Page images
PDF
EPUB
[graphic]

Fig. 30. Schlofs von Blois. Theil der nördl. Façade. (Baldinger nach Phot.)

bord') zu derfelben Zeit und für denfelben Fürften errichtet wurde, wie der edle Bau von Blois. Chambord liegt einige Meilen von Blois und der Loire entfernt in einer öden fandigen Gegend, deren Eindruck um fo trübfeliger ift, wenn man kaum die lachenden Ufer der Loire verlaffen hat. Nur die Jagdluft Franz' I gab Veranlassung, in dieser Einöde ein so grossartiges Schlofs zu bauen. Das Schlofs erhebt sich wie eine Fata Morgana, in einem jetzt verwilderten, von einer Mauer umzogenen waldigen Gehege von bedeutender Ausdehnung. Schon im frühen Mittelalter lag hier ein kleines Jagdfchlofs der Grafen von Blois, in deffen Nähe später die Mutter Franz' I das Schlofs Romorantain bewohnte. Der König, der eine innige Anhänglichkeit an die Stätten feiner Jugend bewahrte, begann um 1526 den Bau dieses mächtigen Schloffes. Die Construction ift riefenhaft gewaltig, alles aus grofsen Quadern, der ganze Bau von Westen nach Often ohne die Thürme gegen 400 Fufs breit bei 275 Fufs Tiefe. Es ist, als ob die ganze Phantastik des Mittelalters noch einmal gegen den eindringenden neuen Geift fich erhoben und der Renaissance mit diefer koloffalen Schöpfung fich eigenwillig und capriziös entgegengeworfen hätte: ein Versuch, der um fo intereffanter auftritt, als er fich mit den Detailformen der Renaissance vollzieht. (Fig. 31.)

Die Anlage des Ganzen (Fig. 32) geht so genau auf die Dispositionen mittelalterlicher Burgen ein, dass fie fogar den koloffalen, von den übrigen Gebäuden ifolirten Hauptthurm, den Donjon aufnimmt; nur dafs fie ihn für die modernen Lebensgewohnheiten umgestaltet und durch streng fymmetrische, regelmässige Anlage des Ganzen dem neuen Geifte eine Concession macht. Das Gebäude bildet ein grofses Rechteck, welches von vier runden Thürmen von 40 Fufs Durchmesfer flankirt wird. Jeder dieser Thürme zeigt im Innern eine andre Eintheilung, indem er im Wefentlichen aus einem oder zwei grofsen Wohnzimmern mit Kabinet, Garderobe und befonderem Treppenaufgang besteht. Ebenso ist der vordere Flügel, zu dem eine Zugbrücke über den Graben führte, gleich den beiden Seitenflügeln in eine Anzahl von Wohnzimmern getheilt, von denen jedes mit einer Garderobe verbunden, vom Nebengemach aber abgeschlossen und mit eigenem Zugang verfehen ift. Welchen Werth man in den Schlöffern jener Zeit auf diese Anordnung des Innern legte, beweist bei Rabelais die Schilderung der Thelemiten-Abtei, bestätigt aufserdem die Mehrzahl der damals entstandenen Schlöffer. Die drei oben betrachteten Flügel des Schloffes haben nur ein Erdgeschofs und fchliefsen über diefem mit einer Terraffe. Nur die nörd

1) Aufn. bei Du Cerceau, T. I, Berty, renaiff. T. II und Gailhabaud, Denkm. der Bauk. Bd. IV. Das Gefchichtliche bei L. de la Sauffaye, le château de Chambord, Lyon 1859 und deff. Verf. Blois et fes environs. p. 247 ff. Vergl. dazu die prächtige Darstellung in den Châteaux hiftoriques II, 197 ff.

[graphic][merged small][subsumed][subsumed]

liche, an den Hauptbau fich anschliefsende Hälfte der beiden Seitenarme ift mit einem oberen Gefchofs verfehen. Die vierte Seite bildet in zwei Stockwerken über einem mit Arkaden verfehenen Erdgefchofs die Verbindung mit dem Hauptbau. In den beiden äusseren Ecken ziehen diese Arkaden einen Halbkreis, der fich als offenes Gerüft um eine grofse Wendeltreppe emporbaut. Beide Wendeltreppen reichen bis zum Dachgefchofs, wo fie in einer Kuppel mit schlanker Laterne fchliefsen. Ihr Aeufseres ift in den drei unteren Gefchoffen mit Pilaftern, im oberften Stockwerk mit schlanken Hermen bekleidet, die jedoch nicht vollendet, nur roh vorgehauen find.

[merged small][ocr errors][ocr errors][merged small]

Von diesen beiden Treppen ift nur die öftliche, die zu den Wohnzimmern Franz' I führte, aus der ersten Bauepoche, während die weftliche aus der Zeit Heinrichs II ftammt. An diefer, fowie an den Obergefchoffen des anftofsenden Flügels find auch die Details bei weitem nicht fo fein ausgeführt, vielmehr schwer und plump, mit roh angewandten Lilien-Emblemen und vorgefchobenen Säulen.

Der merkwürdigfte Theil des Ganzen ift der in Form eines Donjon angelegte Mittelbau, ein Quadrat von 140 Fufs, flankirt mit vier runden Thürmen von ca. 62 Fufs Durchmesser. Im Centrum diefes Baues erhebt

fich felbftändig auf acht mächtigen Strebepfeilern die berühmte doppelte Wendeltreppe (Fig. 33), fo angelegt, dafs die Hinauf- und die Hinabfteigenden einander nicht zu begegnen brauchen. Mit ihren durchbrochenen Strebebögen und der fchlanken Laterne, auf deren Spitze eine kolossale

[graphic][subsumed][subsumed][subsumed][merged small]

Lilie fich erhebt, ragt fie in bedeutender Höhe über den Dächern der umgebenden Theile und der Thürme in die Luft, mit dem trefflichen weissen Kalkstein fich fcharf vom blauen Himmel abfetzend. Um diefe Haupttreppe legt fich in Form eines griechifchen Kreuzes ein grofser Saal, oder vielmehr

« PreviousContinue »