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B. Ob sich die Zurückgabe der Fructus extantes lediglich auf eine obligatorische Verpflichtung des Bonae fidei possessor stüßt, oder vielmehr Folge seines daran verloren gegangenen Eigenthums ist?

Ad A. Was zunächst die Frage betrifft, welcherlei Art von Recht dem Bonae fidei possessor anden separirten Früchten beizulegen, so gehen in der Beziehung die Ansichten der Juristen ihrem Endresultate nach dreifach auseinander, indem ihm ein Theil nur Bonae fidei possessio zuerkennt, ein anderer an den Fructus industriales Eigenthum, an den Fructus naturales Bonae fidei possessio, und ein dritter Eigenthum an allen Früchten ohne Unterschied. Die Art und Weise, wie die Anhänger der lezteren Ansicht dieselbe motiviren, ist wieder höchst verschieden. In dem Nachfolgenden soll das Wichtigste in dieser Beziehung wenigstens angedeutet werden.

I. Als Hauptträger der ersten der angeführten drei Ansichten ist v. Savigny (a. a. D. S. 314 ff.) zu nennen, der, wie bereits bemerkt, vermöge seiner Auffassung der separirten Früchte als nur getrennter Theile der Hauptsache zu dem Resultate gelangt, der Bonae fidei possessor habe kein Eigenthum, sondern nur Bonae fidei possessio an den separirten Früchten und erst durch (dreijährige) Usucapion mache er sie zu den feinigen. Die Ausdrücke der Gefeße: Eius fiunt fructus, Bonae fidei possessor fructus suos facit, consumtos suos facit etc. giengen gar nicht auf den Erwerb des Eigenthums an den Früchten, sondern vielmehr auf das obligatorische Verhältniß, wornach der Bonae fidei possessor wegen der consumirten Früchte nicht in Anspruch genommen werden könne. Allein diese Ansicht steht, wenn man auch die zuletzt angeführten Quellen-Ausdrücke mit v. Savigny nicht vom Eigenthumserwerbe verstehen wollte, immer noch mit einer ganzen Reihe von andern Stellen in Widerspruch*), die auf's Unzweideutigste dafür Zeugniß geben,

*) Daß die im Terte S. 67.68. abgedruckten und ähnliche Stellen durch die nackte Behauptung, der Bonae fidei possessor erwerbe an den separirten Früchten nur Bonae fidei possessio, nicht aus dem Wege geräumt werden, ist auch von dem neuesten Vertheidiger des v. Savigny'schen Resultates, von Windscheid, (in der Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß; Neue Folge. IV. Nro. 3.) zugegeben worden. Der Weg, den er einschlägt, um mit der Annahme, der Bonae fidei possessor der Hauptfache habe an den separirten Früchten nur Bonae fidei possessio, die gedachten Quel

daß der Bonae fidei possessor in der That im Momente der Separation das Eigenthum an den gezogenen Früchten erwirbt.

len-Aussprüche in Einklang zu bringen, ist daher ein vermittelnder, und zwar der folgende: Weil der Bonae fidei possessor, argumentirt W in d sche i d, nach Cons fumtion der Früchte von jeder Restitutions-Verbindlichkeit frei ist, so hat man ihm das Recht die Früchte consumiren zu dürfen zugesprochen. Der Ausdruck, welchen dieses Recht in der Sprache des Volkes gefunden, war, da es die Bestimmung der Früchte consumirt zu werden, der gewesen, daß sie ihm gehörten, daß sie fein seien. Diese Bezeichnung für sein Consumtions - Recht ist in die juristische Sprache übergegangen und in derselben allerdings vielfach in ihrem Wortsinne, nicht in demjenigen, der ursprünglich damit ausgedrückt werden sollte, gebraucht worden. Jedoch finden sich einerseits auch in den juristischen Schriften noch Spuren dieser ihrer ursprünglichen Bedeutung und andererseits hat sich die ungenaue Auffaffung ders felben nie dahin consolidirt, daß der redliche Besißer als Eigenthümer, Dominus im juristischen Sinne des Wortes, anerkannt worden ist.

Diese Windscheid'sche Ansicht stüßt sich vorzugsweise auf drei Argumente: a) Das erste darunter ist, es lafse fich ein haltbarer Grund nicht auffinden, warum der redliche Besißer einer Sache Eigenthümer ihrer Früchte werde, welche er alsbald wieder herausgeben müsse.

b) Das zweite, der mit der Hereditatis petitio zu belangende redliche Befißer einer Erbschaft erwerbe an den Früchten derselben kein Eigenthum und es sei nicht einzusehen, warum hier ein anderes Recht gelten solle, wie bei jedem andern gutgläubigen Bestßer; und endlich:

c) Das dritte, es finde sich in den Quellen - Zeugnissen, welche vom redlichen Besizer sagen: „Fructus suos facit, fructus eius sunt," Manches, womit die Annahme, daß ihm dadurch das Eigenthum der Früchte zugesprochen werde, unverträglich sei.

In Betreff vorstehender Argumente bemerke man das Folgende:

Ad a) Der Grund des Eigenthums des Bonae fidei possessor an den separirten Früchten ist, wie sich später zeigen wird, der Lohn der Bona fides des fie Ziehenden. Vergl. S. 70. a. E. S. 72.

Ad b) Das zweite Argument fällt dadurch in sich zusammen, daß die unterstellte Verschiedenheit im Fruchterwerbe des gutgläubigen Erbschafts - Befißers und sonstigen Bonae fidei possessor in der Wirklichkeit gar nicht existirt. Die Ausdrücke der Geseße: Fructus omnes augent hereditatem, L. 20. §. 3. D. de her. pet. (5. 3.), Fructus res hereditariae sunt, L. 25. §. 20. L. 27. D. eod., aus denen fie folgen soll, enthalten auch nicht die leiseste Andeutung über das Rechtsverhältniß des Bonae oder Malae fidei possessor an den Früchten der Erbschaftssachen, sondern bezeugen vielmehr nur, daß sie bei der Hereditatis petitio in Betracht kommen, daß sie zu den Restitutionsobjecten der Klage gehören; ein Gedanke, den die Quellen

L. 48. D. de adq. r. dom. (41. 1.) Paulus: Bonae fidei emtor non dubie percipiendo fructus etiam ex aliena ́re suos interim facit, non tantum eos, qui diligentia et opera eius pervenerunt, sed omnes, quia, quod ad fructus adtinet, loco

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anderwärts durch: venire in hereditatis petitione(m) ausdrücken. L. 18. §. 2. L. 20. §. 2. D. de her. pet. (5. 3.) L. 56. D. fam. erc. (10. 2.) L. 6. §. 6. D. de act. rer. am. (25. 2.). L. 14. §. 1. D. de reb. auct. iud. (42. 5.) Zum Beweise, wie wenig die obigen Ausdrücke darzuthun geeignet find, der B. f. possessor einer Erbschaft habe kein Eigenthum an den separirten Früchten, kann unter andern L. 43. D. de evict. (21. 2.) dienen, in der Julian sagt: Praediorum frumenta et vinum fructum recte dicimus. Hiernach gilt also auch vom Weine der Sag: hereditatem auget, res hereditaria est, und doch wird Niemand in Abrede stellen, daß an diesem der B. f. possessor Eigenthum hat. Denn hätte er dieses auch an den Trauben durch Separation noch nicht erworben, so würde doch immerhin durch Specification der Wein sein eigen sein.

Ad c) In Betreff des dritten Grundes kann unbedenklich zugegeben werden, daß, wenn es nur solche Stellen gäbe, welche Ausdrücke enthielten, wie die : B. f. possessor fructus suos facit, consumtos suos facit, lucratur, eius sunt, ad eum pertinent, u. dergl., dieselben wegen ihrer juristisch ungenauen Fassung nicht wohl geeignet sein würden, das Eigenthum des B. f. possessor an den separirten Früchten zu beweisen. Ganz aus demselben Grunde erscheinen sle aber auch gleich von vorne herein ungeeignet, das Gegentheil darzuthun. Die Verfasser haben nun einmal in gedachten Stellen das eigentliche Rechtsverhältniß des B. f. possessor an den feparirten Früchten nicht scharf in's Auge gefaßt und daher bleiben sie billig bei Feststellung desselben wenigstens solange außer Betracht, bis es durch so unzweideutige Zeugnisse erwiesen ist, wie die auf der folgenden Seite angeführten find, wornach die Früchte statim pleno iure bonae fidei possessoris werden, L. 28. D. de usur. (22. 1.), dem Bonae fidei possessor an den Früchten das ganz gleiche Recht zuerkannt wird, wie dem Eigenthümer des Gruudes und Bodens, L. 25. §. 1. D. eod., der B. f. possessor die Früchte im Momente der Trennung ebenso erwirbt, wie der Emphyteuta. L. 25. §. 1. D. eit. u. f. w. — Erscheint durch diese und analoge Quellen-Aussprüche das Eigenthum des B. f. possessor an den separirten Früchten als ausgemacht, so ist es jeßt erst an der Zeit zu untersuchen, wie die römischen Classiker daneben zu so unbestimmten Ausdrücken, wie die obigen, gekommen sind. Und da liegt denn die Erklärung ganz nahe. Die spätere Darstellung wird zeigen, daß die Fortdauer des Eigenthums der Früchte an die Fortdauer der Bona fides geknüpft ist, und erst mit der bona fide stattgehabten Consumtion jede Verantwortlichkeit erlischt. Ganz natürlich also, daß die Classiker diese Seite vorzugsweise hervorheben, und überhaupt geneigt sind, das Eigenthum des B. f. possessor an den separirten Früchten wegen seiner Hinfälligkeit mit weniger stringenten Ausdrücken, als Dominium u. dergl. find, zu bezeichnen, ohne übrigens damit die Eristenz des leßteren auch nur entfernt läugnen zu wollen.

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domini paene est. Denique etiam, priusquam percipiat, statim ubi a solo separati sunt, bonae fidei emtoris fiunt.

L. 4. §. 19. D. de usurp. (41. 3.) Paulus: Lana ovium furtivarum, si quidem apud furem detonsa est, usucapi non potest; si vero apud bonae fidei emtorem, contra, quoniam in fructu est, nec usucapi debet, sed statim emtoris fit.

L. 25. §. 1. D. de usur. (22. 1.) Julianus: porro bonae fidei possessor in percipiendis fructibus id iuris habet, quod dominis praediorum tributum est. Praeterea cum ad fructuarium pertineant fructus a quolibet sati, quanto magis hoc in bonae fidei possessoribus recipiendum est, qui plus iuris in percipiendis fructibus habent? cum fructuarii quidem non fiant, antequam ab eo percipiantur, ad bona e fidei autem possessorem pertineant, quoquo modo a solo separati fuerint, sicut eius, qui vectigalem fundum habet, fructus fiunt, simulatque solo separati sunt.

L. 28. pr. D. eod. Gaius: In pecudum fructu etiam foetus est, sicut lac et pilus et lana. Itaque agni et hoedi et vituli statim pleno iure sunt bonae fidei possessoris. Cf. L, 136. D. de R. I. (50. 17.) Paulus: Bona fides tantumdem possidenti praestat, quantum veritas.

II. Hauptvertreter der zweiten der oben mitgetheilten Ansichten über den Fruchterwerb des Bonae fidei possessor ist neuerdings wieder Unterholzner*), der zwischen Fructus naturales und industriales unterscheidet, und von den lezteren annimmt, fie giengen schon durch bloße Separation in das Eigenthum des Bonae fidei possessor dergestalt über, daß er selbst die Fructus extantes an den Eigenthümer nicht herauszugeben brauche, während die Fructus naturales vom Bonae fidei possessor nicht schon durch Separation, sondern erst durch Ufucapion oder Consumtion eigenthümlich erworben würden. Allein auch diese Unterholzner'sche Ansicht muß als unhaltbar verworfen werden, und zwar aus zwei Gründen,

*) Vergl. schon die Gloffe zu §. 35. I. de rer. div. (2. 1.) Haenel Dissensiones dominorum §. 168. Donellus Comment. iur. civ. IV. c. 25. §. 7.

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einmal, weil sämmtliche oben angeführte Stellen dieses Unterschiedes nicht gedenken, sondern vielmehr ganz allgemein von dem Fruchterwerbe des Bonae fidei possesor durch bloße Separation reden, und dann, weil Paulus in L. 48. D. de adq. rer. dom. (41. 1.) die Existenz eines solchen Unterschiedes aufs Bestimmteste negiert, indem er sagt: Bonae fidei emtor non dubie percipiendo fructus etiam ex aliena re suos interim facit, non tantum eos, qui diligentia et opera eius pervenerunt, sed omnes, quia, quod ad fructus adtinet, loco domini paene est. Zwar glaubt sich Unterholzner zur Unterstüßung seiner Ansicht auf eine Stelle des Pomponius (L. 45. §. 1. D. de usur. 22. 1.) berufen zu dürfen, die also lautet: Fructus percipiendo uxor vel vir ex re donata suos facit: illos tamen, quos suis operis adquisierit, veluti serendo; nam si pomum decerpserit, vel ex sylva ceciderit, non fit eius; sicuti nec cuiuslibet bonae fidei possessoris: quia non ex facto eius is fructus nascitur. Allein erscheint eines Theils dieses Geseß schon deshalb unvermögend, jene ex professo vom Fruchterwerbe des Bonae fidei possessor handelnden Worte des Paulus zu entkräften, weil es nur beiläufig desselben gedenkt, so ist darin andern Theils auch nicht einmal das ausgesprochen, was Unterholzner darin ausgesprochen findet, indem Pomponius nimmermehr behauptet, daß gar kein Bonae fidei possessor, sondern vielmehr, daß nicht jeder die Früchte durch bloße Separation erwerbe. Aus der Art, wie sich diese Worte an die vorher erwähnte Schenkung unter Ehegatten anschließen, ergiebt sich deutlich, daß Pomponius unter den Bonae fidei possessores, welche nicht schon durch Separation die natürlichen Früchte erwerben, dies jenigen verstanden wissen wollte, deren Besiß keine Justa causa, sondern nur ein auf Rechtsirrthum gestüßter Glaube an eine solche zu Grunde läge. Damit hat er aber nur diejenigen ausgeschloßen, welche im engeren Sinne des Wortes gar keine Bonae fidei possessores sind, vergl. L. 49. D. de V. S. Ulp. XIX. 21, Gaius II. 86. 92. 93. 94., s. oben S. 63. a. . . 64., und die Stelle des Pomponius enthält daher in nega tiver Form ganz dasselbe, was Justinian in seinen Institutionen positiv also faßt: Si quis a non domino, quem dominum esse credebat, bona fide fundum emerit, vel ex donatione, aliave qua iusta causa aeque bona fide acceperit, naturali ratione placuit,

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