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Judicates (iudicatum solvi,) gehörige Defenfion, (recte defendi,) und Absein aller Arglist und Gefährde, (dolum malum abesse.) (Stipulatio iudicatum solvi*). Gaius IV. 91. Si quidem per formulam petitoriam agitur, illa stipulatio locum habet, quae appellatur Iudicatum solvi, si vero per sponsionem, illa quae appellatur Pro praede litis et vindiciarum.

Nach Bestellung dieser Satisdationen lenkte nun erst **) der Proceß in das weiter unten zu schildernde Verfahren per sponsionem praeiudicialem oder per formulam petitoriam ein, jenachdem sich der Kläger für jenes oder dieses entschieden hatte. Vergl. unten §. 85. und §. 86. Ganz anders gestaltete sich die Sache aber dann, wann die geseßliche Satisdationsleistung vom Beklagten in iure verweigert wurde. Denn in diesem Falle erschien der Beklagte als Indefensus ***), als Einer, qui nolit se defendere, qui se sponsione iudiciove uti oportet non defendat, vergl. Lex Rubria de Gall. Cisalp. in Haubold-Spangenberg Monum. legal. p. 151. lin. 8. 9., und in Folge dessen verlor er, ohne daß der Kläger vorerst den Beweis seines Eigenthums zu erbringen brauchte, den Besit, indem er ihn ́auf den Kläger zu übertragen genöthigt war. Die Procedur, welche bei einer solchen Besizes-Translation beobachtet wurde, fand sich im Edicte des Prätors näher angegeben †), und war, wie auf Grundlage der von Endlicher in Wien entdeckten Fraginenten Ulpian's neuerdings festgestellt

ficht angeführten Analogieen find nicht vermögend, so unzweideutige Quellenaussprüche wie die vorliegenden zu entkräften, zumal die angezogenen Stellen, wie Varro de ling. lat. IV. 4. Gell. VII. 19., von Praedes handeln, also eher auf die alten Praedes litis et vindiciarum, als auf die neuere Cautio iudicatum solvi hinweisen.

*) L. 6. D. iudicatum solvi (46. 7.) Ulp: Iudicatum solvi stipulatio tres clausulas in unum collatas habet: de re iudicata, de re defendenda, de dolo malo. v. Bethmann-Hollweg, Versuche S. 235.

**) Diese Reihenfolge der processualischen Handlungen ergiebt sich aus Cic. in Verr.

I. 45.

***) Wer als solcher noch sonst zu betrachten war, darüber s. v. Bethmann-Hollweg Handbuch des Civilprocesses. S. 280. 281.

†) L. un. C. Uti possidetis (8. 6.) verb. satisdationis vel transferenda e possessionis edicti perpetui forma servata.

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ist *), die folgende: Der Prätor erließ auf einseitigen Antrag des Klägers einen Befehl (Decretum) an den Beklagten, den Besiß der streitigen Sache auf seinen Gegner zu übertragen. (Possessionem transferre iubeo.) Bei der Rei vindicatio war dies das Interdictum Quem fundum**), welches vollständig etwa folgendermaßen gelautet haben mag: Quem fundum Lucius Titius a te petit, si eum non defendis, ita eum restituas. Rudorff, a. a. D. S. 19. Leistete der Beklagte diesem prätorischen Befehle durch Restitution des Streitgegenstandes föfort Folge, so war die Sache erledigt, und es blieb ihn überlassen, ob er nunmehr

*) Stephan Endlicher hatte auf der kaiserlichen Hof-Bibliothek zu Wien an der dortigen Papyrushandschrift des Hilarius Pictaviensis de trinitate beschrie bene Pergamentstreifen wahrgenommen, die dazu dienten, die Handschrift zusammenzuhalten. Bei näherer Untersuchung fanden sich fünf Streifen darunter mit Fragmenten aus Ulpian's Institutionen beschrieben, die vom Entdecker i. J. 1835 in der Schrift: De Ulpiani institutionum fragmento in bibliotheca palatina Vindobonensi nuper reperto Epistola ad F. C. Savigny, Prof. Iur. Berolin. scripsit Stephanus Endlicher. Vindobonae. 8. veröffentlicht wurden. v. Savigny bat durch Mittheilung dieser Fragmente in der Zeitschr. f. gesch. R. W. IX. S. 1. ff. (a. 1838.) für deren weitere Verbreitung Sorge getragen und Nudorff gebührt, das Verdienst in einer der v. Savigny'schen Mittheilung unmittelbar nachfolgenden Abhandlung (II.): Ueber das Interdictum Quem fundum und die demselben nachgebildeten Rechtsmittel, den neuen Fund zu Gunsten der Interdicte und Vindicationslehre mit vielem Erfolge ausgebeutet zu haben. Die betreffenden hierhergehörigen Worte sind in der Recension Böcking's (Ulpiani Fragm, Ed. III. a. 1845. p. 121.) die folgenden: adipiscendae quam reciperandae possessionis, qualia sunt interdicta QUEM FUNDUM et QUAM HEREDITATEM. Nam si fundum vel hereditatem ab aliquo petam, nec lis defendatur, cogitur ad me transferre possessionem, sive numquam possedi, sive antea possedi, deinde amisi possessionem, Bergl. L. 2. §. 3. i. f. D. de interd. (43. 1.)

**) Bei der Hereditatis petitio war es das Interdictum QUAM HEREDITAtem, bei Der Ususfructus petitio das Interdictum QUEM USUMFRUCTUM. Paulus S. R. I. 11. L. 6. §. 6. L. 14. D. de Carb. ed. (37. 10.) Fragm, Vat. §. 92. L. 69. §. 1. i. f. D. de usufr. (7. 1.) Die Duplicität dieser Interdicte, wornach fie, wie die vorstehenden Wiener Fragmente Ulpian's fagen, adipiscendae und recuperandae possessionis zugleich find, erklärt sich einfach so. Hatte der Kläger, welcher mit einem der genannten Interdicte wider den die Satisdation verweigernden Beklagten auf Translation des Befißes auftrat, diesen früherhin noch nicht gehabt, so war das Interdict adipiscendae, gegenfalls recuperandae possessionis.

als Kläger das reftituirte Object für sich in Anspruch nehmen wolle oder nicht. Verweigerte dagegen der Beklagte die Restitution, so kam es jeßt, wie bei allen anderen reftitutorischen Interdicten, so auch bei dem Interdictum Quem fundum*) darauf an, ob der Beklagte, ohne einen Ar

*) Um Mißverständnissse zu vermeiden, vergegenwärtige man sich, 1) daß die primitiveste, der Form des prätorischen Befehls entnommene, und sämmtliche Interdicte umfassende Eintheilung derselben die in Interdicta restitutoria, exhibitoria und prohibitoria ist. Gaius IV. 140 i. f. Unde omnia interdicta aut restitutoria aut exhibitoria aut prohibitoria vocantur. Id. IV. 142. 2) daß die Interdicta, quae ad rem familiarem spectant, d. h. solche, welche Vermögensverhältniffen zum Schuße dienen, einen Gegensaß von den anderen Interdicten bilden, L. 2. §. 1-3. D. de interdict. (43. 1.), und endlich 3) daß unter den Interdicten, welche Privatintereffen (nicht blos Vermögensinteressen) zu schüßen be, rufen sind, diejenigen, welche sich auf ein Recht an einer Person, Sache, einem Vermögen gründen, das der Prätor durch sein Interdict zur Anerkennung gebracht sehen will, soferne es nachweisbar ist, als Interdicta, quae proprietatis causam habent, von denen ausgeschieden werden, welche als reine Ausflüsse, Wirkungen des Befißes lediglich zu dessen Schuße bestimmt find, Interdicta, quae possessionis causam habent. L. 2. §. 2. D. cit. L. 20. i. f. D. de serv. (8.1.) Zu den leßteren, den eigentlich poffefforischen Interdicten, ges hören, wie seit v. Savigny Best S. 35. als feststehend angesehen werden darf, nur die Interdicta retinendae und recuperandae, nicht auch die adipiscendae possessionis, welche zwar den Befit in Folge eines dazu führenden Rechtes zum Gegenstande haben, aber keine Folge desselben sein können, weil ihn der Kläger ja noch gar nicht gehabt hat. Finden sich hiernach auch die Interdicta adipiscendae, retinendae und recuperandae possessionis nicht unter der letzten Eintheilung der Interdicte (Nro. 3.) vereinigt, so ist dies doch von der zweiten der Fall, indem sie sämmtlich Interdicta ftud, quae ad rem familiarem spectant. L. 2. §. 3. D. de interd. (43. 1.) Paulus sagt in L. 2. §. 2. D. eod. von ihnen: non (est) mirum, si, quae Interdicta ad rem familiarem pertinent, proprietatis, non possessionis caussam habent. Was endlich das Verhältniß der Interdicta adipiscendae, retinendae und recuperandae possessionis gegenüber der ersten Eintheilung der Interdicte (Nro. 1.) betrifft, so gehören sämmtliche Interdicta adipiscendae possessionis zu den reftitutorischen, Gaius IV. 144., desgleichen alle Interdicta recuperandae possessessionis, Gaius. IV. 154. 155. §. 6. I. de interd. (4. 15.), dagegen find die Interdicta retinendae possessionis prohibitorische Interdicte. Gaius. IV. 140. 158. 160. L. 1. §. 1. D. Uti possid. (43. 17.) Ulp. Hoc interdictum . . . est prohibitorium ad retinendam possessioVergl. 3immern Geschichte des Röm. Privatrechts. III. §. 73. S. 227. ff. Wenden wir uns nach vorstehender Uebersicht der Interdictsclassen überhaupt wieder zu unseren neuerdings erst kennen gelernten Interdictis QUEM FUNDUM,

nem.

biter erbeten zu haben, den Prätor verlaffen hatte oder nicht. Gaius IV. 163. 164. 165. In jenem Falle unterlag er dem für ihn nachtheiligen pönalen Sponfionsverfahren, demzufolge nach eingegangener wechselseitiger Sponfio und Restipulatio für den Fall des Zuwiderhandelns gegen das Interdict oder des Nichtzuwiderhandelns der Prätor die Formeln daraus concipirte, und ihnen auf Antrag des Klägers noch ein Iudicium de re restituenda anhieng. Unterlag der Beklagte dann in iudicio dadurch, daß er keine die Verweigerung der 'anbefohlenen Restitution rechtfertigenden Gründe nachzuweisen vermochte, so wurde er nun vor Allem aus den verfallenen pönalen Stipulationen verurtheilt, und der Kläger daraus freigesprochen. Außerdem erfolgte aber auch noch die Verurtheilung des Beklagten in den Werth des zu restituirenden Streitobjects, es sei denn, er wäre dem durch freiwillige Restitution zuvorgekommen. Gaius IV. 165. Hatte der Beklagte nach ergangenem Interdictum QUEM FUNDUM, noch ehe er den Prätor verlassen, um einen Arbiter gebeten, so blieb das Sponsionsverfahren ausgeschlossen. Vielmehr gieng der Prätor auf vorgedachte Bitte ein, indem er sofort einen Juder bestellte, und eine Formula arbitraria concipirte. In iudicio hatte dann der Beklagte die Gründe seiner Restitutions-Weigerung darzulegen. Drang er damit durch, so wurde er absolvirt, gegenfalls, wenn er der Condemnation nicht durch freiwillige Restitution zuvorkam, sine poena in das einfache quanti interest, verurtheilt. Gaius IV. 163. Laciniae Vindobonenses in Ulpian. Ed. Böck. p. 122. Vergl. Rudorff a. a. D. S. 24. 27.

§. 83.

Fortseßung.

b. Von dem Falle, in welchem beide Theile Besiß und Eigenthum für sich in Anspruch nehmen.

Behaupteten beide Theile, Besizer zu sein, und stritten zugleich über QUAM HEREDITATEM, QUEM USUMFRUCTUM, so gehören sie zwar unbedenklich zu den Interdictis, quae ad rem familiarem spectant, dagegen wegen ihrer Doppelnatur, wornach fie Interdicta adipiscendae und recuperandaé possessionis zugleich sein können, nicht zu den Interdictis, quae possessionis causam habent; weil diese sich gerade dadurch charakterisiren, daß ihr einziger Grund der Besiß ist. Gegenüber der ersten Interdicts-Eintheilung erscheinen die Interdicta QUEM FUN-DUM cet. als reftitutorische, weil darin der Prätor die Nestitution des Streitge= genstandes aufgiebt.

das Eigenthum, so mußten vorerst die Partheirollen regulirt, d. h. die Besißfrage erledigt werden, um zu wissen, wer in dem Vindicationsprocesse wegen seines Nichtbesizes als Kläger aufzutreten, wer als Besizer die Rolle des Beklagten zu übernehmen habe, und das Mittel hierzu boten die Interdicta retinendae possessionis, das Interdictum UTI POSSIDETIS bei unbeweglichen, das Interdictum UTRUBI bei beweglichen Sachen *). Von beiden sprechen unsere Quellen wiederholt aus, daß ste ursprünglich gerade zu diesem Zwecke eingeführt worden seien **). Gaius

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*) L. 1. §. 3. D. Uti possidetis (43. 17.) Ulpian. Inter litigatores ergo quotiens est proprietatis controversia, aut convenit inter litigatores, uter possessor sit, uter petitor, aut non convenit. Si convenit, absolutum est. Sed si inter ipsos contendatur, uter possideat, quia alteruter se magis possidere adfirmat, tunc si res soli sit, in cuius possessione contenditur, ad hoc Interdictum remittentur. Dig. XLIII. 31. De Utrubi,

**) Nach v. Savigny Besiß §. 37. S. 472. hat das Interdictum Uti possidetis gleich wie das Interdictum Utrubi dreifache Functionen, indem es bestimmt sei, 1. Schadensersaß für eine vergangene Störung zu erlangen, 2. Schuß gegen eine zukünftige Störung zu gewähren, und 3. den Besigstand für den Proceß über das Eigenthum zu reguliren, wenn beide Theile Besizer zu sein behaupten. Die zweite dieser drei Functionen sei aber die ursprüngliche, frühefte. — Gegen diese Auffassung ist neuerdings Keller in der Zeitschr. f. g. R. W. XI. S. 305 ff. aufgetreten, indem er nachzuweisen sucht, daß die erste Function geradezu unmöglich, weil mit dem Wesen eines Interdictum prohibitorium in offenbarem Widerspruche stehend, und überdies nicht die zweite, sondern die legte der genannten drei Functionen die ursprüngliche sei. Uns intereffirt hier zunächst der leztere Theil dieser Keller'schen Ansicht, die auch im Terte vertreten ist, und sich namentlich auf die angeführten Worte des Gaius stüßt, welche den gedachten Ursprung der Interdicta retinendae possessionis ausdrücklich verbürgen. v. Vangerow Leitfaden I. S. 602. geht sogar noch weiter, wie Keller, indem er auch die zweite Function der genannten Interdicte nicht geltend lassen will, sondern darin reine Controversiae de possessione für den künftigen Proceß um das Eigenthum erkennt. Vergl. auch Puchta Cursus der Inst. II. §. 225. - Gegen diese Ausführungen hat sich Rudorff wieder der v. Savigny'schen Auffassung angenommen in d. Zeitschr. f. g. R. W. XI. S. 333. Für uns liegt keine Veranlassung vor, hier näher auf die gedachte Streitfrage · einzugehen, wohl aber bedarf es einer Erklärung, wie sich der Schluß der Formel der Interdicta retinendae possessionis: vim fieri veto (vergl. den Text S. 315.) mit unserer Darstellung räumt? Alle prohibitorischen Interdicte gehen, auf die Zukunft. Wenn also der Prätor verbietet, dem Besizer zur Zeit des erlassenen Interdictes Gewalt anzuthun, (vim fieri,) so kann der später sich als solcher aus

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