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charakter etwas verwischt. Der Grund dieser Wiesen ist zumeist mit einer Schicht Wiesen- oder Grastorf (plattdeutsch „Darg") bedeckt und gleicht an der Oberfläche einem aus Rhizomen, Wurzeln und grundständigen Blättern dicht gewebten Filzteppich, der den torfigen Boden wie mit einem elastischen Polster überkleidet. In ihm tritt der Eingriff des Menschen in die natürlichen Verhältnisse charakteristisch hervor; denn er ist eine Folgeerscheinung der alljährlich im Juli stattfindenden Mahd, die in der Mitte der Vegetationsperiode alle Pflanzen ihrer oberirdischen Teile plötzlich beraubt und daher die Verzweigung der Rhizome und des noch stehen gebliebenen oberirdischen Achsenstumpfes hervorruft. Zugleich wird natürlich die Samenreife verhindert und damit ein- und zweijährigen Gewächsen, soweit sie nicht bis kurz nach dem Sommersolstitium zur Samenreife schreiten, die Existenzmöglichkeit einfach abgeschnitten. Auch bietet ihnen das Gelände sehr wenig geeignete Standorte, da der dicht gewobene Filz des Wiesengrundes ihnen Platz, Luft und Licht versagt. Sie gehen, sobald die Wiese unter die Sense genommen wird, daher in wenigen Jahren der völligen Ausrottung entgegen, weshalb man im Wiesengelände fast nur mehrjährige Arten antrifft. Doch der halbparasitische Alectorolophus weiß sich mit Zähigkeit zu behaupten, weil er zeitig blüht und außerdem im Kampfe ums Dasein mit ganz besonders erfolgreichen Waffen ausgerüstet ist. Als echte Mesophyten entbehren die Wiesenbewohner allesamt jegliches besonderen Verdunstungsschutzes. Ihre Blätter sind breit, flach, kahl, dünn und biegsam, führen meist auf beiden Seiten Spaltöffnungen und sind nicht zum Einrollen eingerichtet.

Wie der Boden der Meeden1) hinsichtlich seiner geologischen Geschichte in mehrfacher Beziehung mit dem Hochmoore in Parallele gesetzt werden kann, so zeigt auch die Physiognomie beider Gebiete einen wesentlichen gemeinsamen Zug. Beide bieten manchmal meilenweite Flächen dem Auge dar, auf welchen kein Baum oder Strauch die monotone Landschaft angenehm belebt. In jeder anderen Beziehung aber zeigt die Meede ein ganz anderes Bild als das Moor. Dort die braune Calluna, nur hie und da von Eriophorum, einzelnen Binsen und noch mehr verstreuten Carexarten oder der niedlichen Andromeda dürftig unterbrochen, stundenweit alles überziehend, was das Auge innerhalb des Horizontes wahrzunehmen vermag hier in den Meeden aber ein einziges weitgedehntes Grasmeer, das sich auch oft an die Grenze unseres Gesichtsfeldes auszudehnen scheint. Weit die freudig grüne Fläche überschauend, ruht das Auge auf eingestreuten roten und gelben Inselchen, welche sich bei Annäherung als kleine und größere Gruppen von Caltha palustris und Coronaria flos cuculi erweisen, die den grünen Teppich mit bunten Stickereien zu schmücken scheinen. Auch an den höheren und trockenen Rändern finden wir schön goldig schimmernde Flächen, die dort von dem vom Landmanne

1) Rudolf Bielefeld, Beitrag zur Flora Ostfrieslands. II. Die natürlichen Wiesen oder Meeden Ostfrieslands. Abhandl. d. naturwiss. Vereins Bremen, Bd. XIII, S. 365 ff. Die Nomenklatur schließt sich in den nachfolgenden Ausführungen derjenigen meiner Flora der ostfriesischen Halbinsel an.

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so ungern gesehenen Alectorolophus major hervorgerufen werden. Sehen wir uns nun die Pflanzenwelt der Meeden genauer an, so fällt uns das unbedingte Vorherrschen zweier einander sehr nahestehender Familien, derjenigen der Süß- und Sauergräser auf, welche in einem solchen Maße sich dieser Gebiete bemächtigt haben, daß sie andere Pflanzen nur als Gäste zwischen sich dulden und höchstens den im Kampfe ums Dasein bevorzugteren nach hartem Ringen einzelne kleine Gebiete einräumen. Da finden wir aus den beiden diese Fläche schwesterlich nebeneinander bewohnenden Familien zahlreiche und meistens weit verbreitete Arten:

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Phragmites communis, welcher an den Seeen und Niederungen ganze Wälder bildet, die im Herbste gemäht werden und gesuchtes Material zum Dach- und Mühlendecken liefern, Glyceria fluitans und hin und wieder aquatica, Poa trivialis und Poa pratensis var. latifolia, Festuca ovina var. vulgaris und var. capillata, Festuca rubra var. genuina, Bromus mollis, an Ufern finden sich hin und wieder Festuca elatior und Phalaris arundinacea; zerstreut hie und da: Sieglingia decumbens, Bromus mollis, Holcus lanatus, Alopecurus geniculatus und Anthoxanthum odoratum; auf höheren Stellen Aera caespitosa und Nardus stricta, von denen letztere an unfruchtbaren Stellen oft weit und breit den Boden mit ihren starren dürren Borstenbüscheln bedeckt. Aus der Familie der Cyperaceen finden wir da namentlich Carex Goodenoughii, pilulifera, panicea, echinata und stricta, sowie Eriophorum angustifolium zuweilen herdenweise. An Ufern und in Gräben wachsen: Scirpus paluster und lacuster, am großen Meer auch maritimus, pauciflorus und uniglumis; an manchen Stellen auch Carex acuta, acutiformis und rostrata. An Kryptogamen finden wir in fast allen Wassergräben Equisetum palustre und limosum, ferner Hypnum cuspidatum und fluitans allgemein verbreitet."

Weil Gramineen und Cyperaceen in so ausgesprochenem Maße zur Oberherrschaft gelangt sind, zeigt das Wiesengelände eine auffallende Blütenarmut. Unter den Gräsern treten einige Arten als ausgeprägte Rasenbildner hervor, von denen Anthoxanthum odoratum, Festuca elatior und ovina, Poa trivialis, Holcus lanatus, Aera caespitosa und Nartus stricta die wichtigsten sind. Andere Gräser und Halbgräser beteiligen sich in einem noch höheren Grade an einer dichtgewobenen Bedeckung des Wiesengrundes, indem ihre kriechenden Rhizome sich durcheinander verflechten, so daß diese Arten dadurch zu richtigen Teppichbildnern werden. Dahin gehören namentlich Poa pratensis, Festuca rubra, Sieglingia decumbens, mehrere Agrostisarten, Carex panicea, Goodenoughii, stricta und echinata.

„Aus den anderen 1), höher organisierten Familien finden wir auf den Flächen der Meeden namentlich vielfach die Caltha palustris var. laeta, welche oft große Strecken der Wiesen gesellig bewohnt, während auf trockenen Meeden Alectorolophus major sich ganze Flächen erstritten hat und mit Zähigkeit behauptet. Coronaria flos cuculi ist überall vertreten; doch nimmt sie keine so geschlossenen Bestände ein

1) a. a. O. S. 366 ff.

wie die vorigen. Außerdem treten auf diesen Flächen auf: Juncus squarrosus an trockenen, filiformis- an feuchten Orten, Luzula campestris in mehreren scharf ausgeprägten Varietäten, Orchis maculatus und latifolius, Rumex acetosa und acetosella, Sagina nodosa und procumbens, Ranunculus flammula, acer und repens; Cardamine pratensis äußerst häufig, ebenso Potentilla palustris; ferner Trifolium pratense und repens, Hydrocotyle vulgaris, Menyanthes trifoliata truppweise, Myosotis palustris, Pedicularis silvatica an trockneren, palustris an feuchten Stellen, Plantago lanceolata var. sphaerostachya, Cirsium palustre (bei Barstede auch anglicum 1), Hypochoeris radicata und Leontodon autumnalis. An Grabenrändern treten auf: Triglochin palustris und maritima (im Forlitzer Becken), Juncus bufonius und lampocarpus, Rumex obtusifolius, Ranunculus sceleratus, Ulmaria palustris, Lotus uliginosus, Lythrum salicaria vielfach, Lysimachia thyrsiflora und nummularia, Mentha aquatica, mehrere Galiumarten, sowie Valeriana officinalis. Ein besonders beachtenswertes Bild bieten die Bäche, Wasserzüge und Seeen mit ihrer ausgeprägten Sumpf- und Wasserflora. Da finden wir: Equisetum palustre und limosum, Typha latifolia und angustifolia, Sparganium erectum und simplex, Potamogeton crispa, natans, perfoliata, compressa u. a., Sagittaria sagittifolia, Alisma plantago und Echinodorus ranunculoides (am großen Meer), Stratiotes aloides in fast allen Wassergräben, mehrere Lemna-Arten, Iris pseudacorus, Polygonum hydropiper und amphibium forma natans, Nuphar luteum in wahren Prachtexemplaren, Batrachium aquatile in mehreren Formen, Batrachium divaricatum, Ranunculus lingua, Nasturtium officinale und amphibium, Barbarea vulgaris, Oenanthe aquatica und fistulosa, Berula angustifolia (am großen Meer), Hottonia palustris, Veronica anagallis und beccabunga, Utricularia vulgaris, Bidens tripartitus und hin und wieder auch cernuus."

Es ist biologisch und pflanzengeographisch gleich interessant, daß man in der Meedenregion so wenige Arten mit vegetativer Wanderfähigkeit antrifft. Sie werden durch den dichten Grasteppich entweder ferngehalten, oder nach der Einwanderung sehr bald erstickt, da der Wiesenteppich ihren Lebensbedingungen, insbesondere dem Gedeihen der wandernden Sprosse, ein unübersteigliches Hindernis bereitet und ihnen daher stets den baldigen Tod bringt. Die auffallendste Erscheinung war mir in dieser Hinsicht die Beobachtung, daß in den höchsten Teilen der Meeden, die in den glazialen Talungen dem Saume der hohen Geest sich nähern, hie und da kleine Gruppen von Anemone nemorosa eingestreut erscheinen. Sie zeigen stets ein kümmerliches Bild und halten sich fast immer an den Grabenrändern, wo dem unterirdischen Achsenteil der Anemone von den sich verflechtenden Graswurzeln und Grasrhizomen auf ihrer vegetativen Wanderung ein beschränkter Spielraum gelassen wird.

Von den Sphagnaceen lehrt die landläufige Meinung, daß sie bei nur sehr geringem Kalkgehalte des Bodens schon nicht mehr lebensfähig

1) Cirsium anglicum DC kommt auch sonst in den Meeden vor, wie sich später erwies. Vgl. R. Bielefeld, Flora der ostfriesischen Halbinsel. S. 309.

seien. Seit aber C. A. Weber in Bremen sie in reinem Kalke kultivierte, hat man diese Ansicht mit Recht dahin revidiert, daß die den Kalk begleitenden löslichen Salze es sind, die den Sphagnaceen und auch den kalkfliehenden Phanerogamen und dem Adlerfarn verderblich werden. Obgleich sich nun die Sphagnaceen sonst ängstlich an das kalkfreie Hochmoorgebiet halten, trifft man auch im ostfriesischen Meedengebiete hie und da Rasen des Sphagnum cymbifolium, seltener des acutifolium und anderer Arten von mäßigem Umfange namentlich an Grabenrändern an. Diese pflanzengeographisch interessante Tatsache kann nur durch die von C. A. Weber angestellten Kulturversuche und die aus ihnen sich ergebenden Schlußfolgerungen erklärt werden.

Da infolge der verbesserten Abwässerung die Meedengebiete mehr und mehr einer fast alljährlich sich steigernden Austrocknung entgegen gehen, werden einzelne Arten im Laufe der nächsten Jahrzehnte in ihren Vegetationsgebieten Einbuße erleiden, um später endlich ganz zu verschwinden und anderen den veränderten Verhältnissen besser angepaßten Arten den Platz zu räumen.

2. Die kultivierte und die bewaldete Geest.

1. Die kultivierte Geest. Dieser Florenbezirk Ostfrieslands ist der weitaus größte und von Menschen am meisten beeinflußte; er bietet daher sehr wenig Eigenartiges und Charakteristisches. Seine Vertreter gehören in der großen Mehrzahl den Mesophyten an. Dennoch verdient er hier zur Abrundung des Gesamtbildes eine entsprechende Betrachtung.

Als erste Frühlingsboten zeigen sich Bellis perennis, Draba verna und Teesdalea nudicaulis, auf buschigen Erdwällen Anemone nemorosa, auf Äckern Veronica hederifolia, ferner Montia minor, Tussilago farfara und hie und da Myosurus minimus. Allgemein verbreitet sind: Ranunculus repens und arvensis, Stellaria media, holostea und graminea, Spergula arvensis, Cerastium triviale und semidecandrum, Capsella bursa pastoris, oft mit Albugo candida behaftet, Oxalis stricta, Viola tricolor in mehreren Varietäten, Achillea millefolium, das polymorphe Taraxacum officinale in vielen Formen. An Zäunen und Rainen trifft man allenthalben den Geißfuß, Aegopodium podagraria, ferner Urtica dioeca und urens, Chelidonium majus, Cirsium arvense und palustre, Lampsana communis, Polygonum aviculare und Galium aparine, Alchemilla vulgaris, Convolvulus sepium, Rumex crispus und obtusifolius. Auf Äckern: Alchemilla arvensis, Atriplex patulum und hastatum, Chenopodium album und murale, Aethusa cynapium, Polygonum persicaria und convolvulus, Euphorbia peplus und helioscopia, Poa annua, Myosotis versicolor, Veronica serpyllifolia, arvensis und agrestis, Mentha arvensis, Lamium purpureum und amplexicaule, Sonchus oleraceus und asper, Senecio vulgaris, Solanum nigrum, Equisetum arvense; an feuchten Stellen Gnaphalium uliginosum, Juncus bufonius und Bidens tripartitus; als Fremdlinge Galinsoga parviflora und Oenothera biennis. Davon grenzt sich die Flora der Saatfelder und angebauten Ländereien ab; sie zeigt namentlich fol

gende Arten: Bromus secalinus, Lolium perenne, Holcus lanatus, Agrostis spica venti, canina, alba, vulgaris, Agropyrum repens, Polygonum amphibium forma terrestre, Rumex acetosa und acetosella, Chenopodium album in vielen Formen, Stachys palustris, Mentha arvensis, Galeopsis versicolor, ochroleuca und tetrahit, Euphrasia odontites und stricta, Sinapis arvensis, Raphanus raphanistrum, Arnoseris pusilla, Chrysanthemum leucanthemum und segetum, Tussilago farfara, Centaurea cyanus, Agrostemma githago, Ervum hirsutum und Vicia cracca. Als lästige Unkräuter sind vom Landmanne besonders gehaßt: Agropyrum repens, Bromus secalinus, die Agrostisarten, Raphanus raphanistrum und Sinapis arvensis, Centaurea cyanus, Chrysanthemum segetum, Mentha arvensis und die hie und da eingeschleppte Agrostemma githago.

An Wüstungen und Schuttplätzen treten namentlich auf: Sisymbrium officinale, Malva silvestris und neglecta, Anthriscus silvestris und Conium maculatum, Galium aparine, Lappa minor, Hyoscyamus niger, Datura stramonium, Urtica dioeca, Plantago major und lanceolata, Chenopodium album, rubrum, murale und urbicum, Rumex obtusifolius, Polygonum aviculare, Dactylis glomerata und Agropyrum repens. Es sind fast alles Vertreter der echten Ruderalflora.

Ein verhältnismäßig selbständiges Element der Geestflora beherbergen die Feldraine und Erdwälle, mit denen man auf der ostfriesischen Geest allgemein die Ländereien umfriedigt. Hier treten im Frühlinge zuerst Stenophragma Thalianum und Draba verna neben Teesdalea nudicaulis auf, denen bald Cardamine pratensis folgt. Ferner kommen vor: Vicia cracca und angustifolia, Melandryum album, Cerastium semidecandrum und triviale, Stellaria graminea, Anemone nemorosa, Rubus caesis, idaeus und plicatus, Rosa canina, Sedum purpureum, Sambucus nigra, Crataegus oxyacantha und monogyna mit vielen Hybriden, Lonicera pericly menum, Sorbus aucuparia, Viburnum opulus, Evonymus europaea, Tanacetum vulgare, Achillea millefolium, Centaurea jacea, Rumex obtusifolius, crispus und nemolapathum, Humulus lupulus, Polypodium vulgare und Aspidium filix mas. Diese Erdwälle bilden mit ihrer Flora schon den Übergang zu den Waldungen der Geest.

2. Die Wälder der Geest. Die Geestwälder weichen in der Physiognomie wesentlich von dem Kiefernheidewald ab, der dem Heidegebiet eigentümlich ist und sich pflanzengeographisch von den übrigen Waldformen scharf unterscheidet. Die Geestwälder bilden zwei Gruppen, welche im Gesamtbilde neben vielen gleichartigen Zügen auch deutliche Verschiedenheiten aufweisen. Wir teilen sie ein in die Wälder der hohen Geest, zu denen alle kleineren Gehölze um Aurich, der westliche Teil des Egelser Waldes, Eikebusch, das Strooth bei Friedeburg und der Logabirumer Wald gehören, und in die Gehölze des Saumgeländes. Diese berühren mit ihren Grenzen noch den äußersten Saum der hohen Geest, liegen aber selbst schon im Wiesengebiet des Endmoränen binnenlandes, wie der Wald von Ihlo, oder auf dem Talboden der flachen glazialen Erosionsrinnen, die die hohe Geest von Nordosten nach Südwesten zerschneiden. Dahin gehören Oldehafe, Stiekelkamp, Selverder Brook und verschiedene kleine Privatgehölze Uplengens. Die Flora

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