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sondern auch feine Ausführung geleitet hat.') Ganz aus weissem Marmor erbaut, überbietet es an Grofsartigkeit alle früheren Werke, namentlich auch das benachbarte Denkmal Ludwigs XII. Zudem ift es bezeichnend für den feit circa 1540 eingetretenen Umfchwung der Anschauungen, denn anftatt wie in der Frührenaissance fämmtliche Flächen mit zierlichen Arabesken zu bedecken, bildet es die architektonischen Formen und Linien in strenger Reinheit durch und verweist die Mitwirkung der Plastik auf das Gebiet des felbftändig figürlichen Schmuckes. Dadurch wird bei allem Reichthum der Eindruck ein mehr architektonischer, und die Gefammtwirkung gewinnt eine Würde und Gröfse, die der monumentalen Bedeutung eines Grabdenkmals am beften entspricht.

Die Grundform ist ähnlich der am Denkmal Ludwigs XII: zwei Sarkophage mit den ausgeftreckten Leichen des Königspaares, umfafst und überragt von einem baldachinartigen Arkadenbau. Da die Decke desfelben jedoch nicht flach ift, fondern aus einem Tonnengewölbe besteht, fo bedurfte es kräftigerer Widerlager, die in Form von maffenhaften Pfeilern mit vorgelegten Säulen angeordnet find. Vier Hauptpfeiler in quadratischer Anordnung, durch grofse Rundbögen verbunden, bilden den mittleren Theil. In kleinerem Abstande entsprechen denfelben in der Längen- und der Queraxe des Monuments Eckpfeiler, an den Querfeiten durch Balustraden verbunden, mit den Mittelpfeilern durch kleinere, niedrigere Bögen zusammenhängend, fo dafs das Denkmal einen kreuzförmigen Grundrifs und von allen Seiten die Geftalt eines Triumphbogens zeigt. Die Säulen fammt dem Gebälk und den Gefimfen find im reichsten ionischen Stil durchgeführt, die fchlanken Schäfte cannelirt, fämmtliche Glieder in feiner und lebensvoller Weise mit den entsprechenden antiken Ornamenten gefchmückt. Den Hauptantheil an der reicheren Wirkung nimmt aber die figürliche Plastik. Der Sockel des ganzen Denkmals fammt den Stilobaten der Säulen ist mit miniaturartig fein, aber in völlig malerischem Stil durchgeführten Darftellungen der Schlachten Franz' I, namentlich der von Marignano und Cérifolles bedeckt. An den Zwickeln der grofsen Bögen find schwebende Genien gemeisselt, namentlich aber ift das grofse Tonnengewölbe mit den Flachreliefs der Evangeliften fowie allegorischer Tugenden und schwebender Genien gefchmückt, und die einzelnen Felder erhalten durch breite Flechtbänder mit Rofetten in den Oeffnungen ein Rahmenwerk vom edelsten Stil. Diefe Reliefs find von Germain Pilon, die liegenden Gestalten des königlichen Paares von Pierre Bontemps ausgeführt. Auf der Plattform des Denkmals knieen im Gebet die lebensgrofsen Figuren des Königs und der Königin und ihrer beiden Söhne.

1) Ueber das Hiftorische vergl. des Grafen Delaborde Renaiff. des arts, p. 445. 446. 454. 460. 462. 470. 479. 484.

Nach dem Mufter diefes grofsartigen Werkes liefs Katharina von Medici, ebenfalls zu St. Denis, für fich und ihren verftorbenen Gemahl Heinrich II ein ähnliches Denkmal errichten. Es ift gleich jenem ganz aus Marmor ausgeführt, und der Entwurf dazu wird bald de l'Orme, bald Bullant oder felbft Primaticcio zugefchrieben. Die Anordnung ift diefelbe: auf einem Sarkophag fieht man die ausgeftreckten Leichen des königlichen Paares. Zwölf Säulen von dunklem Marmor mit Compofitakapitälen tragen. den Arkadenbau, auf deffen Plattform Heinrich II und Katharina in lebensgrofsen Erzfiguren knieend angebracht find. Die Architektur im Ganzen ift derber, kühler, von fchwereren Formen, das Gebälk über den Säulen vorgekröpft; zwischen den letzteren durchbrechen fenfterartige Oeffnungen die einzelnen Felder. Am Sockel find Marmorreliefs von Germain Pilon angebracht, und auf den Ecken des Gebäudes erheben fich auf vorgefchobenen Postamenten die Erzgeftalten der vier Kardinaltugenden.

Diess ist das letzte grofse Grabdenkmal der franzöfifchen Renaissance. Mit dem Beginn des 17. Jahrhunderts dringt jene malerische Auffaffung auch hier ein, welche aus den Grabmälern nichts anderes als theatralische Scenen, im beften Fall lebende Bilder zu machen wufste. Solcher Art ift das Grabmal Richelieu's in der Kirche der Sorbonne, wo der Kardinal, auf dem Sarkophag ausgeftreckt, durch die Figur des Glaubens halb aufrecht gehalten wird, während das untröftliche Frankreich zu feinen Füfsen jammert. Solcher Art ift im Mufeum zu Verfailles das Denkmal des Herzogs von Rohan, um welchen fich zwei Genien bemühen, von denen der eine ihm den Kopf ftützt, während der andere wehklagend den Herzogsmantel um ihn fchlägt. Bei folchen »geiftreichen« Erfindungen, die grofsentheils von den Malern der Zeit herrühren, hat die Architektur zu verftummen.

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X. KAPITEL.

DAS KUNSTGEWERBE DER EPOCHE.

§ 107.

ALLGEMEINER CHARAKTER.

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S läfst fich leicht denken, dafs mit einer fo reichen Blüthe wie die franzöfifche Renaiffance fie entfaltet hat, eine nicht minder glänzende Ausbildung der verschiedenen Kunstgewerbe Hand in Hand geht. Die Prachtliebe des Hofes und der Grofsen steht auch hier als bewegendes Motiv in erster Linie, Franz I gab für die gefammte Umgebung den Ton an, und Heinrich II, fowie die folgenden Herrfcher traten in feine Fufsftapfen. Niemals vielleicht ist in den modernen Zeiten die äufsere Erscheinung der Menfchen in Kleidung und Schmuck und in der Gestaltung der Wohnräume fo edel und ftilvoll behandelt worden wie damals. Wie fehr auch hiefür die Einflüffe Italiens bestimmend waren, wie die dort empfangenen Eindrücke fchon unter Karl VIII und Ludwig XII zu einer Umwandlung der französischen Anschauungen führten, die dann alsbald die Berufung italienischer Künstler zur Folge hatte, ift oben im ersten Kapitel gezeigt worden. Während nun für die Entwicklung der Architektur jene fremden Einflüffe kaum irgendwie von Bedeutung waren, da die nationalen Anschauungen, Sitten und Gewohnheiten zu mächtig gegen die fremde Form reagirten, läfst fich in den begleitenden Künften, und speziell in den Kunstgewerben ein ftarker italienischer Einfluss nicht verkennen. Für die Goldschmiedearbeit war die Berufung eines Meifters wie Benvenuto Cellini ohne Frage von epochemachender Bedeutung. Die Majolika erhielt einen erften Impuls durch die Berufung des Girolamo della Robbia, der mit feinen farbig glafirten Terracotten die Fufsböden, die Friefe und Medaillons der Arkaden, fowie die Caffetten der Hallendecken am Schlofs Madrid und

später auch zu Fontainebleau zu fchmücken beauftragt wurde. Für die prachtvollen Rüftungen wurden die berühmten Mailänder Waffenschmiede in Anspruch genommen; aber wir wiffen auch, dafs die deutschen Harnischmacher vielfach für den franzöfifchen Hof verwendet wurden, dafs namentlich Jörg Seufenhofer von Innsbruck durch Franz I berufen wurde und dafs vielleicht auch Hans Muelich Entwürfe für Franz I und Heinrich II lieferte.

Ift also für manche Techniken auswärtiger Einflufs und fremde Thätigkeit bezeugt, fo läfst fich gleichwohl vielfache Mitwirkung einheimischer Künstler und Werkleute vorausfetzen und auch nachweisen. Im Ganzen aber wird man in manchen Zweigen der Kunstgewerbe eine spezifisch französische Behandlung nicht gerade behaupten können; französische Schmuckfachen werden im Wefentlichen in derfelben Weise componirt und ausgeführt, und namentlich mit dem ganzen Reiz farbiger Schmelzwerke, dem Schimmer der Perlen, dem Glanz der Edelsteine ausgeftattet, wie die deutschen Werke; Wappen und Rüftungen erhalten ebenso wie in Deutschland durch Aetzung, Niellirung und Tauschirung das unvergleichliche Gepräge höchfter Kunftvollendung und ornamentaler Pracht. Nur das Eine etwa läfst fich bemerken, dafs unter dem Einfluss der Befteller, eines kunstfinnigen Hofes und prachtliebender Fürsten unter Mitwirkung des den Franzofen befonders eigenen Sinnes für formale Vollendung, Grazie und Feinheit diese Werke einen befonders vornehmen und zugleich graziöfen Charakter gewinnen, und dafs besonders auch das Figürliche voll Schwung und Anmuth ift. Für die Ornamentalcompofition auf den verschiedensten Gebieten wurde aber die italienische Kunft am meisten einflussreich durch die Schule von Fontainebleau, welche zuerst die fogenannten Grottesken der italienischen Hochrenaissance im Norden einbürgerte, die dann mit ihren feltfamen, oft kunterbunten und überladenen Zusammenstellungen von Blumengewinden, Fruchtfchnüren, Masken, phantastischen Fabelwesen, Emblemen, Inftrumenten und dgl. bald ihren Weg auch nach Deutschland fanden. In Frankreich wird alfo die harmonische und edle Ornamentik der Frührenaissance, die im Wefentlichen auf schön gezeichnetem Laubwerk mit sparsam eingestreuten Figuren beruht, früher von jener bunten Mischgattung verdrängt als irgendanderswo im Norden. Beispiele diefer Richtungen und des Kampfes derfelben unter einander haben wir schon oben bei der Betrachtung der Bücherillustration § 7 zur Genüge kennen gelernt.

Wo nun die französischen Kunstgewerbe in ihren Schöpfungen denen der übrigen Länder, namentlich Deutschlands nahe verwandt find, da bedarf es hier keiner eingehenden Schilderung, fondern nur einer Verweisung auf das in der Gefchichte der deutschen Renaiffance Kapitel III Gefagte; ich beschränke mich hier auf diejenigen Zweige kunstgewerblicher Thätigkeit, in welchen Frankreich zu eigenartigen Leiftungen durchgedrungen ift.

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