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$ 80.

DAS SCHLOSS MAUNE.

IE lebhafte Beschäftigung mit geometrischen Formen und Constructionen,

De e der mit Vorliebe

fie gelegentlich dazu, ftatt der naturgemäfsen rechtwinkligen Anlage einzelne Verfuche mit complicirteren Grundriffen zu machen. Der Kreis und die verschiedenen Arten von Polygonen in mannigfacher Anwendung und Verbindung spielen dabei eine Hauptrolle, und es ift, als ob in folchen Compofitionen ein Stück Phantastik aus früheren Epochen nachspuke, um sich auf Koften des fonst so rationellen Baugeistes diefer Zeit geltend zu machen. In Italien ist das Schlofs Caprarola ein merkwürdiges Beispiel dieser Richtung. Für Frankreich liefert du Cerceau wenigftens auf dem Papier in einer Anzahl von Entwürfen feines Livre d'architecture Vorbilder zur Genüge. Freilich bemerkt er dabei gelegentlich, wenn er gar zu feltsame Erfindungen darbietet, er theile fie mit »plus pour plaifir et diverfité que pour autre chôfe.) In Wirklichkeit hat fich ein Bauwerk diefer Gattung bis auf unfere Tage erhalten zum Beweife, dass bisweilen auch hier aus folchen Spielen der Einbildungskraft monumentaler Ernst wurde.

Es ist das kleine Schlofs Maune (Mosne), bei der Eisenbahnstation Tanlay, an der Linie von Paris nach Lyon, im alten Burgund, Departement der Yonne gelegen. 2) Der Herzog von Uzés liefs es in Form eines regelmässigen Fünfecks erbauen, auf deffen Ecken nach aufsen thurmartige Vorsprünge, theils als Erker, theils als Treppen dienend, sich erheben (Fig. 107). In der Mitte des Gebäudes, fagt du Cerceau, ift unten ein Springbrunnen angebracht, um den fich in einem Fünfeck eine doppelte Wendeltreppe hinaufzieht, zur Verbindung der wenigen grofsen Gemächer, in welche die einzelnen Stockwerke getheilt find. Die Treppe ift ganz durchbrochen, so dass man beim Auf- und Abfteigen immer den Brunnen fieht. Derfelbe Gewährsmann rühmt die Zweckmässigkeit der Anlage: »En ce bastiment y a poëlle, estuves, baignoires, fort bien pratiquéz, à caufe de la fontaine: ensemble falles, chambres, garderobbes et toutes commoditez necessaires à un logis, chasqu'un estage accommodé de ce qui y est besoin«. Das Dach des Fünfecks bildet eine Pyramide, aus deren Mitte fich eine kleine Laterne erhebt. Eine ausführliche Beschreibung widmet du Cerceau der Conftruction der Balkendecke mit ihrem reichen Schmuck.

Eine Umfaffungsmauer mit Arkaden umgiebt in Hufeifenform den Bau und öffnet fich gegen ein Gartenparterre mit Weiher und Springbrunnen,

1) Livre d'architecture von 1582 Nr. XXXVIII.

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2) Aufn. bei du Cerceau Vol. I, wo im Text durch einen leicht erklärlichen Druckfehler Manne zu lefen ift, während die Tafeln nach damaliger Schreibweife richtig Maune geben.

das an der entgegengesetzten Seite wieder mit einem Halbkreis abfchliefst. Auf der andern Seite führt vom Schlofs ein Verbindungsgang, der aus offenen Arkaden und einem Dachgefchofs befteht, nach dem äusseren Wirthschaftshofe, der eine ovale Form zeigt, eigentlich zwei Halbkreise, welche durch vorspringende rechtwinklige Bauten verbunden werden. Der dem Schlofs zugewendete Halbkreis enthält im Erdgeschoss offene Arkaden, im Dachgefchofs Dienstwohnungen. Der andere Halbkreis besteht nur aus einer Umfassungsmauer, die in der Mitte durch das Eingangsthor unterbrochen ist. Feftungsartige Mauern, im Rechteck angelegt und von breiten Gräben umschlossen, ziehen fich um die ganze Schlofsgruppe fammt dem Garten herum. Die Architektur des Aeufsern ift von abfoluter Nüchternheit, ohne eine Spur von künftlerischer Form. Wir erwähnen das wunderliche Gebäude nur, weil es für eine Richtung des Baugeiftes jener Zeit bezeichnend ist, im Uebrigen, um mit du Cerceau zu reden, »plus pour plaifir et diverfité que pour autre chose<.

WIR

§ 81.

DIE GÄRTEN DER RENAISSANCE.

IR würden nur ein unvollständiges Bild der französischen Renaissanceschlöffer besitzen, wenn wir nicht einen Blick auf die Gartenanlagen werfen wollten. Schon die mittelalterliche Burg befass, wo irgend der Platz es gestattete, einen Garten, in welchem man aufser den Küchenkräutern und den Fruchtbäumen ein Blumenparterre, namentlich von Rofen und Lilien, Rebengänge, Rafenplätze mit schattenden Bäumen, bisweilen auch Weiher und, wo der Ort es gab, Springbrunnen hatte. In den Gärten stolzirten Pfauen und in den Weihern spiegelten fich Schwäne. Unter Karl V erwähnen die Rechnungen des Louvre einen »Iehan Baril, faiseur de treilles, pour avoir faict un grand préau èsdicts iardins et faict de merrien (de bois) un lozengié tout autour, à fleur de liz et à créneaux «. 1) Doch war immerhin der Raum für folche Anlagen befchränkt, das Leben felbft zu unruhig und kriegerisch bewegt, die Rücksicht auf Befestigung und Vertheidigung zu ausschliesslich, um jenen Gärten eine gröfsere Bedeutung zu geben. Als aber im 15. Jahrhundert das Naturgefühl immer mächtiger erwachte und in der Kunst einen lebhaften Widerhall fand, als die flandrischen Meister zuerst ihre heiligen Gestalten vom Goldgrund erlöften und mitten in das blühende Leben des Lenzes hineinftellten, wurde alsbald auch die Gartenanlage ein Gegenstand künftlerischen Studiums, äfthetischer Ausbildung. Es ift bezeichnend für das gefteigerte Naturgefühl der Zeit, dass wir so oft in den anziehendften Bildern der Meifter des 15. Jahrhunderts die Madonna

1) Comptes du Louvre, citirt von A. Berty, la renaiss. monum. Vol. I.

im Rosenhag dargestellt fehen, und dafs auf allen Bildern ein Teppich von natürlichem Rafen, mit Blumen durchwirkt, fich den Gestalten unterbreitet.

Ueberein

Den entscheidenden Anftofs gab aber auch hier Italien. Schon bei dem Kriegszuge Karls VIII nach Neapel find die Berichterstatter von nichts for entzückt, wie von den bezaubernden Gärten der italienifchen Villen. Die Herrlichkeit des Gartens von Poggio reale feffelt den König und feine Cavaliere mehr als alle andern Schöpfungen der Kunft, und ebenso entzückt spricht fich Jean d'Auton über die Schönheit des Parks von Pavia aus. (Vgl. § 1.) Kein Wunder, dafs fortan bei allen Schlossbauten die Anlage der Gärten mit befonderem Nachdruck gepflegt wurde. stimmend kann man bei aller Abwechslung folgende Grundzüge beobachten.1) Die unmittelbare Nähe des Schloffes, d. h. der herrfchaftlichen Wohnräume, wird für die Anlage eines Parterre von Blumen vorbehalten, so dass man nicht blofs aus den Zimmern den Blick über dasselbe genofs, fondern auch durch Treppen schnell dahin gelangen konnte. Die Anordnung folcher Treppen zur Verbindung mit dem Garten wird z. B. in den Urkunden von. Fontainebleau ausdrücklich vorgeschrieben. Bezeichnend für die künstlerische Gefinnung der Zeit ist die ftreng fymmetrisch-regelmässige Behandlung dieser Blumenparterres, die felbft da feftgehalten wird, wo man im Schlofsbau, durch ältere Theile gehemmt, fich die Regelmässigkeit und Symmetrie versagen musste. Gaillon bietet ein merkwürdiges Beispiel. Die einzelnen Blumenbeete erhalten mannigfaltige Zeichnungen, nicht blofs in rhythmisch bewegten Ornamenten, sondern auch in allerlei Spielereien mit Namenszügen, Emblemen und Devifen. In dem bunten Schmuck diefer unendlich abwechfelnden Formenwelt, die einerfeits an die Mufter der emaillirten Fufsböden, andrerfeits an die Ornamentik der Decken erinnert, hat die dekorative Luft der Renaissance wieder ihre Unerfchöpflichkeit bewährt. Häufig findet man eins oder auch zwei dieser Blumenfelder als Labyrinthe, oder wie es damals hiefs, als Dädalus ausgebildet, eine Form, welche auf die Irrgänge in den Fufsböden der mittelalterlichen Kirchen zurückführt. Was dort dem ablafsbedürftigen Beter als Penfum für feine fromme Kafteiung vorgezeichnet wurde, gewann hier den Charakter eines neckischen Spiels. Solche Labyrinthe zeigt bei du Cerceau der Garten der Tuilerien, und in doppelter Anlage kommen fie in Gaillon und Montargis vor.

Zur befferen Ueberficht des heiteren Ganzen liefs man rings um das Blumenparterre, mit diesem durch Treppen verbunden, erhöhte Terrassen fich hinziehen, breit genug, um einer feftlichen Gesellschaft zum Luftwandeln zu dienen. Von der Sorgfalt, mit welcher man auch diefe Theile ausftattete,

1) Rabelais in feiner Schilderung der Thelemitenabtei (vgl. § 7) giebt auch von den Gartenanlagen das jener Zeit vorfchwebende Idealbild.

geben die Baurechnungen von Gaillon zahlreiche Beweise. Namentlich erhalten die Fufsböden reiche Mufter durch verschiedenfarbige glafirte Steine. Ein Bruchstück folcher Fussböden hat man in neuerer Zeit zu Anet gefunden. In der Regel werden die Terraffen nach aufsen durch Mauern abgeschlossen, aber früh schon umgiebt man fie auf einer oder mehreren Seiten mit bedeckten Arkaden, um je nach Belieben fchattige oder gefchützte fonnige Wandelbahnen zu erhalten. Schon in Gaillon find zwei Seiten des Gartens mit bedeckten Galerieen umzogen, die an den Enden auf Pavillons münden. So gewann man mitten im Garten in der schönsten Umgebung Räume für ftille Zurückgezogenheit und ruhige Meditation. Aehnlich fieht man es an einer Seite der Gärten zu Vallery und zu Chantilly, in noch vollständigerer

L

Fig. 107. Das Schlofs Maune. (Du Cerceau.)

Weise zu Dampierre. Das fchönfte Beispiel bot aber Anet, wo auf drei Seiten das grofse Gartenparterre von Galerieen mit Arkaden in Rustika umzogen wurde, was, wie du Cerceau fagt, »donne au iardin vn merueilleux eclat à la vue«. Bisweilen verbindet man damit kleine Bethäuser, wie die noch gothischen Kapellen im Garten zu Bury und zu Gaillon. Aehnlich zu Blois, wo ein langer gedeckter Laubengang vom Schlofs um drei Seiten des Gartens fich hinzieht und fchliesslich auf die Kapelle mündet. Dagegen sehen wir später de l'Orme im Park von Villers-Coterets eine Kapelle in streng antiken Formen aufführen. Ein Hauch von ftiller Naturandacht mochte in folcher Umgebung diefe kleinen Oratorien umfpielen und den Einfamen zur Sammlung des Gemüthes ftimmen.

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