirgends zur Ablagerung kommen konnten, obgleich ohne Zweifel, wie in allen anderen Gliedern des Diluviums, auch hier Tonpartikelchen zur Bildung von Tonbänken und -bändern den Schmelzwassern in hinreichender Menge suspendiert waren. Infolge des raschen Abflusses und der auch allerorten vermiedenen Abschrankung seeartiger Flachbecken wurden sie rasch in die Stromtäler und in die Nordsee entführt, so daß nirgends eine späthvitåglaziale Tonbildung ermöglicht war im Gegensatz zum ostelbischen Teile des norddeutschen Flachlandes, wo späthvitåglaziale Tone häufig sind. Die Abschmelzwasser zogen in der Mitte Ostfrieslands lange Rinnsale als flache von Nordost nach Südwest streichende Furchen durch dieses jüngste Glied des Diluviums, die sich zum Teil sogar unterhalb des Moores fortsetzen, um weiterhin westwärts wieder aufzutauchen; sie sind fast allesamt noch von kleinen Bächen belebt. So ist also das Späthvitåglazial nur in einer einzigen gleichförmigen Fazies, der des feinkörnigen Decksandes, entwickelt, dessen feingeschichtete, flachlinsig struierte Bänke mit deutlich diskordanter Parallelstruktur überall für ihn charakteristisch sind. Jede Bank schließt oben naturgemäß mit dem feinkörnigsten Material ab. Fanden sich in der allerobersten Schicht

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