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vier Säle, in jedem Gefchofs fich wiederholend, jeder mit zwei Kaminen, die verständiger Weile nicht einander gegenüber angebracht find, um die Communication zu erleichtern. Diefe Säle find mit gewaltigen Tonnengewölben in mächtiger Steinconstruction überdeckt, in deren Caffetten man in vielfachen Variationen den Salamander und den Namenszug des Königs fieht. Im Verhältnifs zur Breite der Säle find die im Korbbogen ausgeführten Gewölbe etwas gedrückt, doch mag grade dadurch für die Bewohner ein behaglicher Eindruck erzielt worden fein.

Die vier zwischen den Kreuzarmen liegenden Ecken des Mittelbaues fowie die anftofsenden Thürme find wieder zu einzelnen Wohnräumen, deren jeder aus einem gröfseren Hauptgemach, Kabinet und Garderobe besteht, eingetheilt. Der Hauptraum in dem füdwestlichen Thurm ift die Schlosskapelle. Alle diefe Wohnräume haben ihre eigenen Aufgänge in kleinen Wendeltreppen, stehen aber unmittelbar mit dem grofsen gemeinschaftlichen Saal in Verbindung, der feinerfeits wieder durch die Haupttreppe allgemein zugänglich ist und durch Seitengalerien, die an den Thürmen hingeführt find, mit den beiden äufseren Flügelbauten zusammenhängt. Eine grössere Kapelle ist in dem äusseren Thurme der nordwestlichen Ecke angebracht. Dies in kurzen Zügen die Eintheilung des Schlosses, der man das Zeugnifs nicht wird versagen können, dass fie den Lebensbedürfnissen ihrer Zeit trefflich entsprach, obwohl fie diefelben wunderlich genug in die Formen einer vergangenen Kulturepoche einzwängte.

Was nun die künstlerische Behandlung betrifft, so besteht dieselbe fast noch ausfchliefslicher als zu Blois aus antikifirenden Elementen. Die Haupttheile des Gebäudes zeigen drei Gefchoffe, belebt durch Fenfter mit einfachen oder doppelten Kreuzftäben. Sämmtliche Fenster haben geraden Sturz, mit Ausnahme der drei Rundbogenfenster, die den Mittelfaal im oberen Gefchofs erleuchten. Die Gliederung der Wände wird in allen drei Geschoffen durch ein Syftem vertical verbundener Pilafter und horizontaler Gefimsbänder gebildet. Obwohl nun an ihren Kapitälen fich die mannigfaltigste Erfindung und die delikateste Behandlung des Reliefs geltend macht, fo vermag doch alles diefes die ftarre Monotonie diefer Gliederung, die an dem ganzen Bau in ödem Einerlei fich hinzieht, nicht genügend zu beleben. Selbft das reiche Kranzgefims, das die Hauptmotive des fchönen Gefimfes von Blois, Confolen und Rundbogenfries, nur freilich in nicht to organischer Verbindung, wiederholt und eine etwas zu zierliche Balustrade hinzufügt, ift nicht im Stande, jenen Eindruck aufzuheben.

Aber die Monotonie wird noch viel empfindlicher durch den überfchwänglichen Reichthum, mit welchem die hohen Dächer des Mittelbaues und der Thürme mit ihren Laternen, mit den in lauter Variationen fich erfchöpfenden Dachfenftern und ihren hohen Giebelkrönungen, den koloffalen,

ebenfalls in den verschiedensten Formen durchgeführten Kaminen und endlich der Haupttreppe mit ihrer phantastischen, alles überragenden Laterne überladen find. Das Ange wird wie bei den complicirteften gothischen Bauten durch diese Ueberschwänglichkeit vollständig verwirrt, und der unbefangene Beschauer muss fich geftehen, dafs eine Architektur, welche die Haupttheile der Conftruction öder Nüchternheit Preis giebt, um die untergeordneten Partieen auf's Ungebührlichfte hervorzuheben, der Schönheit wie der Wahrheit den Rücken kehrt. Wunderlich genug ift noch ein anderes dekoratives Element ausfchliesslich an den Pilaftern und Gefimfen der Dacherker, fowie den Kaminen und dem Treppenthurm verwendet: die zahlreich in die Flächen eingelassenen Trapeze, Kreise, Halbkreise und Dreiecke von dunklen Schieferplatten, die den Reichthum diefer Theile noch schreiender machen. Bekanntlich ist dies eine Dekoration, der fich nur die venezianische und die von ihr abhängige oberitalienische Kunst bedient.

Wir haben es offenbar mit dem Werk eines Architekten zu thun, der, aus der einheimifchen Schule hervorgegangen, den Beweis liefern wollte, dafs er des neuen Stiles vollkommen Herr fei und zugleich im Stande, ihm den phantaftischen Reiz der mittelalterlichen Architektur abzuringen. Dieser Künstler war, wie neuere Untersuchungen dargethan, Pierre Nepveu, genannt Trinqueau, der ausdrücklich als Meifter der Arbeiten am Schlofs Chambord bezeichnet wird.) Chambord ift übrigens niemals ganz vollendet worden. Auf einige fpäter ausgeführte Theile wiefen wir bereits hin. Das Erdgeschofs zeigt überall die feinen Formen der Zeit Franz' I, ebenso der ganze Hauptbau und der vom König felbft bewohnte nordöftliche Flügel. Die oberen Geschoffe des nordweftlichen Flügels dagegen beweisen durch ihre plumperen Formen und die rohere Ausführung eine spätere Zeit. Ausser Heinrich II hat namentlich Ludwig XIV durch Manfart den Bau weiter führen lassen. In der Revolution wurde das Schlofs mit fo vielen anderen vollständig verwüstet. Nicht blofs das prachtvolle Mobiliar wurde zerstört oder vertrödelt, fondern die reichen Kamineinfaffungen herabgeschlagen und herausgebrochen, ja selbst die koftbaren Tapeten von Arras verbrannt, um die Gold- und Silberfädchen daraus zu gewinnen. Jetzt ist im Innern keine Spur mehr von der alten Pracht; nur die Gewölbe des grofsen Saales und einzelner Zimmer, in gedrücktem Bogen, aber in folidefter Construction ausgeführt, zeigen in ihren Caffetten Reliefs von ausgezeichneter Feinheit. Die grofse Kapelle in dem äufseren Thurme ift ernft und einfach in zwei Gefchoffen mit Wandfäulen dekorirt.

1) L. de la Sauffaye, a. a. O. p. 260: »Pierre Nepveu dit Trinqueau, maiftre de l'oeuvre de maçonnerie du bastiment du Chaftel de Chambord.<<

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§ 23.

SCHLOSS MADRID ODER BOULOGNE.

INEN gröfseren Gegenfatz innerhalb derfelben Zeit wird man kaum finden als ihn das Schlofs Madrid im Vergleich mit Chambord bietet. Franz I liefs es in der Nähe von Paris mitten im Bois de Boulogne feit 1528 etwa errichten.') Es erhielt allgemein den Namen Madrid, nicht wie man wohl gemeint hat, in Erinnerung an die Gefangenfchaft des Königs oder gar in Nachahmung eines in der Hauptstadt Spaniens befindlichen Schloffes; mehr Wahrscheinlichkeit hat die Anficht, dafs diefer Beiname durch den Spott der Hofleute entstanden fei, wenn der König fich mit wenigen intimen Gefährten dem Hofe entzog, um in dem Schlofs des Boulogner Gehölzes feiner Mufe zu leben. Von diefem Prachtbau, der mit

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dem feinften Kunftfinn angelegt und ausgeftattet war, ift kein Stein auf dem andern geblieben. Die Revolutionszeit hat ihn dem Erdboden gleich gemacht. Nur den Aufnahmen Du Cerceau's verdanken wir eine genauere Kenntnifs desfelben.

Das Schlofs Madrid') war das, was die Franzofen ein Manoir (manerium) nennen, d. h. ein kleineres, ohne Thürme und Donjon errichtetes ländliches Wohnhaus, dem in der Regel auch der Hof fehlt. Ganz fo verhielt es fich mit diefem Schlofs (Fig. 34). Es bildete ein Rechteck von 250 Fufs Breite bei 95 Fufs Tiefe. Auf den vier Ecken erhoben fich vortretende

1) In dem königlichen Erlafs vom 28. Juli 1528 wird aufser Fontainebleau auch das Schlofs von Boulogne unter den auszuführenden Bauten genannt. De Laborde, la renaiff. T. I, p. 537. - 2) Aufn. bei Du Cerceau, T. I vgl. dazu Viollet-le-Duc, Entretiens I, P. 353 ff.

quadratische Pavillons; zwei viereckige Treppenthürme theilten die beiden langen Façaden in drei gleiche Theile, während an den schmalen Seiten fich in der Mitte ein runder Treppenthurm erhob. Zwischen diesen Treppenthürmen und den Pavillons find auf Pfeilern mit vorgelegten Halbfäulen in den beiden Hauptgefchoffen Arkaden herumgeführt, genügend geräumig, um eine leichte Communication zu geftatten, aber nicht so tief, um den grofsen, mit doppelten Kreuzftäben verfehenen Fenstern das Licht zu verkümmern. Der mittlere Theil der beiden Hauptfaçaden hat dagegen in ganzer Breite eine Treppe A, welche zu einem weit zurückspringenden Bogengang von beträchtlicher Tiefe (12 Fufs) führt. Diese stattlichen Hallen bilden den Zugang zu dem grofsen Saal, der mit feiner Länge von circa 65 Fufs und feiner Breite von 28 Fufs den ganzen mittleren Theil der Anlage einnimmt. Diefer Saal wiederholt fich mit feinen Arkaden im oberen Hauptgefchofs. Es folgt dann ein kleineres Gefchofs, deffen Gemächer durch die auf den untern Arkaden ruhende Terraffe mit einander verbunden find; endlich ein viertes Stockwerk, welches gleich dem vorigen von mässiger Höhe ist und, wie jenes, Gastzimmer enthielt. Ausserdem war ein niedriges Erdgeschofs, halb unterirdisch, mit mächtigen Gewölben angebracht, das die Küchen und fonftige Haushaltungs- und Dienfträume umfchlofs. richtigem Verständnifs hatte der Architekt das Gebäude so orientirt, dass die Hauptfronten nicht genau nach Norden und Süden gerichtet waren; der Saal und die meisten andern Räume hatten dadurch im Sommer erfrischende Kühle und in der kälteren Jahreszeit möglichst viel Sonne.

Die Anordnung des Innern war, den Sitten der Zeit entsprechend, von ausgefuchter Zweckmässigkeit. Der grofse Saal B, von zwei prächtigen Kaminen erwärmt, hatte an der einen Schmalfeite einen kleineren Saal B', der dem König diente, wenn er fich von der Gesellschaft zurückziehen wollte. Im diefem Saal erhob fich bei C ein mächtiger Kamin, hinter welchem ein Gang D und in der Mauer eine Treppe E angebracht war, auf welcher man ungefehen zu einem über diesem Theil liegenden kapellenartigen Raum gelangen konnte. Diese beiden Räume zufammengenommen hatten die Höhe des Hauptfaales, die gegen 22 Fufs betrug. Ausserdem stand dieser Nebensaal durch befondere Eingänge mit den äusseren Arkaden in Verbindung. Die übrigen Theile der beiden Hauptgefchoffe waren zu gefonderten Wohnungen bestimmt. Man findet in jedem Flügel vier grosse Zimmer F mit Kaminen, jedes mit einer Garderobe H verbunden, die zum Theil in den Eckpavillons angebracht und in finnreicher Weise untereinander und mit den Portiken verbunden find. Jedes diefer Wohngemächer konnte von dem andern abgefondert werden; jedes ftand in unmittelbarer Verbindung mit den Portiken G und den Treppenthürmen I, fowie mit dem Hauptfaal, so dass die Bewohner, ohne beobachtet zu werden, aus- und ein

LUBKE, Gefch. d. Renaiffance in Frankreich. II. Aufl.

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gehen konnten. Die Verbindung der Räume war alfo fo angenehm und bequem wie möglich; der Architekt hielt dabei zwar für den Mittelbau die Axen der Fenster und Arkaden übereinstimmend, band fich aber für die Flügel nicht streng an folche Vorschrift. Dagegen legte er die Thüren der Gemächer überall dicht bei den Fenstern an, so dass er möglichst viel ununterbrochene Wandflächen erhielt. Endlich ist noch zu bemerken, dass auch in den offenen Portiken durch die vorfpringenden Treppenthürme und Pavillons die Zugluft möglichst abgeschnitten war. Man darf dieses Schloss also wohl als Mufter eines fürftlichen Landfitzes jener Zeit bezeichnen.

Der Aufbau des Ganzen, von dem wir in Fig. 35 den mittleren Theil geben, zeigte eine Verbindung zwischen italienischer und franzöfifcher Auffaffung, die hier ebenso gelungen, wie in Chambord missglückt war. Die hohen Dächer, die jeden Haupttheil bedeckten, die kuppelartigen Krönungen der Wendeltreppen, die Mansardenfenster und die gewaltigen Kamine gehörten der nationalen Ueberlieferung an, aber fie waren auf das Maafs des Nothwendigen zurückgeführt, nicht Gegenstand einer phantastischen Liebhaberei geworden. Auch die Fenster mit ihren steinernen Kreuzstäben und die Construction der Wölbungen gehörten der heimischen Bauweise an: alles Uebrige dagegen war der italienischen Renaissance mit freiem Verständniss nachgebildet. Dies gilt von den Arkaden mit ihren eleganten Pfeilern und Säulen, ihren reich profilirten und caffettirten Bögen und ihren Medaillonfüllungen, von den elegant decorirten Friefen und der mannigfaltigen Umrahmung der Fenfter, durch welche jedes Stockwerk feinen befonderen Charakter erhält, endlich von der Krönung der Thüren, die mehrfach einen Giebel mit ruhenden Figuren zeigen. Den glänzendsten Schmuck empfing der Bau durch die reiche Anwendung farbig glasirter Terrakotten, für welche Girolamo della Robbia ausdrücklich von Florenz berufen wurde.") An den Friefen der Hauptgefchoffe und den Medaillons der Arkaden, ebenfo an den Deckencaffetten der Portiken, fowie an den Fufsböden war diefer glänzende Schmuck verwendet. Du Cerceau gibt einige Beispiele der Caffettenplatten, die durch Schönheit der Zeichnung und Reichthum der Erfindung bewundernswürdig find. Wenn indess der gelehrte Viollet-le-Duc2) die Behauptung ausfpricht, dafs diefe Anwendung glafirter Terrakotten am Aeussern von Gebäuden eine neue, Franz I zu verdankende Erfindung fei, fo vergisst er unter anderem die Façaden der Innocenti zu Florenz, des Hofpitals zu Piftoja, vor Allem des Oratoriums S. Bernardino zu Perugia.

1) Vafari, V. di Luca della Robbia T. III, p. 72: ›Girolamo . . . . . fu condotto in Francia; dove fece molte opere per lo re Francesco a Madri, luogo non molto lontano da Parigi; e particolarmente un palazzo, con molte figure ed altri ornamenti«< etc. - 2) Entre

tiens T. I, p. 354.

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