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S. 94.

III. 3 weck der Rei vindicatio.

A. Vom Hauptzwede.

Zweck dieser Klage im Allgemeinen ist die nicht blos verbale, sondern reale Anerkennung des Eigenthumsrechts, welche sich in Restitution der Sache darstellt. *) — Zu dieser Restitution im juris schen Sinne des Wortes gehört aber:

I. als Hauptzweck die unentgeltliche**) Herausgabe der Sache selbst, und II. als Nebenzweck der Ersaß des durch die bisherige Nichtanerkennung des Eigenthumsrechts entstandenen Schadens resp. entgangenen Gewinnes. (Omnis causa.) L. 75. D. de V. S. Paulus: Restituere is videtur, qui id restituit, quod habiturus esset actor, si controversia ei facta non esset. L. 73. eod. L. 13. 29. D. h. t. L. 246. §. 1. D. de V. S. Pomponius: Restituit non tantum, qui solum corpus, sed etiam qui omnem rem conditionemque reddita causa

*) Diefem allgemeinen Zwecke der Rei vindicatio gegenüber drängt sich die Frage auf, was es heißen soll, wenn Paulus in L. 1. D. fin. reg. (10. 1.) sagt: Finium regundorum actio in personam est, licet pro rei vindicatione est. Es ist nur eine Consequenz der Verpflichtung des Vindicanten, den in Anspruch genommenen Gegenstand seinem Umfange nach genau anzugeben, L. 73. D. h. t., und das Eigenthum daran darzuthun, L. 9. D. h. t., daß, wenn bei dem vindicirten Grundstücke die Grenzen bestritten find, der Kläger auch diese nachzuweisen hat. Gelingt ihm dies und der Nichter spricht ihm darauf hin das Grundstück bis zur nachgewiesenen Grenze zu, so ist mit der Rei vindicatio zugleich der Zweck der Actio finium regundorum erreicht. Wird bei streitigen Grenzen die letztere Klage angestellt, so hat der Kläger nicht ausschließlich zu beweisen, vielmehr werden zunächst die alten Grenzen aufgesucht und im Falle des Mislingens ex aequo et bono neue gezogen. L. 2. L. 11. D. fin. reg. (10. 1.). Ist jenes oder dieses geschehen, so stehen die Grenzen so fest, wie da, wo sie in Folge der Rei vindicatio richterlich festgestellt worden sind, und dies ist es, was Paulus mit obigen Worten sagen will. Vergl. auch L. 3. C. fin. reg. (3. 39.) verb. de finibus.. querimonia .. proprietatis controversiae cohaeret. E. Hoffmann, über das Wesen der actio finium regundorum und ihren Unterschied von der rei vindicatio; im Arch. für civ. Pr. XXXI. H. 3. S. 521. Archiv für das Civil- und Criminalrecht der Königl. Preuß. Rheinprovinzen. Neue Folge B. XXXVIII. S. 37–44.

**) L. 3. 23. C. h. t. L. 2. C. de furt. (6. 2.) L. 16. C. de evict. (8. 45.).

praestet, et tota restitutio iuris est interpretatio. L. 81. D. eod. Paulus: Verbo restitutionis omnis utilitas actoris continetur. Vergl. L. 23. D. eod.

In Betreff der Restitution der Hauptfache hat man wieder

1. den Fall, in welchem der Beklagte dieselbe noch besißt und sich also in der Lage befindet, ste in natura herauszugeben, von dem anderen zu unterscheiden,

2. in welchem dies nicht so ist, weil die Sache untergegangen oder wenigstens aus dem Besize des Beklagten gekommen, es sich also höchftens um Ersaz handeln kann. Hat der Untergang oder Besizesverlust vor der Litiscontestation Statt gefunden, so ist eine wirksame Rei vindicatio gegen den früheren Besizer nur möglich, wenn er in die Kategorie des fictus possessor fällt, qui dolo malo desiit possidere. (S. oben S. 356. Nro. 2.) Ist dagegen der Untergang oder Besizesverlust erst nach der Litiscontestation eingetreten, so kommen außer dem Dolus auch noch die Culpa und der Casus als Ursachen derselben in Betracht. (S. die folg. S. Ad 2.)

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Ad 1. Hat der Kläger sein Eigenthum nachgewiesen, der Richter dasselbe anerkannt, und dem Beklagten in einem Arbitrium aufgegeben, die vindicirten Gegenstände an den Kläger herauszugeben *), so_kann sich jener von der Pflicht der Natural-Restitution an diesen nicht etwa dadurch befreien, daß er ihm den Werth anbietet. Vielmehr hat der Beklagte zu gewärtigen, daß ihm, wenn er nicht freiwillig Folge leistet, manu militari officio iudicis die Vindications objecte abgenommen wer den. L. 68. D. h. t. Indessen kann der Kläger von dem Erzwingen der naturalen Restitution auch absehen und statt deren Ersaß seines wegen des gegnerischen Ungehorsams durch's Iuramentum in litem festzustellenden Interesses in Anspruch nehmen **). L. 68. D. cit. L. 21. C. h. t. L. 2. §. 1. D. de in lit. iur. (12. 3.) Bittet der Beklagte um eine

*) L. 9. D. h. t. verb. ubi enim probavi rem meam esse, necesse habebit possessor restituere, qui non obiecit aliquam exceptionem. S. 1. I. de off. iud. (4. 17.). Et si in rem actum sit coram iudice, sive... iudicaverit... contra possessorem, iubere ei debet, ut rem ipsam restituat cum fructibus. **) Weigert der Kläger den Eid, so erfolgt die Verurtheilung ins einfache Intereffe. L. 69. D. h. t.

Restitutionsfrist, so kann ihm der Richter geeigneten Falles eine solche ertheilen, indeffen nur gegen genügende Caution. §. 2. I. de off. iud. (4. 17.) — Was den Ort der Restitution anlangt, so hat der Kläger die Wahl zwischen dem, wo sich die Sache befindet, und dem Orte des Gerichts, indessen trägt er, wählt er den letteren, die Gefahr des Transportes und die Kosten deffelben. Entfernt der Beklagte dolofe die Sache nach Stattgehabter Litiscontestation von dem Gerichtsorte, so wird sie auf dessen Kosten wieder dahin zurückgeschafft. L. 10-12. D. h. t. cf. L. 11. §. 1. D. ad exhib. (10. 4.) - Eind die Vindicationsobjecte dete riorirt, so machen sich die ad 2. abzuhandelnden Principien über Prästation der Culpa und des Casus von Seiten des Beklagten geltend. Ues brigens kann sich der Kläger desfalls auch der Actio Legis Aquiliae be dienen. L. 13. 14. D. h. t.

Ad 2. Ist die Restitution in Folge eines nach der Litiscontestation eingetretenen Ereignisses unmöglich geworden, so kommt es darauf an, ob dasselbe in einer vom Beklagten willkührlich vorgenommenen Veräußerung besteht oder nicht. In jenem Falle erscheint die Veräußerung der Res litigiosa, einerlei, ob sie von einem bonae oder malae fidei possessor vorgenommen ist, ipso iure null und nichtig, und daher kann sich der Kläger unbedenklich an den Käufer wegen der ihm veräußerten Sache halten. L. 2. C. de litig. (8. 37.) Clem. 2. ut lite pendente nil innovetur (2. 5.) Zieht er es indessen vor, den Proceß gegen den verâuBernden Beklagten fortzuseßen, so wird derselbe zur Leistung der durchs luramentum in litem zu bestimmenden Litis aestimatio verurtheilt, L. 68. D. h. t., es sei denn, die Veräußerung wäre nicht aus freien Stücken, sondern ex necessitate geschehen, z. B. weil die Sachen sonst zu Grunde gegangen wären. Denn dann ist dieselbe gesetzlich erlaubt, und daher hat der Beklagte in diesem Falle nur den einfachen Kaufpreis zu restituiren. L. 15. §. 1. D. h. t. Hat die gänzliche Unmöglichkeit der Restitution nicht in Veräußerung ihren Grund, sondern in anderen Ursachen, wie Untergang, Flucht, L. 21. 36. D. h. t., oder ist die Restitution zwar nicht vollständig unmöglich, aber doch theilweise, indem deren Gegenstände nicht mehr alle oder in einem deteriorirten Zustande vorhanden find *),

*) Ist die vindicirte Sache vom Beklagten dolo malo deteriorirt worden und darauf sine culpa deffelben untergegangen, so fällt da, wo der Beklagte nicht für

L. 13. D. h. t., so muß man in Bezug auf Haftverbindlichkeit des zurechenfäh igen Besizers*) zwischen malae und bonae fidei possessores unterscheiden.

å. Der malae fidei possessor, den man indeffen irrig von den Folgen der Mora ex re betroffen werden läßt **), haftet von dem Mo» mente seines Besizes an, also schon vor der Litiscontestation, L. 31. §. 3. D. de her. pet. (5. 3.), für omnis culpa, und zwar muß er sich, wenn er dolo oder culpa lata die vollständige oder theilweise Unmöglichkeit der Rückerstattung oder die Deterioration der Gegenstände der= selben herbeigeführt hat, die Feststellung des klägerischen Interesses durch den Schäzungseid gefallen lassen. Einfache Culpa legt ihm die Verpflichtung auf, das durch die gewöhnlichen Beweismittel festgestellte Interesse zu zahlen, L. 21. 22. 36. §. 1. L. 63. 68. 72. D. h. t. L. 21. C. h. t., desgleichen, die nach der Litiscontestation durch. Casus eingetretene Unmöglichkeit der Restitution oder Deterioration, insoferne der Kläger nachzuweisen vermag, daß bei früherer Herausgabe der Sache an ihn dieselbe von dem fraglichen Casus nicht betroffen fein würde***). L. 16.

Casus einsteht, die Vindication hinweg; dagegen dauert wegen der früheren Deterioration die Actio Legis Aquiliae fort. L. 27. §. 2. D. h. t.

*) L. 60. D. h. t. Pomponius: Quod infans vel furiosus possessor perdidit vel corrupit, impunitum est.

**) Die von Mühlenbruch Pand. Recht. II. §. 271. Note 1. dafür angeführten Stellen: L. 8. §. 1. L. 17. L. ult. D. de cond. furt. (13. 1.) L. 19. D. de ... vi- (43. 16.) L. ult. C. de cond. ob t. c. (4. 7.) handeln nur vom Diebe und gewaltsamen Befißer und beweisen daher das Gewollte nicht. Vergl. v. Madai Lehre von der Mora S. 179 ff.

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***) Gewöhnlich legt man dem Beklagten den umgekehrten Beweis auf, daß die Sache auch beim Kläger von dem Casus betroffen worden sein würde. Allein L. 16. pr. cit. (Paulus: Non enim post litem contestatam utique et fatum possessor praestare debet.) und L. 62. D. h. t. (Papinianus: Si navis a malae fidei possessore petatur cet. I periculum navis possessor petitori praestare non debet.) beweisen, daß der malae fidei possessor an sich selbst nach der Litiscontestation von Prästation des Casus frei ist. Und wenn daher andere Gefeßesstellen Cf. die im Texte angegebenen) hiervon eine Ausnahme für den Fall constituiren, daß die Sache beim Kläger nicht von gedachtem Zufalle betroffen worden wäre, so kann man den Beklagten nicht mit dem Beweise des Nichtseins dieser Ausnahme beschweren, sondern der Kläger hat vielmehr deren Vorhan= densein in concreto darzuthun. Vergl. auch Schmid Handb. S. 301.

pr. L. 62. D. h. t. vergl. m. L. 15. §. 3. D. h. t. L. 14. D. depos. (16. 3.) L. 14. §. 11. D. quod met. c. (4. 2.) L. 20. §. 21. L. 40. pr. D. de her. pet. (5. 3.) Nur der Dieb und gewaltsame Befizer haften, quia semper moram facere videntur, L. 8. §. 1. D. de cond. furt. (13. 1.), unter allen Verhältnissen für den Casus. L. 7. §. 2. L. 8. §. 1. L. 16. 20. D. eod. L. 2. C. de cond. ob turp. c. (4. 7.) L. 9. C. de furt. (6. 2.) L. 1. §. 34. D. de vi (43. 16.)

b. Der bonae fidei possessor ist vor der Litiscontestation von Prästation einer jeden Culpa frei, quia quasi suam rem neglexit, L. 31. §. 3. D. de her. pet. (5. 3.); mit der Litiscontestation wird derselbe zwar nicht gerade zum malae fidei possessor, wie daraus hervorgeht, daß er nicht für Casus haftet, L. 40. pr. D. eod., indessen büßt er denn doch den angegebenen Vortheil seiner bisherigen bona fides, für nichts haften zu müssen, ein, indem er von nun an, wie der wirkliche malac fidei possessor vor der Litiscontestation, für omnem culpam eins zustehen hat *). L. 21. 36. §. 1. L. 40. pr. D. de her. pet. (5. 3.) Wird der bonae fidei possessor von der wider ihn erhobenen Vindication frei gesprochen, weil er durch Casus den Besit verloren, so muß er dem Kläger Sicherheit leisten, die Sache zu restituiren, wenn er wieder in deren Besiz kommen sollte. L. 21. D. h. t.

Hat der Kläger die Litis Aestimatio vom Beklagten erhalten, so erwirbt der lettere, mit Ausnahme deffen, qui dolo malo desiit possidere, L. 69. 70. D. h. t., wie durch Vergleich L. 46. cod. oder Kauf L. 1. 3. D. pro empt. (41. 5.) das Eigenthum an den Objekten der Vindication, insoferne er im Besige derselben ist; gegenfalls erst dann, wann er in deren Besiß gelangt; und zwar hat der Kläger dem nichtbesigenden Beklagten vor Empfang der Litis-Acftimatio seine Rechtsmittel zur Verfolgung der Sache zu cediren und überdies Caution zu leisten, der Besißergreifung des leßteren nicht hindernd in den Weg treten zu wollen. L. 21.

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*) In diesem beschränkten Sinne find die Worte Ulpian's in L. 25. §. 7. D. de her. pet. (5. 3.) zu verstehen: post litem contestatam omnes incipiunt malae fidei possessores esse; quinimmo post controversiam motam. Vergl. L. 45. D. h. t. L. 2. C. de fruct. (7. 51.) Bei der Rei vindicatio tritt die besagte schlimmere Lage des bonae fidei possessor mit der Litiscontestation ein, bei der llereditatis petitio schon mit der Controversia mota. L. 25. §. 7. D. cit.

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