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1. In Gestalt der Adluvio, d. h. der allmäligen, unmerklichen Anschwemmung an ein Grundstück (Incrementum latens) durch fließendes Fluß-, Bach- oder sonstiges Wasser. §. 20. I. de rer. div. (2. 1.) Gaius II. 70. L. 7. §. 1. D. de adq. rer. dom. (41. 1.) Gaius: Praeterea quod per alluvionem agro nostro flumen adiicit, iure gentium nobis adquiritur. Per alluvionem autem id videtur adiici, quod ita paulatim adiicitur, ut intelligere non possimus, quantum quoquo momento temporis adiiciatur. Cf. Isidor. Or. XV, 13. Alluvius ager est, quem paulatim fluvius in agrum reddit. Aggenus de lim, agror. p. 56. de controv. agror. p. 69. (Agrimens. Ed. Lachm. I. p. 16. 49. seqq. 82. seqq. 124. seqq.)-Seee, Teiche, und Sümpfe, obwohl sie zeitweise wachsen, und dann wieder durch Austrocknen kleiner werden, behalten demnach ihre ursprünglichen Grenzen und daher leidet das Recht der Alluvion*)_auf_ste keine Anwendung. L. 12. pr. D. de adq. rer. dom. (41. 1.) Hat daher z. B. ein See die Länge oder Breite von zwei Meilen, und er trocknet nach und nach eine Viertel-Meile ein, oder er seßt nach und nach an einer Seite Land an, so erwerben die Eigenthümer der an den See anstoßenden Grundstücke den allmälig ausgetrockneten oder angeschwemmten Landstrich nicht, sondern er verbleibt dem Eigenthümer des See's **). Anders verhält es sich bei Flüssen, indem, wenn sie nach und nach seichter werden, auch die dadurch trocken gelegten Landstrecken am Ufer den Angrenzern zuwachsen. L. 30. §. 1. D. eod. Pomponius: verb. et ideo, cum exsiccatus esset alveus, proximorum fit.

2. In Gestalt der Avulsio s. Vis fluminis, die dann vorhanden ist, wann ganze Stücke oder Strecken festen Landes auf Einmal vom Waffer

*) In Cic. de or. I. 38. §. 173. wird das Ius adluvionum unter den caussis centumviralibus aufgezählt.

**) Völlig willkührlich will Schmid Handb. des gem. deutsch. bürg. R.'s I. S. 124. auch bei Seeen und Teichen das Recht der Alluvion zur Anwendung gebracht wissen, weil Calliftratus in L. 12. pr. D. cit. davon ausgehe, bei Seeen und Teichen erscheine Alluvion unmöglich, und dem sei doch in der That nicht also. Allein der genannte Classiker ftellt die Möglichkeit einer Alluvion nicht in Abrede, sondern sagt nur, Seeen und Teiche hätten bestimmte Grenzen, und daher fällt denn mit Schmid's Vorausseßung auch die daraus gezogene Folgerung hinweg. Lacus et stagna, licet interdum crescant, interdum exarescunt, suos tamen terminos retinent; ideoque in his ius adluvionis non agnoscitur. L. 12. cit.

losgerissen und anderwärts angetrieben werden, sobald fie, insbesondre durch Anwurzeln der Pflanzen und Bäume, sest mit dem Grunde und Boden verbunden sind. L. 7. §. 2. D. eod. Gaius: Quod si vis fluminis partem aliquam ex tuo praedio detraxerit, et meo praedio attulerit: palam est eam tuam permanere. (Gaius. II. 71.) Plane si longiore tempore fundo meo haeserit, arboresque, quas secum traxerat, in meum fundum radices egerint, ex eo tempore videtur meo fundo adquisita esse. §. 21. I. de rer. div. (2. 1.) Da vor erfolgter Coalition der angetriebenen Erdtheile kein Wechsel des Eigenthums Statt findet, so steht es dem, von dessen Grundstücke fie abgeriffen worden, bis zu diesem Momente natürlich frei, sie zu vindiziren. L. 9. §. 2. D. de damn. inf. (39. 2.) Auch kommt jedem Eigenthümer eines an einen Fluß stoßenden Grundstücks das Recht zu, sich gegen eine solche Vis fluminis durch Uferbauten zu schüßen, insoferne dadurch der Lauf des Flusses nicht verändert wird. L. 1. C. de adluvionibus. (7. 41.) Einen Entschädigungs-Anspruch gegen den Erwerber des angetriebenen Landes hat übrigens der, von dessen Grundstück es losgeriffen, hier sowenig, wie in den andern Fällen durch Naturereignisse bewirkter Accessionen*).

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*) Bei der Alluvion ergiebt sich dies aus der Natur der Sache, weil hier nicht auszumitteln ist, wem die allmälig angeschwemmten Erdtheile gehört haben. W. Sell Versuche I. S. 95. Aber auch bei der sogenannten A vulsio und dem Alveus derelictus, wo gedachter Grund nicht einschlägt, ftellt man einzig richtig die Entschädigungspflicht des Erwerbenden in Abrede; nicht etwa, wie von Köchy, Civil. Erörterungen. Erfte Sammlung. S. 13–20. und von Westphal, Die Arten der Sachen, Besiß und Eigenthum §. 411. in Betreff der Avulsio geschieht, weil hier der Verlust durch Nachlässigkeit resp. ftillschweigenden Verzicht geschehe, und der Verlierende daher die Analogie der Verjährung wider sich habe, eine Argumentation, welche den eigentlichen Grund der Ver= jährung ganz verkennt, f. oben S. 117., sondern, weil die Quellen eine derartige Entschädigungspflicht, bei Accessionen, die durch Naturereignisse her= vorgerufen werden, nirgends aussprechen, und doch zu deren Begründung die bloße Billigkeit und der darauf fußende allgemeine Saß, es solle fich Niemand mit dem Schaden eines Andern bereichern, noch keineswegs ausreicht. Freilich find die Vertheidiger der gegentheiligen Ansicht, und zu ihnen gehört denn auch mein unvergeßlicher verstorbener Bruder, vergl. W. Sell a. a. O., der Meinung, es gäbe ihrer Auffassung günstige Quellenaussprüche, nämlich vorzugsweise 1) L. 5. §. 3. D. de rei vind. (6. 1.) Ulp. De arbore, quae in alienum agrum

S. 68.
Fortseßung.

Von der Insula in flumine nata und dem Alveus

derelictus.

3. In Gestalt einer Insula in flumine nata. Bildet sich im Meere eine Insel, so ist sie herrnlos und fällt dem Occupanten zu, s. oben S. 79., dagegen werden in öffentlichen Flüssen auftauchende Inseln als durch das überströmte Flußbett in Continuität mit den gegenüberliegenden Grundstücken befindliche Ländereien betrachtet,

L. 30. pr. D. de adq. r. dom. (41. 1.) verb. Ergo si insula nata adcreverit fundo meo. Arg. L. 65. §. 2. D. eod. verb. videamus, ne hoc falsum sit de ea insula, quae non ipsi alveo fluminis cohaeret, ut solum eius non tangat, cet. L. 1. §. 6. D. de flum. (43. 12.) verb. (insula) ripam contingit. und daher von den angrenzenden Grundeigenthümern je nach Ausdehnung ihrer Grundstücke dem Flußufer entlang_erworben*). Zum Behufe einer

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translata coaluit et radices immisit, Varus et Nerva utilem in rem actionem dabant; nam si nondum coaluit, mea esse non desinet; und 2) L. 4. §. 2. D. de reb. cred. (12. 1.) Ulp. Ea, quae vi fluminum importata sunt, condici possunt. Allein beide Stellen handeln gar nicht von Fällen der Avulsio, und gehören folglich auch nicht hierher. Vielmehr spricht Ulpian in L. 5. §. 3. cit. von einem (durch Menschenhände) auf fremden Boden gefeßten Baum, (Arbor in alienum agrum translata,) für den, nachdem er angewachsen, ganz unbeftritten Schadenersaß zu leisten ist, und in L. 4. §. 2. D. cit. hat Ulpian den von ihm auch sonst (vergl. L. 9. §. 1. D. de damn. inf. (39. 1.) behandelten Fall im Auge, in welchem durch Ueberschwemmung Mobilien auf fremden Grund und Boden getrieben worden sind. Solange fie noch vorhanden, kann fie der Eigenthümer unftreitig vindiziren, aber auch laut L.9. §. 1. D. cit. gegen Cautio damni infecti mittelst des Interdictum ne vis fieret dominis, quominus sua tollerent, aufferrent, in Anspruch nehmen. Sind die auf fremden Boden getriebenen Mobilien durch Schuld des Grundeigenthümers untergegangen oder von ihm consumirt worden, so findet die Condictio sine causa Statt, und dies ift es, was L. 4. §. 2. D. cit. sagen will. Vergl. auch Guyet Abhandl. X. S. 246. ff. Schmid a. a. D. S. 126.

*) Die Art und Weise, wie sich in einem öffentlichen Fluffe eine Insel bilden kann, ift eine dreifache, 1) indem auf Einmal Theile des Flußbettes über die Wafferfläche heraustreten, 2) indem in Folge der Strömung nach und nach Landtheile fich verbinden und über den Wasserspiegel erheben, und 3) indem fich der

solchen Inselvertheilung denkt man sich das Flußbett in der Mitte durch eine der Strömung nach gezogene Linie in zwei Hälften getheilt. Wird die neueutstandene Insel von dieser gar nicht berührt, gehört fie also ausschließlich der einen Flußhälfte an, so theilen auch nur die Anlieger dieser die Insel je nach der Ausdehnung ihres Landes am Ufer des Flußes. Fällt dagegen ein Theil der Insel auf jede Seite des inmitten des Flußes gezogenen Linie, so theilen sich die Angrenzer beider Ufer in die diesseits

Fluß theilt, Grundstücke neben seinem bisherigen Bette umfließt, und sich darauf wieder vereinigt. Nur in den zwei ersteren Fällen wird die Insula in flumine nata iure accessionis erworben. Fälle der lezteren Art gehören deshalb gar nicht hierher, weil solche Inseln keine bisher noch nicht dagewesene Landesstrecken find, und daher verbleiben sie denn ihren bisherigen Eigenthümern. L. 30. §. 2. vergl. m. L. 7. §. 4. D. de adq. rer. dom. (41, 1.) L. 1. §. 10. D. de flumin. (43. 12.) §. 22. I. de rer. div, (2. 1.) — Hängt die Insel gar nicht mit Grund und Boden zusammen, sondern besteht sie aus schwimmendem Buschwerke u. dergl., so ist sie eine publica res, und unterliegt als solche dem lus accessionis nicht. L. 65. §. 2. D. de adq. r. dom. (41. 1.) Erbaut sich dagegen Jemand auf einer solchen schwimmenden Insel eine Hütte, so ist diese leßtere sein Eigenthum, arg. L. 14. pr. §. 1. L. 30. §, 3. 4. L. 41. L. 50. D. eod., und es entsteht daher die von jeher sehr bestrittene Frage, wie damit und mit dem ausgemachten Rechtssaße, daß die Insula in flumine publico nata den Anliegern gehört, L. 65. §. 1. 2. D. eod., die Worte des Labeo in derselben L. 65. §. 4. D. eod. Labeo in libro eodem: Si id quod in publico innatum aut inaedificatum est, publicum est, insula quoque, quae in flumine publico nata est, publica esse debet, zu vereinigen find? Wenn die von Hotomann (Observ. lib. I. Obs. ult.) gemachte und von Vielen angenommene Conjectur: Non, si id cet. zulässig erschiene, so wäre allerdings jeder Widerspruch gehoben, allein gegen gedachte Lesart sprechen die Bafiliken, (L. 65. §. 4. Bas. 50. 1.), welche obigen Saß gleichfalls pofitiv aussprechen. Unter diesen Verhältnissen, und, da doch ein Widerspruch Labeo's mit sich selbst, zumal in derselben Stelle, unmöglich angenommen werden kann, bleibt nichts übrig, als gedachte Aeußerung Labeo's rein hypothetisch so zu nehmen, daß er dadurch seine frühere Aeußerung auf indirectem Wege nur noch entschiedener bestätigt. Hiernach hat man obige Worte also zu fassen: Wenn das, was in publico entsteht oder gebaut wird, eine Res publica ift, (subintellige: eine Ansicht, der man aus einer falschen Consequenz geneigt sein könnte zu folgen), dann muß auch die Insel, welche in einem öffentlichen Fluffe entstanden, Res publica fein; (subintellige: nun ist ja aber das Leßtere ohne Zweifel nicht der Fall, also stellt sich auch der Vordersaß da= mit in seiner vollen Unrichtigkeit dar).

ihrer Linie liegenden Inseltheile, je nach der Größe ihres angrenzenden Grundstückes, alfo pro diviso. §. 22. I. de rer. div. (2. 1.) Insula, quae in mari nata est, quod raro accidit, occupantis fit, nullius enim esse creditur. At in flumine nata, quod frequenter accidit, si quidem mediam partem fluminis tenet, communis est eorum, qui ab utraque parte fluminis prope ripam praedia possident, pro modo latitudinis cuiusque fundi, quae latitudo prope ripam sit. Quodsi alteri parti proximior sit, eorum est tantum, qui ab ea parte prope ripam praedia possident. Gaius. II. 72. L. 7. §. 3. L. 29. L. 56. pr. D. de adq. rer. dom. (41. 1.)

Bildet sich eine Insel zwischen einer Insel und dem gegenüberliegenden Ufer, so erwerben die an leßteres anstoßenden Grundbesizer, ganz nach den angegebenen Regeln, nicht aber in gleicher Weise auch die Angrenzer des anderen Ufers, sondern statt deren die Eigenthümer der zuerst dagewesenen Insel je nach der Ausdehnung ihrer der neuen Insel gegenüberliegenden Grundstücke. L. 65. §. 3. D. eod. -Hat Jemand eine Insula in flumine nata dadurch ausschließlich erworben, daß sie bei ihrer Entstehung die ihm zunächst liegende Flußhälfte der Mitte zu nicht überschritt, und auch der Länge nach an keiner Seite über die Grenze feines Grundstückes hinausreichte, so gehört ihm nun auch das durch spätere Alluvion oder Avulsion an die Insel angeschwemmte, angetriebene Land selbst dann allein, wann sich dasselbe über die Mitte des Flusses oder über einen oder beide Grenzpuncte des Ufergrundstückes hinaus ausdehnen sollte. L. 56. pr. D. eod. Veräußert der Eigenthümer eines Grundstückes, durch das er iure accessionis eine Insula in flumine nata erworben hat, den dem Flußufer entgegengeseßten Theil desselben, so kann der Käufer nicht etwa pro rata des von ihm angekauften Theiles Ansprüche auf die Insel machen, weil, wie Pomponius in L. 30. pr. D. eod. sagt, ihm solche ja auch dann nicht zugekommen wären, wenn er den gedachten Theil vor Entstehung der Insel erworben gehabt hätte.

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4. In Gestalt eines Alveus derelictus, eines verlassenen Flußbettes. Verläßt ein Fluß sein bisheriges Bett, so fällt das verlaffene den Eigenthümern der auf beiden Seiten liegenden Grundstücke je nach Ausdehnung ihrer früheren Ufergrenzen zu. L. 7. §. 5. D. eod. Gaius: Quod si toto naturali alveo relicto flumen alias fluere coeperit: prior quidem alveus eorum est, qui prope ripam praedia pos

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