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Quellen die Vindicatio dominii *), unter Hervorhebung ihres mittelbaren Gegenstandes, durch Rei vindicatio bezeichnet zu werden pflegt, so ergiebt sich daraus der Gegensaß der Rei und Iuris vindicatio **), welche lettere, abgesehen von der negatoria actio, die eine Vindication der Freiheit einer Sache (Vindicatio libertatis) ist, in nachfolgenden Gestaltungen vorkommt: 1) als Vindicatio servitutis i. e. Actio confessoria, L. 9. D. de oper. nov. nunc. (39. 1.) L. 1. §. 5. D. de arb. caed. (43. 27.) L. 4. pr. D. de serv. (8. 1.) L. 1. 2. §. 1. L. 4. §. 5. D. si serv. vind. (8. 5.) L. 21. §. 3. D. de exc. rei iud. (44. 2.) L. un. §. 4. D. de remission. (43. 25.) 2) als Vindicatio pignoris i. e. Actio hypothecaria, L. 16. §. 3. L. 28. D. de pign. (20. 1.) L. 2. C. si unus ex plur. her. (8. 32.) L. 10. C. de pign. act. (4. 24.) —3) als Vindicatio successionis, hereditatis i. e. Hereditatis petitio, L. 4. C. qui admitt. ad bon. poss. (6. 9.) L. 15. C. de postlim. rev. (8. 51.) L. 2. D. de manum. quae servis (40. 3.) L. 2. §. 2. D. ad S. C. Tert. (38. 17.) — 4) als Vindicatio status, L. 3. D. de statu defunct. (40. 15.), Vindicatio in servitutem, libertatem, ingenuitatem. L. 12. pr. D. ad exhib. (10. 4.) L. 7. §. 5. 32. D. de liberal. caus. (40. 12.) Vergl. Gaius I. 134. vindicat filium suum esse. Da die gegenwärtig ausschließlich in näheren Betracht zu ziehende Rei vindicatio die practisch bedeutendste unter allen dinglichen Klagen ist, so heißt sie in den Quellen wohl auch vorzugsweise Actio in rem, L. 23. pr. L. 39. §. 1. L. 41. L. 52. L. 80. D. h. t. Gaius IV. 3. §. 1. I. de act. (4. 6.), oder im Gegensaße der Hereditatis petitio Actio in rem specialis, Actio singularum rerum petitionis ohne weiteren Zusaß. L. 1. pr. §. 1. L. 27. §. 3. D. h. t.

*) Vergl. L. 16. §. 5. D. de pign. (20. 1.) L. 15. C. h. t. (3. 32.) L. 10. C. arbitr. tut. (5. 51.) L. 9. C. de pign. act. (4. 24.) L. 8. §. 1. D. de lib. caus. (40. 12.)

**) Vergl. Gaius IV. 3. In rem actio est, cum aut corporalem rem intendimus nostram esse, aut ius aliquod nobis competere, velut utendi aut utendi fruendi, eundi, agendi aquamve ducendi vel altius tollendi vel prospiciendi; item actio ex diverso adversario est negativa.

S. 89.

II. Erfordernisse.

1. In Betreff der Parteien.

A. Vom Kläger.

AA. Bei der Rei vindicatio directa.

Kläger bei der Rei vindicatio directa als dem civilrechtlichen Schußmittel des Eigenthums für den Fall seiner vollständigen Nichtanerkennung durch Vorenthaltung des Besizes der Sache ist der nicht besigende Eigenthümer *). Eine derartige Ausnahme hiervon, daß der Inhaber einer körperlichen Sache dieselbe gleichwohl zu vindiciren im Stande wäre, kann es schon der Natur der Sache nach nicht geben. Und wenn nichts desto weniger die Inftitutionen in §. 2. i. f. I. de actionibus (4. 6.), die Rei vindicatio im Auge habend **), sagen: Sane uno casu qui possidet, nihilominus actoris partes obtinet, sicut in latioribus Digestorum libris opportunius apparebit, so ist unter diesem unus ca

*) L. 23. pr. D. h. t. Paulus: In rem actio competit ei, qui aut iure gentium, aut iure civili dominium adquisivit. §. 1. I. de act. (4. 6.) verb. aut cum eo agit, qui nullo iure ei obligatus est, movet tamen alicui de aliqua re controversiam, quo casu proditae actiones in rem sunt; veluti si rem corporalem possideat quis, quam Titius suam esse affirmet, et possessor dominum se esse dicat; nam si Titius suam esse intendat, in rem actio est. Der §. 2. I. eod. handelt zunächst von der Actio confessoria als Actió in rem, dann von der Actio negatoria, und unmittelbar an diese schließen sich die Worte an: Quod genus actionis in controversiis rerum corporalium proditum non est. Nam in his is agit, qui non possidet: ei vero qui possidet, non est actio prodita, per quam neget rem actoris esse.

**) Nachdem von der Actio confessoria und negatoria die Rede war, kehrt Justinian durch die Worte: Quod genus actionis in controversiis rerum corporalium proditum non est, cet. (s. die vorige Note) zu der im §. 1. bereits besprochenen Rei vindicatio zurück, als Eigenthümlichkeit derselben hervorhebend, daß dabei der Nichtbefizer klage, während der besigende Beklagte diese Klage nicht habe, um damit des Klägers Eigenthum zu verneinen. Und unmittelbar darauf fährt er dann weiter fort: Sane uno casu cet, eine Verbindung, welche darauf hinweist, daß in dem Folgenden ein Ausnahmsfall der Rei vindicatio hervorgehoben werden soll, weil von ihr zuleßt die Rede war.

sus der Fall zu verstehen, in welchem der Vindicant dem Rechtsbegriffe nach Besizer ist, obwohl ein Anderer die Sache factisch inne hat, d. h. aber, in dem beide Theile Besizer in verschiedenem Sinne sind, der Kläger juristischer, der Beklagte Natural-Befizer, und als solcher in der Lage, die Sache herauszugeben *). L. 9. D. h. t. Dieses Falles

*) Neber diesen vielbesprochenen unus casus der Inftitutionen vergl. Doujat de uno casu in §. 2. I. de act. (4. 6.) Excurs. XVIII. ad Theophil. Paraphras. Ed. Reitz. Tom. II. §. 1-16., Guil. Francke Probabilium de uno casu in §. 2. I. de act. commemorato particula I. Jenae 1839. 8. und Friß in Zeitschrift für Civilrecht und Proceß. Neue Folge. I. Abh. 2. S.45-84. Die in den Tert aufgenommene Erklärung rührt bereits von Accurfius her und hat wieder neuerdings in Friß a. a. D. einen gründlichen Vertheidiger, und in Sintenis Civilrecht I. §. 52. Note 2., Schmid, Handbuch des gemeinen deutschen bürgerlichen Rechts I. S. 276 und Arndts Pandecten I. §. 166. Anm. 2. weitere Anhänger gewonnen. Von den vielen abweichenden Ansichten sollen nur die wichtigsten, welche noch oder erst in neuester Zeit Vertreter gefunden haben, hervorgehoben werden. 1) Die älteste darunter ist die, wornach unter dem unus casus keine andere Klage als die Actio negatoria verstanden werden müsse. Ihr pflichten unter anderen Baro, Cujacius, Schrader (ad Inst.) und v. Vangerow (Leitf. I. S. 581. 582.) bei. Allein, wie in der vorigen Note gezeigt, fteht mit dieser Auffassung die Verbindung der Tertesworte: Sane uno casu cet., die sich unmittelbar an die Rei vindicatio anreihen, in offenbarem Widerspruche. 2) Eine sehr vielfach verbreitete, auch von Thibaut (Braun's Erörtr. S. 74.) angenommene, und nächst der vorherigen von v. Vangerow a. a. D. für die wahrscheinlichste erklärte Auffassung ist die Doujat's, der aus L. 27. D. de sol. (46.3.) und analogen Stellen den Saß ableitet, daß, wer seine zu vindicirende Sache von einem Anderen ohne Klage erhalte, die noch zurückftehenden Nebenprästationen ebenso vindiciren könne, als wenn er die Hauptsache noch nicht erhalten hätte. Allein dem ist nicht also. Die L. 27. cit. und analoge Stellen handeln nur von persönlichen Klagen, und die Intentio der Rei vindicatio geht, da wo sie nach Erlangung der Hauptsache noch möglich ist, wie bei eigentlichen Accessionen und vom malae fidei possessor gezogenen Früchten, vergl. L. 22. §. 2. D. de pign. act. (13.7.), nicht auf das Eigenthum an der Hauptsache, sondern nur auf das der einzufordernden Nebensachen, die ganz der Regel gemäß der Beklagte befißt, der Kläger nicht befißt. Vergl. L. 3. C. de cond. ex lege et sine causa (4. 9.) Diocl. et Max. Mala fide possidens, de proprietate victus, extantibus fructibus vindicatione, consumptis vero condictione conventus, eorum restitutioni parere compellitur. L. 4. C. de crim. expil. her. (9. 32.) Friß a. a. D. S. 58. 59. — 3) Nach Höpfner (Com=

gedenken, freilich ohne specielle Bezugnahme auf die Institutionen, die Pandecten allerdings. So namentlich in Betreff des Eigenthümers, dem,

mentar §. 1095), dem Schilling (in f. Inftit. II. S. 104. Note i.) folgt, ift der unus casus enthalten in L. 12. §. 1. D. de adq. v. am. poss. (41. 2.) Ulpianus: Nihil commune habet proprietas cum possessione: et ideo non denegatur ei Interdictum Uti possidetis, qui coepit rem vindicare; non enim videtur possessioni renunciasse, qui rem vindicavit. Einer, der im Besiße einer Sache ist, und in diesem Befiße geftört wird, greift, ob er gleich das Interdictum Uti possidetis anstellen könnte, lieber zur Vindication, weil der Beweis seines Befißes Schwierigkeit hat, und dies soll denn unser unus casus sein. Allein man übersieht hierbei, daß beim Interdictum Uti possidetis derjenige Besizer ist, welcher zur Zeit des erlassenen Interdicts nec vi nec clam nec precario ab adversario possidet, also auch ein solcher, der die Sache körperlich gar nicht inne hat, dem aber die vitiosa possessio feines Gegners zu Gute kommt. Liegt ein solcher Fall vor, so hat nun der Eigen= thümer allerdings zwei Wege den ungestörten Befiß der vom Gegner innege= habten Sache zu erlangen. Entweder, er sieht von den vitiis der gegne= rischen Possessio ab und vindicirt; dann hält er sich an die Thatsache, daß sein Gegner die Sache inne hat, er, der Eigenthümer, sie nicht hat; oder, er gerirt fich als Befißer, indem er das Interdictum Uti possidetis und damit die vitiosa possessio feines Gegners zu seinen Gunsten geltend macht. Ein Zusammen= treffen beider Fälle in der Art, daß der sich während des Prozeffes als Befißer gerirende Kläger die Rei vindicatio anstellen könne, ist unmöglich, und folglich auch der unus casus nicht in obiger Vorausseßung enthalten. Was L. 12. §. 1. cit, sagt, ift nur, daß vor der Litis conteftation (qui coepit vindicare) das Anstellen der Vindication noch keinen Verzicht auf Geltendmachung der Vitia des gegnerischen Besißes enthalte, und also bis zu diefem Momente (aber auch nur bis zu diesem) ein Zurückgreifen zum Interdictum möglich sei. 3ft nach angestellter Vindicatio Lis conteftirt, so gilt der Kläger als Nichtbefizer, und nach erlangtem Interdicte dreht sich Alles darum, ob er in obigem Sinne Befizer set. Ein Coincidiren beider Fälle erscheint unmöglich.. Vergl. oben §. 84. S. 321. 322. 4) Die neueste Anficht über den unus casus ist die Puchta's (Inftit. II. §. 232. S. 559. Note e.) Unter den römischen Klassikern war Trebatius der Anficht, daß plures eandem rem in solidum possidere possint, nämlich der Eine juste, der Andere injuste, (vi, clam, precario). L. 3. §. 5. D. de adq. poss. (41. 2.) Und dem stimmten Sabinus und Pomponius infoferne bei, als fie beim Precarium sowohl dem precario accipiens, als dem= jenigen, qui precario dederit, Possessio zufchrieben. L. 3. §. 5. D. cit. L. 15. §. 4. D. de precar. (43.26.) Eine Folgerung gedachter Theorie des Trebatius referirt Ulpian in L. 3. D. uti poss. (43. 17.) Darnach würde, wenn zwei in solidum befäßen, der Eine ex iusta causa z. B. als Eigenthümer, der andere

wenn der Usufructuar die Cautio usufructuaria verweigert, nach Stattgehabter Tradition die Rei vindicatio zugesprochen wird. L. 7. pr. D. usufructuarius quemadm. cav. (7. 9.) Ulp. Si ususfructus nomine, re tradita, satisdatum non fuerit, Proculus ait, posse heredem rem vindicare: et si objiciatur exceptio, de re ususfructus nomine tradita, replicandum erit: Quae sententia habet rationem, L. 12. D. eod. Ulp. verb. cum non fiant fructuarii vasa, vindicari a proprietario possunt, cautione non data. - Ganz in gleicher Weise kann aber auch der Eigenthümer von dem Depositarius, Miether, Negotiorum gestor, hypothecarischen Pfandgläubiger, Missus in possessionem und von sonstigen Detentoren, die sein Eigenthum anerkennen, und durch deren Detention er feinen juristischen Besiß nicht einbüßt, die Sache vindiciren, sobald das betreffende Rechtsverhältniß aufgehört hat, wirksam zu sein *). L. 9. D. h. t. Wird die Rei vin

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ex iniusta causa, (vi aut clam), aber nicht ab adversario, feiner von beiden mit dem Interdictum Uti possidetis zum Siege gelangen können, weil beide befäßen. Allein diese ganze Theorie der Possessio plurium in solidum ist von Labeo, Celsus und namentlich Paulus bekämpft, und auch im justinianeischen Rechte verworfen worden. L. 3. §. 5. D. cit. L. 5. §. 15. D. commod. (13. 6.) Wer ihr aber von den römischen Juristen anhieng, der ertheilte allerdings dem Possessor ex iusta causa gegen den vi aut clam besißenden Beklagten, dem Befißer, qui precario dederit, gegen den Possessor, qui precario acceperit, die Rei vindicatio, und darîn findet denn Puchta den unus casus der Inftititutionen, dessen die Pandekten, obwohl er darin verworfen werde, immerhin noch gedächten, und somit sei die Hinweisung der Inftitutionen auf fie erfüllt. Gegen diese Puchta’sche Auffaffung des unus casus spricht hauptsächlich, daß er darnach im juftinianeischen Rechte gar nicht mehr practisch und nur aus Versehen der Compilatoren darin erwähnt worden wäre. Gleichwohl führen ihn aber die Inftitutionen als einen noch geltenden an. Eo lange sich daher der= selbe in einer Weise erklären läßt, die kein Versehen der Compilatoren zu unterstellen nöthigt, und einen noch geltenden Fall angiebt, müffen wir diese Erklärung der Puchta'schen vorziehen, und beides macht sich in Betreff der Auffaffung des Tertes in der That geltend.

*) Auch Puchta Inft. II. §. 232. S. 559. ertheilt dem Eigenthümer wider die genannten Detentoren die Rei vindicatio, aber nur unter der Vorausfeßung, daß er seinen furistischen Befiß vorher aufgebe. Allein von einer solchen Vorausseßung wissen die Geseße nichts. Können auch die Worte der L. 12. §. 1. D.

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