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gedachten Erstzung der Freiheit des Eigenthums im neuesten römischen Rechte verhalte, nachdem Justinian die Usucapio und Praescriptio longi temporis zu Einer Ersizung von drei, zehn und zwanzig Jahren vereinigt hat? Die allein richtige Antwort auf diese Frage ist, daß auch noch im neuesten justinianeischen Rechte, selbst bei beweglichen Sachen, der Pfandnerus nur durch Ablauf von zehn und zwanzig, nicht schon nach drei Jahren erlischt. Denn wenn auch Justinian die Usucapio und Praescriptio longi temporis in Bezug auf den Eigenthum s-Erwerb völlig identificirt hat, so folgt daraus doch noch keineswegs, daß er sämmtliche bisher' an die längere Zeitdauer der letteren geknüpften Wirkungen nun auch mit dem bei Mobilien erforderlichen Ablauf von drei Jahren verbunden wissen wollte, und daher müssen wir denn um so entschiedener für Ersizung der Freiheit von Pfandrechten bei allen Sachen zehn und zwanzig Jahre fordern, je mehr Stellen in die Compilation übergegangen sind, die der Usucapio, welche vor Juftinian im Orient nur bei beweglichen Sachen vorkommen konnte, (f. oben S. 125. nro. 3.), die Fähigkeit absprechen, Pfandansprüche Dritter zu tilgen. LL. citt. Persönliche Forderungen und ihre gerichtliche Durchführung werden durch die Erfizung des Eigenthums in keiner Weise afficirt. 1.) I. 3. C. in quib. caus. cessat l. t. praescriptio (7. 34.) Dioclet. et Max. Unus individuum commune pro solido possidens intervallo longo temporis, quominus socius portionem vindicare vel eum communi dividundo iudicio provocare possit, non defenditur: cum neque familiae erciscundae iudicium, neque communi dividundo actio excludatur longi temporis praescriptione. 2.) L. 1. i. f. C. si adv. cred. (7.36.) Gordianus : Ubi autem creditori a possessore longi temporis praescriptio obiicitur, personalis actio adversus debitorem salva ei competit.

S. 64.

II. Von der außerordentlichen Eigenthums-Ersißung, Praescriptio triginta vel quadraginta annorum.

Cod. VII. 39. De praescriptione XXX. vel XL. annorum. Friß in der Zeitschr. für Civilrecht und Prozeß. III. S. 435. ff. (Sind die Erforderniffe der sog. außerordentlichen Eigenthumserfizung nach den Regeln zu bestimmen, die von der ordentlichen Erfißung gelten, oder nach denjenigen, die von der Klagenverjährung gelten?)

Schon vor Juftinian war zwar der Befißer einer Sache, wenn er wegen mangelnder bona fides, nicht vorhandenen Titels u. dergl. fein Eigenthum erwerben konnte, im Stande, nach dreißig, resp. vierzig Jahren die gegen ihn erhobene Rei vindicatio durch die Exceptio temporis, durch f. g. Erstinctivverjährung, zurückzuweisen; verlor er dagegen den Besit der Sache, so stand ihm keine Klage zur Seite. Diese Lage der Dinge änderte Justinian, indem er den Saz aufftellte, sooft sich alle Requisite der Erstinctivverjährung vorfänden, und der Besiger bona fide in den Bestß der Sache gekommen sei, solle er troß der die ordentliche Ersizung hindernden Mängel in dreißig, resp. vierzig Jahren, je nach der Dauer der gegen ihn zustehenden Klage, durch außerordentliche Ersitzung Eigenthum erwerben *).

L. 8. §. 1. C. h. t. Iustinianus: Quodsi quis eam rem desierit possidere, cuius dominus vel is, qui suppositam eam habebat, exceptione XXX vel XL annorum expulsus est, praedictum auxilium (sc. actionem ad vindicandam rem eandem) non indiscrete, sed cum moderata divisione ei praestare censemus, ut, si quidem bona fide ab initio cam rem tenuerit, simili possit uti praesidio; sin vero mala fide eam adeptus est, indignus eo videatur, ita tamen, ut novus possessor, si quidem ipse rei dominus ab initio fuit, vel suppositam eam habebat, et memoratae exceptionis necessitate expulsus est, commodum detentionis sibi adquirat. Sin vero nullum ius in

*) Hiernach ist also die obige, von Friß aufgeworfene Frage mit ihm gegen Unterholzner Verjährungslehre S. 177. 178. dahin zu entscheiden, daß im Allgemeinen bei der außerordentlichen Erfißung die Grundsäße der f. g. ExstinctivVerjährung die maaß- und normgebenden find, nicht die der ordentlichen Eigenthums-Erfißung. Die L. un. C. de usuc. transf. (7.31.), aus der das Gegentheil folgen soll, rührt erst aus dem Jahre 531 her, während die die Praescriptio XXX vel XL annorum ins Leben rufende L. 8. §. 1. C. h. t. schon im Jahre 528 erlassen ist. (Vergl. Cod. Iust. ed. Herm. und v. Buchholtz in den Sell’schen Jahrb. II. S. 166.) Ganz natürlich also, daß die erstere, welche vorzugsweise darauf ausgeht, die kurzen Fristen der alten Usucapio abzustellen, der zehn-, zwanzig- und dreißigjährigen Fristen als für die Ersißung des Eigenthums fort= dauernd geltender gedenkt, ohne übrigens dadurch den Character der außerordentlichen Erfißung abändern zu wollen oder abgeändert zu haben.

eadem re quocunque tempore habuit, tunc licentia sit priori domino vel creditori, qui nomine hypothecae rem obligatam' habuit, et heredibus eorum, ab iniusto detentatore eam vindicare, non obstante ei, quod prior possessor XXX vel XL annorum exceptione eum removerat, nisi ipse iniustus possessor XXX vel XL annorum, ex eo tempore computandorum, ex quo prior possessor, qui evicit, ea possessione cecidit, exceptione munitus est.

Da die außerordentliche Erfizung ein die ordentliche ergänzendes Institut ist, (vergl. oben S. 129.), so sind die Erfordernisse der ersteren denen der legteren gegenüber zu betrachten. -Was demgemäß :

1. die Res habilis der Erstzung von drei, zehn und zwanzig Jahren betrifft, so tritt bei mehreren Sachen, die dieser entzogen sind, die außerordentliche Ersizung ein, so daß letterer, außer den des Eigenhums und des Besizes unfähigen Sachen, (vergl. §. 25.), nach römischem Rechte nur entzogen bleiben a. die Sachen der Pupillen, L. 3. 7. C. h. t. Nov. XXII. Cap. 24. i. f., [nicht auch die der Minderjährigen, L. 5. C. in quib. caus. in int.(2. 41.) ;] — b. Dotalfachen, die zum Nachtheile der Frau auch nicht durch Praescriptio XXX vel XL annorum ersessen werden können; L. 16. D. de fund, dot. (23, 5.) L. 30. C. de iure dot. (5. 12.), vergl. oben §. 27. nro. 1. §. 30. nro. 2;c. Adventitien, für die während der väterlichen Gewalt auch keine außerordentliche Erfizung läuft; L. 1. C. de bon. mat. (6. 60.) L. 4. C. de bon. quae lib. (6, 61.) L. 1. §. 2. C. de ann. exc. (7. 40.), vergl. oben §. 27. nro. 2;-d. das Tignum iunctum; vergl. oben §. 30. nro 2. In Folge der Carolina Art. CCIX.*) find indeffen

*) Carol. Art. CCIX.,,Und kan an solcher gestolner oder geraubter habe durch eynich lenge der Zeit keyn geweer ersessen werden." Der Unterschied der römischen Res furtiva und der deutschen gestohlenen Sache liegt 1) darin, daß wir kein Furtum usus und possessionis mehr kennen, und also auf dem Wege zum Begriffe einer gestohlenen Sache nicht zu gelangen ist, wohl aber vom Standpuncte der Römer zu dem einer Res furtiva, 2) Aber auch das Furtum rei der Römer ist noch weiter als unser deutscher Diebstahl, indem zu leßterem Besißentseßung erfordert wird, während zu ersterem schon eine jede fraudulöse Contrectation beweglicher Sachen hinreicht, wenn fie nur animo lucri faciendi geschieht. Das deutsche Recht zerlegt den römischen

auch noch e. gestohlene und geraubte Sachen im Sinne des deutschen Rechtes auszunehmen.

2. Der instus titulus ist bei der außerordentlichen Ersizung gänzlich erlaffen *). L. 8. §. 1. C. cit. L, 14. C. de fund, patrim. (11. 61.) Can, 15, Caus. 16. Qu. 4.

Begriff des Furtum rei in zwei Verbrechen, in Diebstahl und Unterschlagung, bei, welcher leßterer Befißentseßung nicht erforderlich erscheint. - Puch ta Pand. S. 160. Note e. gedenkt mit Bezug auf den angeführten Artikel, der Carolina dreier Ansichten über die Erfißungsfähigkeit gestohlener Sachen als möglich, nämlich, 1) daß die Carolina alle Res furtivae oder 2) nur die gestohlenen Sachen im deutschen Sinne des Wortes der außerordentlichen Erfißung entzogen, oder endlich 3) daß fie überall nicht die Absicht gehabt habe, das römische Recht zu modificiren, und die angeführten Worte daher nicht auf die außerordentlicheErsizung zu beziehen, d. h. aber, daß auch gestohlene Sachen im deutschen Sinne durch außerordentliche Erfißung zn erwerben seien. Der leßteren Ansicht giebt. Puchta den Vorzug, dem darin Unterholzner Verjährungslehre I. §. 60. a. E. vorangeht. Wenn sich der Tert für die zweite Ansicht entscheidet, so geschieht dies deshalb, weil der Verf. nur diejenige Interpretation der Worte: ,,gestohlene und geraubte Sachen“ für richtig zu erkennen vermag, welche ihnenden Begriff und Umfang zuerkennt, die sie nachweislich zur Zeit der Carolina. und in dieser leßteren gehabt haben. Geschieht dies aber, so fallen auf der einen Seite Res furtivae, bei denen keine Befißentseßung Statt gefunden, gar nicht unter den Art. CCIX, auf der andern schließt er aber auch bei gestohlenen Sachen im deutschen Sinne jede Ersißung aus, da er keinerlei Restriction enthält. *) Das römische Recht kennt keine Ausnahme hiervon, wohl aber das canonische, indem eine, Decretale. Bonifacius VIII. (Cap. 2. VI. de praescr. 2. 13.) verordnet, wenn Kirchensachen, namentlich kirchliche Zehnten, die nach allgemeinen canonischen Grundfäßen (Ius commune) einem bestimmten Kirchenoberen zuge hörten, von einem Anderen erworben werden wollten, dann die gewöhnliche Erfißungsfrist (von vierzig Jahren) nicht genüge, sondern dazu außer bona fides auch noch ein nachzuweisender iustus titulus hinzutreten müsse, es stünde denn die unverdenkliche Verjährung dem fraglichen Zustande, zur Seite. Die Worte obiger Decretale sind: Episcopum, qui ecclesias et decimas, quas ab eo repetis, proponit, (licet in tua sint constitutae dioecesi), se legitime praescripsiss e, adlegare oportet, cum ius commune contra ipsum faciat, huiusmodi praescriptionis titulum et probare. Nam licet ei, qui rem praescribit ecclesiasticam, si sibi est contrarium ius commune, vel contra eum praesumptio non habeatur, sufficiat bona fides: ubi tamen est ei ius commune contrarium, vel habetur praesumptio contra ipsum, bona fides non sufficit, sed est

3. Bona fides war nach römischem Rechte nur Anfangs nöthig, L. 8. §. 1. C. cit; nach canonischem dagegen wird auch die außeror-dentliche Ersizung durch mala fides superveniens unterbrochen. Cap. 20. X. de praescr. (2. 20.) verb. definimus, ut nulla valeat absque bona fide praescriptio, tam canonica quam civilis... Unde oportet, ut, qui praescribit, in nulla temporis parte rei habeat conscientiam. alienae.. Uebrigens bemerke man den begrifflichen Unterschied der bona fides bei der ordentlichen und außerordentlichen Erstzung. Dort war es die auf entschuldbarem, factischem Irrthume beruhende Ueberzeugung von der Fehlerlosigkeit des in Frage stehenden Erwerbtitels, hier genügt dazu der bloße aus entschuldbarem factischem Irrthume hervorgegangene Glaube des Eigenthums, auch wenn dem Ersizenden kein bestimmter Erwerbtitel vorschwebt, z. B. es hat Jemand eine Sache bei einem Anderen stehen, liegen laffen und legterer hält dieselbe für die feinige. - Fehlt beim Titulus pro emptore im Momente des Kaufabschlusses die bona fides, fo ist, wie wir sahen, selbst wenn im Augenblicke der Besißübertragung guter Glaube vorhanden, die ordentliche Ersizung ausgeschlossen. Dagegen steht unter lezterer Vorausseßung dem Beginne der außerordentlichen Ersizung nichts im Wege.

4. Possessio und Tempus. Der juristische Besiz muß bei beweglichen wie unbeweglichen Sachen, und bei leßteren ohne Rücksicht auf Praesentia oder Absentia, dreißig oder vierzig Jahre andauern, jenachdem die Rei vindicatio wider den Befizer jene oder diese Zeit währt. So ist z. B. erst in vierzig Jahren die außerordentliche Erfizung vollendet, wenn der erhobene Prozeß liegen geblieben ist, und der Besizer jeßt, erfizen soll. L. 1. C. de praescr. 1. t. (7. 33.) L. 9. C. h. t. - Der Lauf der außerordentlichen Verjährung beginnt mit dem Augenblicke, ubi actio nata est, d. h. in dem die Eigenthumsklage angestellt werden konnte, aber nicht wurde. L. 3. C. h. t. L. 1. §. 1. C. de ann. exc. (7. 40.) Nur eine Folge des Gesagten ist, daß, während beim Besizerwerbe durch freie Stellvertreter die Usucapio erst beginnt, wenn der Principal vonjenem Kunde erlangt hat, L. 47. D. de usurp. (41. 3.), die außerordentliche Erfizung auch ohne die, leßtere schon im Augenblicke der Besiz

necessarius titulus, qui possessori causam tribuat praescribendi: nisi tanti temporis allegetur praescriptio, cuius contrarii memoria non existat.

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