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dieser beiden Verfahrensarten näher eingegangen werden kann, sind vorerst die verschiedenen Gestaltungen, welche der Vindications-Proceß annehmen konnte, bevor es zur Sponsio praeiudicialis oder zur Formula petitoria kam, näher ins Auge zu fassen.

S. 82.

2. Mögliche Gestaltungen des Vindicationsprocesses, ehe es zur Sponsio praeiudicialis oder zur Formula petitoria kam.

Mit Bezug darauf hat man drei Fälle zu unterscheiden, jenachdem nämlich): a. unter den Partheien über den Besiß kein Streit herrschte, oder b. ein jeder von beiden Theilen für sich den Besiß in Anspruch nahm, oder endlich c. der Beklagte seinen vom Kläger behaupteten Besit in Abrede stellte.

a. Von dem Falle, in welchem unter den Partheien über den Besitz kein Streit herrschte.

Herrschte unter den Partheien kein Streit über den Besit, so ftand von der Seite der Anstellung der Rei vindicatio nichts im Wege*), und

nicht zu zweifeln, als ja die Legis actio Sacramento ex duabus causis, damni infecti et si centumvirale iudicium fit, noch während des Verfahrens per formulas zur Anwendung kam, und daher, fooft vor den Centumvirn ein Vindicationsstreit verhandelt, sicherlich auch das mit der Legis actio enge verbundene Manus conserere vor wie nach beachtet wurde. v. Bethmann-Hollweg in der Zeitschr. f. gesch R. W. V. S. 381. schreibt das Vindicationsverfahren per sponsionem geradezu der Lex Aebutia zu. Die Formula petitoria ist auch nach seiner Ansicht später entstanden, wiewohl es schon Cicero sehr wohl bekannt ist, Cic. in Verr. II. 2. 12.

*) L. 1. S. 3. D. Uti possidetis (43. 17.) Ulp. Inter litigatores ergo quotiens est proprietatis controversia, aut convenit inter litigatores, uter possessor sit, uter petitor, aut non convenit. Si convenit, absolutum est: ille possessoris commodo, quem convenit possidere, ille petitoris onere fungetur. Näumte der Beklagte außergerichtlich oder selbst noch in iure ein, daß er besize, er besaß aber gleichwohl nicht, so konnte er diese seine Aeußerung vor der Litiscontestation immer noch zurücknehmen; L. 25. D. de rei vind. (6.1.) Caeterum ante iudicium acceptum non decipit actorem, qui se negat possidere, cum vere non possideret: nec videtur se liti obtulisse, qui discessit;] nach der Litisconteftation dagegen nicht mehr. L. 25. in. D. cit. Vielmehr hatte dann der Kläger, da der Befit des Beklagten als feststehend angenommen wurde, in iudicio nur sein Ei=

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daher beriethen sich denn, falls deren Object ein Grundstück war, die Partheien mit ihren Freunden über einen Tag, an dem sie bei dem Streitgegenstande zusammentrafen, um daselbst den Act der Deductio vorzunehmen, Cic. pro Caec. c. 7., welcher, die Manus consertae zur Zeit der Legis actiones vertretend, von Cicero (1. c. c. 7. 8. 11. 12.) durch Deductio quae moribus fit, oder Ausdrücke, wie: ex conventu vim fieri, homines, qui ad constitutum experiundi gratia venissent, bezeichnet wird. Daß diese Deductio ein Bestandtheil der In rem actio per sponsionem gewesen, ist durch neuere Forschungen zu einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit erhoben worden*). Aber selbst dafür sprechen

genthum zu beweisen, um den Beklagten in die Litis aestimatio verurtheilt zu sehen, es sei denn, leßterer könute darthun, daß der Kläger gewußt habe, er, Beflagter, besige nicht. Nam si actor scit, tunc is non ab alio, sed a se decipitur; et ideo reus absolvitur. L. 26. D. eod.

*) Seit Hotoman bis zu v. Savigny's Abhandlung über die Lis vindiciarum und über das Verhältniß derselben zu den Interdicten in der Zeitschrift f. gesch. R. W. III. S. 421. ff. (a. 1817.) war die irrige Ansicht allgemein verbreitet, daß das gewöhnliche Interdictum de vizu den vorbereitenden Solennitäten der Rei vindicatio gehöre, und daß nur das Interdictum de vi armata zur Wiedererlangung des gewaltsam verloren gegangenen Befizes diene. Dieser Irrthum ist durch v. Savigny- a. a. D. für-immer beseitigt. Dagegen gilt ihm daselbst die Deductio quae moribus fit und der Privatact des Abholens der Scholle bei den Manus consertae noch für gleichbedeutend. Das Verdienst, in hohem Grade wahrscheinlich gemacht zu haben, daß die Deductio nicht zur Legis actio in rem gehört, sondern einen Bestandtheil der In rem actio per sponsionem und später auch der per formulam petitoriam ausmachte, gebührt Keller in der oben angeführten Abhandlung in der Zeitschr. f. gesch. R. W. XI. 9. Vergl. Dessen Semestria II. S. 367. ff. – Derselbe geht (in der a. Zeitschr. S. 301. 302. und Semestr. II. 371.). davon aus, daß die Deductio nur da vorgekommen, wo die beiden Partheien über den Besiz und ihre Partheirollen einig gewesen seien, die Regulirung der Vindicien, von Seiten des Prätors sei dabei weder vorgekommen, noch nöthig gewesen, weil eben die Partheien sich darüber geeinigt hätten. Wetzell a. a. D. S. 79. ff. S. 85. ff. dagegen ist der Ansicht, die Regulirung der Vindicien [d. h. also die vom Ermessen des Prätors abhängige Bestimmung, wem während des Processes der Besiz, über den die Partheien einig waren, eingeräumt werden solle,] habe noch neben der Deductio fortbestanden, und diese sei auch da vorgekommen, wo beide Theile Befizer zu sein behaupteten und daher die Regulirung des Besißes durch die Interdicta retinendae possessiones bewerkstelligt worden sei. Der Gründe, welche diese Ansicht slüßen sollen, macht Weßell folgende drei geltend: 1. Gellius (XX.

der Gründe mehrere, daß sie auch bei dem Verfahren per formulam pe→ titoriam zur Anwendung kam, Keller a, a. D. S. 303., bis sie zunächst bei diesem und später auch beim Sponsionsverfahren wieder verschwand.

10.) beschränke zwar die Manus consertae ausdrücklich auf die Vindicatio per Legis actionem, allein jene seien doch mit der Ertheilung der Vindicien keineswegs identisch. 2. Cicero mache dem Verres (in Verr. II. 46.) einen Hauptvorwurf daraus, daß er in seinem Edicte die Verpflichtung zur Sponfionsleistung einfach an den Befig geknüpft habe, ohne der Frage Raum zu lassen, wer denn Besizer sein müsse, und endlich 3. als Gegensaß der Nachricht der classischen Juristen über das Verfahren per formulam petitoriam, wornach es diesem eigenthümlich sein solle, daß der Juder untersuche, ob der Verklagte befiße, L. 9. pr. L. 36. pr. D. de rei vind. (6. 1.), ergebe sich, daß es bei den übrigen Einleitungsformen Sache des Prätors gewesen, über den Befiz zum Voraus eine Verfügung zu treffen. (S. 79. 80.) Der practische Zweck der Deductio sei gewesen, die Identität des Streitobjectes durch unmittelbare körperliche Nähe festzustellen. (S. 84. a. E. S. 85.) – Alle diese Gründe erscheinen indessen hinfällig. Ad. 1.) Sind die Manus consertae auch nicht mit der Regulirung der Vindicien identisch, so hängen sie doch innigst zusammen, [vergl. z. B. Festus s. v. Vindiciae olim dicebantur illae, quae ex fundo sumtae in ius illatae erant,] und wenn daher Gellius a. a. D. die Manus consertae auf das Vindicationsverfahren per Legis actionem beschränkt, so muß dies bis zum Beweise des Gegentheils auch von der damit enge verbunden Regulirung der Vindicien gelten. Vergl. auch noch v. der Pfordten a. a. D. G. 41. -Ad. 2.) Die angeführte Stelle Cicero's [Si de hereditate ambigitur, si possessor sponsionem non faciet. Iam quid ad Praetorem, uter possessor sit? nonne id quaeri oportet, utrum possessorem esse oporteat?] ist am Natürlichsten auf die prätorischen Mittel der Befigregulirung, auf die Interdicte und Bonorum possessio zu beziehen, und kann daher für die fortdauernde Regulirung der Vindicien bei Actiones in rem nichts beweisen. Vergl. auch v. der Pfordten a. a. D. S. 41. Ad. 3.) Daraus, daß Gaius in L. 36. D. de rei vind. (6. 1.) sagt, derjenige, qui petitorio iudicio utitur, folle fich des Besizes seines Gegners versichern, um nicht abgewiesen zu werden, und daß es in L. 9. D. eod. heißt: Officium autem iudicis in hac actione (rei vindicatione) hoc erit, ut iudex inspiciat, an reus possideat, kann unmöglich argumento a contrario gefolgert werden, daß im Sponfionsverfahren die Regulirung der Vindicien durch den Prätor fortgedauert habe, denn einmal spricht ja die leßte Stelle gar nicht ausdrücklich blos vom petitorium iudicium,sondern ganz allgemein von jeder Vindicatio', und dann, wollte man selbst das argumentum a contrario im vollsten Umfange anerkennen, so würde man dadurch doch immer nur zu dem negativen Resultate gelangen, daß im Sponfionsverfahren nicht der Iudex über den Besiß zu entscheiden hätte. Damit wäre ja aber der positive Saß, daß der Besiz som Prätor nach seinem Ermessen angeordnet worden sei, ohne sich

Der anerkannte Nichtbesizer that bei der Deductio, als wollte er sich gewaltsam des streitigen Grundstückes bemächtigen, der Besizer schlug dagegen diesen Angriff siegreich zurück, führte sodann, um seinen factischen

durch den bisherigen Besit bestimmen zu lassen, noch nichts weniger als bewiesen.

Hiernach stehen also der in den Tert aufgenommenen Keller'schen Ansicht die von Wetzell geltend gemachten Gründe sämmtlich nicht entgegen. Wohl aber spricht für sie, daß unter Vorausseßung ihrer Nichtigkeit die Deductio einen genügenden practischen Zweck hat, was man bei einer auf dem Wege des Gewohn= heitsrechts sich bildenden Rechtsform, wie die Deductio war, erwarten muß, nämlich den, bei unbestrittenem Besiße die Partheirollen durch die streitenden Theile selbst schon außergerichtlich festgestellt zu sehen. Zwar legt ihr auch Wetzell einen practischen Zweck bei, den, die Identität des Streitgegenstandes festzustellen, allein da die Deductio nur bei unbeweglichen Sachen vorkam, bei denen_nach_ge= höriger Partheiverhandlung über die Identität des Streitgegenstandes ein Zweifel kaum denkbar ist, so erscheint dies an sich schon höchst unwahrscheinlich, insbesondre auch noch deshalb, weil die Form der Deductio, eine vertragsmäßige Be= sißentseßung, zwar wohl zu dem ihr von uns unterlegten Zwecke, aber nicht zu dem Wetzell's past. Wenn leßterer S. 86. endlich in den Worten Eicero's pro Caec. 1. quoniam si facta vis esset moribus, superior in possessione retinenda non fuisset, eine Hinweisung auf das Interdictum retinendae possessionis und damit ein ausdrückliches Zeugniß für die Annahme findet, daß die Deduction eine Regulirung der Partheirollen durch Verleihung des Besizes keineswegs unnöthig gemacht habe, so fällt mit der Unerwiefenheit jener Vorausseßung auch die darauf gebaute Folgerung von selbst in sich zusammen. Ein retinere possessionem ist gerade sogut im Processe übers Eigenthum als über den Besiz denkbar. Nun bemüht sich aber Cicero bekanntlich in der Rede pro Caecina legteren als Befizer hinzustellen, wiewohl er es in der That nicht war. Vergl. Keller a. a. D. S. 296. Semestr. II. §. 4. Caecina possederit necne? p.342-375. Und eine Folge davon ist denn auch, daß Cicero in obigen Worten sagt, wenn Eäcina nicht durch Bewaffnete des Aebutius vom streitigen Fundus vertrieben worden, sondern es wirklich zur verabredeten Deductio quae moribus fit gekommen wäre. so würde er, der bisherige Besizer, dabei auch als solcher anerkannt worden sein, so aber habe ihn Aebutius aus seinem Besiße vertrieben, und auf diese Weise sei er der superior in retinenda possessione geworden, was er ohne seine Gewaltthat nicht geworden wäre. v. der Pfordten a. a. D. S. 40. stimmt im Ganzen gegen Wetzell der Keller'schen Auffassung der Deductio bei, nur mit der Erweiterung, daß sie nicht blos dann eingetreten sei, wann die Partheien über den Befiß einig, sondern auch, wann derselbe, ohne daß gewaltsame Störungen Stattgefunden hatten, zweifelhaft und bestritten gewesen. Hier sei die Deductio eine friedliche außergerichtliche Untersuchung und Regulirung des Besißes

Erfolg zu einem rechtlichen erheben zu lassen, den Angreifer vor den Prätor, und mußte daselbst gewärtig sein, als Beklagter seinem Gegner Rede zu stehen. Der Befizer war demnach der Deducirende und nachträg liche Beklagte, der Nichtbesizer der Deducirte und nachherige Kläger. Sah sich der Deducirende außer Stande, sofort nach Stattgehabter Deduction mit vor den Prätor zu gehen, so mußte er dem Deducirten wegen seines späteren Erscheinens Vadimonium leisten. Cic. pro Tull. c. 20.

Waren die Partheien, beim Streite über das Eigenthum an Immobilien nach gehörig vorgenommener Deductio, bei dem über Mobilien ohne eine solche, in iure erschienen, so hatte nun der von ihnen unter sich sowie vom Prätor als Befizer anerkannte Beklagte dem nicht befizenden Kläger Satisdation zu leisten *). — Bei angestellter Sponsionsklage gieng dieselbe dahin, daß Beklagter, falls der Kläger sein Eigenthum nachweisen und dadurch siegen würde, die streitige Sache (Lis) sammt deu dazu gehörigen Nußungen (Vindiciae) an diesen restituiren, resp. im Unterlassungsfalle das Interesse zahlen wolle. (Stipulatio pro praede litis et vindiciarum **). War mit der Formula petitoria geklagt worden, so erstreckte sich die Satisdation des Beklagten auf Zahlung des

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unter Zuziehung von Freunden, also eine Art von Vergleich oder Schiedsgericht gewesen. Durch diese Auffassung wird unsere Darstellung der Deductio nicht afficirt. Denn wenn selbst leßterer eine Uebereinkunft der Partheien über den streitigen Besiz vorangehen konnte, so mußte dieselbe denn doch, um die Deductio vorneh men zu können, immer erfolgt, also im Momente ihrer Vornahme kein Streit mehr über den Befiß im Gange fein, ex conventu vis fieri oportet, Cic. pro Caec. c. 8. §. 22., und dies war es, wovon wir ausgiengen.

*) Gaius IV. 89. Igitur si verbi gratia in rem tecum agam, satis mihi dare debes: aequum enim visum est te ideo, quod interea tibi rem, quae an ad te pertineat dubium est, possidere conceditur, cum satisdatione mihi cavere, ut si victus sis, nec rem ipsam restituas nec litis aestimationem sufferas, sit mihi potestas aut tecum agendi aut cum sponsoribus tuis. Vat. fragm. §. 92. vindicanti satis dari oportet. Pr. I. de satisdat. (4.11.) **) Gaius IV. 94. Ideo autem appellata est PRO PRAEDE LITIS VINDICIARUM stipulatio, quia in locum praedium successit; quia olim, cum lege agebatur pro lite et vindiciis, id est, pro re et fructibus, a possessore petitori dabantur praedes. Wenn Wetzell a. a. O. S. 90. 95. als unbezweifelt annimmt, daß in dem Sponfionsverfahren die Cautio fudicatum solvi geleistet worden sei, so steht dies - mit den klaren Worten des Gaius (IV. 91.) in einem so directen Widerspruche, daß man sich dagegen aufs Bestimmteste erklären muß. Die S. 63. für seine An

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