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Formen, noch nicht fo conventionell behandelt wie das Aussenportal. Im Innern zeichnet fich der fogenannte Saal des kleinen Confiftoriums durch ein zierliches Netzgewölbe auf Renaissanceconfolen und durch gemalte Arabesken an den Wänden aus. Er enthält aufserdem einen prachtvollen Kamin, unten eingefasst mit gekuppelten ionischen Säulen, oben mit doppelten weiblichen Hermen, in der Mitte ein Relief mit einem Reiterbild, darüber als Abschluss ein durchbrochener Bogengiebel mit Genien und helmbekröntem Wappen.

Noch üppiger entfaltet fich diefer füdliche Stil am Hôtel Catelan in derfelben Stadt.) Das Portal ift mit gekuppelten korinthifchen Säulen, deren Schäfte cannelirt find, eingefafst; darüber Karyatiden und phantastisch geschweifte Auffätze, wozu allerlei barocke Elemente kommen, namentlich Prismen und andere geometrische Figuren von bunten Marmorplatten, in Gebälk, Attika und andere Flächen eingelassen.

Das Innere bietet

Der Eindruck ist im Ganzen fchon fehr überladen. nicht viel, da zu einer ftattlicheren Hofanlage entweder der Raum oder die Mittel fehlten. Man tritt zuerst in einen engen Durchgangshof, der eine befcheidene Pilafterarchitektur zeigt. Dem zweiten gröfseren Hofe fehlt jede höhere architektonische Ausbildung; hübsch ist nur ein kleiner, rund heraustretender Treppenthurm, auf elegantem Tragstein mit Confolen und Feftons ruhend, von Putten gehalten,

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Das gröfste Prachtftück diefes Stiles ift aber die fogenannte >> Maison de pierre<< in derfelben Strafse unweit der Dalbade-Kirche gelegen. Hier ift fchon die Façade ein Werk von bedeutendem, ja man darf sagen fast unerhörtem Aufwand, prunkvoll und überladen, aber als Compofition schwerfällig und faft unerfreulich. Hier tritt das prahlerische System der späteren Renaissance auf, durch eine einzige koloffale Säulen- oder Pilasterstellung hier find es riefige korintische Pilafter mit cannelirten Schäften der Façade eine gewiffe Grösse des Eindrucks zu verleihen. Während aber über den Capitälen durch das verkröpfte Gebälk und einen mächtigen Confolenfries Raum für ein oberes Gefchofs gewonnen wird, vermisst man um so empfindlicher einen genügenden Unterbau, und wenn es auch kein Geringerer als ein Palladio gewesen ift, der das Beispiel für diese Anordnung gegeben hat, fo bleibt fie darum nicht minder verwerflich. Eine Folge davon war dann die unorganische Anordnung des grofsen Doppelportals, das mit feinen vorgesetzten Säulen und weit herausfpringendem verkröpften Gefims unschön die grofse Pilafterordnung durchschneidet. Uebrigens ift Alles an diefer pompöfen Façade gethan, was das Urtheil bestechen könnte, denn alle Flächen find in verschwenderischer Ueppigkeit

1) Abb. in Taylor et Nodier, Voyages pitt. Languedoc. Vol. I, Sér. 1.

mit einer stark in's Kraut geschoffenen Ornamentik überladen und selbst die grofsen Pilafter haben in der Höhe des Erdgefchoffes eine Bekleidung von Blumen und Fruchtfeftons, Trophäen, Emblemen und Masken erhalten, die im ftärksten Fortiffimo diefes Stils componirt ift. Selbft die fteinernen Fensterpfoften, im Hauptgeschofs kreuzförmig angeordnet, find in Ornamente aufgelöst. Befonders prachtvoll find die Wappen über den beiden Portalen, welche paarweise von eleganten weiblichen Figuren gehalten werden dies Alles gleich der ganzen Ornamentik mit grofser Virtuosität ausgeführt. Dass aber der Architekt dieser Façade mehr ein blendender Dekorateur als ftrenger Componist war, beweist auch die schwerfällige Art, wie er über dem weit vorspringenden Hauptgefims das Ganze durch eine Reihe gerader und gebogener Giebel abschliefst. Endlich noch eine Bemerkung über die Form der Portale: anftatt mit einem Bogen schliefsen fie mit einer polygon gebrochenen Oeffnung, ein Beweis, wie fehr man damals auf Neues, Ungewöhnliches erpicht war.

Im Innern geftaltet fich der ungefähr quadratische Hof mit breiten Arkaden vorn und zur Linken ungemein ftattlich; aber die Verhältniffe leiden unter einer gewiffen Schwere und die Formen der ionischen Pilafter, sowie der reichen Ornamentik an barocker Ueberschwänglichkeit. Die Flächen find auch hier in Backstein ausgeführt. In dem rückwärts liegenden Flügel öffnet fich in der Mitte ein prachtvolles Barockportal, von mächtigen Hermen eingefasst, deren Beine bis auf die Füfse in jenen wunderlichen Kasten stecken, welche in der damaligen franzöfifchen Architektur beliebt waren. Als Erbauungszeit des immerhin impofanten Palastes wird das Jahr 1612 angegeben.

Befonders phantastisch gestaltet fich diese Bauweise an der Maison des nourrices zu Narbonne.') Die Façade darf man als eines der feltenen Beispiele bezeichnen, wo die Architektur in's Witzige und Komische fällt. Ein gekuppeltes Fenster ift mit weiblichen Hermen eingefasst, die in unglaublicher Fülle wahre Prachtbeispiele von Mutterbrüsten hoch hinaufschwellend zur Schau tragen und unterwärts in bauchige, fchier indische Formen, reich mit Akanthusblättern geschmückt, auslaufen. Dieselben Gestalten wiederholen fich in noch grösserem Massstabe auf Confolen als zweite Einrahmung der Fenster, mit reich gefchmücktem Confolenfries verbunden, deffen Zwischenräume Löwenköpfe zeigen mit Ringen, an denen Blumengewinde hangen. Den oberen Abschluss bildet ein eleganter Architrav, ein Fries mit Akanthusblättern und ein reich gefchmücktes Gefimse mit Zahnfchnitten,

1) Abb. in Taylor et Nodier, Voyages pitt. Languedoc. Vol. II, 1.

Dasfelbe unvergleichlich prachtvolle Confolengefims und ähnliche glanzvolle Ausbildung der Fenfter, nur ohne die Mutterkaryatiden findet man an der Maifon des chevaliers zu Viviers.') Ueber einem ganz kahlen Erdgeschofs erheben fich zwei obere Stockwerke und als Abschluss ein kleineres Halbgefchofs. Die mit Kreuzftäben getheilten Fenfter werden von vortretenden ionischen und korinthifchen Säulen umfafst, über welchen ein akanthusgefchmückter Confolenfries ähnlich wie in Narbonne den Abfchlufs bildet. Die Vorliebe für diefe prachtvolle Form ift hier fo grofs gewesen, dass man auch unter den Fenstern des erften Stockes gewaltige ähnlich verzierte Confolen und in den Zwischenräumen Medaillons mit Bruftbildern in Hochrelief, in der Mitte ein helmgekröntes Wappen angeordnet hat. Zwischen den beiden Hauptgefchoffen zieht fich ein Relieffries mit Reiterkämpfen, über dem oberen Gefchofs zierliches Blätter- und Rankenwerk hin. Selbft die kleinen Fenster des oberften Stockes haben ihren Confolenfries und korinthische Säulen, wozu noch Karyatiden und Hermen und, um alle Formen zu erfchöpfen, fpiralförmig gewundene Säulen kommen. Das Kranzgefimfe wird durch drei überkragende Reihen von Rundbögen in etwas trockener Weife gebildet. Das Gebäude wurde um 1550 durch Noël de St. Albans erbaut, der als Führer der Hugenotten in den Bürgerkriegen hervortrat und den Tod durch Henkershand fand.

1) Abb. in Taylor et Nodier, Vogages pitt. Languedoc. Vol. II, Sér. 2.

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WEITERE UMGESTALTUNG DER ARCHITEKTUR.

O gänzlich waren die letzten Decennien des 16. Jahrhunderts in Frankreich von Parteiung und Bürgerkrieg erfüllt, dafs die Kunft fich nicht frei zu entwickeln vermochte. Auch mit der Thronbesteigung Heinrichs IV (1589) war der Zustand der Unruhe lange noch nicht befeitigt, und erft 1598 mit dem Frieden von Vervins und dem Edikt von Nantes athmete das Land nach fo langen Stürmen wieder auf. Aber der öffentliche Zuftand war fo tief zerrüttet, die Finanznoth fo drückend, Handel und Verkehr fo gelähmt, dafs es ftrenger Nüchternheit und ausdauernder Energie bedurfte, um fo fchwere Schäden zu heilen. Solche Zeiten find nicht dazu angethan, jene freie Stimmung zu schaffen, aus welcher die edle Blüthe der Kunft hervorkeimt. Vergleicht man daher die Regierung Heinrichs IV mit den Zeiten Franz' I und felbft noch Heinrichs II, fo bekommt man den Eindruck ernster Mannesjahre voll Arbeit und Mühen, die auf fröhliche Jugendtage mit ihrer Luft an den bunten Spielen der Phantafie gefolgt find. Der Verftand, die Befonnenheit haben jetzt die Herrschaft, und während Sully die Finanzen wieder herftellt, während der König mit allem Eifer den Bürgerstand zu heben, Handel und Gewerbe zu fördern bemüht ift, mufs das Schöne hinter dem Nützlichen zurücktreten. Wohl hat die Architektur auch jetzt wichtige Aufgaben zu

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löfen, aber diefelben gehören mehr dem letzteren als dem erfteren Gebiete an. Es ist hauptfächlich der Bau von Strafsen und Kanälen, der den König beschäftigt; es gilt durch Correctionen ganzer Plätze Stadtviertel den Bewohnern der Residenz Luft und Licht zu geben, für die Wohlfahrt und Gefundheit des Volkes zu forgen. Das find die Ziele, welche in erster Linie jetzt der Architektur geftellt werden. Wohl haben wir darin für die Kulturgeschichte einen Fortschritt anzuerkennen, wenn auch die höhere äfthetische Löfung diefen Aufgaben noch fern bleibt.')

Bei folchem auf das Gemeinwohl zielenden Streben tritt der Schlossbau als der künftlerisch geadelte Ausdruck egoistischer Tendenzen mehr in den Hintergrund. Umfangreichere Unternehmungen diefer Art werden unter Heinrich IV nur auf den Fortbau des Louvre und des Schloffes zu Fontainebleau, fowie auf die neuen Anlagen zu St. Germain verwendet. Bei diesen Werken bemerkt man zum Theil ein Anschliefsen an die Richtung der vorigen Epoche, zum Theil entwickeln fich aber aus den schon früher vorhandenen Keimen die Anfätze zu einer neuen Behandlungsweife. Der Grundzug derfelben beruht auf einer gewiffen Strenge und Nüchternheit, einer kühlen Reflexion, wie fie folcher verständig praktischen Epoche natürlich ist. Am meisten bezeichnend für diese Richtung wird die maffenhafte Aufnahme des Ziegelbaues, der in den vorigen Epochen doch nur die Ausnahme von der Regel bildete. Nunmehr aber drängt er fich felbft bei den bedeutendsten Bauten ein, ohne jedoch auch jetzt zu einer künstlerischen Durchbildung, etwa analog den norddeutschen oder den oberitalienischen Backsteinbauten zu gelangen. Vielmehr wird auch jetzt an der Verbindung mit Hausteinen. festgehalten, und jede charakteristische Form, die Ecken, Fenstereinfassungen und Gefimfe in Quadern durchgeführt. Diese Gebäude mit ihren fchweren Gliedern und dunklen Maffen machen wohl einen tüchtig gediegenen, aber oft auch trübfelig mürrischen Eindruck. Der Quaderbau selbst aber nimmt überwiegend den Charakter der Ruftica an, die noch allgemeiner als in der vorigen Epoche fich Bahn bricht und auch die Pilafter- und Säulenordnungen mit in ihr Bereich zieht. Im Zusammenhange damit werden alle Formen derber gebildet, die Arabesken und leichteren Ornamente durch schwere Cartouchen verdrängt, namentlich aber die feineren und reicheren Ordnungen des ionischen und noch mehr des korinthischen Stils zu Gunsten eines nüchternen Dorismus beseitigt. Es ist bemerkenswerth, dafs die Renaissance überall, in Italien wie in den andern Ländern, denfelben Weg vom Reichen und Zierlichen zum Nüchternen und Trockenen zurücklegt, während die antikrömische Kunft, fowie die griechische vor

1) Diese Seite der baulichen Thätigkeit Heinrichs IV bietet bemerkenswerthe Analogieen mit jenen ftädtischen Wohnhausbauten, welchen Friedrich der Grofse in Berlin und Potsdam in ganz ähnlicher Abficht so viel Eifer zuwendete.

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