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antiken Formen gefchaffen. In den Bogenzwickeln der unteren Arkaden find Medaillons, offenbar für Bruftbilder, eingelaffen. Die Plafonds der Galerieen zeigen grofse Mannichfaltigkeit der Eintheilung und Dekoration, alles im Sinn der Antike. Die Frührenaiffance mit ihren übermüthigen Formenspielen und ihren mittelalterlichen Anklängen fpuckt nur noch einmal, luftig genug, in den üppig dekorirten Umrahmungen der Dachfenster.

Treten wir schliefslich noch einmal vor die Façade, um den künftlerischen Eindruck derfelben zu prüfen. Ueber einem niedrigen, als Sockel des Oberbaues behandelten Erdgefchofs erhebt fich ein hohes Parterre, und über diesem ein noch bedeutenderes Obergefchofs. Dann fchliefst der Mittelbau mit Gefims und Balustrade ab, während die Eckpavillons noch ein zweites mit korinthischen Pilaftern dekorirtes Stockwerk zeigen, über welchem fich die fteilen Dächer erheben. Diefen mächtig abfchliefsenden Massen hält der schlanke Glockenthurm des Mittelbaues mit feiner prachtvoli dekorirten Uhr und den beiden achteckigen Laternen ein wirkfames Gegengewicht. Die Gliederung und Dekoration der Façade ist von grofsem Reichthum. Im Erdgeschofs faffen tiefe Bogennifchen die Fenfter ein, welche rechtwinklig, durch Kreuzftäbe getheilt und mit antikem Giebel gefchloffen find. Kräftig vortretende korinthifche Säulen, cannelirt, auf hohen Stylobaten, stark verkröpfte Gefimse ftützend, geben eine ungemein wirkfame Gliederung. Das obere Gefchofs hat enorme Fenster von 20 Fufs Höhe im Lichten und deshalb mit doppelten Kreuzftäben getheilt. Je einfacher aber ihre Umrahmung ift, defto reicher die Decoration der Zwischenwände. Ueber den Säulen des Erdgefchoffes fteigen kurze Pilafter auf, mit vorgelegten Voluten reich gefchmückt. Auf ihren üppigen ftark ausladenden Kapitälen erheben fich fchlanke Tabernakel, mit Rundgiebeln bekrönt, eleganten Bogennifchen als Einfaffung dienend, welche Statuen enthalten. In diefer originellen Decoration fordert die Plastik der Frührenaiffance noch einmal ihr Recht. Dasfelbe gilt in verstärktem Maafse, felbft noch mit gothifirender Tendenz von den Baldachinen der Nifchen, die im Erdgeschofs der beiden Pavillons angebracht find. In diefen Decorationen, fowie in den hohen Dächern mit ihren Fenstern und Kaminen hat der italienische Architekt dem franzöfifchen Nationalgeift feine Conceffionen gemacht.

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§ 60. OEFFENTLICHE BRUNNEN.

AND in Hand mit dem Streben nach reicherem Schmuck des öffentlichen Lebens geht die Errichtung von ftattlichen Brunnen, die fortan im Sinne der Renaiffance zu monumentalen Werken ausgeprägt werden.

Schon das Mittelalter hatte diefen Denkmälern eine befondere Vorliebe zugewandt; aber in der gothischen Epoche hatte die kirchliche Architektur einen zu einfeitigen Einfluss auf ihre Form und Ausbildung gewonnen, und es konnte nicht als eine in tektonischem Sinne angemeffene und wahrhaft künstlerische Löfung betrachtet werden, wenn die Form eines gothischen Thurmes im verkleinerten Nachbild eines Spitzpfeilers als Motiv zum Wafferfpenden zur Verwendung kam. Denn die metallenen Röhren, welche in folchem Fall das Waffer zu vertheilen haben, werden in ihrem rein

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äufserlichen Ansatz an den Körper des Denkmals keineswegs zu künftlerifchen Trägern ihrer Funktion.

Die Renaissance greift zur Form eines weiten Beckens zurück, aus deffen Mitte fich in der Regel ein reich gefchmückter kegelförmiger Pfeilerbau erhebt. Eines der zierlichften Denkmäler diefer Art, noch aus der Epoche Ludwigs XII, befitzt die Stadt Tours. Jacques de Beaune, Seigneur de Semblançay und Gouverneur der Touraine, liefs dasfelbe aus carrarischem Marmor durch den berühmten Bildhauer Michel Columb entwerfen, deffen Neffen Baftien und Martin François es im Jahre 1510 aus

führten. Das kleine Monument') besteht aus einem achteckigen Becken, aus welchem fich ein 15 Fufs hoher pyramidaler Auffatz erhebt. Das Baffin hat auf den Ecken originelle ionische Zwergpilafter mit cannelirten Schäften und in den zierlich umrahmten Feldern Ornamente von Ranken,

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Kränzen und flatternden Bändern. Die Pyramide entwickelt fich in einer Anzahl horizontaler Abschnitte, bei deren Gliederung und Profilirung die Kunft der Renaiffance den ganzen Reichthum ihrer Phantafie aufgeboten hat. Geflügelte Wafferfpeier, deren urfprünglicher Charakter nicht genau

1) Vgl. die Aufnahme bei Berty, ren. mon., Tom. II.

mehr zu erkennen ift, fpenden das belebende Element. Unter den zahlreichen Wappen und Emblemen, die an den Flächen fich finden, fieht man die Namenszüge Ludwigs XII und feiner Gemahlin Anna, von geschmackvollen Ornamenten umgeben. Auffallend genug find am oberen Theile, wo fich aus eleganten Voluten die Spitze in Form einer geschweiften Geländerfäule entwickelt, die Werkzeuge der Paffion angebracht. So spielt der schwache Anklang eines religiöfen Elements in dies rein weltliche Denkmal hinein.

Ein anderes anmuthiges Denkmal diefer Art ift der in Fig. 83 dargeftellte, von 1519 bis 1521 ausgeführte Brunnen zu Mantes. Auf einem achteckigen Becken erhebt fich ein polygoner Pfeiler, auf welchem die runde, mit einem zierlichen Relieffries gefchmückte Schale ruht. Ueber diefer fteigt ein ganz in Plastik aufgelöfter Pfeiler empor, der eine kleinere, noch reicher dekorirte Schale trägt. An beiden Schalen find Masken angebracht, aus welchen fich die Wafferftrahlen in das Becken ergiefsen. Der Charakter des Ganzen ift der einer fpielenden zierlichen Frührenaissance.

Ein Werk von bedeutenderem Umfang ift die Fontaine Delille zu Clermont-Ferrand, von der wir unter Fig. 84 eine Abbildung beifügen.') Sie wurde im Jahr 1515 von Jacques d'Amboife bei der Kathedrale errichtet, neuerdings aber auf die Place Champeix übertragen, wobei das achteckige Becken ungefchickter Weise durch ein rundes erfetzt wurde. In ihrem spielend dekorirten Aufbau und felbft zum Theil in den Einzelheiten der Ornamentik enthält fie noch gewiffe gothische Nachklänge, die jedoch in zierlicher Weife fich mit den Details der Renaissance, mit arabeskengefchmückten Pilaftern, fowie mit mancherlei figürlichem Beiwerk verbinden. Das Ganze macht einen originellen, phantaftisch heiteren Eindruck.

Von der Fontaine des Innocents zu Paris, dem edlen Werke Jean Goujons, ist in § 63 ausführlicher die Rede.

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LS Franz I ftarb, hinterliefs er feinem Sohn und Nachfolger, wenn man Brantôme Glauben fchenken darf, einen Staatsfchatz von drei bis vier Millionen, ohne die jährlichen Einkünfte zu rechnen. Heinrich II trat die Herrschaft an, erfüllt von dem Wunsche, in die Fufsftapfen feines Vaters zu treten, an Pracht, Glanz und Ruhm ihn wo möglich zu übertreffen. Ein fchöner Mann, wohlgewachsen und ftattlich, dem die dunkle Gefichtsfarbe einen befonders männlichen Ausdruck verlieh, abgehärtet und in allen Leibesübungen erfahren, ahmte er nicht ohne Erfolg das ritterliche Wefen feines Vaters nach. Dem Krieg und Soldatenwefen leidenschaftlich ergeben, fetzte er fich Entbehrungen und Gefahren aus wie der gemeine Soldat; es war etwas von jenem Geifte perfönlicher Tapferkeit, der feinen Vater auszeichnete. Ein trefflicher Reiter und leidenfchaftlicher Pferdeliebhaber, wurde er bewundert wegen feiner ritterlichen Haltung; nicht minder hing er wie Franz I an dem Vergnügen der Jagd, namentlich der Hirschjagd, deren Anftrengungen und Gefahren er fich, jeder Witterung trotzend, ausfetzte. Ein Meifter in den verschiedenen Arten des Ballspiels, nahm er auch darin für fich den fchwierigften und gefährlichsten Poften in Anspruch, und zwar nicht aus Gewinnfucht, denn damals fei die Partie nur

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