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Innenmoränenlandschaft im Nordwesten gegenüber orographisch durch eine deutliche Abdachung gegen Nordosten und das gut entwickelte hydrographische Netz der Harle aus, während es in den nur schwach ausgeprägten Gelände wellen jener Gegend im Nord westen Ostfrieslands durchaus ähnlich ist. Hier wie dort wird die geringe Fruchtbarkeit mancher Strecken durch die deckenförmig entwickelte Innenmoräne hervorgerufen, weshalb auch hier verhältnismäßig große Flächen mit Kiefernheidewald bestanden sind. Im westlichen Teile sind es der Wald von Schoo und die noch jugendliche Kiefernaufforstung bei der Domäne Schafhaus, die den kargen Heideboden bedecken, während zwischen Ogenbargen und Wittmund die deckenförmige Innenmoräne den ziemlich umfangreichen Wittmunder Wald (Kiefernheidewald) trägt. An den Grenzen ist die Innenmoränenlandschaft hie und da von den beiden obersten Gliedern des Diluviums entblößt und bietet sich dann dem Auge als echte Grundmoränenlandschaft dar, so z. B. bei der Ziegelei in Heggelitz nordwestlich von Ardorf und bei der Moorweger Ziegelei südlich von Esens. Da die obersten Partieen des Frühhvitåglazials an vielen Orten aus kalkreichem Tonmergel bestehen, so ist die Landwirtschaft in die angenehme Lage versetzt, auf wohlfeile Art treffliches Material zur Verbesserung des Bodens zu gewinnen. Bei Poggenkrug unmittelbar südlich von der Landstraße OgenbargenWittmund findet sich die einzige Stelle im ostfriesischen Diluvium, wo ein ausbeutbares Töpfertonlager aufgeschlossen wurde.

Diese Landschaft wird durch das Flußsystem der Harle bewässert, die in der Gegend von Ardorf dem Moore entquillt. Sie fließt in einer glazialen Talung bis Wittmund nach Nordosten, wendet sich dann aber, ein postglazial geschaffenes Rinnsal benutzend, in vielfach geschlängeltem Laufe nordwärts, um bei der Friedrichsschleuse in das Wattenmeer zu münden. Ihr bedeutendster Nebenfluß ist das Falster Tief, das bei Middels-Westerloog entspringt, ebenfalls nordostwärts fließt und der Harle bei Endzetel tributär wird. Die Harle gab dieser politisch zeitweilig vom eigentlichen Ostfriesland abgetrennten Gegend den Namen des Harlingerlandes.

Im Hinblick auf die Siedelungen gleicht diese Gegend wiederum durchaus der Innenmoränenlandschaft im Nordwesten; denn auch hier liegen im Innern fast nur unbedeutende, junge Siedelungen, während die größten, ältesten und wohlhabenden Ortschaften perlschnurartig den Saum der Geest umkränzen und dabei in ihren wirtschafts-geographischen Interessen wesentliche Beziehungen zur fruchtbaren Marsch aufweisen. Von ihnen seien genannt: Asel, der Flecken Wittmund, Uttel, Bleersum, Buttforde, Werdum, Thunum, die Stadt Esens, Sterbur, Damsum, Roggenstede, Utarp.

7. Die Landschaft der Geröllåsar im Osten.

Die Landschaft der Geröllåsar im Osten erhält ihr orographisches Gepräge durch die Innenmoräne, welche neben deckenförmiger Entwicklung sich zu Geröllhügeln und Geröllåsar formt, nach denen dieses Gebiet seine Bezeichnung trägt. Es wird gut abgegrenzt durch die

beiden Geraden Leerhafe - Wiesederfehn und Wiesederfehn - Barger Schäferei (an der oldenburgischen Grenze) und weiterhin durch die oldenburgische Grenzlinie. Doch gehört der östlichste Teil des Kreises Wittmund mit Dykhusen und Neustadt-Gödens bereits der Marsch an.

Trotz ihrer nahen geognostischen Verwandtschaft mit den Innenmoränengebieten im Nordwesten und Nordosten bildet diese natürliche Landschaft Ostfrieslands doch eine physiographisch trefflich charakterisierte Individualität, die manche Züge mit der hohen Geest gemeinsam hat. An der Nordgrenze finden wir auch hier eine Grundmoränenlandschaft, diejenige von Rispel, als Übergangsgebiet, auf dem die bedeutende Rispeler Ziegelei den zu Tage liegenden Grundmoränenlehm in umfangreichem Maße zur Ziegelfabrikation ausbeutet. Südlich davon beginnt die deckenförmige Innenmoräne von Reepsholt und Abickhafe, die sich in der Umgebung von Friedeburg wiederholt, während im südlichen Teile die heidebedeckten Geröllhügel der Landschaft ein eigenartiges Gepräge geben. Diese Hügelreihe schließt in den Geröllåsar von Etzel unvermittelt ab. Hier beginnt ein nach Osten sich erstreckendes, echtes Meedengebiet, das hier ebenso den Übergang zur Marsch bildet wie im westlichen Ostfriesland, worin diese Gegend dem Binnenlande der Tergaster Endmoräne ähnelt. Die in dieser Landschaft wiederkehrenden glazialen Erosionsrinnen und die zwischen ihnen gelagerten Flachrücken erinnern den Beobachter lebhaft an die hohe Geest. Zwischen Leerhafe und Rispel bezeichnet eine solche Talung den Lauf des Rispeler Tiefs. Ebenso benutzt das von Wiesede nach Reepsholt hinabfließende Wieseder Tief eine solche flache Rinne und in gleicher Weise das von Hopels über Friedeburg nach Hoheesche hinabrinnende Friedeburger Tief. Zwischen den von der Barger Schäferei nach Etzel sich hinziehenden beiden Geröllhügelreihen fließt als echter Asgraben die Bietze, die daher nach Entstehung und Alter von den anderen Bächen dieser Gegend abweicht. Sie wendet sich nördlich von der östlichen Hügelreihe infolge künstlicher Ablenkung - um ein größeres Gefälle und damit bessere Abwässerung zu erzielen jetzt ostwärts nach Horsten, während ihr natürliches Stromtal sich nordostwärts nach Schloß Gödens hinab erstreckt.

Wie schon in den Geröllhügeln und Geröllåsar, so zeigt diese Landschaft auch in jenem Asgraben eine bemerkenswerte Parallele mit dem Vorlande der Tergaster Endmoräne, da auch die zwischen dem Diele-Stapelmoorer Geschiebeås und dem Steenfelder Geröllås gelegene glaziale Rinne, die jetzt von der später hierher verlegten Ems durchflossen wird, nichts anderes als einen ursprünglichen Asgraben darstellt. Die zwischen den glazialen Talungen liegenden diluvialen Flachrücken und Höhen sind meist durch inglaziale Ablagerungen charakterisiert und nur hin und wieder von kleinen Grundmoränenlandschaften unterbrochen wie z. B. bei der Marxer Ziegelei. Südlich von Rispel und südlich von der von Wiesederfehn nach Friedeburg führenden Landstraße sind die unfruchtbaren Strecken mit Kiefernheidewäldern bestanden, von welchen der Karl-Georgsforst, der Knyphauser Wald und der Wald von Hopels hier genannt sein mögen.

Das Hünengrab von Stapelsteen an der Landstraße von Friede

burg nach Horsten deutet mit Sicherheit darauf hin, daß diese Gegend schon in prähistorischer Zeit bewohnt war. Die Siedelungsverhältnisse sind von denen der Innenmoränenlandschaften grundsätzlich verschieden; sie ähneln vielmehr außerordentlich denjenigen der hohen Geest. Auch hier liegen die alten Dörfer auf den Höhen und neben ihnen die alte Gaste. Das hohe Alter dieser Siedelungen, welche mit zu den schönsten und anmutigsten Dörfern der ganzen ostfriesischen Geest gehören, dokumentiert die ehrwürdige, fast ganz aus erratischen Blöcken aufgeführte Kirche von Marx 1).

Als noch junge Siedelungen sind besonders die Moorkolonieen Wiesederfehn und am Ems-Jade-Kanal Marcardsmoor bemerkenswert. Letztgenannte Kolonie ist eine staatliche Gründung der allerjüngsten Zeit. Sie bezweckt die Kultivierung des Moorbodens, also der Torfsubstanz, im Gegensatz zur Fehnkultur, welche das Moor erst abgräbt und als Torf verwertet, um alsdann den diluvialen Untergrund des Moores zu kultivieren. Die Kolonie macht mit ihren schmucken, sauberen Ziegelbauten einen außerordentlich sympathischen Eindruck.

Ebenso wie auf der hohen Geest liegen auch hier die Siedelungen in Reihen auf den Flachrücken, die sich zwischen den glazialen Talungen in gleicher Weise von Südwesten nach Nordosten erstrecken. Es sind die Siedelungsreihen:

1. Wiesedermeer-Rispeler Hellmt-Rispel;

2. Reepsholt-Hoheesche-Abickhafe-Dose;
3. Wiesederfehn-Wiesede-Friedeburg-Hesel;
4. Marx-Hohejohls-Etzel;

5. Hohemoor-Kleinhorsten-Horsten.

Zahlreiche interessante Momente der Geologie und Geographie der ostfriesischen Geest kann man hier in der Landschaft der Geröllåsar im Osten in gut charakterisierten individuellen Zügen auf engem Raume zusammengedrängt trefflich studieren. Es finden sich deutliche Anklänge an sämtliche natürliche Landschaften der ostfriesischen Geest mit Ausnahme des glazialen Stromtales.

1) Überhaupt stehen wir hier auf sehr interessantem historischen Boden. Das Dorf Reepsholt besaß in alter Zeit ein Kloster, von dessen Stiftung zuverlässige Nachrichten überliefert worden sind. Als gegen das Ende des 10. Jahrhunderts diese Gegend (Ostringa oder Asterga genannt) zu den Besitzungen Herzog Bernhards I. gehörte, der ein Sohn Hermann Billungs war, schenkten die beiden Schwestern Wendela und Reyngard im Jahre 983 ihr ganzes Vermögen in Gestalt zweier ansehnlicher Höfe zu Ripesholt und More im friesischen Gaue Ostringa an die Kirche zu Bremen zur Erbauung eines Klosters in Ripesholt. Kaiser Otto II. bestätigte diese Schenkung am 9. Juni 983 zu Verona, worauf Erzbischof Adaldagus von Bremen den Grund zum Kloster legte, das er dem heiligen Moritz weihte. (Wiarda, Ostfriesische Geschichte 1, S. 140.) Die Friedeburg wurde 1359 von Edo Wiemken erbaut. 1491 fand hier Graf Enno I. auf tragische Weise im Burggraben seinen Tod, als er, von einer Pilgerreise aus dem heiligen Lande soeben heimkehrend, nach der Friedeburg eilen mußte, um den Drosten Engelmann, der seine Schwester Almuth aus der Burg zu Aurich entführt hatte, zur Rückgabe zu zwingen. Nach einer Unterredung mit Engelmann auf dem eisbedeckten Burggraben wollte er zornentbrannt diesem in die Burg folgen. In voller Rüstung versuchte er, von zwei ebenfalls geharnischten Mannen begleitet, das Eis des Burggrabens zu überschreiten; er brach aber ein und ertrank.

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Rudolf Bielefeld, Die Geest Ostfrieslands.

Daher kann diese Landschaft der Geröllåsar im Osten mit Recht als das geo-morphologische Miniaturbild der ostfriesischen Geest bezeichnet werden.

Schließlich sei hier noch eines modernen Menschenwerkes Erwähnung getan, das in Zukunft auf die Siedelungsverhältnisse Ostfrieslands nicht ohne Einfluß bleiben kann. Es ist der Ems-JadeKanal, der die Landschaft der Geröllåsar im Osten durchschneidet und daher nicht mit Stillschweigen übergangen werden darf. Er hat nicht bloß den Zweck, eine binnenländische Schifffahrtsverbindung von Emden über Aurich nach Wilhelmshaven herzustellen, sondern er soll auch die durch die Depression des Binnenlandes der Tergaster Endmoräne recht schwierige Ableitung der Moorwässer durch die höher gelegene bedeichte Marsch bewerkstelligen. Der Ems-Jade-Kanal bildet die Verlängerung des Emder Fahrwassers ostwärts über das Stadtgebiet hinaus, das er in der bekannten Emder Kesselschleuse verläßt, die ihn sowohl gegen das Emder Hafengebiet als auch gegen das ihn hier kreuzende Fehntjer Tief abschließt, das von Oldersum nach Emden künstlich weiter geführt worden ist. So kann er hier auf drei Schiffahrtswegen erreicht werden. Beim Dorfe Westerende empfängt er einen Speisegraben in dem Ringkanal, der das westlich und nordwestlich von Aurich gelegene Hochmoor entwässern soll und einen Teil jenes Moorwassers, das früher durchs Binnenland der Tergaster Endmoräne zum Dollart oder zur Leybucht abströmte, in den EmsJade-Kanal liefert. Der Ringkanal ist aber auch der einzige Speisegraben des Ems-Jade-Kanals; denn die geplanten Zuleitungen aus dem Emsgebiete sind nicht mehr zur Ausführung gekommen. Von Aurich an durchschneidet der Kanal die hohe Geest, das Hochmoor und die Landschaft der Geröllåsar im Osten in fast genau östlicher Richtung. Er hat eine Länge von 70 km; seine Sohlenbreite beträgt 8,5 m, die Spiegelbreite 16,5 m bei 2,0 m Wassertiefe. Von Emden bis Aurich wurde beim Kanalbau das erweiterte Bett des früheren Treckfahrtkanals benutzt. 2,2 km westlich von Aurich liegt in der Feldmark Rahe die erste, östlich von Aurich beim Dorfe Wiesens die zweite Schleuse, von denen die 11,5 km lange Scheitelhaltung des Kanals begrenzt wird. In zwei weiteren Schleusen erfolgt dann der Abstieg von der hohen Geest nach Wilhelmshaven, wo der Kanal durch die Schleuse am neuen Hafen abgeschlossen wird gegen den Jadebusen. Die Schleusen haben 33 m Kammerlänge, 6,5 m Torweite und 2,1 m Drempeltiefe. Nur die Wilhelmshaver Schleuse zeigt bei 7,5 m Torweite eine Länge von 50 m. Die Tragfähigkeit der Schiffe darf 120 t nicht wesentlich überschreiten.

Der Ems-Jade-Kanal wird im weiteren Ausbau des ostfriesischen Hochmoorkanalnetzes die große Mittelachse bilden und daher im Laufe der Zeit ein wichtiger Faktor werden bei der Kolonisation der großen Moorflächen der ostfriesischen Halbinsel. So wird er in hohem Maße zur Schaffung neuer Siedelungsmöglichkeiten, zur Hebung der Landwirtschaft und zur Förderung des Volkswohlstandes beitragen.

V. Klimatographisches.

1. Allgemeines.

Über das Klima Ostfrieslands verdanken wir dem langjährigen meteorologischen Beobachter in Emden, Professor Dr. Prestel, eine ausgezeichnete Monographie 1). Im engen Rahmen der vorliegenden Arbeit mag daher eine Beschränkung auf die klimatischen Haupttatsachen angezeigt erscheinen, wobei natürlich auch die weitere Umgebung der ostfriesischen Geest mit in Betracht gezogen werden muß.

Auf der Breite der Azoren liegt südwestlich vom europäischen Kontinent fast beständig ein barometrisches Maximum, im Nordwesten von Mitteleuropa aber über dem nördlichen atlantischen Ozean ein meist in diesen Breiten sich haltendes Luftdruckminimum. Die azorische Antizyklone rückt im Sommer in der Regel etwas nordwärts, und das Depressionsgebiet im nordöstlichen atlantischen Ozean zeigt etwas weniger intensive Luftauflockerung, wodurch die Gegensätze entsprechend abgestumpft werden. Im allgemeinen ergeben sich aus diesen Luftdruckverhältnissen südwestliche Winde, die in der kalten Jahreszeit das westliche Europa mit ozeanischwarmer Seeluft umspülen, im Sommer aber abschwächen und sich mehr der westlichen Richtung nähern. Dieses in den Hauptzügen dargelegte Windsystem eines Jahresverlaufes ist aber in Wirklichkeit tagaus tagein großen Umgestaltungen unterworfen; denn die barometrischen Extreme sind trotz ihrer verhältnismäßig konstant innegehaltenen Gebiete doch sehr variable Faktoren. Insbesondere erleidet die nordatlantische Zyklone nicht selten raschen Wechsel in ihren Zuständen, indem sie ostwärts wandert oder auch auf verschiedenen Zugstraßen in den Kontinent eindringt. Zuweilen folgen einander auf den nordeuropäischen Zugstraßen Zyklone und Antizyklone in schnellem oder langsamem Vorwärtswandern. Demgegenüber ist auch das südwestlich von Europa lagernde Maximum ein täglich sich änderndes, bewegliches atmosphärisches Gebilde, das bald dem offenen Ozean angehört, bald bis zu den britischen Inseln, ja bis nach Ostfriesland vordringen kann. Als drittes wesentliches Moment kommt hinzu, daß die Erkaltung der osteuropäischen Landmassen im Winter im Osten Europas ein zweites Maximum hervorruft, das Deutschland bedecken, ja bis nach Skandinavien hinübergreifen

1) M. A. F. Prestel, Der Boden, das Klima und die Witterung von Ostfriesland. Mit 6 Tafeln in Steindruck. Veröffentlicht mit Subvention der ostfriesischen Landschaft. Emden, Th. Hahn We., 1872. 438 Seiten.

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