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IV. 148. Retinendae possessionis causa solet interdictum reddi, cum ab utraque parte de proprietate alicuius rei controversia est et ante quaeritur uter ex litigatoribus possidere et uter petere debeat, cuius rei gratia comparata sunt, Uti possidetis et Utrubi. §. 149. Et quidem Uti possidetis interdictum de fundi vel aedium possessione redditur, Utrubi vero de rerum mobilium possessione. §. 4. I. de interdictis (4. 15.) L. 1. §. 2. 3. D. Uti poss. (43. 17.) L. 35. D. de adq. v. am. poss. (41. 2.) Vergl. Cic. de republ. I. 13. Waren die über den Besit streitenden Theile in iure erschienen, so fuchten nun Beide oder Einer von ihnen um Erlaß des Interdictum UTI POSSIDETIS oder UTRUBI nach, und dem entsprach denn der Prätor, indem er bei unbeweglichen Sachen also interdicirte: UTI NUNC POSSIDETIS, QUOMINUS ITA POSSIDEATIS, VIM FIERI VETO, Gaius IV. 160, oder noch vollständiger: UTI EAS AEDES, QUIBUS DE AGITUR, NEC Vi NEC CLAM NEC PRECARIO ALTER AB ALTERO POSSIDETIS, QUOMINUS ITA POSSIDEATIS, VIM FIERI VETO. L. 1. pr. D. Uti possidetis (43. 17.) Festus s. voc. Possessio. Ed. O. Müll. p. 233. Und demgemäß blieb denn derjenige endlicher Sieger, welcher im Momente des ertheilten Interdicts im Besige war, ohne ihn vom Gegner vi, clam oder precario erlangt zu haben *). Beim Interdictum Utrubi lautete der Befehl

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weisende Nichtbesizer vom Juder nur verurtheilt werden, wenn er dem Interdicte zuwider gehandelt, d. h. seit dessen Erlaß dem Befißer Zwang angethan hat. Daß zur Vis bei den Interdictis retinendae possessionis keine körperliche, gewaltsame Verlegung (Vis atrox), wie dies beim Interdictum Unde vi der Fall, erforderlich ist, sondern deren Begriff schon durch jede Anmaßung, welche den Besiz stört und wider den Willen des Besizers geschieht, veranlaßt wird, hat v. Savigny a. a. D. S. 477. nachgewiesen, und daher liegt denn nichts näher, als, was auch Keller a. a. D. S. 317. ausgeführt hat, anzunehmen, daß der später als solcher verurtheilte Nichtbefizer zur Zeit des Interdictum redditum seinem Gegner im Sinne des römischen Rechts Vis anthat, indem er sich an der Fructus licitatio betheiligte. Von dem, qui fructus licitatione vicit, deutet dies Gaius (IV. 167.) durch die Worte fructus licitationis poenae nomine solvitur, quod quis alienam possessionem per hoc tempus retinere et facultatem fruendi nancisci conatus est, selbstan; freund bei demjenigen, qui fructus licitatione victus est, liegt das Strafbare-darin, daß er den berechtigten Befißer durch sein Bieten hinauftreibt, ihm also die Er* haltung feines Besizes erschwert. Vergl. Keller a. a. D. S. 318.

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*) Gaius IV. 150. Et si quidem de fundo vel aedibus interdicitur, eum potiorem

des Prätors: Utrubi hic homo quo de agitur maiore parte huiusce anni fuit, quominus is eum ducat, vim fieri veto. Gaius IV. 160. i. f. L. un. pr. D. de utrubi (43. 31.). Und den endlichen Sieg trug derjenige von beiden Theilen davon, welcher im leßten Jahre vor erhobenem Proceffe am Längsten besessen hatte*). Bei Berechnung dieser Zeit fand aber Accessio temporis s. possessionis Statt, d. h. man konnte sich den Besiz seines Vorgängers, insoferne man ihn ex iusta causa von demselben erhalten, zu seinen Gunsten anrechnen **). Gaius IV. 151-153.

In dem Momente, in welchem der Prätor eins der angegebenen Interdicte erließ, galt ihm zunächst keiner von beiden Theilen als Besizer. Gleichwohl sollte aber doch bis zu beendigtem Interdictsverfahren Einer den Besiz erhalten, und dies war denn derjenige von ihnen, welcher bei der vom Prätor zu veranstaltenden Versteigerung für die einstweilige

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( esse praetor iubet, qui eo tempore, quo interdictum redditur, nec vi nec clam nec precario ab adversario possideat. Idem IV. 166. §. 4. I. de interd. (4. 15.) Paulus S. R. V. 6. §. 1. - L. 1. §. 9. D. Uti poss. (43. 7.) Ulp. Si quidem ab alio (quis possidet,) prosit ei possessio, si vero a badversario suo non debeat eum propter hoc, quod ab eo possidet, vincere; has enim possessiones non debere proficere palam est. L. 2. D. eod. Wie Huschke nachgewiesen hat, löste sich das Interdictum Uti possidetis in zwei auf, in das Interdictum Uti possidetis eum fundum und eas aedes. Rudorff hat denen noch ein drittes, das Interdictum uti possidetis eum locum hinzugefügt. Zeitschr. für gesch. R. W. XI. S. 336. Wer im Momente des erlassenen Interdictes das Streitobject vitiös ab adversario (vi, clam, precario) besaß, der galt nicht als Befizer, vielmehr kam ein solcher vitiöser Bestß dem Gegner zu Gute, und daher stellt sich denn die Sache so, daß man sich durch die Interdicta retinendae possessionis unter Umständen einen verlorenen Besig wiederverschaffen, diese also den Effect der Interdicta recuperandae possessionis haben konnten. Vergl. darüber v. Vangerow a. a. D., namentlich S. 609.

Gaius IV. 150. Si vero de re mobili interdicitur, tunc eum potiorem esse jubet, qui maiore parte eius anni nec vi nec clam nec precurio ab adversário possidet; idque satis ipsis verbis interdictorum significatur. **) Erst nach und nach ist das Interdictum Utrubi mit dem Interdictum Uti possidetis auf gleiche Linie gestellt worden, so daß nach justinianeischem Rechte bei beiden derjenige flegt, welcher im Momente der Litiscontestation nec vi nec clam nec praecario ab adversario bestßt, L. un. §. 1. D. de utrubi (43. 31.); eine Aenderung, durch welche die Accessio temporis beim Interdictum Utrubi von selbst weggefallen ist. §. 4. I. de interd. (4. 15.)

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Benußung der Sache am Meisten bot. (Fructuum licitatio)*). Gaius IV. 166-169. Freilich geschah ein solches Meistgebot nicht ohne Gefahr für den Bietenden. Denn brauchte er auch dessen Betrag nicht für den ihm dadurch gewordenen Besig und die einstweilige Benußung der Sache fofort zu entrichten, so erschien er doch verpflichtet, schon im Voraus für den Fall seines Unterliegens die gebotene Summe dem Gegner als Strafe feiner sich dann als solche darstellenden Anmaßung des interimistischen Besizes in Stipulationsform zu versprechen. Ein derartiges Versprechen hieß fructuaria stipulatio**), Gaius IV. 166., die Strafsumme Fructus licitationis summa, Gaius IV. 167., der Streit um den interimistischen Besiz selbst Contentio fructus licitationis. Gaius IV. 166. Nothwendig erschien es übrigens darum keineswegs, daß der siegende Nichtbesißer seinen Anspruch auf gedachte Strafsumme gerade aus der fructuaria stipulatio ableitete. Denn war sie unterblieben, so ertheilte ihm der Prätor eine besondere Actio in factum auf Entrichtung des Meistgebotes als Strafe, das Iudicium fructuarium, wie Gaius IV. 169. sagt, des

*) Keller a. a. D. S. 319. ist der Meinung, daß die Fructus licitatio weder beim Interdictum Utrubi jemals, noch in denjenigen Fällen des Interdictum Uti possidetis, in welchen es sich nicht um Sachbesiz, sondern um Rechtsbesiß handelte, geübt worden zu sein scheine, und statt ihrer vielmehr eine parallel gehende, fie ersehende Handlung gebräuchlich gewesen sei. Uns interessirt hier das Gesagte nur in Betreff des ersten Punctes, des Interdictum Utrubi. Da indessen Keller keine weiteren Gründe seiner Behauptung beigefügt, fondern sie überhaupt nur ganz beiläufig gethan hat, so kann sie noch zur Zeit auf sich beruhen bleiben. Ausgemacht ist nur soviel, daß Gaius da, wo er von der Fructum licitatio handelt, (IV. 166.) zunächst das Interdictum Uti possidetis im Auge hat. Allein wer möchte dafür einstehen, daß er in dem verstümmelten §. 165. oder 170. nicht die Fructuum licitatio auch als anwendbar auf das Interdictum Utrubi dargestellt habe? **) Heffter (Gaii Commentarius quartus sive de actionibus cap. 24. pag. 115. verb. stipulatione forte de fructibus postea restituendis interposita,) und Zimmern (Gesch. des röm. Privatrechts III. §. 74.) beziehen die fructuaria stipulatio auf die Restitution der Früchte. Allein dem widerspricht der Zusammenhang der Darstellung des Gaius, der IV. 167. von der licitationis summa als einer zu zahlenden Strafe spricht, und dann nach ganz kurzer Unterbrechung (§. 168.) den Faden wieder aufnehmend sofort von dem Falle handelt, in dem die fructuaria stipulatio unterblieben sei. Ueberdies liegt es ja auch ganz nahe, daß die Früchte zugleich mit der Nestitution der Sache durch das Iudicium Cascellianum erlangt wurden. Vergl. Puchta Inst. II. §. 169. Note h.

halb auch secutorium genannt, quod sequitur sponsionis victoriam. Der Beklagte hatte dabei die Cautio iudicatum solvi zu leisten. Gaius 1. c.

War. nach erlassenem Interdicte der interimistische Besiß für die Zeit der Verhandlung desselben auf dem Wege der Fructuum licitatio ge= ordnet, so erfolgte nun die bei prohibitorischen Interdicten nie fehlende wechselseitige Aufforderung zum Versprechen einer Strafe für den Fall, daß der Eine oder der Andere dem Interdicte zuwider gehandelt oder nicht zuwider gehandelt habe. (Sponsio et Restipulatio). Gaius IV. 166. vendit postca alter alterum sponsione provocat: nisi adversus edictum praetoris possidentibus sibi (Rudorff, sonst nobis) (vis) facta esset, invicem ambo restipulantur adversus sponsionem. *)

Den an die Sponsio und Restipulatio beider Theile sich anschließenden Schlußact des Verfahrens in iure bildete die Ernennung des Juder und die Conception der Formulae, mit Einem Worte, die Anordnung des Judiciums. Was aber diese Formulae betrifft, so ermäch tigten sie zunächst den Juder in die Sponsions- und Restipulationssumme zu verurtheilen, resp. davon freizusprechen. Gaius IV. 165. Hatte der= jenige, qui fructus licitatione vicit, die Licitationssumme in Stipulationsform für den Fall seines Unterliegens versprochen, so wies der Prätor den Juder an, auch daraus zu verurtheilen, wenn die Vorausseßung dazu eingetroffen sein würde. War dagegen die Licitationssumme nicht ausdrücklich versprochen worden, so suchte derjenige, qui fructus licitatione victus est, um obiges Iudicium fructuarium oder secutorium nach **),

*) Wie aus dieser Stelle des Gaius hervorgeht, verhielt es sich mit dieser Sponsio und Restipulatio folgendermaßen: 1. Alter alterum sponsione provocat, nisi adversus edictum praetoris possidentibus sibi vis facta esset, d. h. eine jede Parthei legte der anderen die Frage vor: Si adversus edictum Praetoris possidenti mihi vim fecisti, tot numos mihi dare spondes? und 2. invicem ambo restipulantur adversus sponsionem, d. h. eine jede Parthei frug nach abgeschlossener Sponsio zur Restipulatio übergehend die andere: Si adversus edictum Praetoris vim tibi non feci, tot numos dare spondes? Waren diese wechselseitigen Doppelfragen bejahend beantwortet, so lagen vier Stipulationen vor. Vergl. Rudorff in der Zeitschr. f. g. R. W. XI. S. 355.

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**) Rudorff a. a. D. S. 356. legt dem Iudicium fructuarium die Bestimmung bei, Restitution der Früchte zu bewirken, und hält auf Erlangung der Licitations

dessen Formula der Prätor den aus den Stipulationen concipirten Formeln anhieng. Und unter allen Verhältnissen bat jener um das Iudicium Cascellianum s. secutorium, ein Arbitrium de re restituenda, vergl. Gaius IV. 165. i. f., in Folge deffen der Prätor den Juder schließlich anwies, dem unterliegenden interimistischen Besißer die Restitution der Sache sammt percipirten Früchten aufzugeben, und falls dem nicht entsprochen werde, ihn in den Werth zu verurtheilen *)...

Das Verfahren in iudicio war zunächst darauf gerichtet, festzustellen, welche von beiden Partheien im Augenblicke des ergangenen Interdictum Uti possidetis nec vi nec clam nec precario ab adversario beseffen, Gaius IV. 150. 166., und beim Interdictum Utrubi, welcher von beiden Theilen die längste Zeit im verflossenen Jahre den erforderlichen Besitz

summe, wenn desfalls keine fructuaria stipulatio eingegangen war, die venditi actio begründet, weil Paulus in L. 34. §. 4. D. de contr. empt. (18. 1.) fagt: Rei suae emptio tunc valet, cum ab initio agatur, ut possessionem emat, quam forte venditor habuit et in iudicio possessionis potior esset. Allein dies kann deshalb nicht wohl des Fall sein, weil bei der Licitatio fructuum dem Prätor keiner von Beiden als Befißer gilt,' die Vorstellung, daß der Eine (venditor, qui forte possessionem habuit) dem Anderen den Befiß seiner Sache verkauft, also nicht zutreffend ist. Und überdies, wie paßt die venditi actio für den Fall, daß der bisherige Bestßer den Besiß behält, quia licitatione vicit?

*) Rudorff a. a. D. S. 360. ist, gestüßt auf L. 52. §. 2. D. de adq. v. am. poss. (41. 2.) [Venuleius lib. 1. Interdict. Species inducendi in possessionem alicuius rei est, prohibere ingredienti vim fieri: statim enim cedere adversarium et vacuam relinquere possessionem iubet: quod multo plus est, quam restituere,] der Ansicht, der Prätor habe statt des Iudicium Cascellianum dem Sieger gestattet, sich eigenniächtig den Befiß wiederzuschaffen und dem Gegner durch ein prohibitorisches Interdict befohlen. ihm sofort zu weichen. Allein diese Stelle des Venulejus ist viel zu allgemein`, läßt viel zu verschiedene sonstige Deutungen zu, um sich dadurch bestimmt zu sehen, in ihr gerade eine das Iudicium Cascellianum verdrängende Maaßregel des Prätors zu erkennen. Zum Beweise des Gesagten kann Rudorff selbst dienen, indem er der L. 52. §. 2. D. cit. in der Zeitschr. f. gesch. R. W. IX. S. 26. eine von der gegenwärtigen ganz verschiedene Deutung gegeben hat. Die ihn zur Aenderung seiner Ansicht vermögenden Gründe («die Inscription» und «der Zusammenhang») sind nicht bestimmt. genug, um sich durch fie bewogen zu fühlen, das in L. 52. cit. zu finden, was N udorff darin finden will.

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