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Theile der Façade find, wie die spielenden Formen der Zwergpilaster und die viel kleineren Fenster beweisen es kommen hier auf die beiden oberen Gefchoffe des neuen Theiles drei volle Stockwerke früheren Zeit Franz' I, Refte eines älteren Baues, welchen vollständig umzugeftalten wohl die Mittel gefehlt haben. Erwähnt wird der Bau als schon bestehend im Jahr 1559.

An der äufserften Grenze diefer Epoche fteht ein Haus in der Rue des vergeaux zu Amiens,) welches von einer Figur an feiner Façade den Namen >> Maifon du fagittaire führt. Es wurde im Jahre 1593 vom Herzog von Mayenne, dem General der Ligue erbaut, deffen Wappen es trägt. Die Façade ift fo reich mit Ornamenten bedeckt, dafs fie mit den üppigsten Schöpfungen der Frührenaissance wetteifert, und obwohl der Maafsftab der einzelnen Formen nicht im Verhältnifs zu den befcheidenen Dimenfionen des Ganzen fteht, macht diefer Reichthum doch einen beftechenden Eindruck. Dazu kommt, dafs der Meifter diefes Werkes zwar Willkürliches, auch Naturalistisches in den Ornamenten nicht vermieden, aber eigentlich Barockes, z. B. das Schnörkelwerk der Cartouchen verschmäht hat. Er scheint feine Inspirationen an den Werken der früheren Epochen zu schöpfen. Das gilt, felbft wenn wir, wie es wahrscheinlich ist, die grofsen Spitzbögen, in welchen das Erdgefchofs mit feinen Kaufläden sich öffnet, für Refte einer früheren Anlage halten. Gefchmückt find indefs die Rahmen diefer Bögen durch elegante Canneluren im feinften Renaiffancegefchmack. Sitzende Reliefgeftalten weiblicher Tugenden, von Emblemen und Laubwerk ganz umfchloffen, füllen die grofsen Zwickelflächen, und auf den Ecken bilden cannelirte dorische Pilafter die Einfaffung. Noch ganz in gothischem Sinn, wenn auch in antiken Formen, find die Baldachine der kleinen Statuennischen zwischen den Bögen behandelt. Die oberen beiden Gefchoffe zeigen gedrückte Verhältniffe und breite, niedrige, im Flachbogen gefchloffene Fenster, im ersten Stock ionische, im zweiten korinthische Pilafter, fämmtlich cannelirt, dazu prachtvolles Ranken- und Blattornament an den Friefen und in breiten Maffen über den Fenstern, letztere aufserdem mit äufserft elegant fculpirten Gliedern eingerahmt und die obersten Fenfter mit durchbrochenen Giebeln bekrönt: das Ganze von einer mehr verfchwenderischen als edlen Ueppigkeit.

Ebendort mufs die Porte Montre-Écu) vom Jahre 1531 als ein allerdings verstümmelter, aber reizvoller Bau der Frühzeit hervorgehoben werden, der in zwei Gefchoffen mit elegant dekorirten Rahmenpilastern und mit zahlreichen Salamandern als Zeugen der Entstehungszeit geschmückt ist.

1) Aufn. bei Berty, la renaiffance monumentale, Vol. I. Vgl. Paluftre I, 33 mit Abbildung. 2) Paluftre I, 30.

Kräftig und lebendig, voll Originalität ist die kleine Façade des Hôtel de Vauluisant zu Troyes, welches 1564 ein reicher Bürger Antoine Hennequin fich erbauen liefs. Zwei Rundthürme, zwifchen denen eine stattliche doppelte Freitreppe zum hochgelegenen Erdgefchofs emporführt, flankiren dieselbe. Pilafter gliedern die Flächen, und eine Balustradengalerie schliefst den Bau ab. In den Dachfenstern mit ihren Krönungen bemerkt man noch gothische Reminiscenzen, freilich in ftarker Verzopfung. Im Erdgeschofs liegt ein grofser Saal mit prächtigem, durch korinthische Pilafter dekorirten Kamin und gemalter Holzvertäfelung.

Ein ftattliches Gebäude aus dem Anfang dieser Epoche ist sodann das Haus der Familie Féret de Montlaurent zu Rheims, erbaut unter der Regierung Heinrichs II von Hubert Féret. Es hat einen prächtigen Hof mit Arkaden auf gekuppelten Säulen, zwischen den Bögen Nischen mit Statuen. Die Fenster find rechtwinklig und durch Kreuzpfoften getheilt.

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§ 84.

STÄDTISCHE GEBÄUDE IN DEN NORDÖSTLICHEN PROVINZEN.

N den nordöstlichen Theilen Frankreichs, welche gröfstentheils ursprünglich zu Flandern gehörten und erst spät zu Frankreich kamen, herrscht eine Behandlung der Renaiffanceformen, die in ihrer derben Freiheit das flandrische Gepräge nicht verkennen läfst. Solcher Art ist die Balley zu Aire,) ein anziehender kleiner Bau, auf zwei Seiten mit einer Vorhalle auf schlanken Säulen umgeben, darüber ein flandrisch hohes Obergeschofs in Backstein und Hauftein, über den Fenstern trotz des Datums 1595 gefchweifte Spitzbogenblenden, als Abschluss der Façade eine reiche Baluftrade mit üppigen Reliefs. Ein polygoner Erkerbalkon verleiht dem Bau

befonderen Reiz.

Befonders gehört hieher der neue Flügel, welchen die Stadt Arras feit 1573 ihrem Stadthaufe hinzufügte. Die Stadt, durch Handel und Gewerbe blühend, berühmt namentlich durch ihre kunftvollen Webereien, hatte seit Anfang des Jahrhunderts (1501-1554) ihr Rathhaus in gothischem Stil erneuert. Nach kurzer Zeit ftellte fich das Bedürfnifs einer Erweiterung heraus, und Meifter Mathias Teffon wurde mit der Ausführung eines neuen Flügels beauftragt. Der Architekt dachte nicht daran, fein Werk mit dem älteren in Einklang zu bringen, wohl aber mit demfelben an Glanz und Pracht zu wetteifern.

Der neue Flügel) besteht aus einer Façade von drei breiten Fenstersystemen, die durch gekuppelte Säulen von einander getrennt werden.

1) Paluftre I, 21 mit Abbildung. 2) Vgl. die Aufn. bei Berty, la renaiffance monumentale, Vol. I. Dazu Paluftre I, 19 mit Abbildung.

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(Fig. 112). Im Erdgeschofs find es dorische von jener hässlichen Form, welche den Schaft abwechselnd aus glatten Trommeln und aus Boffagen zufammenfetzt. Ebenfo find die breiten dreitheiligen mit Kreuzpfoften verfehenen Fenster des Erdgeschoffes rings durch vereinzelte Ruftikaquadern eingefasst. Diese Behandlung gehört mehr der flandrisch-deutschen als der franzöfifchen Schule an. Die Säulen treten auf vorspringenden Sockeln kräftig heraus und tragen ein verkröpftes Gebälk mit Zahnfchnittfries.

In glänzendem Reichthum erhebt fich darüber das erfte Stockwerk, mit gekuppelten korinthischen Säulen gegliedert, deren

OHR unterer Theil mit Masken,

Fig. 112. Vom Stadthaus zu Arras. (Berty.) Ranken und Blätter als leichte Krönung hin.

Hermen, Blumen und Rankenwerk dekorirt ist, während der obere Theil feine Canneluren zeigt. Ueberaus prachtvoll ist der Fries mit Rofetten, Masken und Löwenköpfen in zierlichen Medaillons gefchmückt; ebenso find

am Sockel und der ganzen Brüftung Menschen- und Thierköpfe verwendet, und über den breiten dreitheiligen Fenstern ziehen fich

Das oberste Stockwerk ist in demselben Geiste, nur etwas befcheidener dekorirt, hat aber feinen ursprünglichen Charakter dadurch eingebüfst, dass man die spiralförmig cannelirten Säulen, welche es bekleideten, beseitigt hat. Eine Attika mit Masken in kräftig profilirten Medaillons bildet den Abschluss. Trotz der ftark barocken Elemente zeichnet fich das Werk durch die fast überströmende Energie der Behandlung vortheilhaft aus.

Ein später Nachzügler, mit stark barocker Färbung, ift die Börse zu Lille,') 1651 durch Meister Julien Deftré erbaut. Die derben Ruftikapilaster, mit Hermen wechselnd, geben den beiden oberen Stockwerken ein kraftvolles Gepräge, während das hohe Dach mit feinen Manfarden, allerdings gleich dem Erdgeschofs nicht mehr in ursprünglicher Verfassung, wirksam das Ganze abschliefst. Der Hof hat im Erdgeschofs eine ftattliche dorische Colonnade, darüber ein einziges durch hohe Fenster charakterisirtes Stockwerk.

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§ 85.

STÄDTISCHE WOHNGEBÄUDE IN DEN SÜDLICHEN PROVINZEN.

M Languedoc, wo wir schon in der vorigen Epoche eine wenn gleich nicht ausgedehnte, aber doch im Einzelnen glänzende Bauthätigkeit fanden, treten auch jetzt mehrere ansehnliche Bauten hervor.

Wir nennen zunächst das ftattliche Hôtel d'Affezat zu Toulouse, welches noch auf der Grenze der vorigen Epoche fteht und die Jahrzahl 1555 trägt. Es ist ein Backsteinbau mit reich in Hauftein durchgeführten Gliederungen. Angeblich foll es durch Primaticcio für die Königin Margarethe erbaut worden fein, was indefs als völlig unbegründete Sage zurückzuweisen ist.) Drei Geschoffe mit gekuppelten Säulen, unten dorisch, in den beiden oberen korinthifch, gliedern in der pompöfen Weise der Hochrenaissance die Façade. (Fig. 113.) Die Fenster der beiden unteren Geschoffe haben Kreuzpfoften, letztere find aber durch vorgelegte Voluten mit prachtvollem Akanthus verstärkt und mit Rundbogenfriefen eingefasst, ein wahres Fortiffimo der Dekoration, welches, mit dem Uebrigen in bester Harmonie, einen förmlich berauschenden Eindruck macht. Das oberfte Stockwerk hat jene dreitheiligen, an den Seiten geradlinig, in der Mitte rundbogig gefchloffenen Fenster, welche in der Renaiffance Oberitaliens eine Rolle spielen. Das Hôtel besteht aus einem Hauptbau mit zwei Flügeln, in deren einspringendem Winkel fich rechts ein viereckiger Treppenthurm erhebt. Der linke Flügel hat nur ein Gefchofs mit ftattlicher Freitreppe. An der rechten Seite in der Tiefe des Hofes ift, vielleicht als

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1) Paluftre I, 5 ff. mit Abbildung. 2) Taylor et Nodier, Voyages. Languedoc, Vol. Į P. I. Vgl. damit die fchöne Aufnahme bei Berty, ren. mon. Vol. I, auf elf Tafeln.

Reft eines früheren Baues, ein viereckiger Thurm mit rundem Treppenthürmchen angeordnet. Erwähnen wir endlich noch, dafs die Fenster des Erdgeschoffes in ihren Krönungen bereits zu barocken Formen neigen und dafs das Portal durch fpiralförmig

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gewundene Säulen mehr reich als

rein eingefasst wird.

Hierin gehört ferner das Palais du Capitol derfelben Stadt, prächtig, aber auch fchon etwas barock, obwohl immer noch maafsvoll und ernft.') Ein überreiches Portal mit Victorien über den Bögen, verfchwenderisch eingefafst von doppelten Pilaftern und Halbfäulen ionischen Stiles, trägt einen ausgebauchten Fries, darüber Auffätze mit den Figuren ruhender Sphinxen und gefeffelter Sclaven, darüber ein ähnliches Pilaftersystem korinthischer Ordnung. Zwischen diefem öffnet fich eine Nische mit dem Standbild Heinrichs IV. Wahrscheinlich wurde der Bau, der wohl fchon unter Heinrich II begonnen war, erft unter diefem Fürften vollendet. Die Architektur des Hofes gehört jedenfalls früherer Zeit an als die der Façade und deutet auf einen Architekten, der die antiken Formen nur sehr oberflächlich, gleichfam vom Hörenfagen, kannte. Wunderlich genug durchschneiden fich eine kürzere dorische Pilasterstellung mit schlanken korinthifchen Säulen. Ebenfo feltfam find die drei niedrigen, mit Cherubimköpfen und Laubgewinden dekorirten Attiken, mit welchen mühfam genug die ganze Oberwand gegliedert ift. Das Portal, welches in den Hof führt, zeigt elegante

Fig. 113. Aus dem Hofe des Hôtel d'Assezat.
Toulouse. (Berty.)

1) Abb. in Taylor et Nodier, Voyages pitt. Languedoc, Vol. I, Sér. 1.

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